3823/J XXI.GP
Eingelangt am: 02.05.2002
ANFRAGE
der Abgeordneten Petrovic, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Wirtschaft & Arbeit
betreffend Beteiligung der EVN an zwei Atomkraftwerken in der Schweiz
Die
vor wenigen Tagen durch Medienberichte bekannt gewordene Beteiligung des
niederösterreichischen Stromversorgers EVN an zwei Atomkraftwerken in der
Schweiz beschädigt die Glaubwürdigkeit der Anti-Temelinpolitik des
Landes
Niederösterreich und der
Anti-Atom-Politik der Bundesregierung.
Als
einziger österreichischer Energieversorger ist die EVN, die zu 51 Prozent
im
Besitz des Landes Niederösterreich steht,
an zwei Kernkraftwerken in der Schweiz
beteiligt - darunter an dem wegen Sicherheitsproblemen bereits mehrfach von
Schließung bedrohten Atommeiler Leibstadt. Im Oktober 1998 hat die EVN um
damals mehr als eine Milliarde Schilling fünf Prozent des Schweizer
Stromriesen
ATEL (Aare Tessin AG für Elektrizität) erworben. Inzwischen hat die
EVN weitere
ATEL-Anteile gekauft und besitzt derzeit 6,86 Prozent, wie die Tageszeitung Die
Presse am 19.4.2002
berichtete.
Offiziell
stellte die EVN ihren Einstieg als Beteiligung an einem der wichtigsten
Stromhändler Europas dar. Verschwiegen
wurde, dass ATEL auch einer der größten
Atom-Stromproduzenten der Schweiz ist. ATEL ist nämlich zu 40 Prozent am
Kernkraftwerk Gösgen-Däniken (Beteiligungskapital 350 Millionen
Schweizer
Franken) und zu 25,2 Prozent (450 Millionen Franken) am Kernkraftwerk Leibstadt
beteiligt. Die Beteiligung bedeutet, dass das Land Niederösterreich,
dessen
politische Repräsentanten immer wieder vehement gegen Kernkraftwerke an
Österreichs Grenze auftreten, via EVN und ATEL Mitbesitzer zweier
Atomkraftwerke
ist. Die EVN hat mit der Beteiligung offensichtlich kein Problem. Der
Handelsaspekt
stehe im Mittelpunkt, die ATEL sei der größte Stromhändler
Europas, die EVN sei mit
der Beteiligung "hoch zufrieden", wird EVN-Sprecher Stefan
Szyszkowitz in der
Tageszeitung Die Presse zitiert.
Besonders
problematisch erscheint die Beteiligung der EVN am AKW Leibstadt.
Alleine im Jahr 2001 verzeichnete Leibstadt gezählte zehn
Störfälle. Das AKW
Leibstadt weist die typischen Konstruktionsmängel eines
Siedewasserreaktors auf.
Eklatante Mängel gibt es beim Notstandssystem: Nicht alle Teile wurden
mehrfach
und vollständig voneinander getrennt installiert. Es gibt gemeinsame
Rohrleitungen
und nur ein einziges Wasserreservoir. Tritt hier ein Leck auf, wird die
Kernkühlung
problematisch. Zudem sollen mit diesem Wasser auch die Notstromaggregate
(Dieselgeneratoren) gekühlt werden.
Weiters gibt es nur ein hydraulisches
Notabschaltungssystem. Da die entsprechenden Regelungen erst 1984
eingeführt
wurden, ist das AKW Leibstadt nur ungenügend gegen Flugzeugabstürze
geschützt.
Die
Verflechtungen österreichischer Energieversorgungsunternehmen mit
Atomkonzernen haben die Glaubwürdigkeit der österreichischen
Anti-Atom-Politik in
den letzten Jahren immer mehr untergraben:
• Die Übernahme eines
25-Prozent-Anteils der Energie Steiermark AG durch den
französischen Atomriesen EdF im Jahr 1997
war der erste Schritt. Die EdF will
ihre Sperrminorität EStAG noch weiter erhöhen.
• Im Mai 2001 verkaufte das Land
Kärnten 49 % der Kärntner Energieholding
(KEH) an die RWE. Da die KEH 65 % an der KELAG (Kärntner
Elektrizitäts-AG)
hält - die restlichen 35 % gehören dem Verbund -, besitzt die RWE
jetzt rund 31
% an der Stromfirma. Im Vertrag ist eine
Option auf weitere 49% enthalten.
• Auch der Verbund plant, seine
Wasserkraftwerke (Austrian Hydropower) mit
denen der deutschen E.ON zur "European Hydropower" zu fusionieren.
Daran
würde der Verbund 63 %, die E.ON 37 % halten.
• Der deutsche Atomstromkonzern
Energie Baden-Württemberg (EnBW), deren
größter Aktionär mit 35,5% die französische Electricite de
France ist, pflegt
geschäftliche Verbindungen mit den Vorarlberger Kraftwerken (VKW) und hat
ihren Besitz von Verbund-Aktien im Herbst 2001 auf 6,33 % erhöht. Die
EnBW,
Energie Baden Württemberg ist
außerdem mit knapp zehn Prozent an der EVN
beteiligt.
• Der Atomstromanteil im
österreichische Netz ist vom Jahr 1999 auf 2000 von
mindestens 6,1 auf mindestens 8,9 % angestiegen, Tendenz weiter steigend.
Die nun bekannt gewordene Atom-Affäre der EVN ist der
traurige Höhepunkt einer
seit Jahren verfehlten Energiepolitik, die statt auf eine österreichische
Lösung zu
setzen, sich lieber unter die Kontrolle internationaler Atomkonzerne begibt.
Der EVN-
Skandal hat eine besondere Qualität. Denn
mit der ATEL hat sich die EVN - als
einziger österreichischer Stromversorger
- an einem Kernkraftwerksbetreiber direkt
beteiligt. Dies steht nicht zuletzt auch in einem krassem Widerspruch zu den
mehrfachen Aussagen des niederösterreichischen Landeshauptmannes, wonach
die
österreichische E-Wirtschaft nicht an
Atomkonzerne verkauft werden dürfe.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wie beurteilen Sie die Beteiligung der EVN an zwei
Atomkraftwerken in der
Schweiz vor dem Hintergrund der
Anti-Atom-Politik der Bundesregierung?
2. Erschwert es Ihrer Ansicht nach die
Anti-Atom-Politik der österreichischen
Bundesregierung, wenn österreichische EVU's sich an Atomkraftwerken
beteiligen und/oder internationale Atomkonzerne Anteile an
österreichischen
EVUs erwerben?
3. Wenn nein, warum nicht?
4. Wenn ja, was gedenken Sie im Fall der
gegenständlichen EVN-Beteiligung zu
unternehmen?
Im
Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses (2026 d.B. XX. GP) zum
"Bundesverfassungsgesetz: Atomfreies
Österreich" (BGBI. l Nr. 149/1999) ist unter
anderem im Begründungsteil festgehalten:
"...Diese [die Anti-Atom-Politik] besteht nicht nur in dem eigenen
Verzicht auf
friedliche Nutzung der Kernkraft zum Zwecke
der Energiegewinnung, sondern wirkt
allgemein darauf hin, risikoreichen Umgang mit spaltbarem Material zu
verhindern
und auch andere Staaten dazu zu bewegen, auf die Nutzung der Atomkraft zu
verzichten. (...) Der Zweck dieses Gesetzes
kommt bereit im Titel zum Ausdruck, der
nicht wissenschaftlich, sondern
umgangssprachlich formuliert ist: Österreich soll frei
sein von jenen Gefahren, die die
Nutzung von Atomkraft in sich birgt".
5. Halten
Sie vor diesem Hintergrund die Beteiligung der EVN an zwei
Atomkraftwerken in der Schweiz für mit
der österreichischen Verfassung
vereinbar?
6. Haben Sie den Verfassungsdienst des
Bundeskanzleramtes jemals mit der
Prüfung dieser Frage beauftragt? Wenn nein, warum nicht? Liegen Ihnen
andere
diesbezügliche Rechtsgutachten vor? Wenn
ja, welche?
7. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die seit
Jahren kontinuierlich
ansteigenden Atomstromimporte nach
Österreich?
8. Wie hoch schätzen die Atomstrom-Anteile
am Absatz der einzelnen
österreichischen Energieversorgungsunternehmen?
9. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung
setzen, um dem Trend steigender
Atomstromimporte entgegenzuarbeiten?
10.Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung
einleiten, um einer weiteren
Verflechtung heimischer Energieversorgungsunternehmen mit Atomkonzernen
entgegenzutreten?