Stenographisches Protokoll

101. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 18. April 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

101. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 18. April 2002

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 18. April 2002: 9.01 – 18.17 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz, das Alkoholsteuergesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, die BAO und Artikel 34 des Budgetbegleitgesetzes 2001 (Steuerliche Sonderregelung für die Ausgliederung von Aufgaben der Gebietskörperschaften) geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2002)

2. Punkt: Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat beschlossen und die BAO, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Finanzstrafgesetz, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert werden (Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, AbgRmRefG)

4. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Armenien über die Förderung und den Schutz von Investitionen

5. Punkt: Abkommen über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Islamischen Republik Iran samt Protokoll

6. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Singapur zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll

7. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Nachlass-, Erbschafts- und Schenkungssteuern

8. Punkt: Protokoll zur neuerlichen Abänderung des zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande am 1. September 1970 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete


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der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Schlussprotokoll in der Fassung des am 18. Dezember 1989 in Den Haag unterzeichneten Protokolls

9. Punkt: Bericht über den Antrag 649/A der Abgeordneten Dr. Martin Graf, Dr. Gottfried Feurstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

10. Punkt: Bericht über den Antrag 558/A (E) der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenlegung der Pensionsversicherungen der Bauern und des Gewerbes

11. Punkt: Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (093 Hv 9/02b) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler

12. Punkt: Ersuchen des Landesgerichtes St. Pölten (32 Hv 4/02v) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 11

Ordnungsruf 70

Geschäftsbehandlung

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Ausschussberichte 1088 und 1089 d. B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung 28

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 31

Antrag der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen, die Regierungsvorlage 1002 d. B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat beschlossen und die BAO, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Finanzstrafgesetz, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert werden (Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, AbgRmRefG) (1074 d. B.), in der jeweiligen Fassung des Ausschussberichtes gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 GOG an den Finanzausschuss rückzuverweisen – Ablehnung 40, 63

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung, nachdem Präsident Dr. Heinz Fischer Herrn Abgeordneten Rudolf Edlinger als nächsten Redner angekündigt hat:

Dr. Andreas Khol 44

Ing. Peter Westenthaler 44

Dr. Josef Cap 45

Dr. Alexander Van der Bellen 45

Antrag der Abgeordneten Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen auf Vertagung der dritten Lesung über die


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Regierungsvorlage 1002 d. B. gemäß § 74 Abs. 1 der Geschäftsordnung – Annahme 64, 64

Antrag der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt 67

Unterbrechung der Sitzung 68

Erläuterung des Präsidenten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn betreffend Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3 68

Fragestunde (21.)

Bildung, Wissenschaft und Kultur 11

Mag. Christine Muttonen (142/M); Dr. Sylvia Papházy, MBA, Dr. Andrea Wolfmayr, Dr. Eva Glawischnig

Justiz 13

Dr. Johannes Jarolim (161/M); Ing. Peter Westenthaler, Mag. Heribert Donnerbauer, Mag. Terezija Stoisits

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (159/M); Mag. Terezija Stoisits, Dr. Martin Graf, Dr. Elisabeth Hlavac

Dr. Gabriela Moser (166/M); Dr. Sylvia Papházy, MBA, Mag. Johann Maier, Mag. Dr. Josef Trinkl

Dr. Harald Ofner (164/M); Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Mag. Terezija Stoisits, Anna Huber

Dr. Günther Kräuter (162/M); Edith Haller, Mag. Dr. Josef Trinkl, Dr. Gabriela Moser

Mag. Heribert Donnerbauer (160/M); Mag. Terezija Stoisits, Dr. Michael Krüger, Otto Pendl

Mag. Terezija Stoisits (167/M); Mag. Rüdiger Schender, Dr. Peter Wittmann, Werner Miedl

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 11

Ausschüsse

Zuweisungen 29

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die geplante Beseitigung der Autonomie der österreichischen Universitäten (3760/J) 103

Begründung: Dr. Alfred Gusenbauer 108

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 111


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Debatte:

DDr. Erwin Niederwieser 116

Dr. Martin Graf 119

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigungen) 122, 133

Dr. Andreas Khol 122

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) 124

Dr. Kurt Grünewald 125

Mag. Andrea Kuntzl 127

Mag. Dr. Udo Grollitsch (tatsächliche Berichtigung) 129

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 129

Dr. Sylvia Papházy, MBA 130

Mag. Karin Hakl 131

Dr. Eva Glawischnig 133

Dr. Brigitte Povysil 135

Mag. Johanna Mikl-Leitner 136

Mag. Walter Posch 138

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 139

Dr. Gerhart Bruckmann 139

Mag. Rüdiger Schender 140

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 141

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1031 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz, das Alkoholsteuergesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, die BAO und Artikel 34 des Budgetbegleitgesetzes 2001 (Steuerliche Sonderregelung für die Ausgliederung von Aufgaben der Gebietskörperschaften) geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2002) (1072 d. B.) 31

2. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1034 d. B.): Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1073 d. B.) 31

3. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1002 d. B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat beschlossen und die BAO, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Finanzstrafgesetz, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert werden (Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, AbgRmRefG) (1074 d. B.) 31

Redner:

Dr. Kurt Heindl 31, 59

Hermann Böhacker 33, 61

Mag. Werner Kogler 38, 62

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 40, 62

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 42

Rudolf Edlinger 46

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (tatsächliche Berichtigung) 48

Hans Müller 48

Günter Kiermaier 49

Robert Egghart (tatsächliche Berichtigung) 51

Jakob Auer 51


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Marianne Hagenhofer 53

Mag. Reinhard Firlinger 54

Dkfm. Dr. Hannes Bauer 55

Mag. Cordula Frieser 56

Ing. Kurt Gartlehner 57

Reinhart Gaugg 58

Ing. Hermann Schultes 59

Edeltraud Lentsch 60

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Ziele des Volksbegehrens "Sozialstaat Österreich" unter anderem durch die Abschaffung der unsozialen Besteuerung der Unfallrenten – Ablehnung 53, 63

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1072 und 1073 d. B. 63

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Regierungsvorlage: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Armenien über die Förderung und den Schutz von Investitionen (928 d. B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) 64

5. Punkt: Regierungsvorlage: Abkommen über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Islamischen Republik Iran samt Protokoll (929 d. B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) 64

6. Punkt: Regierungsvorlage: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Singapur zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll (959 d. B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) 64

7. Punkt: Regierungsvorlage: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Nachlass-, Erbschafts- und Schenkungssteuern (963 d. B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) 65

8. Punkt: Regierungsvorlage: Protokoll zur neuerlichen Abänderung des zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande am 1. September 1970 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Schlussprotokoll in der Fassung des am 18. Dezember 1989 in Den Haag unterzeichneten Protokolls (965 d. B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) 65

Genehmigung der fünf Staatsverträge in 928, 929, 959, 963 und 965 d. B. 65

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 649/A der Abgeordneten Dr. Martin Graf, Dr. Gottfried Feurstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1084 d. B.) 66

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 558/A (E) der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen


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betreffend Zusammenlegung der Pensionsversicherungen der Bauern und des Gewerbes (1085 d. B.) 66


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101. Sitzung / Seite 7

Redner:

Franz Riepl 66

Reinhart Gaugg 68

Karl Öllinger 70

Mag. Walter Tancsits 72

Sophie Bauer 73

Sigisbert Dolinschek 74

Rudolf Nürnberger 76

Karl Donabauer 77

Helmut Dietachmayr 80, 99

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 81, 89

Helmut Dietachmayr (tatsächliche Berichtigung) 86

Dr. Martin Graf 86

Josef Horn 88

Dr. Reinhold Mitterlehner 89


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Mag. Christine Lapp 91

Bernd Brugger 92

Gabriele Heinisch-Hosek 92

Ridi Steibl 94

Mag. Christine Lapp (tatsächliche Berichtigung) 95

Heidrun Silhavy 96

Robert Egghart (tatsächliche Berichtigung) 97

Edith Haller 98

Mag. Dr. Josef Trinkl 99

Theresia Haidlmayr 101

Norbert Staffaneller 102

Dr. Gottfried Feurstein 143

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 144

Mag. Beate Hartinger 146

Heidrun Silhavy 146

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Ziele des Volksbegehrens "Sozialstaat Österreich" unter anderem durch die Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren – Ablehnung 77, 148

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sozialversicherung der Bauern – Ablehnung 145, 148

Annahme des Gesetzentwurfes in 1084 d. B. 147

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1085 d. B. 148

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (093 Hv 9/02b) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler (1088 d. B.) 148

12. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes St. Pölten (32 Hv 4/02v) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler (1089 d. B.) 148

Redner:

Heinz Gradwohl 148

Dr. Martin Graf 150

Jakob Auer 151

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 152

Dr. Peter Pilz 153

Annahme der beiden Ausschussanträge in 1088 und 1089 d. B. 154

Eingebracht wurden

Bericht 30

III-149: Bericht über den Zivildienst und die mit ihm zusammenhängende finanzielle Gebarung für die Jahre 1999, 2000 und 2001; BM f. Inneres

Anträge der Abgeordneten

Hermann Böhacker, Peter Haubner, Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung der Stadt Salzburg für die Olympischen Winterspiele 2010 (663/A) (E)

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Harald Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über Sitzverlegungen von Bezirksgerichten in Oberösterreich, Salzburg und Tirol (664/A)

Marianne Hagenhofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neubau des Rieder Stadions (665/A) (E)

Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat beschlossen und die BAO, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Finanzstrafgesetz und das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz geändert werden (Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, AbgRmRefG) (666/A)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auswirkungen des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes auf die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler in Österreich (667/A) (E)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Familienhärteausgleich (668/A)

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz geändert wird (669/A)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend aktive Unterstützung von Friedensverhandlungen im Bürgerkriegsland Sudan (670/A) (E)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsstrafgesetz geändert wird (671/A)

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (672/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die geplante Beseitigung der Autonomie der österreichischen Universitäten (3760/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (3761/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Kollegklasse für Berufstätige in Ternitz (3762/J)

Dr. Gertrude Brinek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend parteipolitische Vereinnahmung einer Schulbehörde durch die SPÖ (3763/J)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend GKK Steiermark und EDV-Projekt "Melde-, Versicherungs- und Beitragswesen" (3764/J)

Günter Kiermaier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend BIG-Liegenschaften in den Bezirken Amstetten, Melk, Scheibbs und Waidhofen/Ybbs (3765/J)

Günter Kiermaier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Waidhofner "Schloß-Deal" (3766/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend den Entwurf einer Verordnung über Verbote und Beschränkungen teilfluorierter und vollfluorierte Kohlenwasserstoffe sowie von Schwefelhexafluorid (HFKW-, FKW-SF6-V) im Hinblick auf österreichische Aspekte (3767/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Halonbankverordnung (BGBl. II 77/2000) (3768/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend den Entwurf einer Verordnung über Verbote und Beschränkungen teilfluorierter und vollfluorierte Kohlenwasserstoffe sowie von Schwefelhexafluorid (HFKW-, FKW-SF6-V) im europäischen Rahmen (3769/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Tierarzneimittel-Anwendungsverordnung und Resistenzen von Mikroorganismen (3770/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Tiergesundheitsdienst Österreich (3771/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zukunft des Wohnbaus (3772/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verlegung des Landesgerichts Wien (3773/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Umsetzung der EU-Biopatent-Richtlinie "zum Schutz biotechnologischer Erfindungen" in Österreich (3774/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Bericht über gemeinwirtschaftliche Leistungen der Post und Telekom Austria AG (3775/J)


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101. Sitzung / Seite 9

Anna Elisabeth Achatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Missbrauch des Asylrechts (3776/J)

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Vorführung eines 16-jährigen Schülers zur Zeugenaussage (3777/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Zukunft des MEK der Innsbrucker Polizei" (3778/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Herstellung von Wettbewerbsgleichheit im Rahmen von Typengenehmigungen nach § 12c WRG durch systematischen Einsatz der EN 12566-3 (3779/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Ladendiebstahl in Österreich" (3780/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Übersiedlung des Gendarmeriebezirkskommandos Villach-Land" (3781/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend derzeitige Personalsituation der Gendarmerie in Vorarlberg (3782/J)

Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Arbeitgeberschulden bei den Gebietskrankenkassen (3783/J)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Zukunft der SEG in Vorarlberg" (3784/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Erhebungen der Staatsanwaltschaft gegen die Staatssekretärin für Tourismus und Freizeitwirtschaft (3785/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Ausschreibungsverfahren der Sektionsleitung Gesundheitswesen im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen (3786/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Gehörlosenambulanzen (3787/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ausführung Widerlagen auf der A 13 im Bereich der Paschbergbrücke West vor dem Bergiseltunnel im Raum Innsbruck (3788/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend erfolglose Lärmschutzmaßnahmen im Bereich der A 12 von km 75,690 bis km 76,180 im Raum Innsbruck (3789/J)

Gerhard Reheis, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die strafrechtliche Beurteilung des Exorzismus (3790/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend "Internet Ombudsmann – Förderungswürdigkeit durch das Justizministerium" (3791/J)


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101. Sitzung / Seite 10

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Familienhärteausgleich (3792/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Neubesetzung des Kuratoriums des Österreichischen Filminstitutes (ÖFI) (3793/J)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Gefährdung Schulverbund-West in Graz (3794/J)

Ing. Kurt Gartlehner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend falsche Information durch die Gemeindebehörde und/oder Bergbaubehörde betreffend eine Schotter-Abbaubewilligung (3795/J)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Rückzug des Staates aus Wirtschaft und Gesellschaft durch Deregulierung von Dienstleistungen (3796/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Bezirksgericht Matrei/Osttirol (3797/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Schließung von Postämtern und Verkehrsfolgen (3798/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend neue Pläne fürs Finanzamt (3799/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen (3419/AB zu 3515/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (3420/AB zu 3464/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (3421/AB zu 3483/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch, Kolleginnen und Kollegen (24/ABPR zu 24/JPR)

 

 


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101. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf die für heute, 9 Uhr, anberaumte 101. Sitzung des Nationalrates eröffnen und Sie alle herzlich begrüßen.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Gatterer, Loos, Murauer und Dr. Partik-Pablé.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für die heutige Sitzung hat das Bundeskanzleramt über eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Regierungsmitgliedern folgende Mitteilung gemacht: Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner wird durch Bundesministerin Dr. Gehrer vertreten, Bundesminister Mag. Grasser wird durch Staatssekretär Dr. Finz vertreten.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen jetzt, um 9.01 Uhr, zur Fragestunde.

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir beginnen mit dem Aufruf der Anfragen. Die 1. Anfrage wird von Frau Abgeordneter Mag. Muttonen formuliert. – Bitte.


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101. Sitzung / Seite 12

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen
(SPÖ): Frau Ministerin! Das MuseumsQuartier ist immer wieder in den Schlagzeilen, leider auch in den negativen. Meine Frage daher:

142/M

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um im MuseumsQuartier für eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen MuseumsQuartier-Betriebsgesellschaft und den diversen Nutzern des MuseumsQuartiers zu sorgen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Das MuseumsQuartier ist Gott sei Dank in den Schlagzeilen, und zwar deshalb in den Schlagzeilen, weil es eine sehr positive Entwicklung nimmt. Zu den Pressekonferenzen des MuseumsQuartiers kommen unglaublich viele Journalisten sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland. Das MuseumsQuartier hat mehr als 770 000 Karten ausgegeben; dabei sind die Besucher gar nicht gezählt, die eingeladen wurden, die bei Pressekonferenzen waren. Ich meine, dass das MuseumsQuartier eine Erfolgsstory ist.

Natürlich ist es so, dass es verschiedene Nutzerinteressen gibt, und es werden in sehr gutem Einvernehmen zwischen der Stadt Wien und dem Bund, die ja die Eigner dieser MuseumsQuartier-Gesellschaft sind, die Fragen besprochen und auch gelöst.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Der Leiter der Betriebsgesellschaft hat angekündigt, seine Rolle als Verwalter des MuseumsQuartiers erweitern zu wollen und künftig auch als Veranstalter aufzutreten.

Meine Frage: Wie stehen Sie zu dieser Vermischung der Rollen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es ist dies keine Vermischung der Rollen. Der Leiter der Gesellschaft, Herr Dr. Waldner, hat den Auftrag, dafür zu sorgen, dass im "Quartier 21" eine lebendige, moderne, junge Kunstszene entsteht. Das ist seine Aufgabe. Er hat das einem Gremium übertragen, das inzwischen verschiedene Vorschläge gemacht hat. Das "Quartier 21" wird derzeit ausgebaut.

Es ist dies also keine Vermischung von Aufgaben, sondern er ist dafür zuständig, dafür zu sorgen, dass sich dort eine lebendige, junge, auch ständig wechselnde Kulturszene etablieren kann. Da gibt es überhaupt keine Vermischung von Aufgaben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Papházy, bitte.

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Mich persönlich würde interessieren, welche Maßnahmen von Seiten des MuseumsQuartiers zur Steigerung der Besucherzahlen geplant sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Im MuseumsQuartier werden derzeit noch zahlreiche Renovierungsarbeiten vorgenommen. Der Fischer-von-Erlach-Trakt wird bis im Herbst bezugsfertig sein, dann werden die jungen Kulturinitiativen einziehen können. Das Museum Moderner Kunst wird derzeit vom neuen Direktor umgestaltet, der etwas andere Vorstellungen hat als Direktor Hegyi vorher. Herr Direktor Köb wird eine Neuaufstellung vornehmen, und dann wird auch das Museum Moderner Kunst ein sehr attraktiver Anziehungspunkt sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Wolfmayr, bitte.

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Frau Bundesministerin! Sie haben meine Frage zwar schon teilweise beantwortet, ich möchte sie aber noch einmal ausführlicher stellen betreffend die Situation der zeitgenössischen Kunst und der Künstler. Welche Maßnahmen werden in diesem Zusammenhang gesetzt für die flexible Nutzung, speziell jetzt im "Quartier 21"?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Es hat sehr lange Diskussionen gegeben, ob das "Quartier 21" endlich umgebaut werden kann. Der Leiter der Kunsthalle Wien hat leider seine Büros im "Quartier 21" nicht geräumt. Es ist dann schlussendlich, obwohl ein Vergleich ausgemacht war, zu einer Verhandlung vor dem Bezirksgericht gekommen, und bei dieser Gerichtsverhandlung hat es einen unbedingten Vergleich gegeben. Nach diesem unbedingten Vergleich – das heißt, es kann nicht mehr dagegen berufen werden – müssen die Büroräumlichkeiten, die Herr Dr. Matt bisher hatte, bis 13. Mai geräumt werden. Dann kann der tatsächliche Umbau endlich beginnen.

Die Kunstfirma Public Netbase ist inzwischen auch ausgezogen. Bürgermeister Häupl hat in einer Pressekonferenz festgestellt, dass Public Netbase inzwischen zu groß ist und sich zu sehr ausgebreitet hat, um noch Platz im MuseumsQuartier zu finden. Public Netbase hat am Spittelberg eine eigene Unterkunft gefunden.


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Es heißt jetzt also, das Fischer-von-Erlach-Haus endlich umzubauen, nachdem diese Unstimmigkeiten endlich ausgeräumt sind, und ab Herbst können dann die jungen Kulturinitiativen einziehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig, bitte.

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Frau Bundesministerin! Das Kunsthistorische Museum ist das größte der Republik Österreich und bekommt fast 200 Millionen Schilling an öffentlichen Förderungen. Die letzten Trends sind eher negativ: sinkende Besucherzahlen, stagnierende Einnahmen. Und aus meiner Sicht ist es auch sehr negativ, dass nun SchülerInnen keinen freien Eintritt mehr haben. Was werden Sie dagegen unternehmen, sodass diese negativen Trends aufgehalten werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Minister.

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Das Kunsthistorische Museum ist nach wie vor ein Erfolgsmuseum. Die tatsächlichen Besucherzahlen können noch nicht bekannt sein, da wir jetzt den April des Jahres 2002 haben. Es gibt sensationelle Besucherzahlen sowohl bei der Sonderausstellung, die derzeit läuft, als auch bei der Glasausstellung.

Die wirkliche Schwierigkeit der Museen ist das auf fünf Jahre gedeckelte Budget, denn die Museen müssen sowohl Gehaltserhöhungen als auch Steigerungen durch Struktureffekte, allfällige Änderungen in ihrem eigenen Budget auffangen. Es ist daher natürlich eine enorme Herausforderung für sie, mit diesem gedeckelten Budget auszukommen.

In nächster Zukunft muss ganz sicher auch im Parlament die Diskussion geführt werden, wie lange dieses gedeckelte Budget bei den Museen aufrechterhalten werden kann. Und das gedeckelte Budget ist eben die Schwierigkeit, unter der auch das Kunsthistorische Museum leidet. Es ist eine große Aufgabe auch des Parlaments, dieses gedeckelte Budget zu diskutieren und sich zu fragen, was man da verändern kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke der Frau Bundesministerin, die diese eine Frage noch zu beantworten hatte.

Justiz

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen jetzt zu den Fragen an den Herrn Justizminister. Herr Abgeordneter Dr. Jarolim formuliert die Frage 161/M. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

161/M

Welche Vorkehrungen wurden von Ihnen getroffen, damit nicht unter dem Titel "Antiterror-Paket" Rechte der BürgerInnen des Landes unverhältnismäßig beschränkt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Bei den legistischen Maßnahmen werden immer Vorkehrungen getroffen, dass die Rechte der Bürgerinnen und Bürger nicht in unverhältnismäßigem Ausmaß beschränkt und beeinträchtigt werden. Es hat allerdings der 11. September 2001 ein gewisses Umdenken in der Frage der Terrorismusbekämpfung gebracht, auch im Hinblick darauf, dass es sich ja um zum Selbstmord bereite Attentäter handelt und man auch das Vorfeld, die Vorbereitung solcher Delikte genauer überprüfen und auch tatbestandsmäßig behandeln muss.


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In diesem Bereich ist über Wunsch auch der internationalen Vereinigungen mittlerweile einiges geschehen und im Gange, aber ich gebe Ihnen Recht: Man muss bei diesen legistischen Maßnahmen natürlich beachten, dass nicht unverhältnismäßig in Grundrechte und in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger eingegriffen wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Bundesminister! Im so genannten Antiterror-Paket ist vorgesehen, dass künftig jeder Staatsbürger, wenn er das will, mit Bespitzelungstätigkeiten hinsichtlich Mitmenschen betraut werden kann. Experten sprechen in diesem Zusammenhang von einem Blockwart-Ermächtigungsgesetz (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage!) und einem Antibürgergesetz. Wie ist Ihre Stellungnahme dazu?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Dazu kann ich nur sagen, dass dieses Antiterror-Paket in Begutachtung ist, dass sich alle relevanten Organisationen, auch die Hochschulprofessoren, natürlich an dieser Diskussion beteiligen und dass das System, das Sie hier beschreiben, von mir in dieser Präzision nicht nachvollzogen werden kann, zumal es, wie ich schon gesagt habe, unsere Absicht ist, dass die Bürger in ihren Rechten und Grundfreiheiten nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler, bitte.

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Wir sind natürlich sehr froh über dieses Antiterror-Paket, man muss aber bedenken, dass Terror und politischer Terror ihren Ursprung vorwiegend in Extremismen haben – ob von links oder von rechts, das sei dahingestellt (Abg. Dietachmayr: Frage!), aber auf jeden Fall in Extremismen – und dass Extremismen durch Parolen gepflogen werden. So ist es auch in den vergangenen Tagen vorgekommen (Abg. Dietachmayr: Was ist mit der Frage?), dass an verschiedenen Örtlichkeiten unseres Landes Naziparolen wie zum Beispiel "Sieg Heil!" gerufen wurden.

Meine Frage an Sie ist, wie die österreichische Justiz agiert und eine Naziparole wie "Sieg Heil!" verfolgt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte um Beantwortung.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich muss sagen, diese Frage ist natürlich – der Tatsache kann sich ja niemand verschließen – mit tatsächlichen Vorgängen der letzten Tage assoziierbar. Ich möchte vorweg betonen, dass ich in meiner Amtstätigkeit noch nie zu einem laufenden oder in Gang kommenden Verfahren eine Äußerung abgegeben habe und dies auch in Zukunft nicht tun werde. Das, was ich jetzt sagen werde, ist abstrahiert zu sehen und kann sich nur auf die geltende Rechtslage beziehen.

Tatsache ist, dass die von Ihnen genannte Parole geeignet ist, und zwar objektiv geeignet ist oder wäre – ohne jetzt die subjektive Tatseite zu beurteilen oder zu kommentieren –, den Tatbestand nach § 3g des Verbotsgesetzes zu verwirklichen.

Das ist aber, wie gesagt, kein Kommentar zu allenfalls in Gang gekommenen oder in Gang kommenden behördlichen Verfahren – ich bin über diese auch nicht informiert. An sich wird aber die Justiz mit Sicherheit objektiv und ohne Ansehung der Person so wie bisher ermitteln, wenn sie dazu aufgefordert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer, bitte.

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Nach den tragischen Ereignissen im September des Vorjahres wurden auf europäischer Ebene ver


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schiedene Maßnahmen, unter anderem die Einführung eines europäischen Haftbefehls, vereinbart.

Welche Maßnahmen sind von Ihnen geplant, um diese Vereinbarungen, insbesondere den europäischen Haftbefehl, auch umzusetzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Der europäische Haftbefehl ist ein ausdrücklicher politischer und rechtlicher Wunsch grundsätzlicher Art der EU. Er wurde nach dem 11. September 2001 aktualisiert, und er bedeutet, dass zwischen den Mitgliedstaaten der EU ein so genanntes vereinfachtes, gemeint ist ein beschleunigtes, Auslieferungsverfahren stattfindet.

Der Grundsatz dieses neuen Prozesses ist, dass es nicht nur bei der gegenseitigen Strafbarkeit, sondern auch auf Grund bestimmter, in einer so genannten Positivliste angeführter Delikte zu einem Auslieferungsverfahren kommen kann. Voraussetzung dafür ist, dass diese Delikte in jenem Staat, der die Auslieferung begehrt, mit mindestens drei Jahren bestraft sind. Dann kann es nach Umsetzung eines Rahmenbeschlusses vom Dezember 2001 auch zur Auslieferung eigener Staatsbürger, und zwar theoretisch, kommen.

Die österreichische Verfassungslage verbietet die Auslieferung eigener Staatsbürger. Wir haben zur Umsetzung dieses Beschlusses als einziger Mitgliedstaat eine Zusatzfrist von fünf Jahren bekommen. Es ist außerdem klar, dass wir nicht ausliefern, wenn im Inland bereits ein Verfahren gegen den Auszuliefernden durchgeführt wurde. Auch dann, wenn es zur Einstellung dieses Verfahrens kommt – das wird aber auch eine Frage der Umsetzung sein –, findet eine Auslieferung eigener Staatsbürger zum Beispiel nicht statt; auch in Zukunft nicht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Ich habe eine ganz konkrete Frage an Sie als obersten Weisungsgeber der Staatsanwälte in Österreich: Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass der Sprecher der StA Wien eine Anzeige, die bei der StA eingelangt ist, der Öffentlichkeit, in diesem Fall der Austria Presse Agentur, bestätigt hat, obwohl die Anzeige erst am nächsten Tag eingelangt ist? (Abg. Mag. Schweitzer: Das kann nicht stimmen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister! Die Anfrage betrifft das Antiterror-Paket. (Abg. Mag. Stoisits: Die Frage ist im Anschluss an ...! – Abg. Mag. Schweitzer: Du hast dort immer angerufen, habe ich gehört!) Hinsichtlich des Zusammenhangs bitte ich Sie, zu prüfen, ob Sie die Frage beantworten wollen. Das ist unsere ständige Praxis. – Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich möchte die Frage beantworten, weil diese und ähnliche Fragen ja oft zu Missverständnissen führen, und das ist das Letzte, was wir in der Justiz brauchen können.

Erstens: Ich zweifle überhaupt nicht daran, dass die Auskunft des Leiters der StA Wien seinem Wissensstand entsprochen hat. Zweitens gehe ich davon aus, dass hier ein Sachverhalt vorlag, der ihn, wenn die Auskunft so erteilt wurde, verpflichtet hat, diese Auskunft zu geben. Drittens kenne ich aber diesen Sachverhalt natürlich nicht.

Ich sehe ein, dass Sie ein Informationsbedürfnis haben, und werde alles daransetzen, um möglichst bald den wahren Sachverhalt aufzuklären. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 3. Anfrage: Frau Abgeordnete Dr. Fekter formuliert diese. – Bitte.


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Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter
(ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

159/M

Welche konkreten Maßnahmen haben Sie im Bereich des Opferschutzes gesetzt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Im Bereich des Opferschutzes hat das Budget des Justizministeriums erstmals in der Nachkriegsgeschichte eine Position von 3 Millionen Schilling vorgesehen, mit deren Hilfe Prozessbegleitung finanziert werden muss. Ich sage das so deutlich, weil das oft mit Opferentschädigung verwechselt wird. Prozessbegleitung bedeutet, dass Verbrechensopfer Hilfestellung bekommen, und zwar durch Beistellung von Anwälten, Therapeuten und Sozialhelfern.

Wir haben diesen Fonds eingerichtet und Vorsorge getroffen, dass das Geld den Opfern oder ihren Anwälten, Therapeuten und Sozialhelfern direkt zugeführt wird. Wir konnten alle Fälle, die an uns herangetragen wurden und förderungswürdig waren, beurteilen und positiv behandeln. Es wurde kein einziges Förderungsansuchen zurückgewiesen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): In diesem Zusammenhang ist es so, dass Opfer eigentlich relativ wenig bezüglich ihrer Rechte wissen und dass Rechtsbelehrungen, soweit sie in Formularform vorliegen, oft unverständlich oder missverständlich sind. Werden Sie auch da die Situation verbessern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Die Situation müsste meines Erachtens schon verbessert sein, weil eben diese Anwälte beigestellt werden und Anwälte auch Interpreten der auf das Opfer bezogenen Situation sind. Darüber hinaus sind entsprechende Informationsverbesserungen in der neuen StPO-Vorverfahrens-Novelle vorgesehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Wenn es um Opferschutz geht, sind uns Jugendliche ein ganz besonderes Anliegen. Deshalb die wirklich aktuelle Frage:

Haben Sie allen Ernstes die Absicht, eine der bewährtesten und vor allem auch international anerkanntesten Institutionen, die es im österreichischen Justizwesen gibt, nämlich den Jugendgerichtshof Wien, schlicht und einfach einzusparen, indem Sie ihn ausgerechnet einer Institution, die wohl eine der umstrittensten ist, nämlich dem so genannten Grauen Haus, Landesgericht für Strafsachen, einverleiben?

Ich kann nicht glauben, Herr Minister, dass Sie das wirklich vorhaben, weil ich Sie bis jetzt immer als jemanden, der gerade für Jugendliche und in diesem Sektor sehr stark Partei ergreift, eingeschätzt habe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, es gilt das vorher Gesagte. – Sie sind am Wort.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Das, was Sie sagen, ist richtig: Der Jugendschutz und die Jugendstrafsachen liegen uns besonders am Herzen, nicht nur die Vorverfahren, also die Behandlung der Jugendlichen in der allfälligen Untersuchungshaft, sondern auch ihre Privilegien und besonderen Rechte in der Hauptverhandlung sowie im Strafvollzug.


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Es ist natürlich nicht daran gedacht, den Jugendgerichtshof einzusparen oder aufzulösen, es liegt nur folgende Situation vor: Der Jugendgerichtshof hat einige rechtliche Besonderheiten, die denjenigen – und da gehören wir beide, denke ich, dazu –, denen der Rechtsstaat besonders am Herzen liegt, wegen deren Absonderlichkeit auffallen und bei denen ein gewisser Reformbedarf besteht.

Es sind dort zum Beispiel Bezirksrichter und Richter der Landesgerichtsebene in einer Dienststelle vereint. Es kann etwa dazu kommen, dass der Jugendgerichtshof wegen bestimmter Vorfälle und Vorgänge im Pflegschaftsverfahren plötzlich zuständig wird und ein Akt eines Bezirksgerichtes dorthin transferiert wird. Das sind Dinge, die in rechtsstaatlicher Hinsicht Sorge auslösen.

Es wird überhaupt nichts vom Privilegienbereich und von den Besonderheiten der Jugendgerichtsbarkeit eingeschränkt werden. Bitte, es ist sehr wichtig, dass Sie das zur Kenntnis nehmen. Die Jugendrichter, die jetzt in Jugendstrafsachen judizieren, und die Staatsanwälte, die jetzt in Jugendstrafsachen staatsanwaltliche Tätigkeiten verrichten, werden dies selbstverständlich auch weiterhin tun.

Man muss aber auch dann, wenn man sozial oder fürsorglich denkt, betriebswirtschaftliche Überlegungen mit berücksichtigen. Die gesamte Situation um den Jugendgerichtshof macht es jetzt möglich, ihn in freien Raumkapazitäten beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu integrieren. Es ist klar, dass das nicht mit einer Änderung der Judikatur verbunden ist. Die Integration in das Landesgericht für Strafsachen bedeutet keine Verschlechterung der Situation. Ich weise es zurück, dass die Richter des Landesgerichtes für Strafsachen angeblich eine andere Rechtsprechungsqualität als die Jugendrichter repräsentieren.

Die Staatsanwälte werden ebenfalls in diesem Gebäude ihrer Tätigkeit nachgehen können.

All das ist organisatorisch möglich, weil der Präsident des Jugendgerichtshofes am Ende dieses Jahres in Pension geht. Es werden also auch keine personellen Probleme ausgelöst – das Gleiche gilt für die Leitung der StA Wien.

Es ist insgesamt eine Situation gegeben, die man mit folgendem Schlussstrich beschreiben kann: Es gibt nicht die geringste Verschlechterung der rechtlichen Qualität, der rechtlichen Situation, der Rechtsprechung für die Jugendlichen, auch nicht für die jungen Erwachsenen; im Gegenteil, wir lassen soeben einen Trakt für 70 Insassen in der Justizanstalt Josefstadt speziell für die Bedürfnisse und Erfordernisse der Jugendlichen und jungen Erwachsenen umbauen.

Alle negativen Einwände, die Sie hier vorgebracht haben, sind eigentlich nur Gerüchte, die sich demnächst auflösen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Graf, bitte.

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Opfer verdienen vor Gericht den besten Rechtsschutz und die beste Rechtsvertretung zur Durchsetzung von berechtigten Interessen.

Wie werden Sie sicherstellen, dass Opfer auch in Zukunft einen Rechtsanspruch auf rechtsfreundliche Vertretung ihrer Interessen vor Gericht durch Rechtsanwälte haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Opfer sind in den letzen Jahrzehnten von der Legistik und von der Politik her tatsächlich nicht so behandelt worden, wie es ihnen zukäme. Das ist eine große Sorge, der ich mich mit viel Energie widme.

Opferschutz wird von uns im Bereich der Prozessbegleitung bereits erfolgreich praktiziert. Wir haben mit dem beschriebenen Fonds im ersten Jahr 54 Verbrechensopfern, im zweiten Jahr 258 Opfern geholfen. Die Zahl wird im Laufe dieses Jahres weiter steigen. Die Opfer werden in


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der Strafprozess-Vorverfahrens-Novelle besondere Rechte erhalten. Es gibt außerdem eine sehr Erfolg versprechende Zusammenarbeit mit Sozialminister Mag. Haupt, um weitere Opferschutzeinrichtungen in Österreich zu etablieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Hlavac, bitte.

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Herr Bundesminister! Sie haben soeben ausgeführt, dass Sie keine wirkliche inhaltliche Änderung bei der Jugendgerichtsbarkeit wollen. Ich muss Sie trotzdem fragen: Wieso haben Sie die geplanten Maßnahmen bezüglich der Gebäude nicht mit verschiedenen Stellen, mit dem Präsidenten des Jugendgerichtshofes selbst oder auch mit der Gemeinde Wien, besprochen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Da es, denke ich, zum richtigen politischen Stil gehört, zunächst einmal politischen Konsens in der Regierung herbeizuführen. Das ist ja die erste Station der Diskussion und keinesfalls die letzte. Es hat keinen Sinn, mit einer Idee an die Öffentlichkeit zu treten und dann abzuwarten, ob sie für gut oder für schlecht befunden wird. Eine sachbezogene Politik bedeutet vielmehr, dass man zunächst einmal – ich denke, dass Sie mir darin Recht geben werden – den politischen Konsens zwischen den Regierungsparteien herstellt.

Dieser Konsens wurde am Dienstag hergestellt, und in der nächsten halben Stunde wurden bereits Briefe an die Betroffenen, vor allem an die Standesvertreter der Richter und Staatsanwälte, versandt, um das mit ihnen zu diskutieren. Wir haben ja keine Regierungsvorlage eingebracht, sondern einen politischen Konsens herbeigeführt. Ich halte es nämlich für richtig, in der richtigen Reihenfolge zu diskutieren. Wichtig ist dabei, dass man niemanden auslässt, und wir werden bei der Diskussion niemanden auslassen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 4. Anfrage, die Frau Abgeordnete Dr. Moser stellt. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

166/M

Wollen Sie den Konsumentenschutz in Österreich tatsächlich schwächen, indem das Justizministerium, wie von Ihnen angekündigt, die Zahlungen an den VKI einstellt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich bitte Sie, die gesamte Situation zu studieren und Folgendes – wohlwollend, bitte, wenn es geht – zur Kenntnis zu nehmen: Es gibt im VKI, also im Verein für Konsumenteninformation, ein Problem, das wie folgt aussieht: Ich bin sehr sachlich, aber auch sehr energisch an den Konsumentenschutz herangegangen und habe insbesondere die auf dem Tisch gelegene Hauptfrage der Zinsenrückforderungsansprüche zu Gunsten der Konsumenten, gegen die Banken, zu einem Hauptthema gemacht. Ich stehe voll und ganz hinter dieser Aktion und bekomme diesbezüglich auch von der Bevölkerung große Akzeptanz.

Das war aber einigen zu viel, vor allem, das sage ich ganz offen, auch den Sozialpartnern. Die Sozialpartner, mit Ausnahme des Gewerkschaftsbundes, aber darauf kommt es rechtlich nicht an, haben mir gegenüber deshalb einen Zusammenarbeitsvertrag im VKI aufgekündigt. Die vier Sozialpartner leisten im VKI derzeit einen Mitgliedsbeitrag von zirka 22 Millionen Schilling. Das Justizministerium verdoppelt diesen Betrag, und auf Grund eines Stimmbindungs- oder Syndikatsvertrages bestand die Verpflichtung, dass man in besonders wichtigen Fragen gemeinsam handelt und entscheidet.


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Diese Vereinbarung wurde von den Sozialpartnern, mit Ausnahme des Gewerkschaftsbundes, aufgekündigt. Dadurch wurde uns, also der Republik Österreich, der Boden für die Mitarbeit im VKI entzogen. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist eine Märchenstunde!) Ich denke, es ist eine richtige Vorgangsweise, die Verfassung in einer solchen Situation zu beachten – sie schreibt vor, dass die öffentlichen Mittel zweckmäßig, sparsam und rechtmäßig verwendet werden müssen. Nachdem mir, also der Republik Österreich, die Zusammenarbeitsvereinbarung aufgekündigt wurde, kann ich hinsichtlich der Art und Weise der Mittelverwendung nichts mehr überblicken. Ich kann nicht mehr Einfluss nehmen, ich weiß nicht mehr, was mit dem Geld geschieht. Ich warte auf ein Gespräch mit den Sozialpartnern, das die Situation neu ordnet.

Ich bin also in dieser Frage nicht der Agierende, sondern der notwendigerweise auf Basis der Verfassung Reagierende. Und wenn Sie das einmal genau betrachten, werden Sie sehen, dass Sie in Wirklichkeit einen Minister vor sich haben, der einen wirklichen, effizienten und unabhängigen Konsumentenschutz haben will. Ich bitte, mein Handeln in diesem Bereich genau zu betrachten, Sie werden sehen, dass ich Recht habe. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Minister! Selbstverständlich wollen wir die Sache möglichst wohlwollend betrachten und vor allem für die Konsumentinnen und Konsumenten die optimale Lösung herbeiführen. Aber: Dazu bedarf es auch einer Finanzierung von Seiten der öffentlichen Hand. Bedenken Sie, dass vor allem in unserem Nachbarland Deutschland insgesamt über 30 Millionen € für die KonsumentInnenanliegen bereitgestellt werden! In Österreich war das nach meiner kurzen Überschlagsrechnung von Ihrer Seite bisher nur eine Summe von zirka 1,3 Millionen €.

Sie haben im Ausschuss zugesagt, dass Sie den Konsumentenschutz aufstocken wollen. Mir ist klar, die Situation ist rechtlich für Sie jetzt etwas unangenehm (Rufe bei der ÖVP: Frage!), aber trotzdem kommt es darauf an, wirklich wieder diese Anliegen zu ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um die Frage!

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Die Frage lautet: Welche zusätzlichen Schritte werden Sie unternehmen, damit wirklich genügend Mittel bereitgestellt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich werde jede Bemühung unternehmen, damit die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden. Meiner Meinung nach wollen aber die Sozialpartner momentan nicht mit der gleichen Energie Konsumentenschutz für die Konsumenten betreiben wie ich. So einfach ist das. Ich kann Ihnen nur sagen, diese Energie ist gefragt und wird auch von der Bevölkerung angenommen.

Ich habe mich gestern mit den Sozialpartnern getroffen und habe ihnen in einem ruhigen Gespräch meine Position klargelegt. Wir haben in folgenden Fragen eine Annäherung erzielt: Wir haben eine Annäherung in der Frage der besseren Absicherung der Republik Österreich in den Statuten erzielt sowie eine Annäherung in der Frage, dass und ob wir gegenüber den Banken eine gemeinsame – und ich meine etwas konsequentere – Linie verfolgen. Wir werden natürlich auch in anderen Fragen versuchen, mit den Sozialpartnern zusammenzuarbeiten.

Aber vergessen Sie bitte eines nicht: Im Mittelpunkt unserer Bemühungen muss der Konsument stehen und nicht , dass die Sozialpartner das restliche Österreich von der Konsumentenschutztätigkeit im VKI ausschließen. Ich will, dass dort auch die Senioren, die Jugend und alle gesellschaftlich relevanten Gruppen vertreten sind und dass wir einen unabhängigen Konsumentenschutz haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Papházy, bitte.


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101. Sitzung / Seite 20

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA
(Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Mich interessiert Folgendes: Wie stellen Sie sich einen unabhängigen Konsumentenschutz vor?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich habe das soeben angedeutet: Ein unabhängiger Konsumentenschutz müsste so eingerichtet sein, dass der Wirtschaftskörper, der Konsumentenschutz betreibt, für sich selbständig tätig ist und dass er naturgemäß zum Beispiel von den Sozialpartnern der Republik Österreich oder anderen Verbänden kontrolliert werden kann, aber in seiner objektiven und operativen Tätigkeit nicht im Tagesgeschäft beeinflusst werden kann. Diese Situation ist aber zurzeit leider gegeben.

Ich habe den Sozialpartnern angeboten, ein Stiftungsmodell zu überlegen, weil mit einem solchen gesellschaftsrechtlichen Modell am ehesten das Ziel des unabhängigen, also unbeeinflussten und unbeeinflussbaren Konsumentenschutzes verwirklicht werden kann. Ich hoffe, dass die Sozialpartner die von mir ausgestreckte Hand ergreifen, weil letztlich soll der Konsument im Mittelpunkt des Konsumentenschutzes stehen und nicht etwa eine Sozialpartnerschaft, die mit sich selbst beschäftigt ist und die vor allem oder zumindest auch an ihre eigenen Interessen denkt. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist eine ausgestreckte Faust!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist noch der Herr Minister. Ich habe das Mikrophon irrtümlich zu früh ausgeschaltet. – Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer (fortsetzend): Tatsache ist, dass es mir darum geht, dass der Konsumentenschutz agieren kann und Aktionsmöglichkeiten hat, und zwar frei von Einflussnahmen. Diese Freiheit von Einflussnahmen hat er jetzt noch nicht. In diesem Sinne werde ich versuchen, weitere Gespräche zu führen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Maier, bitte.

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Bundesminister! Wie kommen Sie dazu, dem Verein für Konsumenteninformation vorzuwerfen, er würde sich in der Frage der Zinsenrückberechnungen – oder überhaupt – gegenüber den Banken zurückhalten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich habe diesen Vorwurf gegenüber dem Verein für Konsumenteninformation nicht erhoben. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: So genau wollen wir es gar nicht wissen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Trinkl, bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Bundesminister! Sie wissen, dass die Aufgabe des VKI in erster Linie die der Konsumenteninformation und nur in beschränktem Ausmaß die des Konsumentenschutzes war. Jetzt meinen Sie, dass Sie, wenn man diese Frage umfassender angehen möchte, eine Stiftung ins Leben rufen möchten, denn das wäre ein Weg, die Konsumenteninformation und den Konsumentenschutz in Form einer Stiftung zusammenzubringen.

Wie stellen Sie sich vor, dass diese Stiftungsmittel, die ja sehr hoch sein müssten, um eben aus den Erträgen dann die Aufgaben erfüllen zu können, auch aufgebracht werden könnten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich habe gestern eben diese Idee den Sozialpartnern – und das nicht zum ersten Mal – vorgetragen. Es wurde der Einwand erhoben, das würde sehr viel Geld kosten. Meine Einstellung ist Folgende: Auch wenn etwas viel Geld kostet, es jedoch einer guten Sache dient, sollte man es weiter verfolgen. Mein Vorschlag an die Sozialpartner war, dass sie mir gestatten – das war bisher nicht der Fall –, ein gemeinsames Kon


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zept für den VKI zu beauftragen und von professionellen Unternehmensberatern entwickeln zu lassen. Diese Frage soll von professionellen Unternehmens- und Finanzierungsberatern geprüft werden. Nur das wünsche ich derzeit.

Ich will nichts Unmögliches, aber was mir fehlt, ist der selbstverständliche Schritt, der auch in der Privatwirtschaft gemacht würde, wenn einem ein Projekt vorschwebt. Dieser Schritt soll jetzt auch im Bereich des VKI gesetzt werden, nämlich die professionelle Prüfung der Frage, welches Modell für die Aufgabenstellung des VKI das ideale und bestmögliche wäre. Danach wird die Frage zu prüfen sein: Können wir es verwirklichen oder können wir es nicht verwirklichen?

Das Ja der Sozialpartner zu diesem an sich selbstverständlichen Grundsatzplan fehlt noch, es soll aber in den nächsten Wochen verhandelt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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101. Sitzung / Seite 22

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Die 5. Anfrage wird von Herrn Abgeordnetem Dr. Ofner formuliert. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Ich darf zunächst eine erläuternde Bemerkung an Sie und an das Haus richten. Es schaut auf den ersten Blick so aus, als ob die Frage 5 identisch mit der Frage 3 wäre. Ich bitte Sie, das so aufzufassen, dass sie im Gegensatz zur Frage 3 zukunftsorientiert gestellt worden ist und richte sie nun an den Herrn Bundesminister.

164/M

Welche Fortschritte verzeichnen Sie auf dem Sektor des Opferschutzes?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.


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101. Sitzung / Seite 23

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer:
Auf dem Sektor des Opferschutzes verzeichnen wir folgende Fortschritte: Wir haben im ersten Jahr 54 Verbrechensopfer im Rahmen der Prozessbegleitung betreut, im zweiten Jahr waren es bereits 258, im dritten Jahr werden es noch mehr sein. (Abg. Parnigoni: Das haben Sie aber schon beantwortet! Fällt Ihnen nichts Zukunftsorientiertes ein?) Im ersten Jahr haben wir 3 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt, im zweiten Jahr waren es 6 Millionen Schilling und im dritten Jahr – das kommt erst – werden es 727 000 € beziehungsweise 10 Millionen Schilling sein.

Es gibt eine steigende Akzeptanz, aber auch Erkenntnisse, die uns zu weiteren Überlegungen zwingen. Es haben sich, als wir den Fonds eingerichtet haben, sehr viele Vereine an uns gewendet, und wir haben überprüft, zu welchem Zweck es diese Vereine gibt und was sie unternehmen. Festgestellt haben wir, dass sich 166 Vereine in Österreich mit dem Opferschutz befassen. Diese 166 Vereine sind untereinander nicht organisiert. Ich habe deshalb einen Schulterschluss mit Herrn Minister Haupt hergestellt, und wir werden versuchen, für diese Vereine ein verbessertes Organisationskonzept zu erarbeiten, weil doch sehr viel Bürokratie – zumindest anscheinend – finanziert werden dürfte. Das möchten wir vermeiden. Deswegen wird es in der Zukunft auch nur das System geben, dass die Verbrechensopfer direkt gefördert werden, und nicht primär die Vereinsbürokratie. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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101. Sitzung / Seite 24

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Das klassische Instrument für das Opfer ist nach wie vor auch der Anschluss als Privatbeteiligter. Nun besteht eine gewisse mangelnde Balance insoweit, als der Täter damit rechnen kann, dass er in aller Regel, wenn er sich selber keinen Anwalt leisten kann, einen Verfahrenshilfeanwalt bekommt, das Opfer, wenn es sich als Privatbeteiligter anschließt, jedoch nicht.

Sehen Sie eine Möglichkeit, der Forderung, die eigentlich seit langem auf breiter Front vertreten wird, dass auch ein Verfahrenshilfeanwalt für das Opfer zur Verfügung gestellt wird, nachzukommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Das ist in der neuen StPO, in der Vorverfahrens-Novelle, genau in dieser Form vorgesehen. Dadurch werden die Geschädigten und die Opfer besondere Unterstützung erhalten. Der Verfahrenshilfeanspruch entspricht auch dem internationalen Trend – ganz richtig. Die Opfer werden aber auch Antragsrechte und Informationsrechte erhalten. Die Situation der Verbrechensopfer wird überhaupt neu bearbeitet, auch legistisch neu bearbeitet. Ich glaube, dass in einem halben Jahr oder in einem Jahr doch die ersten Erfolge verzeichnet werden können.

Das verbinde ich jetzt auch mit einem Appell an all jene, die der Strafprozessordnung noch etwas skeptisch gegenüberstehen: Man möge sich endlich auch mit der Frage befassen, um wie viel mehr Rechtsschutz und um wie viel mehr Rechtsstaat auch und insbesondere im Bereich der Geschädigten und der Verbrechensopfer verwirklicht wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Fekter, bitte.

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Wird durch Ihre Maßnahme für den verbesserten Opferschutz vom Ministerium her noch ausreichend Geld für die anderen Opfervereine da sein, oder werden dort keine Mittel mehr hinfließen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Für mich zählen die Verbrechensopfer selbst. Wir mussten in der Vergangenheit keinen einzigen Antrag unberücksichtigt lassen. Das erwarte ich auch für die Zukunft nicht.

Ich muss noch einen möglichen Irrtum aufklären: Wir im Justizministerium haben die Aufgabe, Prozessbegleitung zu betreuen; Opferentschädigung ist Sache des Sozialministeriums. Aber auch in diesem Punkt arbeiten wir bereits zusammen, um die Situation zu verbessern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Zur Problematik Opfer und Opferschutz: Gerade der Jugendgerichtshof Wien und die Jugendgerichtsbarkeit in Österreich haben in diesem Zusammenhang besonders wertvolle Pionierarbeit geleistet – Stichwort "außergerichtlicher Tatausgleich" und diesbezügliche Modellprojekte. Darum komme ich wieder auf den Jugendgerichtshof zu sprechen.

Herr Minister! Ihre Antwort, dass freie Raumkapazitäten im Grauen Haus der Grund dafür sind, den Jugendgerichtshof Wien aufzulösen, stellt mich natürlich überhaupt nicht zufrieden, weil ich Ihnen entgegenhalte (Abg. Dr. Grollitsch: Ist das eine Frage? – Abg. Achatz: Herr Präsident! Das ist keine Frage!) und Sie frage, dass es in keiner europäischen Großstadt 

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Abgeordnete Stoisits, damit wir das in Ruhe abwickeln: Sie haben die Einleitung formuliert, jetzt fragen Sie wie folgt, und am Schluss steht ein Fragezeichen.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Danke, Herr Präsident, für diese präzise Anweisung.

Ich frage Sie, Herr Bundesminister, wie folgt: Warum wird in Wien – einer europäischen Großstadt – der Jugendgerichtshof aufgelöst, obwohl es in allen vergleichbaren europäischen Großstädten Einrichtungen wie diese gibt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Es geht nicht um ein Gebäude – darf ich aufklären –, sondern es geht um die Jugendgerichtsbarkeit; diese wird nicht angetastet. Ich habe Ihnen eine Fülle von Gründen genannt, auch organisatorische Begleitmaßnahmen, damit Sie mich nicht fragen: Ist denn dort überhaupt Platz? – Diese Frage haben Sie sich erspart. Es ist dort Platz vorhanden. Aber das allein wäre nie der Grund gewesen, sondern ich habe Ihnen eine Fülle von Gründen genannt.

Ich sage es Ihnen nochmals, damit es nicht untergeht, auch bei Ihnen nicht: An der Jugendgerichtsbarkeit, an der Funktion der Jugendgerichtsbarkeit, an der Vorbildwirkung der Jugendgerichtsbarkeit wird nichts geändert! Es muss doch zulässig sein, eine sinnvolle organisatorische Maßnahme zu setzen, ohne mit dem Vorwurf belastet zu werden, es gehe nur um den Raumbedarf. Natürlich geht es überhaupt nicht nur darum. Es geht um die Verbesserung der Jugendgerichtsbarkeit in einer Umgebung, die noch zweckmäßiger ist. (Abg. Mag. Stoisits: Das glauben Sie ja selbst nicht!)

Es geht um die Verbesserung zum Beispiel dadurch, dass wir voriges Jahr die jungen Erwachsenen mit in die Zuständigkeit des Jugendgerichtshofes hineingenommen haben. Dadurch ist die Justizanstalt zu klein geworden, und wir fahren zwischen den Gerichten – ich kann fast sagen – pausenlos hin und her. Die Entscheidung, die jetzt begleitend getroffen wird, ist, dass in der Justizanstalt Josefstadt ein eigener Trakt nur für Jugendliche und nur für junge Erwachsene geschaffen wird. Das ist ein Fortschritt, und in den übrigen Bereichen gibt es keinen Rückschritt. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Huber, bitte.

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Minister! Die Opferentschädigung nach dem Verbrechensopfergesetz weist noch zahlreiche Lücken auf. Sie haben angedeutet, dass Sie sich mit dem Sozialministerium bereits kurzgeschlossen haben. Es ist tatsächlich nicht einzusehen, warum Opfer zum Beispiel keinen Anspruch auf Schmerzensgeld haben. Werden Sie sich in Übereinkunft mit dem Sozialministerium in diese Richtung einsetzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Selbstverständlich! Ich wollte das auch so vermitteln. Unser Bemühen gilt der Verbesserung des Opferschutzes – auch in Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium. Ich bedanke mich hier für diese Zusammenarbeit, weil das Sozialministerium für die Opferentschädigung zuständig ist. Das wollen wir gemeinsam organisatorisch besser in den Griff bekommen. Wir haben ein Projekt in Arbeit, und im Rahmen dieses Projektes wird momentan ein professioneller Geschäftsführer nach objektiven Kriterien ausgesucht, so wie ich es auch gerne im VKI in Zukunft hätte. – Also überall dieselbe Linie: objektives Handeln nach objektiven Kriterien.

Es kann nicht so sein, dass man die Zahl der Opfer in Österreich nicht leicht feststellen kann. Im Justizministerium wird das bereits gemacht. Wir können die Zahl der Opfer – das ist auch wichtig für unsere legistische und sonstige Tätigkeit – im Gegensatz zu früheren Zeiten auf Punkt und Beistrich genau bekannt geben. Bitte akzeptieren Sie diesen Fortschritt!

Wir müssen uns auch mit den Verbrechensopfern selbst unterhalten. Für den 1. Mai habe ich selbst ein Treffen mit Verbrechensopfern erbeten, in dem die individuellen Bedürfnisse – auch das ist ja bisher nicht geschehen – direkt mit dem Minister besprochen werden können. Ich kann momentan nicht mehr machen.

Es wird auch überlegt, eine Opferschutztelefonnummer zu installieren. Das heißt, dass die Verbrechensopfer ebenso eine kurze Rufnummer zur Verfügung haben sollen wie diejenigen, die Polizei, Gendarmerie, Feuerwehr oder Rettung verständigen wollen. Das wird es in Zukunft alles geben, wenn dieses Projekt, was ich hoffe, sehr zügig Fortschritte macht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 6. Anfrage betreffend Bezirksgerichte. Die Frage formuliert Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

162/M

Warum wollen Sie auf verfassungsrechtlich höchst bedenkliche Weise Ihre Reform der Bezirksgerichte ohne Zustimmung der Bundesländer durchsetzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Weil es rechtlich möglich ist, weil die Bevölkerung das wünscht, weil die Politiker dies wünschen, weil es auch die SPÖ früher gewollt hat, aber seit einiger Zeit nicht mehr will. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Kräuter, bitte.

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Bundesminister! Wie Sie wissen, ist die SPÖ immer für eine maßvolle Reform eingetreten (Abg. Dr. Krüger: Das wissen wir aber nicht!), wendet sich aber gegen den Kahlschlag, den Sie durchführen. Herr Minister! Sie widersprechen auch Ihrem eigenen Konzept (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage!), in dem Sie sagen, es sei eine einheitliche Vorgangsweise der Länder notwendig.

Meine Frage lautet: Ist es einheitlich, wenn Sie in Salzburg und Oberösterreich ein Bundesgesetz machen wollen und in der Steiermark und in Niederösterreich eine Verordnung erlassen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte. (Ruf bei der SPÖ: Seien Sie ehrlich!)

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Auf Landesebene konnte in Niederösterreich und in der Steiermark ein Konsens herbeigeführt werden. Buchstäblich in letzter Sekunde ist die SPÖ in den drei Bundesländern Salzburg, Oberösterreich und Tirol eine andere Linie gefahren. Ich weiß nicht warum. Meinungsumfragen geben uns Recht: 75 Prozent der Bevölkerung wollen diese Zusammenlegung. Von einem Kahlschlag kann nicht gesprochen werden. Wir haben 192 Bezirksgerichte; das war die Ausgangsposition. Das sind doppelt so viele wie Bezirksverwaltungsbehörden; diese werden zirka um ein Viertel – nicht ganz um ein Viertel – reduziert. Das ist kein Kahlschlag, sondern eine schon längst notwendige Reform, die schon Broda wollte, kann ich Ihnen versichern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Haller, bitte.

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Justizminister! Es gibt in Österreich sehr viele so genannte kleine Bezirksgerichte, was die Ausstattung mit Richterstellen und auch deren Auslastung betrifft.

Können Sie uns sagen, wie sich das im Vergleich mit unserem benachbarten Ausland verhält?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir sind – ich möchte es kurz machen – in der Struktur der Bezirksgerichte Schlusslicht; Schlusslicht sicherlich in Europa, in der ganzen Welt kann man das ein bisschen schwerer überprüfen. Unsere Organisationseinheiten sind sicherlich kleiner als in der restlichen Welt. Das müssen wir verändern, weil wir an die Zukunft denken müssen.


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101. Sitzung / Seite 25

Wie gesagt: Ich musste in den eigenen Reihen Überzeugungsarbeit leisten und auch bei der ÖVP. Ich bedanke mich für die Akzeptanz meiner sachlichen Bemühungen. Wir mussten in der Bevölkerung Aufklärungsarbeit leisten. Landeshauptmann Pühringer versicherte mir, dass bereits 75 Prozent der Bevölkerung hinter uns stehen. Ich kann da beim besten Willen weder zurück noch ein schlechtes Gewissen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Trinkl, bitte.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Bundesminister! Im Zusammenhang mit der Neuorganisation der Gerichtsstruktur gab es umfangreiche Gespräche mit den Verantwortlichen der Bundesländer. Sie haben es schon erwähnt: In zwei Bundesländern konnte Einvernehmen erzielt werden, in drei Bundesländern plötzlich nicht.

Gibt es Anzeichen dafür, dass in Salzburg, Oberösterreich und Tirol eine zentral gelenkte Blockadepolitik der SPÖ eine Zustimmung dieser genannten Bundesländer bisher verhinderte? (Ruf bei der SPÖ: Wie soll das der Minister wissen?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich muss das im Grundsatz bestätigen. Es wurde mir auch kein sachlicher Grund dafür genannt, warum in den drei Bundesländern, die Sie genannt haben, die SPÖ plötzlich dagegen ist. (Abg. Dr. Niederwieser: Weil wir für die Leute sind! – Abg. Dr. Jarolim: Weil es die Menschen so wollen! – Abg. Böhacker: Der Jarolim hat keine Ahnung!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Moser, bitte.

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben darauf hingewiesen, dass bei der Neuorganisation der Bezirksgerichte das Einvernehmen mit verschiedensten Institutionen erzielt wurde. Die Auflösung des Jugendgerichts erfolgt gegen den Widerstand aller damit Beauftragten und aller Experten, seien es Richter, die Bevölkerung oder Sozialpädagogen.

Warum wollen Sie trotzdem die sozialpädagogischen Aspekte hintanstellen und eine Integration von Jugendlichen und jungen Erwachsenen vorantreiben? – Das ist uns unerklärlich.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Frau Abgeordnete! An der Qualität der Jugendgerichtsbarkeit, auch in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, wird nicht gerüttelt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer formuliert die 7. Anfrage. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

160/M

Welche wesentlichen Veränderungen der Vorverfahrensreform werden auf Grund des Begutachtungsverfahrens notwendig werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Es werden mehr als 100 Stellungnahmen berücksichtigt. Es werden im Bereich der Verteidigungsrechte, der Beschwerderechte, der Akteneinsicht, der Protokollierung, der Verwertung von Beweisaussagen, der Zeugenrechte, der Beschuldigteneinvernahmen und so weiter Änderungen durchgeführt werden.


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101. Sitzung / Seite 26

Die Begutachtung wird sehr sorgfältig ausgewertet werden. Wir werden Ende Mai mit dem Gesetz in der geänderten Form in den Ministerrat gehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer, bitte.

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Welche wesentlichen Verbesserungen des Rechtsschutzes, sowohl der Beschuldigten als auch der Geschädigten, der Opfer, sind mit der geplanten Reform des Vorverfahrens verbunden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.


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101. Sitzung / Seite 27

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer:
Die Beschuldigten werden sehr früh Akteneinsicht bekommen, werden sehr früh einen Verteidiger beiziehen können. Die Geschädigten werden Antrags- und Informationsrechte bekommen. Vor allem diese Beweisantragsrechte hatten sie bisher nicht. Das wird ein ganz wesentlicher Schub an Rechtskultur und Rechtsstaatlichkeit sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Teil des Vorverfahrens und der ganzen Diskussion darum ist natürlich auch die Untersuchungshaft. Nun ist es so, dass es mit der geplanten Schließung des Jugendgerichtshofes Wien dazu kommen wird, dass jugendliche U-Häftlinge und erwachsene U-Häftlinge (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage!) in der stets überfüllten Justizanstalt Josefstadt gemeinsam untergebracht werden. Die getrennte Unterbringung hat sich bis jetzt aber ausgezeichnet bewährt.

Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Ist es wirklich Ihre Absicht, hier sozialpädagogisch so unsinnig vorzugehen und jugendliche und erwachsene Untersuchungshäftlinge gemeinsam einzusperren? (Abg. Achatz  – in Richtung der Abg. Mag. Stoisits –: Das ist eine Frechheit!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich habe heute schon zweimal gesagt, dass in der Josefstadt ein moderner Trakt für Jugendliche und junge Erwachsene adaptiert wird. Er wird zu Jahresende fertig gestellt sein. Wenn Sie das zweimal überhört haben, tut es mir Leid.

Ich kann Ihnen eines versichern: Die räumliche Situation wird verbessert werden und die Kultur der Jugendgerichtsbarkeit wird erhalten bleiben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Krüger, bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Zu meiner Vorrednerin eine Bemerkung: Eine Unwahrheit wird nicht wahrer, wenn sie ständig wiederholt wird. (Rufe bei der SPÖ: Frage!)

Jetzt komme ich sofort zu meiner Frage: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es kann auch indirekt Geschädigte von strafbaren Handlungen geben, nämlich jene, die unschuldigerweise eingesperrt werden und deren Unschuld sich später herausstellt beziehungsweise die freigesprochen werden. Nach dem strafrechtlichen Entschädigungsgesetz erhalten diese nur dann eine Entschädigung, wenn der Tatverdacht entkräftet wird.

Denken Sie daran, diese zweifellos konventions- und verfassungsrechtlich bedenkliche Regelung legistisch zu beseitigen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir arbeiten bereits an dieser Novelle. In Zukunft wird der Anspruch vor den Zivilgerichten geltend zu machen sein. Jeder, der in Untersuchungshaft war und nachher freigesprochen wurde, kann dort als Kläger auftreten. Auch dieser Bereich wird grundsätzlich verrechtsstaatlicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Pendl, bitte.

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Bundesminister! Warum wollen Sie nicht, dass im Zusammenhang mit der Strafprozessreform als Weisungsspitze gegenüber den Staatsanwälten ein unabhängiger Bundesstaatsanwalt geschaffen wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Weil dazu kein klares Konzept vorliegt und weil die Situation nach den traumatisierenden Ereignissen um Christian Broda und nach dem AKH-Verfahren 1985 neu geordnet wurde und das System nun bestmöglich funktioniert, international jedem Vergleich standhält und gleichzeitig hier ein Minister steht, der sagt, mehr Transparenz und mehr Kontrolle machen ihm nichts aus. Wenn Sie dazu Vorschläge haben, können Sie sie ruhig machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Mag. Stoisits stellt die 8. Anfrage. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

167/M

Können Sie sicherstellen, dass durch die so genannten Anti-Terrormaßnahmen im geplanten Strafrechtsänderungsgesetz 2002 ziviler Ungehorsam, wie zum Beispiel in Hainburg 1984, nicht kriminalisiert wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Es wird alles unternommen, damit ziviler Ungehorsam nicht kriminalisiert wird; das ist unsere Absicht. Und ich schließe das auch aus.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Im EU-Rahmenbeschluss, der ja die Grundlage für die ganze Novelle bildet, wird ausdrücklich der Schutz des Demonstrationsrechtes angeführt. – Ausdrücklich! In den Erläuternden Bemerkungen zum österreichischen Strafrechtsänderungsgesetz 2002 gibt es überhaupt keinen Hinweis auf diesen ausdrücklichen Schutz des Demonstrationsrechtes, wie er im EU-Rahmenbeschluss enthalten ist.

Herr Bundesminister! Warum ist das so? Ist Ihnen das weniger ein Anliegen als der EU?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Weil es selbstverständlich ist, dass wir nicht unnötig und unangemessen mit unseren legistischen Vorschlägen in Grundrechte eingreifen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Schender, bitte.

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Das Strafrecht ist ein sehr sensibler Bereich. Er sollte daher auch immer wieder auf seine Zeitgemäßheit überprüft werden, und ich begrüße Ihre diesbezüglichen Maßnahmen.


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101. Sitzung / Seite 28

Können Sie uns sagen, welche konkreten Vorhaben Sie im Strafrechtsänderungsgesetz 2002 beabsichtigen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Das ist auch unter dem Schlagwort "Terrorpaket" bekannt. Wir werden "Terrorismusfinanzierung" und "terroristische Vereinigungen" definieren sowie einige Ermittlungsmethoden anpassen, so wie wir sie jetzt schon für die organisierte Kriminalität anwenden können. Das soll in Zukunft auch für die Terrordelikte anwendbar sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Wittmann, bitte.

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Minister! In der Bevölkerung macht sich große Sorge darüber breit, weil Sie im Strafrechtsänderungsgesetz 2002 den Tatbestand der Neutralitätsgefährdung abschaffen wollen. Warum wollen Sie den Tatbestand der Neutralitätsgefährdung abschaffen, und wie rechtfertigen Sie das?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir haben das im Sinne des Regierungsprogramms und im Sinne der Anpassungen an andere Gesetze, die parallel gleichartige Regelungen haben, getan, und das war der politische Wille. Er ist auch korrekt, und es ist auch alles wohl begründet worden. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Miedl, bitte.

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Die Bekämpfung des Terrorismus ist eng mit der organisierten Kriminalität verbunden. Daher meine Frage an Sie: Im Jahr 2000 wurde die UN-Konvention zur Bekämpfung der transnationalen organisierten Kriminalität aufgelegt. Wann wird diese so genannte Palermo-Konvention durch die Republik Österreich unterzeichnet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: So bald wie möglich. Es gibt noch Übersetzungsabstimmungsverhandlungen mit der Schweiz und Deutschland. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erkläre damit die Fragestunde für beendet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich wende mich der Tagesordnung zu. (Mehrere Abgeordnete schicken sich an, den Sitzungssaal zu verlassen.) – Bitte, den Sitzungssaal nicht zu verlassen, wir brauchen eine Zweidrittelmehrheit.

Auf der heutigen Tagesordnung sind vorläufig zwei Punkte vorgesehen, nämlich die Punkte 11 und 12, bezüglich deren Verhandlung es notwendig ist, von der 24-stündigen Frist für das Auf-liegen des Ausschussberichtes Abstand zu nehmen. Das stützt sich auf § 44 der Geschäftsordnung.

Bei diesen beiden Punkten handelt es sich um die Berichte des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler (1088 der Beilagen) und über das Ersuchen des Landesgerichtes St. Pölten um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler (1089 der Beilagen).


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101. Sitzung / Seite 29

Ich bitte jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, der Beschluss ist mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit gefasst worden. Daher werden wir diese beiden Punkte in die heutige Tagesordnung aufnehmen.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich auf jene Mitteilung, die im Sitzungssaal schriftlich verteilt wurde. Ich bitte um Kenntnisnahme.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 3419/AB bis 3421/AB;

Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates): 24/ABPR.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden – Familienhospizkarenz (1045 der Beilagen);

Finanzausschuss:

Antrag 654/A (E) der Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kilometergeld und PKW-Index;

Gesundheitsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Tierärztegesetz, das ATP-Durchführungsgesetz, das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz, das Bundesgesetz über das Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind, und die Vollzugsanweisung betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertung) geändert werden (1036 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz und das Tierseuchengesetz (TSG) geändert werden (1046 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird (1067 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 und die Verordnung betreffend Regelung der Ausbildung zum Zahnarzt geändert werden (1068 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Rezeptpflichtgesetz geändert werden (1069 der Beilagen),

Antrag 660/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Nahrungsergänzungsmittel",

Antrag 662/A (E) der Abgeordneten Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung von wissenschaftlichen Grundlagen, um die Auswirkungen des Konsums von psychotropen Substanzen auf die Fahrtauglichkeit eindeutig beurteilen zu können;


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101. Sitzung / Seite 30

Justizausschuss:

Antrag 655/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung geändert wird,

Antrag 656/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird;

Landesverteidigungsausschuss:

Antrag 658/A der Abgeordneten Wolfgang Jung, Johann Loos, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 1994, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Munitionslagergesetz, das Militär-Auszeichnungsgesetz, das Militärbefugnisgesetz und das Sperrgebietsgesetz 2002 geändert werden sowie das Tapferkeitsmedaillen-Zulagengesetz 1962 aufgehoben wird (Reorganisationsbegleitgesetz – REORGBG);

Ausschuss für Sportangelegenheiten:

Antrag 661/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Nahrungsergänzungsmittel";

Verfassungsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz sowie das Bundesgesetz über die Errichtung einer Bundesbeschaffung Gesellschaft mit beschränkter Haftung geändert und ein Bundesvergabegesetz erlassen wird (1087 der Beilagen);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Bericht des Bundesministers für Inneres über den Zivildienst und die mit ihm zusammenhängende finanzielle Gebarung für die Jahre 1999, 2000 und 2001 (III-149 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die sozialdemokratische Parlamentsfraktion hat gemäß § 93 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 3760/J der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und KollegInnen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die geplante Beseitigung der Autonomie der österreichischen Universitäten dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen, die Sie alle kennen, wird diese Dringliche Anfrage um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 bis 3, 4 bis 8, 9 und 10 sowie 11 und 12 der Tagesordnung zusammenzufassen. Darüber hat das Hohe Haus zu befinden.

Ich frage, ob es dagegen einen Einwand gibt. – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Zusammenfassung dieser Punkte festgelegt.

Ich gehe in die Tagesordnung ein.


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101. Sitzung / Seite 31

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über folgende Vorgangsweise erzielt: Es wurde eine Tagesblockzeit von 6 "Wiener Stunden" vereinbart, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 117 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 87 Minuten und Grüne 69 Minuten.

Auch darüber hat das Hohe Haus zu befinden, und ich frage, ob es dagegen Einwendungen gibt. – Das ist nicht der Fall. Damit ist das so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1031 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz, das Alkoholsteuergesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, die BAO und Artikel 34 des Budgetbegleitgesetzes 2001 (Steuerliche Sonderregelung für die Ausgliederung von Aufgaben der Gebietskörperschaften) geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2002) (1072 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1034 der Beilagen): Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1073 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1002 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat beschlossen und die BAO, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Finanzstrafgesetz, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert werden (Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, AbgRmRefG) (1074 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 bis 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter wünscht keiner das Wort.

Dann rufe ich den ersten Redner auf. Es ist ein Kontraredner, und zwar Herr Abgeordneter Dr. Heindl. Die freiwillige Redezeitbeschränkung beträgt 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.05

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Von den drei Punkten, die wir unter einem abhandeln, möchte ich mich in erster Linie mit dem Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz – die Bezeichnung ist etwas kompliziert – beschäftigen. Wir behandeln damit ein Gesetz, dessen Kernpunkt die Schaffung eines unabhängigen Finanzsenats ist.

Meine Damen und Herren! Nicht auf der Tagesordnung ist ein Punkt, der unserer Meinung nach – wir haben das in der Diskussion im Finanzausschuss und bei den Verhandlungen immer wieder gesagt – ebenfalls in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Materie steht: Der ursprünglich beabsichtigte Beschluss betreffend eine unbefristete Verlängerung der Flexibilisierungsklausel gehört dazu. Sie werden mir gestatten, dass ich das mit behandle; ich bleibe trotzdem bei der Sache.


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Warum dieser Hinweis, meine Damen und Herren? – Deswegen, weil beide von der Bundesregierung beschlossenen Reformen wichtige Maßnahmen der Verwaltungsreform sind und neben Verfahrensverbesserungen und -beschleunigungen erhebliche Einsparungspotentiale erwarten lassen. Beide Materien waren und sind erstrebenswert und finden daher auch Unterstützung durch unsere Fraktion. Wie es aber manche Materien so an sich haben, ist für beide Beschlussfassungen eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

In diesem Zusammenhang eine kurze Reminiszenz. – Als wir in langwierigen Gesprächen diese wichtige Materie der Finanzmarktaufsicht behandelt haben, war es im ersten Anlauf nicht möglich, eine qualifizierte Mehrheit hier zu erzielen, sprich unsere Verantwortung mit einzubringen, weil Sie auf unsere sachlichen Argumente nicht eingegangen sind. Beim zweiten Versuch, meine Damen und Herren, sind Sie nicht gescheitert. Wir haben demonstriert, dass wir bei Akzeptanz der von uns erwarteten sachlichen Voraussetzungen, deren Einbringung wir als unerlässlich erachten, die Verantwortung mittragen.

Worum geht es beim unabhängigen Finanzsenat, worum bei der Flexiblisierungsklausel? – Einige Bemerkungen zur Einrichtung des unabhängigen Finanzsenates. Es ist die Errichtung einer unabhängigen Verwaltungsbehörde für die gesamten zweitinstanzlichen Rechtsmittelverfahren, für Steuerangelegenheiten, Zoll- und Finanzstrafangelegenheiten ohne Zweifel eine für viele Bürger und Unternehmen sehr wichtige und sehr weit reichende Sache. Damit soll der Rechtsschutzstandard erhöht werden, der sowohl mit der Finanzgerichtsbarkeit in anderen EU-Staaten als auch mit unserer Verwaltungsgerichtsbarkeit vergleichbar ist. Nur kann es kein Gerichtsstand sein, sondern es muss eine unabhängige Verwaltungsbehörde sein.

Ferner werden Bürgerrechte durch die Unabhängigkeit der Rechtsmittelbehörde sowie durch faire und schnelle Verfahren von unabhängigen Organen gestärkt. Bei den sieben Finanzlandesdirektionen würde in Zukunft das gesamte zweitinstanzliche Verfahren für Steuer- und Zollverwaltung in einer eigenständigen Behörde, nämlich dem unabhängigen Finanzsenat, konzentriert werden.

Wir begrüßen diesen Weg. Wir sind der festen Überzeugung, dass das der richtige Weg ist, dass das mittel- und langfristig nicht nur für den Bürger, sondern auch im Hinblick auf Einsparungen etwas bringt.

Nun einige Worte zur parlamentarischen und politischen Vorgangsweise. Herr Staatssekretär! Wir wurden rechtzeitig sowohl vom Finanzminister als auch von Ihnen in die Gespräche eingebunden. Wir haben einmal ein sehr ausführliches und, wie ich finde, konstruktives Gespräch geführt. Dann ist allerdings zum ersten Mal – ich weiß nicht, warum, ich will es auch gar nicht wissen, es ist nur immer wieder typisch, muss ich sagen – die in Aussicht gestellte Information über alle Stellungnahmen, die uns zugesagt wurden, weil viele verschiedene Fragen offen waren, nicht erfolgt. Erst nach mehrfachen Urgenzen meinerseits – ich habe dies bei Ihnen ja deponiert – haben wir dann die Unterlagen bekommen, leider sehr kurzfristig, sodass wir fraktionell nur kurzfristige Informationen weitergeben konnten.

Meine Damen und Herren! Jetzt komme ich aber zum Knackpunkt: Im Ausschuss hat Herr Kollege Edlinger signalisiert, dass wir nach diversen Gesprächen – ein zusätzliches war noch zu führen (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz ), und das wurde auch noch geführt; danke, Herr Staatssekretär – bereit wären, dieses Gesetz zu unterstützen, wenn bei dieser Gelegenheit auch eine Verlängerung der Flexibilisierungsklausel-Regelung erfolgen würde.

Nun zu dieser Thematik: Die Flexibilisierungsklausel wurde bis 31. Dezember 2003 befristet – quasi als Provisorium – eingeführt, um zu prüfen, ob das funktioniert oder nicht. Die Befristung sollte die Möglichkeit bieten, Erfahrungen aus der Praxis zu sammeln. Inwieweit die gewünschten Effekte eintreten werden, wird man sehen.

Die Dienststellen des Bundes dürfen und sollen eigenverantwortlich wirtschaften und ohne Einschaltung des Finanzministeriums umschichten können. Damit wird sparsamer Umgang mit


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Steuergeld belohnt, und es werden die richtigen Motivationsanreize gesetzt. Gleichzeitig bringt die Flexibilisierungsklausel aber auch die Möglichkeit des Leistungsnachweises.

Nun komme ich zum springenden Punkt: Bereits im Vorjahr – im Oktober 2001 – hat die Bundesregierung die unbefristete Verlängerung eingebracht. Wir haben in Gesprächen mit dem Finanzminister signalisiert, dass wir im Hinblick auf die positiven Ergebnisse der Erprobungsphase bereit sind, dem zuzustimmen.

In den Verhandlungen im Budgetausschuss im November wurden dann aber seitens der ÖVP weitreichende Änderungswünsche kundgetan, die für die sozialdemokratische Fraktion nicht akzeptabel waren, und das Thema ist verschwunden. Es ist darüber nicht mehr geredet worden, und bis heute wäre die Flexibilisierungsklausel wahrscheinlich nicht thematisiert worden, wenn unsere Fraktion das im Finanzausschuss nicht gefordert hätte.

Meine Damen und Herren! Bezüglich der Gespräche, die wir vereinbart haben: Ich habe mich damals bei der Unterbrechung der Sitzung des Finanzausschusses bemüht, doch einen gemeinsamen Weg zu suchen, und zwar in einem Budgetausschuss. Sie hatten zehn oder zwölf Tage Zeit, innerhalb Ihrer Fraktionen und innerhalb der Koalitionsparteien einen gemeinsamen Weg zu suchen. – Offenkundig war der nicht zu finden.

Wir stehen auf der Seite des Finanzministers, und die ÖVP will offenkundig mehr die Ressorts stärken. – Das ist unserer Meinung nach nicht der richtige Weg. Wir versuchen gar nicht – das haben wir ein paar Mal gesagt –, irgendeinen innerkoalitionären Streit zu provozieren, sondern wir wollen eine vernünftige Regelung und sind bereit, diesen Weg zu gehen.

Es sind verschiedene Argumente gefallen, Motivation zum Beispiel. Da muss man sich schon fragen, ob es nicht genug Motivation ist, dass leitende Beamte oder Regierungsmitglieder dafür sorgen, dass sparsam und organisatorisch positiv gearbeitet wird. – Wir sind der Auffassung, dass das machbar ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Sie werden uns vorhalten, wir betreiben Fundamentalopposition. – Nein! Das sind zwei Sachthemen, die unserer Meinung nach in einem Zusammenhang stehen. Wir sind der Auffassung, sie sind notwendig und richtig, aber bitte gehen Sie auf unsere Argumente ein. Wenn wir heute ablehnen, dann gilt unsere Ablehnung nicht für immer. Wie bei der Finanzmarktaufsicht: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Hören Sie auf unsere Argumente, dann werden Sie unsere Zustimmung erhalten, weil wir bereit sind, bei diesen beiden so wichtigen Themen die Verantwortung mit Ihnen zu teilen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. Die Uhr ist so wie bei Herrn Abgeordnetem Heindl auf 7 Minuten gestellt. (Abg. Böhacker  auf dem Weg zum Rednerpult –: Herr Präsident, bitte 15 Minuten!)  – 15 Minuten? – Bitte.

10.14

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Dr. Heindl, ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, auch wenn Sie als Kontraredner gemeldet wurden. Wir werden bis zur Abstimmung in zweiter und dritter Lesung bei den Sozialdemokraten dafür werben, dass wir für diese Materie – für das Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz – die Zustimmung Ihrer Fraktion bekommen. (Ruf bei der SPÖ: Verhandeln wollen wir!)

Herr Dr. Heindl, wenn Sie diese Materie mit jener der Finanzmarktaufsicht vergleichen, so muss ich sagen, dieser Vergleich hinkt. Selbstverständlich sind wir gerne und immer bereit, auf sachliche Argumente der Opposition einzugehen und diese – so weit wie möglich – in die Verhandlungen mit einzubinden.

In dieser Materie, Herr Dr. Heindl, haben Sie jedoch keine sachlichen Argumente. Sie haben nicht ein einziges sachliches Argument gegen das Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz vorge


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bracht und nicht einen einzigen Vorschlag gemacht, was Sie an dieser Materie geändert haben möchten. Ganz im Gegenteil: Sie haben diese Rechtsmaterie massiv gelobt und als dringend notwendig bezeichnet.

Andererseits wollen Sie uns erklären, Sie betreiben keine Fundamentalopposition. – Ich will das gar nicht behaupten. Sie machen Blockadepolitik, und zwar aus durchsichtigen Gründen. Herr Kollege Edlinger hat das in den Besprechungen ja sogar gesagt: Wie soll denn eine Opposition sonst vorgehen, wenn sie nicht junktimiert, wenn sie ihre Zustimmung zu einer Materie, die einer Zweidrittelmehrheit bedarf, nicht von anderen Dingen abhängig macht?

Man kann es einfach ehrlich auf den Tisch legen: Es geht hier nicht um die Sache, es geht hier nicht um den unabhängigen Finanzsenat, sondern es geht ganz im Gegenteil darum, ein Anliegen der SPÖ gegen die ÖVP durchzusetzen, und dagegen verwahren wir uns, Herr Dr. Heindl. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist – ich möchte fast sagen – ein Treppenwitz der Geschichte, wenn sich die Opposition Sorgen um den Finanzminister macht. Das ist durchaus eine neue Facette der Oppositionspolitik. (Zwischenrufe der Abgeordneten Nürnberger und Marizzi. ) Ich weiß nicht, was der wahre Hintergrund ist, aber vielleicht wird uns die Zukunft zeigen, was die Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten hier wollen.

Ich ersuche die geschätzten Damen und Herren von den Sozialdemokraten nochmals, sich von diesem Junktim zu lösen und wirklich auf das einzugehen, was Herr Kollege Dr. Heindl gesagt hat: für diesen Meilenstein im zweitinstanzlichen Rechtsmittelverfahren die verfassungsrechtlich notwendige Zustimmung und Mehrheit zu gewährleisten.

Hinter diesem sperrigen Titel "Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz" verbirgt sich ein international herzeigbares neues Modell für den zweitinstanzlichen Rechtsmittelweg, das mit den Finanzgerichten, die in den meisten EU-Staaten bereits tätig sind, aber auch innerösterreichisch mit dem Unabhängigen Verwaltungssenat vergleichbar ist. Es gibt rundherum positive Beurteilungen für dieses Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz (Abg. Mag. Schweitzer: Na bitte!), aber die SPÖ verweigert bedauerlicherweise noch immer ihre Zustimmung. (Abg. Mag. Schweitzer: Das verstehe ich jetzt gar nicht!)

Es ist zu wenig, Herr Kollege Dr. Heindl, wenn Sie sagen, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. (Abg. Parnigoni: Das ist aber nur Ihre Meinung!) Das ist keine Argumentation, die einer großen Oppositionspartei würdig ist. Dieses Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz und die damit verbundene Schaffung der unabhängigen Finanzsenate sind ein weiterer großer Reformschritt in der gesamten Neuordnung der österreichischen Finanzverwaltung.

Auch der Bereich der Neuorganisation des Finanzamtwesens durch die Schaffung von Wirtschaftsräumen, der unabhängige Finanzsenat, aber auch die in Kürze zu beschließende Neuordnung des Prüfungswesens im Bereich der lohnabhängigen Abgaben: All das sind Meilensteine, Reformfortschritte dieser Reformregierung.

Wie schaut es denn derzeit in diesem zweitinstanzlichen Rechtsmittelverfahren aus? (Abg. Parnigoni: Was ist das? Eine Reformregierung? Ich glaube, Sie haben sich versprochen!)  Herr Kollege Parnigoni! Sie haben keine Ahnung von dieser Materie. Ich weiß, das ist alles ... (Abg. Parnigoni: Sie haben sich versprochen! "Reformregierung" kann nicht stimmen! Abg. Nürnberger: Nur nicht überheblich sein!)  – Es ist eine Reformregierung. Es ist eine erfolgreiche Reformregierung, Herr Kollege Parnigoni! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich danke, dass Sie mich darauf aufmerksam gemacht haben, dass es nicht nur eine Reformregierung, sondern eine sehr, sehr erfolgreiche Reformregierung ist. – So ist es! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. Abg. Nürnberger: Sie haben bisher noch keine Wahl gewonnen! Er erklärt, wie erfolgreich sie sind!)

Herr Kollege Nürnberger, was soll das? Ich versuche hier, um die Zustimmung der Sozialdemokraten zu diesem wirklichen Meilenstein zu werben, und Herr Kollege Parnigoni will mich dabei


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unterbrechen. Lassen Sie mich doch in aller Ruhe und völlig fair meine Ausführungen fortsetzen!

Wie schaut es denn derzeit mit dem zweitinstanzlichen Rechtsmittelverfahren aus? – Da gibt es einerseits die unabhängigen Senate und andererseits weisungsgebundene Beamte. Noch dazu kommt es bei diesen Beamten zu so genannten Mischverwendungen, das heißt, die Beamten, die im operativen Bereich eingesetzt werden, werden schlussendlich auch in der zweiten Instanz im Rechtsmittelverfahren tätig.

Wie schaut denn das in der Praxis aus? – Ein Steuerakt wird im Referat erledigt, der Mitarbeiter kennt sich nicht recht aus, fragt seinen Referenten, der Referent den Gruppenleiter, der Gruppenleiter den Fachbereichsleiter, und der Fachbereichsleiter geht schlussendlich in der zweiten Instanz zum Fachbereichsleiter in der FLD. Dann ergeht der Bescheid im Sinne dessen, was der Fachbereichsleiter in der zweiten Instanz erklärt hat. Der Bürger, der Rechtsmittelwerber erhebt gegen diesen Bescheid Berufung, und dann passiert Folgendes: Genau jener Beamte, der ursprünglich entschieden hat, wie der Akt zu erledigen ist, entscheidet über diese Berufung. – Das ist ein Rechtsschutzstandard, der den modernen Erfordernissen bei weitem nicht mehr entspricht, meine Damen und Herren!

Dieses Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz und dieser unabhängige Finanzsenat würden auch eine wesentliche Entlastung der Höchstgerichte, des VwGH und des VfGH, bedeuten. Warum? – Wenn Berufungserledigungen durch einen unabhängigen Senat erfolgen, dann ist die Akzeptanz der Entscheidung beim Rechtsmittelwerber wesentlich größer, als wenn eine Entscheidung durch einen weisungsgebundenen Beamten erfolgt. Daher wird die Anzahl der Verfahren vor dem VfGH und vor dem VwGH wesentlich zurückgehen.

Dazu kommt, dass dieser unabhängige Finanzsenat auch dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit in der Verwaltung entspricht. Dieser unabhängige Finanzsenat hätte keinerlei für Gerichte übliche Zugangsbeschränkungen. Es gibt keine Gebührenpflicht, es gibt keine Kosten im Falle des Nichtobsiegens, es ist kein Anwaltszwang vorgesehen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es da zu einer Stärkung der Bürgerrechte kommt, vor allem, weil eine unabhängige Rechtsmittelbehörde tätig wird.

Wie soll das jetzt in die Praxis umgesetzt werden? – Der Hauptsitz des UFS wird Wien sein. In den Ländern Vorarlberg, Steiermark, Tirol, Kärnten, Oberösterreich und Salzburg wird es so genannte Landessenate geben, wobei – das hat Herr Kollege Heindl schon gesagt – alle Verfahren – abgabenrechtliche, finanzstrafrechtliche und zollrechtliche – in diesem unabhängigen Finanzsenat zusammengefasst werden.

Das Wichtige und aus meiner Sicht wirklich Großartige bei dieser Lösung in Form eines unabhängigen Finanzsenates ist die Tatsache, dass die Senatsmitglieder weisungsfrei, unabsetzbar und unversetzbar sind. Das heißt, sie können frei entscheiden und sind in keiner Weise an Erlässe oder Dienstanweisungen – egal, ob mündlich oder schriftlich – gebunden. Sie haben auch nicht zu befürchten, in ihrer Karriereplanung einen Knick zu bekommen, wenn sie sich nicht danach richten, was ihr Vorgesetzter sagt.

Ich war selbst rund ein Jahrzehnt Mitarbeiter der österreichischen Finanzverwaltung und weiß, wovon ich rede und wie schwierig es ist, als kleiner Referent oder Betriebsprüfer eine Entscheidung zu fällen, wenn der Herr Hofrat, der Herr Vorstand oder der Gruppenleiter anderer Meinung ist. Es ist daher unheimlich wichtig, dass unabhängige, unabsetzbare und unversetzbare Senatsmitglieder tätig werden.

Es ist auch so, dass es durch die Zusammensetzung des Senates – zwei Mitarbeiter aus dem Fachbereich und zwei Laien – zu einem ausgewogenen Verhältnis in der Betrachtungsweise des Rechtsmittels kommt, dass es daher aber schlussendlich zu einer Entscheidung kommen muss. Da hat der Senatsvorsitzende das Dirimierungsrecht und entscheidet letztlich.


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Ein weiterer Vorteil ist, dass entgegen dem bisherigen Rechtszustand eine mündliche Verhandlung nicht nur vor dem Senat möglich ist, sondern auch vor dem Einzelbeamten. Es soll sich in der Regel so ergeben, dass im Wesentlichen zunächst Einzelbeamte die Entscheidungen treffen. Auch in diesem Fall kann über Antrag des Berufungswerbers eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden.

Mit der Einführung dieses unabhängigen Finanzsenates wird aber auch einer nachhaltigen und immer wiederkehrenden Kritik des Rechnungshofes, der immer wieder die hohe Zahl der unerledigten Rechtsmittel und die lange Verfahrensdauer bei den Rechtsmittelerledigungen feststellt und kritisiert, Rechnung getragen.

Dieser unabhängige Finanzsenat würde diesbezüglich wesentliche Verbesserungen bringen, und zwar dergestalt, dass es zu rascheren, sachgerechteren und dem Wunsch des Berufungswerbers entsprechenden Erledigungen kommt. Aber andererseits ist auch die Finanzbehörde als solche nicht in ihren Rechten eingeschränkt, weil es an Stelle der bisher vorgesehenen Präsidentenbeschwerde eine Amtsbeschwerde geben wird, die der Finanzverwaltung, sollte sie mit der Entscheidung des Senates nicht einverstanden sein, die Möglichkeit eröffnet, die Höchstgerichte anzurufen.

Im Rahmen dieses unabhängigen Finanzsenates gestatte ich mir noch, einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Böhacker und Kollegen im Zusammenhang mit dem § 300 der BAO einzubringen. Im Wesentlichen geht es darum, dass die Umformulierung nur der Klarstellung dient, dass die Aufteilung der Inkrafttretensbestimmungen auf mehrere Absätze der Übersichtlichkeit dient. Inhaltlich gibt es keine großen Veränderungen.

Meine Damen und Herren! Zum Abschluss gestatten Sie mir noch, zu einem zweiten Punkt kurz Stellung zu nehmen, nämlich zum Abgabenänderungsgesetz 2002, einem sehr dünnen Gesetz, das im Wesentlichen nur Steuererleichterungen bringt. Es wird damit festgestellt, dass die Guthabenzinsen, die für Steuerguthaben bezahlt werden, nicht der Einkommen- oder der Körperschaftsteuer unterliegen, dass der Termin für die Anspruchsverzinsung von 1. Juli auf den 1. Oktober des Folgejahres verlegt wurde. Es kommt zu einer Besserstellung in der Mittelstandsfinanzierung.

Mit einem Wort, meine Damen und Herren: Die Regierung hat Wort gehalten. Es gibt keine neuen Belastungen, sondern – ganz im Gegenteil! – neue Steuererleichterungen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Böhacker! Sie haben einen Abänderungsantrag eingebracht, haben ihn nicht verlesen, haben aber auch keinen Antrag oder Vorschlag auf schriftliche Verteilung gemacht. Ist es Ihr Wunsch, dass er vervielfältigt wird? (Abg. Böhacker: In wesentlichen Bereichen habe ich ihn erläutert!)  – Ja, aber er muss vervielfältigt werden. (Abg. Böhacker: Herr Präsident, dann stelle ich den höflichen Antrag auf Vervielfältigung und Verteilung!)  – Gut. Der Antrag wird vervielfältigt werden und dann mit in Verhandlung stehen. (Abg. Mag. Schweitzer: Schade ums Papier! Er sollte es vorlesen!) – Das traue ich mich bei einem Regierungsantrag nicht zu sagen, dass es "schade ums Papier" ist. Diese Bemerkung kommt nicht von mir. (Abg. Mag. Schweitzer: Nein, so habe ich das jetzt nicht gemeint!)

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Böhacker, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat beschlossen und die BAO, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Finanzstrafgesetz, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2002


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geändert werden (Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, AbgRmRefG) (1002 der Beilagen), in der Fassung des Berichtes des Finanzausschusses (1074 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. In Artikel II lautet in der Z 42 in § 284 der Abs. 3:

"(3) Der Berufungssenat kann ungeachtet eines Antrages (Abs. 1 Z 1) von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Berufung zurückzuweisen (§ 273) oder als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 275) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 274) zu erklären ist oder wenn eine Aufhebung nach § 289 Abs. 1 erfolgt."

2. In Artikel II lautet in der Z 56 der erste Halbsatz:

"§ 300. (1) Das Bundesministerium für Finanzen und die Abgabenbehörde zweiter Instanz können einen von ihnen selbst erlassenen beim Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof mit Beschwerde angefochtenen Bescheid aufheben,"

3. In Artikel II lautet die Z 66:

""66. Im § 323 werden folgende Abs. 10 bis 14 angefügt:

""(10) Die §§ 52a, 75, 78, 148, 212 Abs. 4, 212a Abs. 4 und 5, 243, 256, 260, 263 bis 268, 270, 273, 274, 276 bis 279, 281 bis 289 Abs. 2, 293 bis 293b, 299, 300, 302, 305, 308, 310 und 311 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. xxxx/2002, der Entfall der Überschriften vor § 53, § 273 und § 282 sowie der Entfall der §§ 74, 261, 262, 269 und 301 durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. xxxx/2002, treten mit 1. Jänner 2003 in Kraft und sind, soweit sie Berufungen und Devolutionsanträge betreffen, auch auf alle an diesem Tag unerledigten Berufungen und Devolutionsanträge anzuwenden.

(11) § 201 und § 214 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. xxxx/2002, sind erstmals auf Abgaben anzuwenden, für die der Abgabenanspruch nach dem 31. Dezember 2002 entsteht. Die Bindungswirkung gemäß § 289 Abs. 3 und § 290 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. XXXX/2002, kommt erstmals am 1. Jänner 2003 erlassenen Berufungsentscheidungen zu. § 292 in der Fassung vor dem Bundesgesetz, BGBl I Nr. xxxx/2002, ist für von Berufungssenaten im Sinn des § 260 in der Fassung vor dem Bundesgesetz, BGBl I Nr. xxxx/2002, erlassene Entscheidungen auch nach Inkrafttreten des § 292 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl I Nr. xxxx/2002, anzuwenden.

(12) Anträge auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat können abweichend von § 282 Abs. 1 Z 1 bis 31. Jänner 2003 bei den im § 249 genannten Abgabenbehörden für am 1. Jänner 2003 noch unerledigte Berufungen gestellt werden; solche Anträge können weiters in Fällen, in denen nach der vor 1. Jänner 2003 geltenden Rechtslage durch den Berufungssenat zu entscheiden war und diese Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof oder den Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wird, innerhalb eines Monates ab Zustellung der Aufhebung gestellt werden. Anträge auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung können abweichend von § 284 Abs. 1 Z 1 bis 31. Jänner 2003 bei den im § 249 genannten Abgabenbehörden für Berufungen, über die nach der vor 1. Jänner 2003 geltenden Rechtslage nicht durch den Berufungssenat zu entscheiden war, gestellt werden. Nach § 284 Abs. 1 in der Fassung vor dem Bundesgesetz, BGBl. I Nr. xxxx/2002, gestellte Anträge auf mündliche Verhandlung gelten ab 1. Jänner 2003 als auf Grund des § 284 Abs. 1 Z 1 gestellt.

(13) Die Maßnahmen, die für eine unverzügliche Aufnahme der Tätigkeit des unabhängigen Finanzsenates erforderlich sind, dürfen bereits ab dem der Kundmachung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. xxxx/2002, folgenden Tag getroffen werden. Entsendungen nach den §§ 263 ff in der Fassung vor dem Bundesgesetz, BGBl. I Nr. xxxx/2002, gelten als für den unabhängigen Finanzsenat bis 1. Jänner 2005 erfolgt; dies gilt nicht für von den Berufsvertretungen der Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder entsendete Mitglieder sowie für entsendete Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder.


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(14) (Verfassungsbestimmung) § 271 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. xxxx/2002, tritt mit 1. Jänner 2003 in Kraft."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort erhält nun Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

10.29

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht sollte man mehrere Oppositionsreden abwarten, um das Urteil endgültig fällen zu können, was den Wert des Antrages hinsichtlich des Papierwertes betrifft. Das Urteil fällt aber positiv aus: Ich glaube, der Antrag enthält viel Gutes. – Das kann ich vorweg sagen.

Allerdings möchte ich mich unmittelbar auf meinen Vorredner beziehen, der gemeint hat, die Opposition mache sich Sorgen um den Finanzminister. – Mitnichten, das ist nicht der Grund! Es geht hier um ein Verfassungsgesetz und um maßgebliche Verfassungsbestimmungen. Da möchte man doch meinen, dass diese die Amtsdauer eines Finanzministers, insbesondere eines dieser Regierung, bei weitem überleben. Deshalb ist auch Sorge um diese Bestimmungen angebracht, und diese Sorgen machen wir uns.

Aus diesem Grund würde ich Sie einladen, erstens noch auf ein paar inhaltliche Punkte einzugehen, die meines Erachtens noch nicht perfekt ausverhandelt sind, und zum Zweiten, ein bisschen mehr Respekt walten zu lassen vor dem meiner Meinung nach letztlich zulässigen Junktim, das der Erstredner schon erwähnt hat.

Ich möchte auf beide Sachen kurz eingehen. Zunächst zum Vorschlag selbst: Er hat viel Gutes – Kollege Böhacker hat heute außergewöhnlich lange gesprochen, und ich will nicht allzu viel wiederholen –, aber die Einführung dieser unabhängigen Finanzsenate würde insbesondere bestimmte verfassungsrechtliche Probleme klären, die wir jetzt haben. Das haben Sie angesprochen, das wäre hilfreich und nützlich, und es wäre überhaupt eine Verbesserung des Rechtsstandards. Darüber sind sich hier alle einig.

Aber eines der wesentlichen Ziele hätte auch sein sollen – das wurde auch im Vorblatt zur Regierungsvorlage ausgeführt –, wobei man unabhängig von dem Vorblatt auch verschiedene Meinungen haben kann, eine Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes.

Kollege Böhacker hat erwähnt, dass es zu einer solchen kommen wird. Ich muss Ihnen sagen, zumindest unsere Fraktion – ich nehme auch an Ihre – hat ein am 12. April abgesendetes Schreiben vom Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes erhalten, der da meint – ich fasse zusammen –, dass unbeschadet von bestimmten Vorzügen dieser Regelung eine greifbare Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes damit wohl nicht verbunden sein kann. (Abg. Böhacker: Das ist seine Ansicht!) – Das ist seine Ansicht, natürlich. (Abg. Böhacker: Die Zukunft wird es weisen!)

Aber diese Ansicht sollte man durchaus ernst nehmen, immerhin handelt es sich um den Präsidenten jenes Gerichtshofes, von dem Sie behaupten, dass dieser Gerichtshof maßgeblich entlastet wird. Damit bin ich schon beim ersten prozeduralen Punkt. Ich schaue den Vorsitzenden des Finanzausschusses an. Dort gab es eine eigenartige Entwicklung. Ich möchte dem Vorsitzenden keinen Vorwurf machen, er hat ohnehin nur den Bemühungen der Mehrheitsfraktionen nachgegeben. Wir haben die meiste Zeit mit Sitzungsunterbrechungen verbraucht, um irgendwelche Akkordierungen zu Stande zu bringen, und bestimmte Fragen konnten nicht diskutiert werden. Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, dass ich es zumindest für meine Fraktion noch für sinnvoll hielte, auch in der Sache selbst noch einmal im Ausschuss die eine oder andere Verbesserung unter die Lupe zu nehmen. Da kann der Zuruf des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshof nicht ganz unerheblich sein. Also ich bitte darum, uns nicht vorzuhalten, dass wir da nur auf ... (Staatssekretär Dr. Finz: Ich habe zu einem Gesprächstermin eingeladen!)


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Herr Staatssekretär! Ich danke Ihnen für diese Bemerkung, dass Sie zu irgendeinem Gesprächstermin eingeladen hätten. Ich beziehe mich gerade auf diese eigenartige Vorgangsweise, dass der Finanzausschuss, dessen Sitzung unterbrochen wurde, seine Zeit mit Verhandlungen darüber, wer sich wann zu welchem Frühstückskipferl trifft, verbraucht hat und nachher keine Zeit mehr war, um die Sache in der engeren Materie zu betrachten. Dann hat es offensichtlich ein solches Treffen gegeben, ich kann Ihnen nur sagen, diese Einladung ist bei mir nie angekommen. Das Bemühen zu dieser Einladung war zu einem Zeitpunkt, als diese "Kipferlrunde" schon getagt hat.

Ich habe nichts gegen Vierparteien-Gespräche, diese sind ganz wichtig, damit das jetzt nicht zu polemisch klingt, aber es kann im Procedere des Hauses nicht so sein, dass Ausschüsse sozusagen ausgesetzt und eingesetzt werden und dass man sich dann einigt und insgesamt keine Möglichkeit mehr besteht, das gescheit zu diskutieren, was dann herauskommen soll.

Ich weiß, dass das in erster Linie auf den Junktim-Vorschlag der SPÖ zutrifft, trotzdem muss ein bestimmter Standard eingehalten werden. (Beifall bei den Grünen.) Ich meine, dass beispielsweise dieser Brief des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes allemal rechtfertigen würde, dass man sich die Sache noch einmal anschaut.

Der Hinweis auf die Parallelität zu den Verhandlungen für die Allfinanzaufsicht ist meines Erachtens mehr als zulässig, Kollege Böhacker! Auch damals war – da haben Sie eine andere, eine breiter angelegte Vorgangsweise gewählt – durch bestimmte Verhandlungstermine immer noch eine Verbesserung möglich. Sie werden sich daran erinnern, dass am Schluss eine Lösung herausgekommen ist, die dem Kompromissvorschlag, den wir Ihnen etappenweise angeboten haben, schon sehr nahe gekommen ist.

Deshalb sollten Sie vielleicht auch in diesem Fall, bei dieser verkorksten Situation, die vorliegt, auf den Vorschlag der grünen Fraktion hören. Ich darf Sie einladen, einem Rückverweisungsantrag an den Ausschuss zuzustimmen, damit nicht vorzeitig alle Türen zugeknallt werden. (Beifall bei den Grünen.)

Es wäre auch eleganter für das Haus, wenn wir die Sache dort noch einmal aufnehmen würden und nicht das erleben müssen, aus dem Sie gar nicht herauskönnen. Ich prophezeie Ihnen, dass Sie in zweiter Lesung die Zweidrittelmehrheit nicht bekommen und in dritter Lesung werden Sie alle sitzen bleiben, weil die verbliebenen Teile der einfachgesetzlichen Regelung für sich genommen keinen Sinn ergeben.

Das ist schon ein Problem, das man zu betrachten hätte. Ich bitte, nicht jeden Junktim-Versuch als a priori absurd oder nicht zulässig hinzustellen. Manche Junktime haben auch ihr Gutes. Ich will mich jetzt nicht auf die Flexibilisierungsklausel einlassen, aber dass das eine gute Sache ist, dass das Auslaufen dieser Flexibilisierungsklausel ergo dessen eine schlechte Sache ist und dass man bei dieser Gelegenheit noch eine Verbreiterung und eine Ausweitung dieser Bemühungen in Angriff nehmen könnte, wäre doch sehr wünschenswert und klar. Gerade Sie, Herr Staatssekretär, sind immer derjenige, der das New Public Management predigt. Das wäre doch eine einmalige Gelegenheit.

Ich finde, hier liegt ein ganzes Paket von Gründen vor, warum man das noch einmal angehen sollte. Es ist erstens die verkorkste Verfahrenssituation, es ist zweitens in der Sache selbst noch etwas zu verbessern, und es liegt drittens ein Junktim-Vorschlag auf dem Tisch, den man in Wirklichkeit nur begrüßen kann. – Gegen den wehren Sie sich, und deshalb würde ich vorschlagen, damit Sie selbst nicht in die Rolle kommen, der SPÖ den Schwarzen Peter zuzuschieben und zu sagen, sie hat unseren Vorschlag abgelehnt: Lassen Sie sich auf beide Materien ein! Es ist genug Zeit da, das ist vielleicht das wichtigste Argument. Es soll Ihr Vorschlag auch erst mit 1. Jänner 2003 in Kraft treten. Wir hätten noch das eine oder andere Monat. Stimmen Sie diesem Rückverweisungsantrag zu! Wir werden Ihnen wieder einige Vorschläge machen, sodass am Schluss ein Kompromiss herauskommt, den Sie dann wieder gut verkaufen können. (Beifall bei den Grünen.)


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Jetzt weiß ich nicht, ob mit diesem Redebeitrag der von mir erwähnte Rückverweisungsantrag geschäftsordnungskonform eingebracht ist. (Abg. Dr. Khol: Nein, sicher nicht!) Das glaube ich fast nicht.

Da ich meine Rede noch nicht beendet habe, darf ich formal folgenden Antrag einbringen:

Antrag

der Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen

Die unterfertigten Abgeordneten beantragen, die Regierungsvorlage 1002 d. B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat beschlossen und die BAO, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Finanzstrafgesetz, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert werden (Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, AbgRmRefG) (1074 d.B.) in der jeweiligen Fassung des Ausschussberichtes

gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 GOG an den Ausschuss rückzuverweisen.

*****

Der Antrag liegt usancegemäß auch schriftlich beim Präsidium auf. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Über den Rückverweisungsantrag wird abgestimmt werden, bevor die Sachabstimmungen in der Materie selbst erfolgen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Er hat das Wort.

10.38

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute, wie die ersten Redner schon signalisiert haben, eigentlich eine sehr eigenartige Situation im Hohen Haus: Wir haben aus dem Finanzbereich wieder ein wirklich großes Reformvorhaben, das an die bisher bereits von dieser Bundesregierung und auch von uns beschlossenen großen Finanzreformen anschließt. Ich erwähne nur die Wende in der Budgetpolitik, keine neuen Schulden, ich erwähne die große Reform einer neuen Finanzmarktaufsicht und heute das Reformvorhaben im Bereich der Finanzgerichtsbarkeit, unabhängige, weisungsfreie Finanzsenate zu schaffen.

Die Opposition sagt selbst, das ist ein guter Ansatz, ein guter Schritt, ein gutes Gesetz, junktimiert es dann aber mit einem sehr komplizierten budgettechnischen Anliegen, das im Grunde ein gutes Anliegen ist, aber mit diesem Gesetz überhaupt nichts zu tun hat. Wenn aber die Opposition bei diesem sachfremden Junktim bleibt, heißt das, dass wir heute diese große Reform nicht beschließen können. Diese Kritik muss sich die Opposition einfach gefallen lassen, dass sie heute eine große Reform der Finanzgerichtsbarkeit verhindert.

Ich hoffe dennoch, da die Opposition selbst sagt, es ist ein gutes Gesetz, ein gutes Anliegen, dass es uns doch noch gelingt, mit unseren Argumenten das Stimmverhalten der Opposition zu verändern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Diese Reform der Finanzgerichtsbarkeit, diese Schaffung unabhängiger Finanzsenate hat eine sehr positive dreifache Zielsetzung: Erstens ist es ein Beitrag zur Verwaltungsreform, ein Beitrag zu diesem größten Reformvorhaben in der Verwaltung in der Geschichte der Zweiten Republik.


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Es wird in Zukunft auch weniger Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof geben, das sagen alle Rechtsexperten. Derzeit gehen ungefähr 600 Verfahren bis zum Verwaltungsgerichtshof.

Es ist zweitens ein Beitrag zu mehr Rechtssicherheit und mehr Rechtstransparenz, wenn nicht sieben Finanzlandesdirektionen entscheiden, sondern ein unabhängiger Finanzsenat entscheidet.

Und es ist drittens natürlich ein Beitrag zu mehr Bürgernähe, weil schnellere und fairere Verfahren garantiert sind. – Also für dieses Gesetz sprechen eigentlich nur Vorzüge.

Nun wird dieses Gesetz – das hat sich im Ausschuss schon abgezeichnet – von der Opposition mit einer Materie aus dem Budget junktimiert, einer Materie, die sehr kompliziert ist. Ich werde versuchen, sie in ganz einfachen Worten darzulegen, um zu zeigen, dass überhaupt kein Zusammenhang mit der Finanzgerichtsbarkeit besteht. Mit dem Budget hat fast jede Materie, die wir hier diskutieren, zu tun. Also zu sagen: Es ist auch Bestandteil des Budgets!, ist eine absurde Argumentation.

Die Flexibilisierungsklausel, meine Damen und Herren, die derzeit gilt, ist eine sehr gute Einrichtung – sie schafft mehr Flexibilität für jene Organisationseinheiten in Ressorts, die mehr Selbständigkeit bekommen –, sie hat nur einen großen Nachteil: Die "Flexi-Klausel" wird heute nur von drei Ressorts für insgesamt fünf Organisationseinheiten angewendet. Der Grund ist ganz einfach: Die heutige Regelung hat zu wenig Motivation für die Fachressorts, diese "Flexi-Klausel" auch anzuwenden.

Daher ist unsere Position: Wir sind gerne bereit dazu, über eine Modifikation der Flexibilitätsklausel zu verhandeln – nicht als Junktim, aber im Sinne einer Sachlösung –, aber wir müssen die "Flexi-Klausel" so umgestalten, dass Anreize bestehen, dass für die Fachressorts und für die Organisationseinheiten eine Motivation besteht, sie auch anzuwenden.

Da sagt die Opposition sinngemäß: Entweder wird sie so verlängert, wie sie heute besteht – also keine weitere Motivation –, oder wir schreiben in das Gesetz hinein, 50 Prozent dessen, was als Erfolg bei einer positiven Anwendung der "Flexi-Klausel" übrig bleibt, bekommt der Finanzminister. – Meine Damen und Herren! In die Verfassung Prozentsätze einer Flexibilisierungsklausel hineinzuschreiben, was dann vielleicht verteilt wird und wie das verteilt wird , ist eine absurde Überfrachtung der Verfassung.

Wir haben Folgendes vorgeschlagen: Wir sind auch zu weiteren Gesprächen bereit, Herr Kollege Kogler. – Herr Kollege Kogler! Eines möchte ich schon sagen, da Sie davon gesprochen haben, dass wir zu einem Frühstückskipferl eingeladen hätten: Vielleicht haben Sie noch gefrühstückt, als wir schon hier im Parlament gearbeitet haben, Herr Kollege Kogler! Das mag schon sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Wir haben jedenfalls sehr konstruktive Sachgespräche geführt, haben aber kein Kipferl gegessen und keinen Kaffee getrunken, Herr Kollege Kogler! (Zwischenruf der Abg. Dr. Petrovic. )

Aber lassen Sie mich auch noch eines sagen – unabhängig von dieser Materie, bei der ich das Verhalten der Opposition nicht verstehe –, denn Herr Kollege Edlinger wird dann wortgewaltig den direkten Sachzusammenhang zwischen "Flexi-Klausel" und Finanzgerichtsbarkeit erklären. Er wird erklären, warum Sie das Gesetz ablehnen, obwohl alle Experten, alle Mitarbeiter der Finanzverwaltung und auch die Gewerkschaft dafür sind, dass dieses Gesetz beschlossen wird.

Zum Abgabenänderungsgesetz 2002, das wir heute auch beschließen – an sich eine kleine Novelle –, ist zu sagen: Ich gebe zu, die steuerpolitische Diskussion der letzten Wochen hat mit keinem Wort das Abgabenänderungsgesetz 2002 betroffen. Die Diskussion der letzten Wochen war ausschließlich der Frage gewidmet: Wann kommt die nächste Steuerreform?

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nur zwei Punkte ganz kurz sagen: Diese Regierung hat im Bereich der Finanz- und Budgetpolitik bereits tief greifende Reformen durchgeführt wie noch keine Regierung der letzten 30 Jahre. (Abg. Parnigoni: Kassiert hat!) Wir wissen, dass wir


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das Ziel des Nulldefizits – keine neuen Schulden – nur mit massiver Hilfe des Steuerzahlers erreichen konnten. Das wissen wir! Wir wissen auch, dass der Steuerzahler zu Recht erwartet, dass das nur eine vorübergehende Hilfe war.

Daher arbeiten beide Regierungsfraktionen derzeit sehr intensiv an Entlastungsstrategien für die Steuerzahler, weil wir genau wissen, wir sind dem Steuerzahler zu Dank verpflichtet. Er hat uns geholfen, die Stabilität des Staatshaushaltes zu erreichen, aber die hohe Steuerquote kann kein Dauerzustand sein. Deswegen arbeiten beide Fraktionen sehr intensiv an Entlastungsstrategien. Ich bin sicher, dass das Konjunkturpaket der Bundesregierung, dass es uns der sich international abzeichnende Konjunkturaufschwung erlauben wird – ich bin sicher! –, dass wir einen ersten Schritt dieser Entlastung mit 1. Jänner 2003 setzen werden – auch als Dank an den Steuerzahler, dass er uns geholfen hat, diese neue Politik, keine neuen Schulden zu machen, umzusetzen, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich das sehr deutlich sagen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Hinblick auf die Tagesaktualität: Meine Position zu allen Steuervorschlägen ist eine sehr einfache: Wir reden jetzt über Entlastungsschritte, wir reden über keine neuen Steuern. Ich bin auch nicht bereit, egal aus welchem Titel, über neue Steuern zu reden – ob sie jetzt Europasteuer oder Grundsteuer heißen –; das ist für mich kein Thema. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir reden über Entlastung und nicht über neue Lasten, denn wir wollen eines: Der Bürger wird sehen, dass er bei dieser Bundesregierung, die das Budget konsolidiert hat (Abg. Parnigoni: Angeschmiert ist! Das ist sicher!), die die wirtschaftspolitische Stabilität garantiert, in guten Händen ist. Wir wollen in einer zweiten Legislaturperiode die Reformen gemeinsam im Interesse des Landes weiterführen. Unsere Zielsetzung lautet: Österreich 2010 – Entlastung des Bürgers. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Das glaubt niemand!)

10.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte, Herr Staatssekretär.

10.46

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wie bereits ausgeführt wurde, wird mit dem unabhängigen Finanzsenat eine wesentliche Verbesserung im Rechtsmittelwesen erreicht. Das dient dem Steuerzahler, es ist eine Verbesserung für den Steuerzahler.

Der unabhängige Finanzsenat ist den bereits bewährten unabhängigen Verwaltungssenaten der Länder nachgebildet, er ist dem Unabhängigen Bundesasylsenat nachgebildet. Derzeit haben wir im Berufungssystem, wo es um Einzelentscheidungen geht, zum Teil weisungsgebundene Beamte eingesetzt. Es gibt derzeit die Vermengung im Fachbereich und in den Berufungsangelegenheiten. Wenn sich ein Finanzbeamter bei einer Entscheidung nicht sicher ist, ruft er beim Fachbereich der Finanzlandesdirektion an und fragt: Welche Rechtsmeinung sollte hier angewendet werden? – Dann gibt der betreffende Beamte eine Rechtsmeinung ab, und dann kann es bei dem derzeitigen System passieren, dass jener, der eine bestimmte Richtung bereits vorgegeben hat, im Berufungsverfahren entscheiden soll. – Hier entscheidet praktisch ein Richter in eigener Sache. Darum bedarf es einer Neuregelung.

Außerdem – das sollte man nicht vergessen – bringt die Neuregelung durch wesentlich mehr Einzelrichter-Entscheidungen und durch verkleinerte Senate Synergieeffekte.

Die Vereinigung der Finanzakademiker hat in einem Schreiben begrüßt, dass diese Neuregelung kommt. Die Wissenschaft – Professor Lang zum Beispiel, ein Experte auf diesem Gebiet – hat es begrüßt, die Personalvertretung begrüßt es, die Gewerkschaft begrüßt es.

Noch einmal kurz zusammengefasst: Welche Vorteile entstehen für den Steuerzahler – ihm sollte eigentlich unser Interesse gelten? – Raschere Behandlung durch mehr Einzelrichter-Entscheidungen, kleinere Senate, Vereinheitlichung der Spruchpraxis, weil es nur mehr eine Be


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hörde mit Außenstellen gibt. Die Vereinheitlichung der Spruchpraxis wird jetzt auch in Hinkunft durch den systematischen Aufbau einer durchgehenden Entscheidungsdokumentation auf EDV-Basis erreicht.

Wenn diese Behörde am 1. Jänner 2003 in Aktion treten soll, dann brauchen wir rascheste Entscheidungen, weil sehr viele personelle, organisatorische und räumliche Vorbereitungen zu treffen sind.

Herr Abgeordneter Kogler! Sie haben angeführt, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht entlastet wird. – Das stimmt, er hat im Stellungnahmeverfahren darauf hingewiesen. Es geht um den § 131 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes.

Wir von der Finanz hätten überhaupt nichts dagegen, dass dem Verwaltungsgerichtshof ein Ablehnungsrecht eingeräumt wird – das würde uns durchaus entgegenkommen! –, nur hat der Verwaltungsgerichtshof nach den Fachgesprächen selbst gemeint: Warten wir einmal etwa zwei Jahre ab, wie diese Behörde funktioniert, ob es wirklich zu qualitativ besseren Entscheidungen kommt, und dann eröffnen wir das Ablehnungsrecht!

Wir haben auf diese Kritik des Verwaltungsgerichtshofes reagiert, wir haben mit Präsidenten Jabloner darüber gesprochen, und das ist dann als gütliche Einigung dabei herausgekommen. Das ist kein Nachteil. Das hätten wir alles in dem Fachgespräch, zu dem wir eingeladen hatten, aufklären können. Es tut mir Leid – ich war dabei, als der Termin ausgemacht wurde –, dass es nicht zu diesem Gespräch gekommen ist.

Es wird heute ein Junktim mit der so genannten Flexibilisierungsklausel hergestellt. Jetzt möchte ich fragen: Was hat die Einrichtung eines unabhängigen Finanzsenates mit der Flexibilisierungsklausel zu tun? – Es gibt keinen inhaltlichen Zusammenhang. Ich möchte jetzt kurz erläutern, worum es bei der Flexibilisierungsklausel geht.

Bei der Flexibilisierungsklausel geht es um Ihr parlamentarisches Bewilligungsrecht, meine Damen und Herren! Die Flexibilisierungsklausel bringt einen Durchbruch, eine Ausnahmeregelung beim Prinzip der Einjährigkeit. Sie beschließen jährlich ein Bundesfinanzgesetz, und das ist eine Ausnahme hiezu. Sie bringt weiters eine Ausnahmeregelung bei der Spezialität. Sie genehmigen nicht nur generell die Ausgaben und Einnahmen für ein Ministerium, sondern auch für die einzelnen Zwecke. Von beiden besteht eine Ausnahmeregelung. Wenn das jetzt auf größere Bereiche ausgedehnt werden soll, dann muss darüber gesprochen werden. Gerade hier im Haus sollte das ausführlichst behandelt werden.

Weiters ist derzeit das Verhältnis zwischen der Koordinierungsfunktion des Finanzministers und dem jeweiligen Ressort nicht ausgewogen. Wieso ist das nicht ausgewogen? – Weil fast kein Ressort diese "Flexi-Klausel" eingeführt hat. Es sind nur vier Dienststellenbereiche in zwei Ressorts. Erst jetzt, um des guten Anstands willen, hat es auch das Finanzministerium für die Finanzprokuratur eingeführt.

Wenn diese Regel so toll wäre – für die betroffenen Bereiche funktioniert sie ja gut, das gebe ich schon zu –, hätte sich jedes Ressort darum gerissen. Was ist das Problem bei dieser "Flexi-Klausel"? – Die Ressorts müssen in ihren Fachbereichen weiter alle traditionellen Haushaltsvorschriften einhalten und haben jetzt einen von ihrem Zuständigkeitsbereich, in dem ja weiterhin die Ministerverantwortlichkeit besteht, ausgenommenen Bereich, quasi einen Fremdkörper.

Wie hat sich das ausgewirkt? – Als es zum Beispiel im Zuge der Budgetkonsolidierung Einsparungsmaßnahmen gegeben hat, sind diese flexibilisierten Bereiche natürlich nach dem Prinzip ausgenommen worden, und die Fachressorts mussten diesen Teil in ihrem eigenen Budget weiter unterbringen. Das sind unzumutbare Regelungen. Daher muss eine gründliche Diskussion geführt werden – einerseits im Hinblick auf die parlamentarischen Bewilligungsrechte, andererseits aber muss ein fairer Ausgleich bestehen zwischen dem Fachminister, der die Fachverantwortung und dazu auch die entsprechende budgetäre Verantwortung hat, und dem Finanzminister, der die Koordinierungsfunktion hat.


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Wenn Sie heute dem unabhängigen Finanzsenat keine Verfassungsmehrheit geben, möchte ich Sie zur Überlegung einladen, was dann geschieht. Dann haben wir auf einfachgesetzlicher Basis alle Regelungen in Gang gesetzt, die zur Einrichtung der Gerichte notwendig sind. Wir haben aber keine Unabhängigkeit für die Einzelrichter. Wir beschließen dann quasi einen Torso, der von Haus aus nicht funktionieren kann. Bedenken Sie bitte all diese Umstände bei Ihrer heutigen Beschlussfassung! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edlinger. Die Redezeit beträgt 8 Minuten. (Abg. Dr. Khol: Zur Geschäftsbehandlung, Herr Präsident!)

Herr Klubobmann Khol, Sie haben gesagt, Sie melden sich vor dem Redner. Wenn ein Redner einmal aufgerufen ist, dann habe ich ein Problem damit. Aber um nicht eine schwierige Situation weiter zu belasten, erteile ich Ihnen das Wort zur Geschäftsbehandlung. (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! Auch ich!)

10.54

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Der Abgeordnete der Sozialdemokratie, Rudolf Edlinger, hat gestern durch einen nationalsozialistischen Zwischenruf die Ehre des Hohen Hauses, des gesamten Nationalrates zutiefst beleidigt. Er hat mit diesem Zwischenruf den Versuch gemacht, Teile dieses Hohen Hauses als nationalsozialis-tisch zu denunzieren.

Das letzte Mal ist das bei Andreas Wabl, dem grünen Abgeordneten, geschehen, der eine Hakenkreuzfahne aus der Hosentasche gezogen hat. Die Bilder gingen durch die ganze Welt: das Hakenkreuz im österreichischen Nationalrat.

Gestern die gleiche Denunziation: "Sieg Heil!" im österreichischen Nationalrat. Da die Sozialdemokratie und Herr Abgeordneter Edlinger nicht das Feingefühl haben, dieser Situation Rechnung zu tragen, verlasse ich aus Protest gegen diesen Zwischenruf dieses Haus. Ich bin nicht bereit, einem solchen Abgeordneten zuzuhören. Ich bitte allerdings meinen Kollegen, Abgeordneten Stummvoll, doch hier auszuharren und zu berichten, was Herr Edlinger hier redet.

Ich bitte um Verständnis und bitte jeden, der so wie ich denkt, auch zu gehen. (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! Zur Geschäftsbehandlung! – Ein Großteil der Abgeordneten der ÖVP verlässt den Sitzungssaal.)

10.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Westenthaler.

10.55

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Edlinger hat gestern am Ende der Ausführungen der freiheitlichen Abgeordneten Partik-Pablé den Zwischenruf, die einschlägig bekannte Naziparole "Sieg Heil!" in diesem Haus verwendet. Das ist schon allein – wir haben das kritisiert – verabscheuungswürdig und zurückzuweisen. Es ist "beachtlich", dass innerhalb der sozialdemokratischen Fraktion ein solcher Zwischenruf, eine solche Parole zu keinerlei politischen Konsequenzen personeller Art und Weise führt. Damit muss jedoch die SPÖ fertig werden.

Aber es ist noch etwas passiert: Es wurde uns danach in der Stehpräsidiale, Herr Präsident, seitens der sozialdemokratischen Fraktion mitgeteilt, dass es einen einschränkenden Satz gegeben haben soll, der da lautet – Edlinger hätte gesagt –: "Jetzt fehlt nur noch" und dann diese unsägliche Parole.

Wie mittlerweile im fertigen Stenographischen Protokoll der gestrigen Sitzung zu lesen ist, widersprechen dieses Protokoll und auch unsere Wahrnehmungen, die wir aus der ersten Bankreihe alle Ohrenzeugen von den Aussagen des Abgeordneten Edlinger waren – aus Meterdistanz zu einer Stenographin –, eindeutig dem dann erfolgten Rettungsversuch des Kollegen Cap für Herrn Edlinger. Aus diesem Protokoll geht eindeutig hervor, dass Herr Edlinger ausschließ


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lich – ohne Vorsatz und ohne Nachsatz – die bekannte Nazi-Parole "Sieg Heil!" hier im Hohen Haus gerufen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir können es als freiheitliche Fraktion niemals dulden, dass in diesem Haus eine solche Parole, die gestern kritisiert wurde und immer wieder auch zu Recht kritisiert wird, wenn sie von Rechtsextremisten auf der Straße gebraucht wird, verwendet wird. Als Zeichen unseres äußeren Protests gegen die Verwendung einer solchen Parole und gegen die danach versuchte Herabsetzung beziehungsweise gegen die danach versuchte Schutzbehauptung des Herrn Cap wird die freiheitliche Fraktion auf die Dauer der nun folgenden Ausführungen des erwähnten Abgeordneten den Sitzungssaal verlassen, um damit deutlich zu machen, dass eine solche Parole in diesem Haus ohne Konsequenzen niemals gebraucht werden darf! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ein Großteil der Abgeordneten der Freiheitlichen verlässt den Sitzungssaal.)

10.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Cap zu Wort gemeldet. (Abg. Mag. Schweitzer: ... die Unwahrheit gesagt!)

10.57

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte gleich im Anschluss an die Wortmeldung von Klubobmann Westenthaler erstens Folgendes feststellen: Niemand ist dem Abgeordneten Edlinger näher gesessen als ich, und ich habe das gehört. Wenn die Protokollführung das nicht gehört hat, kann das durchaus damit zusammenhängen, dass sie natürlich weiter weg gesessen ist als ich. Ich habe diese Äußerung folgendermaßen gehört: "Jetzt fehlt nur noch", und dann kam eben der Zwischenruf.

Zweitens finde ich es in höchstem Maße unfair, dass hier nicht der Rede des Abgeordneten Edlinger zugehört wird, denn er hat auch vor, zu dem, was den gestrigen Zwischenruf betrifft, ebenfalls einiges zu sagen. Daher ist es unverständlich und auch durchschaubar, was Sie in Wirklichkeit vorhaben. Es ist auch im höchsten Maße unehrlich, weil wir wissen, dass Sie das Ganze, was Sie gestern hier gesagt und aufgeführt haben, vor allem deswegen gemacht haben, weil Sie zu den Ereignissen und zu der Tatsache, dass Rechtsextremisten am Heldenplatz eine Kundgebung durchführen konnten, eben keine klaren Worte gefunden haben. Das sei hier festgestellt. (Beifall bei der SPÖ.)

10.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Klubobmann Van der Bellen, bitte. (Abg. Dr. Petrovic: Es interessiert offensichtlich nicht, was die Opposition sagt!)

10.59

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Äußerung ist offenbar für die ÖVP und die FPÖ irrelevant. (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll. ) Ich nehme das zur Kenntnis. Für das Protokoll: Die Reihen der FPÖ und der ÖVP sind praktisch so gut wie gelichtet.

Natürlich war die Äußerung des Kollegen Edlinger gestern in höchstem Maße unpassend und bedauerlich, um es milde auszudrücken. Gleichzeitig halte ich fest, dass es für jeden Beobachter der Politik klar sein muss, dass es sich um eine unpassende sarkastische Bemerkung gehandelt hat und ganz sicher nicht um eine Äußerung im Sinne des Wiederbetätigungsverbotes. (Abg. Mag. Schweitzer: Das Messen mit verschiedenen Maßen ist bei Ihnen an der Tagesordnung!) Das möchte ich schon eindeutig festhalten – ungeachtet dessen, dass ich davon ausgehe, dass sich Kollege Edlinger von dieser Äußerung deutlich distanzieren wird.

Ich nehme es zur Kenntnis, dass FPÖ und ÖVP hier nicht zuzuhören gedenken. Rückblickend meine ich, es war vielleicht von unserer Seite ein Missverständnis oder ein Fehler, uns die Reden des Herrn Kollegen Gaugg anzuhören und in der Sache zuzuhören, obwohl Kollege Gaugg seinerzeit das Wort "Nazi" so buchstabiert hat: Neu, attraktiv, zielstrebig und ideenreich.


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Wir haben das sozusagen übersehen, höflich, wie wir sind. Da hätte es in den letzten Jahren genug Gelegenheit gegeben, den Saal zu verlassen, wenn Kollege Gaugg an das Rednerpult tritt. Wir haben das nicht getan.

Im Übrigen meine ich: Wenn der Innenminister es für richtig hält, eine Neonazi-Demonstration zuzulassen, und FPÖ und ÖVP das ausdrücklich billigen und nicht im Traum daran denken, den Saal zu verlassen, dann diskreditiert sich diese Aktion von heute gegenüber dem Kollegen Edlinger. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich habe Herrn Abgeordneten Edlinger schon aufgerufen. Kollege Prinzhorn, wünschen Sie, dass ich fortsetze – oder übernehmen Sie den Vorsitz? – Bitte. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

11.01

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die Materie eingehe, habe ich in der Tat das Bedürfnis, auf meinen gestrigen Zwischenruf zurückzukommen, und ich möchte dazu drei Bemerkungen machen.

Erstens: Ich stehe nicht an, festzustellen, dass die von mir gewählte Formulierung unpassend war. Ich ziehe diese mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück.

Zweitens: Sie entsprang allerdings einer emotionellen Situation, in die ich als Zuhörer der Rede der freiheitlichen Justizsprecherin gelangte. Die eindeutige Schuldzuweisung für Ereignisse am Wochenende in Richtung Opposition und vor allem oppositioneller Politiker, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, dass erstmals seit 1945 mit Genehmigung der Bundesregierung Neonazis am Heldenplatz aufmarschieren konnten, hat diese Emotionalität meinerseits ausgelöst. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und drittens: Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, und auch die gesamte Öffentlichkeit wirklich um Verständnis dafür, dass auch ein alter Politiker, der seit seiner Jugend aktiv antifaschistisch engagiert ist, Gefühle und Emotionen haben darf.

Ich danke Ihnen, dass Sie sich diese Erklärung angehört haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wende mich nun den zur Diskussion stehenden Materien zu und möchte einleitend feststellen, dass die Einrichtung von unabhängigen Finanzsenaten – wie richtigerweise sowohl vom Herrn Staatssekretär, aber auch von Abgeordneten festgestellt worden ist – eine wesentliche Veränderung in der bestehenden Rechts- und Verwaltungsstruktur darstellt. Es ist dies eine Gesetzesänderung, die durchaus die Zustimmung der Sozialdemokraten erreichen könnte, weil sie einen Schritt in die richtige Richtung darstellt. Ich möchte in diesem Zusammenhang die Anregungen des Abgeordneten Kogler näher erörtern.

Die Zustimmung der Sozialdemokraten ist deshalb erforderlich, weil eine solch gravierende Änderung der Zweidrittelmehrheit bedarf. Dennoch werden wir dieser Änderung nicht unsere Zustimmung erteilen, und ich werde Ihnen auch erläutern, warum nicht.

Die zweite Causa, um die es mir geht, die Flexibilisierungsklausel, hat eine Vorgeschichte, die für unsere heutige Haltung von ausschlaggebender Bedeutung ist. Uns geht es nämlich darum, dass die gleichfalls eine Zweidrittelmehrheit benötigende Flexibilisierungsklausel, die 1999 beschlossen wurde und 2003 ausläuft, verlängert wird, weil sie sich extrem positiv entwickelt hat.

Einem Bericht, den mir Herr Bundesminister Mag. Grasser im September ausgehändigt hat, kann man entnehmen – ich zitiere –: Schon bei der Erstellung der mehrjährigen Programme hat ein grundsätzliches Umdenken von einem input-gesteuerten, vor allem auf den jährlichen Ausgabenrahmen ausgerichteten, hin zu einem output- und ergebnisorientierten Denken stattge


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funden. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt – Herr Staatssekretär, so steht es im Bericht Ihres Ministers –, dass die teilnehmenden Organisationseinheiten den mit der Flexibilisierungsklausel eingeräumten Gestaltungsspielraum umfassend genützt haben. Die in den Projektprogrammen in transparenter Weise vereinbarten Leistungen wurden in der Regel erheblich übertroffen, was nicht zuletzt auf die besondere Motivation und die gesteigerte Identifikation der Dienststellenleiter und ihrer Mitarbeiter zurückzuführen ist.

Und vielleicht das Entscheidende in Zahlen gekleidet: Ich als jemand, unter dessen Amtsführung diese Flexibilisierungsklausel eingeführt worden ist, war selbst äußerst überrascht, als mir mein Amtsnachfolger schriftlich zur Kenntnis brachte, dass die Einsparungspotentiale in den Abteilungen, die sie angewendet haben, zwischen 3,7 und 10,9 Prozent des jeweiligen Budgetrahmens betragen haben. Das ist keinesfalls ein lächerlicher Betrag! Das sind Einsparungspo-tentiale, die zur Budgetkonsolidierung beitragen können, ohne dass man Steuern erhöhen muss und ohne dass man Sozialdemontage betreiben muss. Und deshalb halte ich das für so wichtig. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber dieser Bericht war ja – und jetzt wird es natürlich interessant, weil ich doch ein wenig von den Gesprächen berichten möchte, die stattgefunden haben – offenbar auch der Grund dafür, dass mich Herr Bundesminister Mag. Grasser zu dieser Zeit kontaktierte, um offensichtlich auszuloten, ob die SPÖ einer endgültigen Regelung zustimmt. Nach Prüfung der mir übergebenen Gesetzesvorlage haben wir unsere Zustimmung signalisiert.

Und nun geschah etwas ganz Sonderbares: Im Oktober befand sich diese Regierungsvorlage auf der Tagesordnung des Finanzausschusses und wurde ohne Begründung abgesetzt, und dies, obwohl es entsprechende Beschlüsse der Regierung gab – das ist das Sonderbare.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich zitiere aus dem Vortrag an den Ministerrat vom 10. Oktober 2001. Herr Minister Grasser, voll engagiert in dieser Frage, berichtet: "Wie ich in meinem am 22. Mai zur Kenntnis genommenen Ministerratsvortrag über die Erfahrungen, die schon die Flexibilisierungsklausel nach sich gezogen hat, berichten konnte, ist der Erfolg in sämtlichen Fällen groß." – Weiters sagt er – und jetzt bitte ich Sie, aufmerksam zuzuhören, Herr Staatssekretär – :

"Der Ministerrat hat die beabsichtigte Verlängerung der Flexibilisierungsklausel bereits zwei Mal positiv zur Kenntnis genommen (siehe meine Vorträge an den Ministerrat vom 22. Mai und 2. Oktober). Nunmehr lege ich die entsprechende Gesetzesnovelle zum Bundeshaushaltsgesetz vor. Sie bedarf einer Verfassungsmehrheit, weshalb ich bereits Gespräche mit dem Abgeordneten Rudolf Edlinger, SPÖ, geführt habe. Dieser hat dabei eine Zustimmung der SPÖ zu einer Verlängerung der Flexibilisierungsklausel signalisiert." – Unterschrieben: Grasser.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist interessant, denn es stellt sich die Frage: Was ist da eigentlich passiert? – Da muss man die Hintergründe kennen. Der Sinn der Flexibilisierungsklausel ist nämlich der, dass Einsparungen erfolgen können, die in einem ganz bestimmten Verhältnis in das Zentralbudget, also zu Gunsten der Steuerzahler zurückfließen. Schon als die Flexibilisierungsklausel eingeführt wurde, hatte ich mich mit meinem damaligen Koalitionspartner dahin gehend auseinander zu setzen, in welcher Weise es zulässig ist, dass der Finanzminister in einem stärkeren Maße in den Budgetvollzug eingeschaltet ist, nämlich in einem stärkeren Maße insofern, als eingesparte Gelder nicht sofort wieder für etwas anderes ausgegeben werden.

Ich möchte abschließend sagen: Eine Opposition hat keine andere Möglichkeit, als zwei an sich gute Materien zusammenzuhängen. Politisch gesehen haben wir als Opposition von keiner der beiden Materien parteipolitische Vorteile zu erwarten. Uns geht es dabei nur um den Grundsatz der Flexibilität und um den Grundsatz der Sparsamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! In der von Herrn Abgeordnetem Stummvoll erwähnten Montagmorgen-Sitzung haben wir zwei Vorschläge zur Diskussion gestellt: entweder die Fixierung eines bestimmten Einsparungsanteils an das Zentralbudget – davon haben Sie gesprochen –


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oder eine stärkere Priorität des Finanzministers bei der Auswahl der Dienststellen, die die Flexibilisierungsklausel anzuwenden haben. Auf beide Vorschläge, auch auf den, den der Finanzminister drei Mal der Bundesregierung vorgelegt hat und der auf der Tagesordnung des Finanzausschusses stand, wurde seitens der Regierungsparteien nicht eingegangen. Ich finde das bedauerlich und sehr schade. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Noch ein Wort dazu, in welchem Zusammenhang ich diese beiden Materien sehe: Unabhängiger Finanzsenat und Flexibilisierungsklausel sind zwei Materien, die eine Verfassungsmehrheit benötigen. Es sind zwei Materien, die zwar, wie Sie richtigerweise sagen, Herr Abgeordneter Stummvoll, in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen, die aber der gleichen Zielsetzung dienen, nämlich: Erstens sind es Maßnahmen der Verwaltungsreform, und zweitens können sie budgetäre Einsparungen nach sich ziehen.

Ich verstehe den dramatischen Zeitdruck nicht, den Sie heute an den Tag legen. Die unabhängigen Finanzsenate sollen mit 1. Jänner 2003 in Kraft treten. Beide Materien müssen heute nicht beschlossen werden, denn, wie gesagt, sie sollten erst mit 1. Jänner 2003 in Kraft treten. Wir bieten Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierung, für beide Materien die Verfassungsmehrheit an. Wir junktimieren deshalb, weil wir Ihnen nicht glauben, dass Sie die verbale Zusage, mit uns, wenn Sie die Finanzsenate haben, über die Flexibilisierungsklausel zu diskutieren, auch einhalten und einen solchen Weg beschreiten wollen.

Stimmen Sie dem Rückverweisungsantrag des Abgeordneten Kogler zu! Beraten wir beide Materien in 14 Tagen im Ausschuss, und wir werden zu einer guten Lösung finden! Steigen Sie endlich vom hohen Ross Ihrer selbst empfundenen Unfehlbarkeit herab! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Die Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen kommen wieder in den Sitzungssaal.)

11.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, beginnen Sie bitte mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und stellen Sie dieser den berichtigten Sachverhalt gegenüber. (Abg. Dr. Jarolim: Ich habe noch selten so ein Klima der Vernunft erlebt wie jetzt in den letzten zehn Minuten!)

11.13

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Edlinger hat hier als Begründung für sein gestriges unglaubliches Verhalten seine Emotion genannt und hat sie unter anderem damit begründet, die Bundesregierung hätte eine Neonazi-Demonstration am Heldenplatz zugelassen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja die nächste Ungeheuerlichkeit!)

Das ist eine ungeheuerliche neuerliche Entgleisung! Wahr ist vielmehr, dass der Innenminister gestern nachgewiesen hat, dass er ein Gesetz, das Untersagungsmöglichkeiten vorsieht, korrekt vollzogen hat. Er hat Gesetze zu vollziehen – und nicht die Wünsche der SPÖ, meine Damen und Herren! Kommen Sie heraus und entschuldigen Sie sich neuerlich, Herr Kollege Edlinger! (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Der hat sich überhaupt nicht mehr im Griff! Da musst du jedes Mal Angst haben, wenn der herausgeht! Der entgleist bei jeder Rede mittlerweile!)

11.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, erlaube ich mir, den Parlamentspräsidenten des polnischen Parlaments, der auf der Besuchergalerie anwesend ist, auf das Allerherzlichste zu begrüßen! (Allgemeiner Beifall.)

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Müller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

11.15

Abgeordneter Hans Müller (Freiheitliche): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! So wie die Beschlussfassung zur Finanzmarktaufsicht ein


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101. Sitzung / Seite 49

Meilenstein in der Geschichte des Finanzressorts ist, kann auch die Schaffung eines unabhängigen Finanzsenates als Meilenstein bezeichnet werden. Dieser unabhängige Finanzsenat, der für das gesamte zweitinstanzliche Rechtsmittelverfahren für Steuerangelegenheiten, Zoll- und Finanzstrafverfahren zuständig sein soll, stellt eine Stärkung der Bürgerrechte dar. Durch die Unabhängigkeit der Rechtsmittelbehörde werden faire und schnellere Verfahren vor unabhängigen Organen bewerkstelligt.

Wichtig ist auch, dass keine Zugangsbeschränkungen, wie die Gebührenpflicht, Kostenersatzregelungen für den Fall des Nicht-Obsiegens oder anwaltlicher Vertretungszwang bestehen.

Die diesbezügliche Regierungsvorlage wurde im Ministerrat am 19. Feber dieses Jahres beschlossen und soll nun ab 1. Jänner 2003 wirksam werden. Bis jetzt wurden bei Rechtsmittelverfahren die Entscheidungen entweder in weisungsfreien Senaten oder durch weisungsgebundene Einzelbeamte getroffen. Die Mitglieder des neuen unabhängigen Finanzsenates sollen, was ihre Aufgaben betrifft, an keine Weisungen gebunden sein. Weiters dürfen diese Mitglieder des unabhängigen Finanzsenates für die Dauer ihres Amtes keine Tätigkeit ausüben, die Zwei-fel an der Unabhängigkeit ihres Amtes hervorrufen könnte.

Die Schaffung dieses unabhängigen Finanzsenates dient nicht nur zur Stärkung der Bürgerrechte, sondern soll auch finanzielle Synergieeffekte bringen. Die Behörde soll an den bisherigen Standorten der sieben Finanzlandesdirektionen untergebracht werden, nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten, aber räumlich von den übrigen Finanzverwaltungen getrennt.

Der Personalbedarf sowie die Infrastruktur werden grundsätzlich aus dem Personalbestand der Finanzlandesdirektionen gedeckt.

Nicht zuletzt soll dieser unabhängige Finanzsenat auch den Verwaltungsgerichtshof und den Verfassungsgerichtshof entlasten.

Für jeden Geschäftsbereich ist im Rahmen der Geschäftsverteilung die erforderliche Anzahl von Berufungssenaten zu bilden. Die gesetzlichen Berufsvertretungen haben für jede Außenstelle die erforderliche Anzahl von Mitgliedern für den Berufungssenat auf die Dauer von sechs Jahren zu entsenden. Die Beschlüsse im Berufungssenat erfolgen mit einfacher Mehrheit.

Die Vollversammlung hat unter Berücksichtigung der Bedeutung der Berufsgruppe für die Steuerleistung die Zahl der von den einzelnen Berufsvertretungen zu entsendenden Mitglieder zu bestimmen.

Die Tragweite dieses neuen Gesetzes spiegelt sich darin, dass umfassende Änderungen in folgenden Gesetzen notwendig sein werden: in der Bundesabgabenordnung, im Zollrechts-Durchführungsgesetz, im Ausschreibungsgesetz, im Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, im Finanzstrafgesetz und im Abgaben-Verwaltungsorganisationsgesetz.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Damen und Herren im Finanzministerium für die geleistete Arbeit bedanken, welche dieses neue Gesetz mit sich brachte.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich habe schon eingangs die Feststellung getroffen, dass die Schaffung dieses unabhängigen Finanzsenates einen Meilenstein im Finanzressort darstellt. Ich ersuche Sie sehr höflich, diesem wichtigen und sinnvollen Gesetz Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiermaier zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.19

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich mit dem Abgabenänderungsgesetz 2002 beschäftigen, konkret mit dem § 27 Abs. 3 Ziffer 3. Es geht um die steuerfreie Ausschüttung von


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101. Sitzung / Seite 50

Geldern aus Aktien und Genussrechten aus der Sicht der Tausenden kleinen Unternehmen in Österreich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist allgemein bekannt, dass viele Betriebe unter einer eklatanten Eigenkapitalschwäche leiden. Was ist der übliche Weg? – Der Gang zur Bank, die Zuführung von Betriebsmitteln über einen Bankkredit. Das ist erstens nicht billig und wird zweitens immer schwieriger, wenn wir nur an diese wahnwitzige amerikanische Bankenphilosophie Basel II, oder bald III oder IV oder wie immer sie dann heißen wird, denken. Jetzt gibt es zwar eine Milderung dieser Sache, aber ich frage mich nur, wie lange, meine Damen und Herren, denn kassieren muss man dort, wo die Masse ist. Und ich bin davon überzeugt, dass man da wieder kräftig zulangen wird.

Wir in Europa sitzen da wie das Kaninchen vor der Schlange und sagen: Da kann man nichts machen, das ist eben so. – So ist das nicht!

So weit, so schlecht. Doch nun kommt ein kleiner Lichtblick am Horizont: die Erhöhung der Ausschüttungssumme aus Aktien und Genussrechten von 14 600 € auf 25 000 €, eine Steigerung, um es in Schilling zu sagen, von 140 000 S. Ersatzinvestitionen können dann in der Gesamthöhe von zirka 340 000 S getätigt werden – ein nicht uninteressanter Punkt.

Jetzt werden die kleinen Handwerker, Händler, Wirte und wer auch immer nicht gerade Aktien ausschütten, aber stille Beteiligungen und Ähnliches wären in geeigneter Form durchaus interessant. Gerade für die Kleinbetriebe würde das die Situation einigermaßen verbessern.

Österreich ist ein Land mit unglaublich hohen Spareinlagen, und nicht wenige davon, gerade solche von älteren Leuten, sind mit dem Eckzinssatz besteuert, weil diese Menschen es einfach nicht besser wissen und weil sie eben der traditionellen Spartradition anhaften. Ich denke dabei vor allem an den Bekanntenkreis so mancher kleiner Unternehmer. Wer solche Menschen in seinem Bekanntenkreis hat, könnte sich mit ihnen zusammentun und auf diesem Wege seinem Betrieb Geldmittel zuführen. Ein paar Prozent mehr Verzinsung als auf den Sparbüchern sind zwar nicht die große Welt, aber ich glaube, damit wäre beiden geholfen: da ein günstigerer Kredit und dort mehr Ertrag als auf dem Sparbuch.

Ich weiß schon, jetzt kommt sicher der Einwand: Wer ist denn dann dafür zuständig, dass auch die Haftung gewährleistet ist, dass es keine Probleme gibt mit der Rückzahlung und so weiter? – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann auch ohne Bank entsprechende Sicherungen tätigen, grundbücherlicher Art oder sonstwie. Es wäre also beiden geholfen.

Ich denke, die Banken sollten ohnehin schon längst in sich gehen und einmal über ihre Spesen und Gebühren nachdenken. (Rufe bei den Freiheitlichen: Aber!) Und da wende ich mich nicht nur an alle Fraktionen hier im Haus. Da würde ich meinen, dass nicht nur die Abgeordneten, sondern jeder hier im Saal einmal darüber nachdenkt. Jeder von uns hat entweder ein Lohnkonto oder ein Betriebskonto oder wie auch immer. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schauen Sie sich am Quartalsende einmal die Abrechnung an! Schauen Sie sich einmal die Bankspesen an, und wie einfallsreich die Banken dabei sind!

Ich glaube, dass man darüber wirklich einmal reden muss. (Zwischenruf des Abg. Neudeck. ) Es ist ganz egal, welcher Bankensektor das ist. Das ist doch ganz egal! Da sind sie sich doch alle einig. (Abg. Neudeck: ... Bank Austria?) Na, glauben Sie denn, dass die anderen besser sind? Das ist doch ganz egal. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Beispiel nur auf die Unterschiede zwischen Einzahlungsdatum und Wertstellungsdatum hinweisen, auf die Tage, die da vergehen und nicht für den Kunden genützt werden. Und wenn so eine Bank ein Sponsoring macht und dann großzügigerweise eine Parkbank zahlt oder eine Rutsche auf dem Kinderspielplatz, dann lassen sich die Bankdirektoren dafür höflich ehren und begrüßen. Das ist in Wirklichkeit das Geld der Sparer, das sie hier großzügigerweise verschenken, und das sollte uns allen, glaube ich, klar sein.


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101. Sitzung / Seite 51

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es diese Gesinnung, dass man jeden Handgriff und alle Spesen verrechnet, in anderen Branchen auch gäbe, dann würden wir lieb ausschauen! Wenn jeder Gastwirt eine Benützungsgebühr für das Tischtuch oder für die Zeitung verlangen würde, wenn jeder Handwerker für jeden Kostenvoranschlag Gebühren einheben würde, und so weiter, und so weiter, wo kämen wir da hin?! – Eine gewisse Serviceleistung, eine gewisse Großzügigkeit würde den Banken sicherlich nicht schaden, und damit meine ich alle und nehme überhaupt keine aus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, das ist ein Appell, den wir einmal gemeinsam an die Banken richten sollten. Sie wissen genau, auch wenn Sie hier Zwischenrufe machen, dass ich Recht habe. Es ist nun einmal so, und ich bin froh, dass diese Lösung kommt. Darum stimmen wir diesem Gesetz auch zu.

Einen Satz möchte ich am Schluss noch sagen: Ich halte die Reaktion der beiden Klubobmänner von den Regierungsfraktionen von vorhin für überzogen, und zwar deshalb überzogen ... (Abg. Neudeck: Jetzt hast du so gut angefangen, und jetzt haust du die ganze Rede zusammen!)   Ich sage Ihnen nur meine Meinung, meine sehr geehrten Damen und Herren. – Unser Klubobmann hat angekündigt, dass sich Herr Abgeordnete Edlinger in aller Form entschuldigen wird. Das hat er auch getan. (Abg. Gaugg: Und dann hat er wieder angeschüttet!) Sie hätten keine Ursache gehabt, auf plakative Art und Weise den Saal zu verlassen. Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es um die Show gegangen – und um sonst überhaupt nichts! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und noch etwas – und da möchte ich an jeden einzelnen Mandatar persönlich appellieren –: Wenn Sie alle einmal so lange in der Politik sind wie unser Freund Edlinger, dann frage ich Sie alle, ob Sie nicht schon auch einmal einen Fehler gemacht haben. Und wenn Sie behaupten, dass Sie keinen Fehler gemacht haben, dann sagen Sie die Unwahrheit! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Egghart zu Wort gemeldet. – Ich ersuche Sie, mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung zu beginnen.

11.26

Abgeordneter Robert Egghart (Freiheitliche): Herr Abgeordneter Kiermaier hat behauptet, dass alle Banken gleich sind. – Richtig ist vielmehr, dass es nur eine Bank gibt, nämlich die BAWAG, die einem Generaldirektor zwei Vorstandsgehälter zahlt, und dieser lässt sich seine Pension mit einem Betrag von 50 Millionen Schilling abfertigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

11.26

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gleich vorweg: Ich bedauere, dass es offensichtlich nicht möglich ist, den unabhängigen Finanzsenat miteinander zu beschließen. Warum dem seitens der SPÖ nicht zugestimmt wird, ist nicht klar. Die Begründung des Kollegen Edlinger war etwas zu dürftig. Gerade diese Einrichtung würde nämlich dem Steuerzahler helfen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich aber dem Abgabenänderungsgesetz zuwenden, so wie auch mein Vorredner, Kollege Kiermaier, und stelle fest, dass hier tatsächlich einige Steuererleichterungen für die Klein- und Mittelbetriebe enthalten sind. Seine Ankündigung, dass es hiefür seitens der SPÖ Zustimmung geben wird, kann ich nur begrüßen. Ich bedanke mich dafür, weil das eine nicht zu unterschätzende Förderung des Mittelstandes ist.


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101. Sitzung / Seite 52

Betreffend Ihren Hinweis, Herr Kollege Kiermaier, dass Basel II vor der Tür steht und dass offensichtlich auf Dauer zu wenig für die Klein- und Mittelbetriebe getan würde, frage ich Sie aber: Wer war denn verantwortlich dafür, dass Österreich nicht in diesem Verhandlungsteam von Basel II sitzen kann? Wer war denn damals Finanzminister? – Das, lieber Kollege, hast du hier nicht gesagt! Luxemburg ist Verhandlungsmitglied, Österreich nicht. Damals gab es einen sozialistischen Finanzminister und einen sozialistischen Bundeskanzler, die es abgelehnt haben, diesem Klub beizutreten.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, dass die Klein- und Mittelbetriebe das Rückgrat der österreichischen Unternehmenslandschaft bilden und dass sie wesentlichen Einfluss auf die Wirtschaftsstruktur haben. Das gilt nicht nur für die Europäische Union, sondern vor allem für unser Land, in dem dieser unternehmerische Mittelstand besonders ausgeprägt ist. Immerhin ist gerade dieser Bereich mit rund drei Millionen Beschäftigten der größte Arbeitgeber. Es ist daher wichtig, dass in diesem Bereich Steuererleichterungen erfolgen. Nur: Basel II allein, Herr Kollege Kiermaier, wird die Sache nicht regeln!

Es wäre auch die Frage zu stellen, warum es in Österreich nach wie vor eine Kreditvertragsgebühr gibt, warum Einverleibungen von Pfandrechten in Österreich ungleich teurer sind als in vielen anderen vergleichbaren Ländern. Das sind aber nicht Einführungen dieser blau-schwarzen oder schwarz-blauen Regierung, sondern das sind Einführungen aus anderen Zeiten.

Ich würde daher bitten, wie auch vom Kollegen Stummvoll vorhin angedeutet, bei der Steuerreform in Hinkunft gerade auch auf diese Punkte entsprechend Rücksicht zu nehmen. Das, meine Damen und Herren, wäre wichtig, und ich bin sicher, Kollege Kiermaier, dass du deinen Einfluss geltend machen wirst, wenn es bei der Steuerreform darum geht, diese Punkte vielleicht einer Veränderung zuzuführen. Ich bin sicher, dass Herr Kollege Kiermaier dann auch dabei sein wird, aber bisher habe ich von dir – und ich habe dich als vernünftigen Kollegen kennen und schätzen gelernt – nichts darüber gehört.

Es gilt also, nicht nur nachher zu fordern, sondern auch mitzuhelfen, diese Dinge zum Positiven zu verändern, gerade auch in deinem Sinne für die klein- und mittelständische Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ein kleiner Punkt in diesem Abgabenänderungsgesetz betrifft die Landwirtschaft. Es wird in Hinkunft die nicht kostenpflichtige Alkoholfeststellung je Verschlussbrennerei klar geregelt, nämlich dass derartige Amtshandlungen nur mehr einmal im Monat vorgenommen werden können.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, dass gerade im Rahmen der parlamentarischen Tätigkeit eine Verhandlung notwendig wäre, um eine rechtliche Verankerung im Alkoholsteuergesetz gerade auch für die kleineren Brennereien vorzunehmen.

Steuererleichterungen werden durch diese Gesetzesreform künftig auch alle Ausgliederungen von Aufgaben aller Körperschaften öffentlichen Rechts erhalten, also nicht nur jene der Gebietskörperschaften. Mit der Ausweitung der steuerlichen Sonderregelung wird auf die notwendige und sinnvolle Ausgliederung von immer mehr öffentlichen Aufgaben Rücksicht genommen.

Ich fasse zusammen: Sowohl durch die Änderung im Gebührengesetz als auch durch die Änderungen im Alkoholsteuergesetz sowie durch Klarstellungen und Präzisierungen im Text selbst, aber auch durch die Übertragung von Kompetenzen wird es zu massiven Verwaltungs- und Vollziehungsvereinfachungen kommen. Diese Änderungen bringen massive, nicht unbedeutende Kosteneinsparungen für den Steuerpflichtigen, eine Reform der Verwaltung getreu dem Regierungsmotto, dass es Erfolge nur dann geben kann, wenn bürokratische Hürden abgebaut werden, wenn Steuererleichterungen gerade auch im Unternehmensbereich umgesetzt, aber auch für die Beschäftigten in maß- und sinnvoller Weise eingeführt werden.

Wir sparen, wo es notwendig und wichtig ist, und schaffen flachere Strukturen und Steuererleichterungen, wo dies sinnvoll ist. Insgesamt betrachtet setzt das Abgabenänderungsgesetz 2002 wichtige Schritte zur aktuellen Wirtschaftssituation und zu notwendigen Verwaltungs


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101. Sitzung / Seite 53

vereinfachungen im Steuerrecht. Ich danke der Opposition für die einvernehmliche Beschlussfassung dieses Punktes. Ich würde mir aber wünschen, dass auch hinsichtlich des dritten Punktes dieselbe kollegiale und sinnvolle Beschlussfassung erfolgen könnte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

11.32

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Auer! Die Opposition ist dann mit dabei, wenn es sinnvoll ist. (Abg. Auer: Das ist sinnvoll!)  – Genau, beim Abgabenänderungsgesetz sind wir mit dabei, bei den zwei nachfolgenden Tagesordnungspunkten sind wir – und das wissen Sie ganz genau – aus bestimmten Gründen nicht mit dabei, weil von Seiten der Regierung keine Bewegung zu sehen ist. Die Opposition kann sich einfach nicht anders wehren, als diese Zweidrittelmaterie zum Anlass zu nehmen, um die Gesprächsbereitschaft der Regierung einzufordern. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Kollegen Stummvoll. Kollege Stummvoll hat mir ein Stichwort gegeben. Er hat gemeint, diese Regierung hat – und das ist durchaus zu bestätigen – besonders die Arbeitnehmer und die Klein- und Mittelbetriebe belastet. (Abg. Dr. Stummvoll: Das habe ich nicht gesagt! Protokoll anschauen!)  – Okay, ich sage, sinngemäß: Diese Regierung hat die Arbeitnehmer und die Klein- und Mittelbetriebe besonders belastet. Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein, weil auch 717 314 Österreicherinnen und Österreicher ein klares und eindeutiges Zeichen gegen die unsoziale Politik der schwarz-blauen Bundesregierung gesetzt haben.

Dieser Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Christine Lapp und KollegInnen betreffend Umsetzung der Ziele des Volksbegehrens "Sozialstaat Österreich" unter anderem durch die Abschaffung der unsozialen Besteuerung der Unfallrenten

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage vorzulegen, mit der die unsoziale Besteuerung der Unfallrenten rückwirkend mit 1. Jänner 2001 aufgehoben wird."

*****

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Darüber sollten Sie nachdenken, und ich ersuche Sie wirklich, diesem Entschließungsantrag beizutreten. Es sind derzeit – tagesaktuell – 223 330 Personen arbeitslos gemeldet, davon – hören Sie bitte zu! – 30 456 Personen mit Behinderung. Diese Personen haben Sie mit der Einführung dieser Unfallrentenbesteuerung besonders belastet. Daher ersuchen wir Sie, diesem Entschließungsantrag beizutreten, um einen Schritt in Richtung Sozialstaat-Volksbegehren zu setzen. – Das ist der eine Punkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Den zweiten Punkt hätte ich gerne in Richtung des Kollegen Böhacker andiskutiert. Er hat gemeint: Das Abgabenänderungsgesetz sei ein dünnes Gesetz. – Das stimmt, es ist papiermäßig ein dünnes Gesetz, aber es hat es in sich! (Abg. Böhacker: Im Gegensatz zu Ihren Belastungspaketen, die so hoch waren! 21,5 Kilogramm haben Ihre Belastungspakete gehabt!)  – Nein, nein, ein Gesetz muss gar nicht dick sein. Wenn es dünn und gewaltig ist, dann macht es auch Wetter.


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101. Sitzung / Seite 54

Die SPÖ unterstützt das auch, was Sie, Herr Kollege Auer, gemeint haben: Wir wissen natürlich auch, dass die Klein- und Mittelbetriebe in der österreichischen Wirtschaft über weite Strecken – besonders im ländlichen Raum merkt man das – sozusagen das Rückgrat bilden. Die Wirtschaft ist aber kein abstraktes Gebilde, sondern das sind wir alle, also Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Herr Kollege Auer! Dieses Abgabenänderungsgesetz, das sehr wohl zur Mittelstandsfinanzierung beiträgt – Sie haben es ja gesagt –, hätte aber auf der anderen Seite die Regionalbanken durch eine Umsatzsteuer auf Leistungen, die bislang nicht von den Banken gefordert waren, belastet. (Abg. Böhacker: Frau Kollegin, Vorsicht!) Und genau das konnte in allerletzter Sekunde noch verhindert werden, nämlich dass kleine, regionale Banken im Unterschied zu einer Großbank, die ja quasi solche Leistungen nicht besteuert hat, besteuert werden. Daher stimmen wir zu, denn wir finden das sinnvoll, aber das ist auch ein Zeichen, das zeigt, wie Sie als Regierungsparteien Politik betreiben, nämlich die Kleinen belasten und die Großen befreien.  – Und das sollte nicht sein.

Gott sei Dank sind Sie bei diesem Abgabenänderungsgesetz zu der Einsicht gekommen, das herauszunehmen und die Regionalbanken den Großbanken gleichzustellen. Die Regionalbanken sind nämlich die wichtigsten "Beine" für die Wirtschaft der Klein- und Mittelbetriebe. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Frau Abgeordneter Hagenhofer verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Silhavy, Lapp, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.38

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Nachdem sich ja eine Reihe von Vorrednern intensiv dem Abgabenänderungsgesetz und dem unabhängigen Finanzsenat gewidmet hat, möchte ich noch einen Punkt aus diesen Vorlagen aus dem Finanzausschuss herausgreifen, der zwar nicht spektakulär ist, aber einen Weg aufzeigt, wie man solche Vorhaben und Projekte professionell handhabt.

Es ist dies jener Bereich der Immobilientransaktionen des Bundes, von dem wir heute wieder einen Fall zu beschließen haben. Konkret geht es um die Besitzrechte des Bundes, um das Eigentum des Bundes an einer Liegenschaft, auf der die Wilhelmskaserne im 2. Bezirk errichtet wurde. Dieses Areal wird vom Bundesministerium für Landesverteidigung nicht mehr benötigt und kann daher einer neuen Widmung zugeführt werden. Für diese Widmung wird es, glaube ich, reges Interesse geben. Es handelt sich um ein Areal von immerhin 2,8 Hektar in gut verbautem Gebiet, auch mit guter, aber immer noch akzeptabler Preislage. Es wird sich der Bereich des Wohnbaues dafür anbieten, sei es sozialer Wohnbau oder freier Wohnbau, wie auch immer.

Ich glaube, dass das auch ein Beitrag des Verteidigungsministeriums und des Wirtschaftsministeriums ist, hier Raum zu schaffen, Raum zur Verfügung zu stellen für die Belange der österreichischen Wohnungswirtschaft, speziell was die Wiener Verhältnisse betrifft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bundesministerium wird im Gegenzug die Besitzrechte an der Rossauer Kaserne eintauschen. Auch das ist ein langjähriges Anliegen des Bundesministeriums für Landesverteidigung. Die Bundesimmobiliengesellschaft hat im Bereich der Rossauer Kaserne eine relativ hohe Investitionstätigkeit ausgeübt, große Investitionen getätigt und hat ein Fruchtgenussrecht als Gegenwert für diese Investitionen erhalten. Daher werden nach Durchführung der Transaktion sozusagen alle Forderungen abgerechnet. Das Bundesministerium für Landesverteidigung kann dann einen Teil der Rossauer Kaserne an das Bundesministerium für Inneres weitervermieten. Der darüber hinaus gehende Teil, also der Mehrerlös, fließt direkt dem Bundesministerium für Landesverteidigung zu. Ich glaube, das ist


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101. Sitzung / Seite 55

ein sehr sinnvoller Ansatz. Das Bundesministerium für Landesverteidigung braucht dann kein eigenes Geld für andere Vorhaben in die Hand zu nehmen.

Ich bin mir dessen sicher, dass die BIG als Beauftragte für diese Immobilientransaktion den bewährten Weg der vergangenen Jahre fortsetzen und im Interesse der Wohnungswirtschaft einen sehr guten Weg gehen wird. Ich bin auch froh, dass es hierzu einen einstimmigen Beschluss geben wird.

Ich möchte ganz zum Schluss noch einen Punkt anschneiden, den Kollege Kiermaier erwähnt hat. Darauf möchte ich schon eingehen, weil er wesentlich ist und weil ich meine, dass wir nach dem Prinzip vorgehen sollten: Was es wiegt, das hat es! Kollege Kiermaier – er ist jetzt nicht im Saal – hat gemeint, wir hätten hier maßlos überzogen, als die Koalitionsparteien den Saal verlassen haben.

Ich möchte an die Adresse des Kollegen Kiermaier schon eines sagen: Diese Aktion war noch das Mindeste! Diese Aktion war durchaus angemessen. Was, glauben Sie, Herr Kollege Kiermaier, wäre passiert, wenn ein freiheitlicher Abgeordneter hier in der ersten oder zweiten Reihe einen ähnlichen Zwischenruf gemacht hätte? – Na da wäre der Teufel los gewesen!

Daher: Es wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, Sie kommen aus diesem Dilemma nicht heraus, auch wenn der Herr Edlinger eine Erklärung abgeben hat. Diese Aktion war angemessen, und wenn es nochmals solche Zwischenrufe von Ihrer Seite gibt, dann werden Sie das noch einmal mit aller Deutlichkeit hören. Der Herr Edlinger kann sich entschuldigen, wie er will, aber den Nimbus, den er gestern gesetzt hat, wird er nicht los! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.44

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. – Bitte.

11.44

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es haben alle Redner zum Ausdruck gebracht, dass bedauert wird, heute den unabhängigen Finanzsenat nicht beschließen zu können. Ich meine, dass der Ansatz des unabhängigen Finanzsenates ein richtiger ist, sowohl was die Angleichung des Rechtsschutztatbestandes und der -standards als auch die Frage des Zuganges zu diesen Einrichtungen betrifft. All das wurde sehr genau diskutiert und letztlich durch die Erfüllung der Kriterien eines Gerichtes, auch im Sinne der Unabhängigkeit, tatsächlich auch so abgefasst, dass dem durchaus zuzustimmen wäre. Auch die gerechtere Berufungsentscheidung könnte daraus abgeleitet werden.

Ich glaube, dass die Unabhängigkeit, aber auch der Hinweis, dass eine Beschleunigung der Verfahren möglich wäre, und letztlich auch der Hinweis, dass damit mehr Rechtsschutz für den Bürger verbunden und keine Zugangsbeschränkungen gegeben wären, Ansätze sind, die wir geteilt haben. Ich sage das deshalb, weil auch ich es bedauere, dass es nicht möglich war, hier eine Einigung zu erreichen, weil die Regierungsparteien keinen Zusammenhang zur Flexibilisierungsklausel gesehen haben.

Ich denke, da gibt es sehr wohl einen Zusammenhang, nämlich den, dass beide Maßnahmen zu Einsparungseffekten führen. Letztlich sind durch die Verwaltungsreform auf der einen Seite und durch die Flexibilisierungsklausel auf der anderen Seite Einsparungen möglich. So meine ich, dass da der Zusammenhang sehr wohl besteht.

Es hat sich auch gezeigt, wenn auch nur in wenigen Bereichen eingeführt, dass jene Organisationseinheiten, die in die Flexibilisierungsklausel einbezogen wurden, sehr wohl hohe Einsparungseffekte aufgewiesen haben, nämlich, wie Edlinger ausgeführt hat, im Ausmaß von 3,5 bis 10,9 Prozent. Das ist doch etwas, was für das ganze Budget durchaus wichtig und wirksam ist.


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101. Sitzung / Seite 56

Wenn dann hier von einer eigenartigen Situation gesprochen wird, dann möchte ich sagen, durchaus im Sinne der vorangegangenen Finanzgesetze, dass es bei der Finanzmarktaufsicht auch so war. Wir haben damals eine klare Position bezogen, eine klare Position auch hinsichtlich des Bildes der Finanzmarktaufsicht nach außen; diese Unabhängigkeit zu haben, ist ja wichtig. Und letztlich ist es im zweiten Anlauf doch gelungen, dass unsere Argumente so berücksichtigt wurden, dass eine Zustimmung erfolgen konnte.

Wir gehen davon aus, dass dieser Zusammenhang von den Vertretern der Regierungsparteien erkannt werden wird und daher durch die Einbeziehung der Flexibilisierungsklausel in einer der nächsten Sitzungen auch eine Zustimmung zum unabhängigen Finanzsenat gegeben werden kann.

Ich glaube, dass es wichtig ist – Kollege Stummvoll hat das angesprochen –, nach dem Motto zu handeln, dass beide, nämlich das Ressort, aber auch der Finanzminister, etwas davon haben. Ich halte das für wichtig, einerseits im Hinblick auf die Motivation der im Ressort Beschäftigten, andererseits auch im Sinne der Einsparungseffekte für das Gesamtbudget. Ich gehe also davon aus, dass noch eine Einigung in einer der nächsten Sitzungen möglich sein wird.

Ich weiß schon, dass das auch ein Kräftespiel innerhalb der Koalition ist: Der eine Ansatz ist ausschließlich ressortbezogen, und der andere Ansatz sieht auch die Einbeziehung bei den Einsparungen des Bundesministeriums für Finanzen vor. Tatsache ist auch, dass es eine hohe Akzeptanz bei den betroffenen Dienststellen gibt. Man sollte daher darangehen, dies nicht nur befristet, sondern unbefristet einzuführen.

Abschließend meine ich: Wenn schon die Regierungsparteien nicht ans Sparen denken, dann sollten wir das tun – in dem Sinne, dass dort gespart werden soll, wo man kann, und das wäre ein guter Ansatz dazu. Ich lade Sie noch einmal ein, dies in den Verhandlungen zu berücksichtigen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte.

11.49

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Steuerzahlerin und Steuerberaterin wäre ich natürlich überglücklich, wenn wir den heute vorliegenden Entwurf über die Einrichtung eines Finanzsenats als zweite Instanz im Abgabenrecht beschließen könnten.

Durch diese Vorlage wird nämlich dem Steuerzahler verbürgt – das haben meine Vorredner auch schon ausgeführt –, dass jene, die über seine Angelegenheiten entscheiden, zukünftig nicht mehr der Gefahr einer gesetzlich verordneten "Schizophrenie" ausgesetzt sind, welche sich zwangsläufig einstellen muss, wenn man als weisungsgebundener Einzelbeamter über Berufungen zu entscheiden hat. Damit wäre nun Schluss, und an seine Stelle treten unabhängige, weisungsfreie Berufungssenate, die unter Beteiligung von Laien eine Entscheidung fällen.

Dieser rechtsstaatliche Fortschritt, meine sehr geehrten Damen und Herren, wäre wirklich zu begrüßen. Nunmehr würden auch im Abgabenrecht jene Standards eingezogen werden, die in anderen Bereichen der Verwaltung schon lange bestehen, nämlich die Weisungsfreiheit und die Unabhängigkeit der Mitglieder von Berufungssenaten, sodass es in Berufungen nicht a priori zu fiskusfreundlichen und daher steuerzahlerfeindlichen Beurteilungen käme.

Gerade die Tatsache, dass künftig auch das Finanzamt wie der Steuerzahler lediglich gleichberechtigte Partei im Verfahren ist, wird zu einer größeren Akzeptanz und Objektivität der Berufungsverfahren auch in den Augen der Rechtsunterworfenen führen.

Auch die Mitwirkung der Laien würde dafür sorgen, dass die hauptamtlichen Finanzrichter unter mehreren möglichen Interpretationen nicht zwangsläufig jene wählen, die dem Steuerzahler die größten Opfer abverlangen.


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101. Sitzung / Seite 57

Meine sehr geehrten Damen und Herren! An dieser Stelle möchte ich aber auch nicht verschweigen, dass die derzeit vorgesehene Regelung über die Mitwirkung der Laien während der Begutachtung durchaus auf erhebliche Kritik gestoßen ist. Ich teile diese Kritik nicht. Die beklagte mangelnde oder ungenügende abgabenrechtliche Vorbildung der zu entsendenden Laien wird meines Erachtens den Druck in Richtung einer einfacheren Steuergesetzgebung verstärken und die Reformanstrengungen in diese Richtung nachhaltig unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Weiters teile ich auch nicht jene Kritik, die sich an der nur ausnahmsweisen Bedeutung des Laienvotums stößt. Nach dem Entwurf ist deren Stimme nämlich nur dann entscheidend, wenn die hauptamtlichen Senatsmitglieder uneins sind. Diese Regelung, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist aber nicht zu kritisieren, sondern zu begrüßen. Diese Regelung wäre gelebte Demokratie.

Abschließend, Hohes Haus, möchte ich Sie, meine sehr verehrten Kollegen von der Opposition, ganz herzlich einladen, dem vorliegenden Entwurf zuzustimmen, und betone: Der rechtsstaatliche Fortschritt, der durch die vorgesehene Regelung erreicht würde, wäre beachtlich! Ich darf der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass dieses Gesetz, das die örtliche Zuständigkeit des Finanzsenats offen lässt, nicht dazu führen wird, dass Vorarlberger die Berufung von Wien behandeln werden. Aber ich bin guter Hoffnung, dass hier die Vernunft Platz greifen wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte.

11.53

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Noch als "Nachschlag" zur Vorrednerin: Ich möchte doch hoffen, dass auch die bisherigen Berufungssenate versucht haben, objektiv zu urteilen, und Steuerzahler nicht ungerecht behandelt haben.

Ich möchte mich aber heute in meinem Beitrag wieder hauptsächlich der Flexibilisierungsklausel widmen. Wir haben vor rund drei Jahren, am 27. November 1998, diese Flexibilisierungsklausel, befristet auf drei Jahre, beschlossen. Diese Klausel ermöglicht Abteilungen in Ministerien, nachgelagerten Bereichen von Ministerien, über die Kameralistik hinaus budgetäre Maßnahmen zu setzen und die Selbstverwaltung in ihren Abteilungsbereichen zu organisieren. Wie wir inzwischen wissen, hat es dort, wo es dieses Modell einige Jahre lang befristet gegeben hat, sehr erfolgreiche Einsparungspotentiale gegeben.

Das heißt, dass in diesen Bereichen die Kosten bis zu 18 Prozent reduziert wurden und auch die Eigenständigkeit und die Entscheidungsfähigkeit der Mitarbeiter in diesen Abteilungen besser entwickelt werden konnten als in anderen Bereichen. Das Engagement der Mitarbeiter ist gestiegen. Wir wissen, dass es auf diese Art und Weise sehr gut möglich ist, in vielen Bereichen unserer Behörden und unserer Verwaltung sinnvolle Einsparungsmaßnahmen zu setzen, ohne dass die Politik versuchen muss – oft sehr tollpatschig –, großartig einzugreifen, weil der Herr Minister X und die Frau Ministerin Y meinen, sie müssten großartige Maßnahmen setzen.

Sehr oft haben diese Maßnahmen der Minister dann genau das Gegenteil bewirkt. Ich erinnere nur an die von Frau Bundesminister Gehrer immer wieder angekündigten Einsparungen. Diese Einsparungsmaßnahmen haben dann letztendlich, wie sich nach der Evaluierung der Maßnahmen herausgestellt hat, immer zu Kostenexplosionen geführt.

Das heißt also, etwas mehr Engagement auf der Beamtenebene, etwas mehr Vertrauen in die Beamtenschaft würden es ermöglichen, sinnvoll die Kosten zu reduzieren, ohne dass die Politik große Maßnahmen zu setzen hätte.

Leider, muss ich sagen – diese Flexibilisierungsklausel wurde seinerzeit mit SPÖ- und ÖVP-Stimmen, aber auch mit den Stimmen einiger Oppositionsabgeordneten realisiert –, hat die


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ÖVP in dieser kleinen Koalition, die momentan regiert, ihre Meinung geändert und will diese Regelung, die Sinn macht, wieder weghaben. Wir verstehen das nicht und appellieren daher an die ÖVP, sich in den nächsten Wochen doch noch einmal zusammenzusetzen und hier eine vernünftige unbefristete Regelung zu ermöglichen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte.

11.56

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutigen Debattenbeiträge der Sozialdemokraten erinnern wieder an eine Selbstanklage. Es ist aus keiner der Reden hervorgegangen, warum die SPÖ dem unabhängigen Finanzsenat, der eine wesentliche Stärkung der Bürgerrechte und Vorteile für den Steuerzahler bringen würde und das Image der betroffenen Be-amten heben könnte und Ähnliches mehr, nicht zustimmt. Nicht mit einer Silbe wurde das gesagt. Ich meine, es handelt sich einfach um eine Bestemmhaltung, die unverständlicherweise hier eingenommen wird.

Man gewinnt auch den Eindruck, dass sich die SPÖ vehement gegen die Modernisierung einer der wesentlichsten und wichtigsten Einrichtungen in unserem Lande wehrt, und zwar nur deshalb, weil sie jetzt in Opposition und nicht mehr in der Regierung ist. Und eines stellt man auch immer wieder fest: Seit die SPÖ in Opposition ist, hat sie die Gerechtigkeit erfunden. – Solange sie nämlich in der Regierung war, hat sie all jene Mängel verursacht, die die jetzige Regierung übernehmen hat müssen. Das war nicht nur eine eklatante Finanzschwäche des öffentlichen Haushalts, sondern das sind auch Mängel und Schwächen in der Sozialpolitik, denn wie könnte es sonst sein, dass eine Million Menschen in Österreich an der Armutsgrenze lebt, und das nach 30 Jahren sozialdemokratischer Verantwortung in diesem Land?!

Frau Kollegin Hagenhofer hat gemeint, dass 717 314 Österreicherinnen und Österreicher ein klares Zeichen gegen die Regierung gesetzt haben. – Ich finde es schon erstaunlich, dass man nun ein Sozialstaat-Volksbegehren, bei dem es darum geht, dass Menschen den Sozialstaat in der Verfassung verankert haben möchten, in ein SPÖ-Partei volksbegehren ummünzt, das gegen die Regierung gerichtet war. Das sagen ja nicht einmal die Initiatoren dieses Volksbegehrens, sondern das ist nur die Denkweise der SPÖ.

Und jetzt kommen Sie darauf, die Abschaffung der Unfallrentenbesteuerung ... (Zwischenruf des Abg. Edler. )  – Ja, ist schon recht! Wenn die jetzige Regierung und ihre Vertreter im Parlament alle unsozialen Maßnahmen der SPÖ abschaffen würden, dann würden die Sitzungstage nicht ausreichen! Das war Ihre Form der Politik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie agieren mit Arbeitslosenzahlen, die, wie wir alle wissen, betrüblich sind. Aber ich sage Ihnen eines: Diese Regierung war die erste Regierung, die eine Behindertenmilliarde zur Verfügung stellt, die hilft, dass behinderte Menschen zumindest besser in den Arbeitsprozess integriert werden können. Das ist ein wesentlicher Beitrag für eine Verbesserung ihrer Situation. (Abg. Dr. Mertel: Unfallrentenbesteuerung und Ambulanzgebühren!)

Ein schweres Erbe hat nicht nur der Herr Finanzminister angetreten, sondern ein schweres Erbe hat auch der Herr Sozialminister angetreten, weil auch in diesem Bereich die Zustände äußerst unzufriedenstellend sind, und man braucht eben eine gewisse Zeit, um all diese Dinge aufzuarbeiten.

Ich darf erinnern: Die SPÖ war es, die das Taschengeld der Heiminsassen halbiert hat und Ähnliches mehr. Ich bin es leid, alles aufzuzählen, Sie wissen es selbst: 15 000 Arbeitsplätze gingen allein beim "Konsum" verloren. Daran ist wahrscheinlich auch die jetzige Regierung schuld. (Abg. Dr. Mertel: Gott sei Dank der "Konsum"!) Ja, natürlich, Sie waren ja auch mit dabei! Sie waren ja auch eine so tüchtige Unternehmervertreterin im "Konsum".


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Die Abgeordneten Kiermaier und Auer haben schon Recht, wenn sie von einer Eigenkapitalschwäche der heimischen Betriebe und Ähnliches mehr reden. Nur Puzzle Teil 2: Die Verantwortung bei den seinerzeitigen Verhandlungen wäre beim damaligen Finanzminister gelegen.

Über Spesen und Gebühren sollte man nachdenken, das ist alles richtig. Justizminister Böhmdorfer bemüht sich im Interesse der Konsumenten in Österreich seit Monaten, mehr Gerechtigkeit bei den Abrechnungen für Kredite zu erreichen. Welche Bank verhält sich am stursten gegenüber den Konsumenten? – Die BAWAG! Die BAWAG hat gesagt, bevor sie einen Vergleich mit einem Kunden schließe, gehe sie bis zum Obersten Gerichtshof.

Ich kann mir schon vorstellen, warum dies der Fall ist. Der Vorsitzende des Vorstandes nämlich, Herr Dr. Elsner, stellt nicht nur seinem Vorgänger und dem Herrn Gewerkschaftspräsidenten Verzetnitsch feudale Räumlichkeiten in den Räumen der BAWAG kostenlos zur Verfügung, nämlich die Penthäuser, sondern bedient sich auch selbst mit 54 Millionen Schilling an vorzeitigen Abfertigungsansprüchen (Staatssekretär Dr. Finz: Wie viel?), lässt sich 54 Millionen Schilling vorzeitig ausbezahlen, weil er befürchten muss, dass für ihn die Steuerbegünstigung wegfällt. Und die Mitarbeiter und Eigentümer schweigen dazu! Die Mitarbeiter müssen schweigen, weil sie sonst Gefahr laufen, so wie der P.S.K.-Betriebsratsvorsitzende vor das Gericht gezerrt zu werden, und die Aktionäre beziehungsweise Eigentümer, Gewerkschaftspräsident Verzetnitsch schweigen, weil es einer ihrer Genossen ist.

Wenn Sie Steuergerechtigkeit und Finanzgerechtigkeit einfordern, dann seien Sie nicht auf dem linken Auge blind! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der övp.)

12.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. – Bitte.

12.02

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Kollegen von den Regierungsfraktionen haben mir vor 20, 25 Minuten den Vorschlag unterbreitet, wir mögen heute noch einem Abänderungsantrag betreffend die Flexibilisierungsklausel zustimmen. Wir haben uns den Antrag kurz angesehen, und ich muss sagen, da sind etliche Dinge, die man prüfen muss. Das kann man nicht zwischen Tür und Angel, zwischen 11.40 Uhr und 12 Uhr erledigen.

Mein Vorschlag, den ich schon im Laufe meiner ersten Wortmeldung gemacht habe, bleibt aufrecht: Wenn Sie unseren Vorstellungen bezüglich der Flexibilisierungsklausel entgegenkommen – lassen wir jetzt die Diskussion ob Junktim oder nicht Junktim –, dann stellen Sie bitte einen Rückverweisungsantrag. Wir stimmen heute auf jeden Fall gegen den vorliegenden Gesetzentwurf, sind aber bereit, bis zu unserer nächsten Sitzung im Mai Ihre Vorschläge zu prüfen und dann, wenn diese unseren Vorstellungen entgegenkommen, diese beiden Gesetze mit zu beschließen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schultes. – Bitte.

12.03

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Gestern haben wir erlebt, wie der sozialdemokratische Abgeordnete, Herr Minister außer Dienst Edlinger Naziparolen ins Haus gerufen hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Auch wenn Sie sagen, ich solle Ruhe geben, werde ich, was diesen Punkt betrifft, keine Ruhe geben.

Ich bin noch nicht sehr lange Abgeordneter in diesem Haus, und ich muss sagen: Es fällt mir nicht leicht, mich an die Rituale dieses Hauses zu gewöhnen. Ich habe mir vorgenommen, über das politische Spiel den Menschen gelten zu lassen. Deshalb hat es mich interessiert, wie der sozialdemokratische Abgeordnete seinen gestrigen Fehler, seinen schweren Fehler heute gut


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machen will. Ich wollte wissen, ob dieser ehemalige österreichische Minister zu seinem Fehler steht und versucht, die Beleidigung dieses Hauses gutzumachen.

Ich bin während seiner Ausführungen im Saal geblieben und habe erlebt, was Herr Edlinger gesagt hat. Er hat gesagt: Ich ziehe die von mir gewählte Formulierung mit dem Ausdruck des Be-dauerns zurück. Zweitens hat er gesagt, die Vorrednerin und die Regierung seien schuld, und drittens hat er ausgeführt: Weil ich ein alter Antifaschist bin, kann es schon sein, dass ich grantig werde.

Herr Abgeordneter Edlinger, wenn das Ihre ganze Entschuldigung war, dann haben Sie dieses Haus jetzt wirklich beleidigt. Wenn Naziparolen in diesem Haus für Sie, der Sie sagen: Ich ziehe diese Formulierung mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück!, nichts anderes sind als ein "Formulierungsfehler", dann haben Sie die Demokratie wirklich beleidigt. Derartiges hat hier herinnen nichts verloren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Edlinger, Sie haben auch Ihre Wähler beleidigt, denn auch die wollen so etwas hier nicht hören. Und Sie haben auch – Sie haben gesagt, Sie seien ein Antifaschist – alle Antifaschisten beleidigt. So etwas haben Sie hier nicht zu sagen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben dieses Haus so oft für selbstgefällige Darstellungen benutzt. Ihre heutige Entschuldigung hat eine emotionale Entgleisung von gestern zu einer Sünde an der Demokratie gemacht. Heute ist es wirklich ein Problem geworden. Herr Edlinger, wenn Sie noch Minister wären, würden wir Sie auffordern, zurückzutreten – das würde Ihnen als Abgeordnetem auch nicht schaden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Übrigen kann ich nur sagen: Es tut mir furchtbar Leid, dass heute ein guter Gesetzentwurf nicht beschlossen werden kann, weil offensichtlich das Junktim für die Sozialdemokraten noch immer eine wichtige Sache ist. Ich hoffe, dass weitere Gespräche geführt werden und dieses Gesetz, das für unsere Steuerzahler wichtig ist, das in der Verwaltungsreform wichtig ist, das den Zugang zum Recht erleichtert und letztendlich die Menschenrechte in Österreich verbessert, bald beschlossen wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lentsch. – Bitte.

12.07

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Mit dem vorliegenden Reformgesetz würde ein weiterer Schritt in Richtung Verwaltungsreform vollzogen werden.

Auf den ersten Blick sieht das gar nicht so spektakulär aus. Die zweite Instanz im Finanzverfahren bleibt örtlich so wie bisher bei den Landesdirektionen angesiedelt. Die Aufgaben bleiben im Wesentlichen dieselben, und auch das Personal, das sich mit den Berufungen im Finanzverfahren beschäftigt, ist dasselbe wie bisher.

Dahinter steckt freilich mehr, geschätzte Damen und Herren, denn die zweite Instanz im Finanzverfahren wird mittels dieses Gesetzes aus den Händen weisungsgebundener Beamter genommen und einem unabhängigen Finanzsenat überantwortet. Das bedeutet nicht nur eine Neuerung für die Verwaltung, diese Reform der Steuerinstanz entspricht vielmehr den Standards, die in vielen EU-Ländern schon gegeben sind. Das ist daher auch im Sinne der Wirtschaft und im Sinne der Staatsbürger.

Wenn wir, geschätzte Damen und Herren, heute in Europa als Partner und als Standort für die Wirtschaft ernst genommen werden wollen, dann müssen wir natürlich auch europäische Spielregeln übernehmen. Mit dem vorliegenden Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz würden wir wieder einen Schritt mehr in diese Richtung setzen. Im Vordergrund müssen natürlich Effizienz und Sicherheit sowohl für die Bürger als auch für die Unternehmer stehen.


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Es ist ein gutes Gesetz, wie auch die Sozialisten im Ausschuss gemeint haben. Wenn Sie glauben, hier junktimieren zu müssen, dann müssen Sie das der Bevölkerung erklären, Sie müssen erklären, warum Sie heute nicht mit-, sondern dagegenstimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Gaugg: Das wissen sie selber nicht!)

12.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Böhacker. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

12.09

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Heindl, es ist richtig, dass Sie vor knapp einer Stunde von uns einen Antrag übermittelt bekommen haben; ausgehend von Ihrer Forderung, wir sollten uns bewegen.

Ich möchte aber festhalten, dass dieser Antrag im Großen und Ganzen bereits schon seit Tagen in Ihren Händen ist und ausschließlich auf Ihren Wunsch, auf Ihre Forderung hin § 17a Abs. 6 geändert wurde, exakt drei Zeilen wurden geändert. Es ist für mich daher unverständlich, dass Sie nicht in der Lage sind, diesen drei Zeilen, die noch dazu exakt Ihren Vorstellungen entsprechen, Ihre Zustimmung zu geben.

Ich darf Sie daran erinnern, meine Damen und Herren von der SPÖ, dass auch ein so namhafter Gewerkschafter wie Herr Hofrat Klaus Platzer, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Allgemeine Verwaltung und der Bundessektion Finanz in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, als Vorsitzender des Fachausschusses für Bedienstete der Finanzverwaltung der FLD Wien, Niederösterreich, Burgenland massiv alle Klubs ersucht hat, diesem UFS zuzustimmen. Gleiches gilt für den Präsidenten der Vereinigung der Finanzakademiker Österreichs, Dr. Walter Zemrosser, der massiv darum gebeten hat, diesen unabhängigen Finanzsenat zu beschließen.

Klar muss uns schon sein: Wenn es uns nicht gelingt, diesen UFS zu beschließen, dann verhindern Sie von der Opposition, dass es zu einer Angleichung des Rechtsschutzstandards kommt, dass das Rechtsschutzdefizit in Österreich gegenüber internationalen Einrichtungen wegfällt, dass es zu einer Entlastung des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes kommt, dass es im Wesentlichen gerechtere Berufungsentscheidungen durch unabhängige Rechtsmittelbehörden gibt, nämlich durch Behörden, die nicht Teil der Finanzverwaltung sind.

Sie verhindern durch Ihr Vorgehen, dass die Senatsmitglieder unabhängig sind, sie verhindern eine Ernennung ohne Befristung, eine Versetzung kann auch gegen ihren Willen erfolgen, ihr berufliches Fortkommen und die Besoldung sind von Entscheidungen des Finanzministeriums abhängig, sie fixieren die ausschließliche Verwendung in der Rechtsmittelbehörde und nicht im operativen Bereich.

Sie verhindern mehr Rechtsschutz für die Bürger, Sie verhindern Entscheidungen durch den Berufungssenat, wenn der Antragsteller, der Berufungswerber das fordert. Sie verhindern, dass es keine Zugangsbeschränkungen gibt, dass keine Gebühren bei Berufungen und kein Kostenersatz bei Nichtsiegen geleistet werden müssen.

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Ich ersuche Sie noch einmal: Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir uns mit dieser Flexibilisierungsklausel in § 17a Abs. 6 BHG massiv auf Sie zubewegt haben. (Abg. Gradwohl: Wann?)  – Vor Tagen schon! Genau das, was Kollege Edlinger gefordert hat, haben wir eingebracht. Es liegt jetzt die Vermutung nahe, dass Sie, da das Junktimieren wegfällt, tatsächlich aus rein parteipolitischen Gründen Ihre Zustimmung verweigern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der övp.)


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12.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.

12.13

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass auf Grund der heutigen Debatte diese Materie eigentlich ausdiskutiert ist. Wir haben es von Beginn an bedauert, dass die Opposition dieses sachfremde Junktim zwischen dieser großen Reform der Finanzgerichtsbarkeit und einer technischen Variante der Budgetgestaltung hergestellt hat.

Ich habe aber vor allem der zweiten Rede des Kollegen Kurt Heindl entnommen, dass hier eine gemeinsame Bereitschaft besteht, unabhängig von einem Junktim, eine Sachlösung zu erarbeiten, der alle vier Fraktionen zustimmen können. Wir haben uns – mein Vorredner Kollege Böhacker hat darauf hingewiesen – neuerlich bewegt und unsere Position neuerlich leicht modifiziert. Kollege Heindl hat aber gemeint, er könne immer noch nicht zustimmen, es müsse noch geprüft werden, es wäre noch ein Detail, das die Zustimmung der SPÖ verhindere.

Meine Damen und Herren! Sollte es in der Tat so sein, dass Sie in zweiter Lesung nicht zustimmen können, obwohl wir uns neuerlich bewegt haben, so möchte ich als Zeichen dafür, dass wir wirklich an einer Sachlösung interessiert sind und nicht die Brücken mit einer Abstimmung abbrechen wollen, sagen: Wir wären bereit, noch einen Schritt zu setzen und – wenn Sie dies wollen – den Antrag zu stellen, die dritte Lesung zu vertagen, falls es in der zweiten Lesung keine Verfassungsmehrheit gibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

12.15

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Abänderungsantrag, der nunmehr diskutiert wurde, ist sicher ein Zeichen und ein Versuch, auf die Bemühungen, mehreres auf einmal zu lösen, einzugehen. Das anerkenne und akzeptieren ich. – Das ist das Erste.

Das Zweite: Wir tun uns nichts Gutes, wenn wir jetzt in aller Schnelle eine Lösung herbeiführen wollen. Sie werden ahnen, dass nicht nur die SPÖ-Fraktion, sondern auch die grüne Fraktion dieser Vorgangsweise nicht zustimmen kann. Damit wäre auch die Zweidrittelmehrheit nicht mehr gegeben.

Zum Vertagungsantrag, Herr Kollege Khol – das kann man so oder so sehen. Wir sind der Meinung, es sollten beide Materien noch einmal im Ausschuss behandelt werden. Darin unterscheiden wir uns. Bei einem Vertagungsantrag würde das Thema zwischen den Plenumsdebatten schwebend bleiben, aber wir wollen es auf jeden Fall im Ausschuss behandeln. – So viel zu dieser Sache.

Ich möchte jetzt, da viele RednerInnen von den Regierungsparteien noch einmal auf den Kollegen Edlinger und seinen gestrigen Zwischenruf Bezug genommen haben, schon noch eines anmerken: Ich kenne den Kollegen Edlinger, seit ich hier im Haus bin (Abg. Dr. Martin Graf: Geben Sie es zu, das hätten Sie auch nicht gedacht!), auch noch in seiner Eigenschaft als Minister, und ich muss sagen: Ich habe ihn kennen gelernt als Demokraten, der dies ohne Zweifel ist, und sicherlich auch als Antifaschisten. (Abg. Ing. Westenthaler: Die Grünen verteidigen einen "Sieg Heil!"-Ruf!) Was heißt verteidigen? Es geht darum, wie hier scheinheilige Gegenmaßnahmen getroffen werden. Das ist Ihr Problem! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Die Grünen verteidigen Naziparolen!)

Jeder und jede, der seine und die ihre fünf Sinne beisammen hat, muss erkennen, dass dieser sicherlich sehr deplazierte Zwischenruf des Kollegen Öllinger erstens nur sarkastisch gemeint sein kann und zweitens ... (Rufe bei den Freiheitlichen: Öllinger! Ja, Öllinger!) Warten Sie ein bisschen, ich sage Ihnen, worüber Sie sich wirklich aufregen sollten.

Es konnte nur so gemeint sein, dass die Rede der Frau Partik-Pablé nur mehr sozusagen dieses Zusatzes bedurfte. Wissen Sie, was ich mittlerweile wirklich schon als Problem sehe? – Sie


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regen sich mehr darüber auf und steigern sich hinein, den Kollegen Edlinger in ein Nazieck zu stellen, anstatt zu überlegen, dass mit diesem Vorwurf gemeint sein könnte, die Rednerin hätte allenfalls in diese Richtung gewirkt. Das würde ich noch verstehen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Gaugg: Red dich in keinen Wirbel rein! – Abg. Ing. Westenthaler: Du bist ja nicht dicht! Hast du heute schon etwas konsumiert?)

Jedenfalls bin ich mit dieser Meinung nicht allein. Ich zitiere Andreas Unterberger – deshalb habe ich das noch gesagt –:

"Jeder, der seine fünf Sinne beieinander hat, weiß das. Die Aufregung der Regierungsparteien ist politische Taktik, nicht grundsätzliche Betroffenheit."

Das ist die Geschichte. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Zunächst ist über den Rückverweisungsantrag, den die Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen zum Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz in 1074 der Beilagen gestellt haben, abzustimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, den Gegenstand nochmals dem Finanzausschuss zuzuweisen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit, und der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über die einzelnen Ausschussanträge getrennt vornehme.

Wir kommen somit zur Abstimmung über einen Entwurf betreffend das Abgabenänderungs-gesetz 2002 samt Titel und Eingang in 1072 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig, und damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Ziele des Volksbegehrens "Sozialstaat Österreich", unter anderem durch die Abschaffung der unsozialen Besteuerung der Unfallrenten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein diesbezügliches Zeichen. (Rufe bei der SPÖ: Gaugg! Gaugg!)  – Es ist dies die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen samt Titel und Eingang in 1034 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem gegenständlichen Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz in 1074 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Stummvoll, Böhacker, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Da der vorliegende Gesetzentwurf und der soeben erwähnte Abänderungsantrag Verfassungsbestimmungen enthalten, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Stummvoll, Dr. Böhacker auch einen Antrag auf Vertagung der dritten Lesung eingebracht.

Außerdem haben die Abgeordneten Dr. Stummvoll, Böhacker, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel II bezieht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des vorliegenden Abänderungsantrages abstimmen.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, aber nicht die für die im Entwurf enthaltene Verfassungsbestimmung erforderliche Zweidrittelmehrheit.

Nach § 74 Abs. 1 der Geschäftsordnung haben die Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen beantragt, die dritte Lesung auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen. Hierüber hat der Nationalrat zu befinden.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem Vertagungsantrag ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit, und damit ist der Antrag angenommen.

4. Punkt

Regierungsvorlage: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Armenien über die Förderung und den Schutz von Investitionen (928 der Beilagen) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

5. Punkt

Regierungsvorlage: Abkommen über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Islamischen Republik Iran samt Protokoll (929 der Beilagen) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

6. Punkt

Regierungsvorlage: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Singapur zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll (959 der Beilagen) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)


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7. Punkt

Regierungsvorlage: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Nachlass-, Erbschafts- und Schenkungssteuern (963 der Beilagen) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

8. Punkt

Regierungsvorlage: Protokoll zur neuerlichen Abänderung des zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande am 1. September 1970 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Schlussprotokoll in der Fassung des am 18. Dezember 1989 in Den Haag unterzeichneten Protokolls (965 der Beilagen) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zu den Punkten 4 bis 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Bei all diesen Vorlagen wurde von einer Ausschussvorberatung gemäß § 28a der Geschäftsordnung Abstand genommen.

Es hat sich niemand dazu zu Wort gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Gemäß § 65 der Geschäftsordnung gelangen wir nunmehr zur Abstimmung, die ich über jeden Staatsvertrag getrennt vornehme.

Gegenstand ist die Genehmigung des Abkommens mit der Regierung der Republik Armenien in 928 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig, und somit ist das Abkommen genehmigt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Genehmigung des Abkommens mit der Regierung der Islamischen Republik Iran samt Protokoll in 929 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig, und somit ist das Abkommen genehmigt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über die Genehmigung des Abkommens mit der Regierung der Republik Singapur samt Protokoll in 959 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist ebenfalls einstimmig. Das Abkommen ist somit genehmigt.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die Genehmigung des Abkommens mit dem Königreich der Niederlande in 963 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Diese Genehmigung erfolgt ebenfalls einstimmig.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die Genehmigung des Protokolls zur neuerlichen Abänderung des mit dem Königreich der Niederlande am 1. September 1970 in Wien unterzeichneten Abkommens samt Schlussprotokoll in der Fassung des am 18. Dezember 1989 in Den Haag unterzeichneten Protokolls in 965 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig. Das Abkommen ist somit genehmigt.


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9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 649/A der Abgeordneten Dr. Martin Graf, Dr. Gottfried Feurstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1084 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 558/A (E) der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenlegung der Pensionsversicherungen der Bauern und des Gewerbes (1085 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nun gelangen wir zu den Punkten 9 und 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Riepl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

12.27

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Die Politik der Bundesregierung und der Regierungsparteien in den vergangenen Jahren war davon geprägt, die Sozialversicherung zu reformieren, dabei jedoch keinen Konsens mit den Oppositionsparteien zu suchen, keinen Konsens mit den Interessenvertretungen zu suchen, die Gewerkschaften, die Arbeiterkammern in der Sozialversicherung zurückzudrängen, die Selbstverwaltung zurückzudrängen und sie, wenn das nicht gelungen ist, in allen Bereichen als unfähig darzustellen. Es würde mich nicht wundern, wenn die heutige Debatte zur Änderung des Sozialversicherungsgesetzes wieder einmal zum Angriff seitens der Regierungsparteien auf die Sozialversicherung genützt und versucht wird, Teile der Sozialversicherung als unfähig darzustellen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute neuerlich die Zusammenlegung der Sozialversicherungsinstitute im Bereich der Pensionsversicherung der Arbeiter und der Angestellten, den Weg der Zusammenführung dieser beiden Institute. Es ist vielleicht ganz gut, am Beginn der Debatte die Dimension des neuen Institutes darzulegen.

Nach der Zusammenlegung wird dieses neue Pensionsversicherungsinstitut im Rahmen unserer österreichischen Sozialversicherungen einen Versichertenstand mit 2 603 000, einen Pensionsstand mit 1 603 000 aufweisen und ein Budget mit fast 21 Milliarden € oder umgerechnet rund 288 Milliarden Schilling zu verwalten haben. Die Größe dieses Instituts spricht dafür, auf dem Weg dorthin sorgfältig vorzugehen, die Einbindung der Betroffenen sicherzustellen, weil die Betroffenen in Wirklichkeit die Zahler sind – seien es die Beiträge der Arbeitnehmer, aber auch der Arbeitgeber –, und daher die Führung des Institutes durch die Selbstverwaltung auch weiterhin zu garantieren, aber auch den Freiraum für Entscheidungen dieser Selbstverwaltung zu garantieren und nicht zu beschränken.

Wir brauchen, so die Meinung der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hauses, eine Ausweitung der Rechte der Selbstverwaltung und keine Fortsetzung des Weges der Bevormundung, wie das vom zuständigen Ministerium, aber auch von der politischen Mehrheit derzeit immer wieder vorgeführt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Man kann es in einem Satz sagen: Wir brauchen weniger Zensur und mehr Selbstverwaltung! Das ist das Ziel, für das wir Sozialdemokraten eintreten! (Beifall bei der SPÖ.)

Nunmehr sollen laut dieser Vorlage die Kompetenzen für den Überleitungsausschuss neu geregelt werden. Das soll ab 1. Juli dieses Jahres geschehen, die Bestellung des leitenden Angestellten soll allerdings schon ein Monat früher, mit 1. Juni, erfolgen.


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Die Logik ist uns nicht klar. Herr Abgeordneter Gaugg, der sich auf der Rednerliste eintragen ließ, wird uns sicher erklären können, warum man da nicht zu gleichen Zeiten gekommen ist oder warum hier eine Bevorzugung bei der Entscheidung, die den leitenden Generaldirektor betrifft, vorgenommen wird. Für uns ist das nicht nachvollziehbar.

Es soll auch eine Einschränkung geben – im Unterschied zur 59. ASVG-Novelle und der Entscheidungen darin – auf nur mehr einen Stellvertreter. Auch das ist nicht klar nachvollziehbar. Es wäre besser, es der Selbstverwaltung, dem Überleitungsausschuss zu überlassen, ob es einen oder mehrere Stellvertreter geben soll. Auch da ist wiederum das von mir angesprochene Kriterium der Bevormundung eindeutig erkennbar.

Sehr verehrte Damen und Herren! Damit keine Unklarheit entsteht: Ich bin nicht gegen die Zusammenlegung der beiden Pensionsversicherungsanstalten, jedoch dem Weg, den die Regierungsparteien dabei eingeschlagen haben, der bisher eingeschlagen wurde und heute weiter gegangen wird, kann von meiner Seite jedenfalls nicht zugestimmt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Es werden nach mir noch Abgeordnete meiner Fraktion zur Vorlage im Detail und zu den Randbedingungen Stellung nehmen. Interessant ist aber auch eine Antwort der freiheitlichen Fraktion oder von Ihnen, Herr Abgeordneter Gaugg. Planen Sie persönlich im Zuge dieser Novelle in irgendeiner Weise einen Wechsel in die Sozialversicherung? – Man konnte das in den Zeitungen lesen. Vielleicht können Sie uns klar sagen: Bleiben Sie da oder gehen Sie dorthin? Oder sind Sie schon dort und gerade noch da? (Abg. Gaugg: Was geht Sie das alles an?) Vielleicht können Sie hier das eine oder andere noch aufklären. (Beifall bei der SPÖ.)

Das geht mich insofern etwas an, als das in den Zeitungen zu lesen ist (Abg. Gaugg: Welche Zeitungen lesen Sie denn? Die "Prawda"?), und weil uns, im Gegensatz zu Ihnen, die Menschen fragen, was denn da in der Sozialversicherung passiert. Sie werden nicht mehr gefragt! Sie fragt ohnehin niemand! (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt immer mehr Staunen über die Politik, die Sie mittragen und mit ... (Abg. Gaugg: Ist Ihnen nicht gut? – Abg. Silhavy: Das ist ja ungeheuerlich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)  – Ich danke für den Zwischenruf. Er zeigt einmal mehr Ihre Einstellung gegenüber anderen Kollegen dieses Hauses. Ich möchte ihn nicht weiter kommentieren. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man aber über die Allgemeine Sozialversicherung spricht, in die auch die Pensionsversicherung involviert ist, so ist auf eine große Ungerechtigkeit hinzuweisen. Das möchte ich am Schluss meines Redebeitrages noch tun. Für 1,6 Millionen Pensionen der Arbeiter und Angestellten werden 34,5 Milliarden Schilling Bundesbeitrag geleistet. Und für 346 000 Pensionen von Gewerbetreibenden und Bauern ist ein Zuschuss von fast 31 Milliarden Schilling notwendig.

Also für die große Gruppe der Arbeiter und Angestellten gibt es fast gleich viel Zuschuss wie für die kleine Gruppe der Gewerbetreibenden und Bauern. Ich denke, auch dabei zeigt sich eine soziale Ungerechtigkeit. Meine Damen und Herren! Sie finden in uns, der sozialdemokratischen Fraktion, einen Partner, wenn es darum geht, in allen Bereichen der Politik soziale Ungerechtigkeit zu beseitigen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. (Abg. Dr. Mertel: Zur Geschäftsbehandlung!)  – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.33

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Nachdem ich mich vergewissert habe, dass Herr Staatssekretär Finz Herrn Bundesminister Haupt nicht offiziell vertritt und das auch vom Präsidenten nicht angekündigt worden ist, möchte ich gemäß der Geschäftsordnung die Herbeischaffung des zuständigen Ministers beantragen. Solange der


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Herr Minister nicht anwesend ist, ersuche ich, die Sitzung zu unterbrechen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete, der Herr Minister hat ausrichten lassen, er ist unterwegs und wird in wenigen Minuten da sein.

Ich unterbreche die Sitzung, bis der Herr Minister eintrifft. (Abg. Dr. Mertel: Danke schön!)

(Die Sitzung wird um 12.34 Uhr unterbrochen und um 12.37 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, erläutere ich noch zur letzten Abstimmung über das Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz Folgendes:

Bei der Abstimmung über das Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz in 1074 der Beilagen sind Fragen im Zusammenhang mit den für die dritte Lesung zur Abstimmung gestandenen Regelungen entstanden. Ich erläutere hiermit, dass jene Bestimmungen, die für die dritte Lesung zur Abstimmung standen, nicht dem Verfassungsquorum unterlegen sind. Diese Bestimmungen wurden durch den geschäftsordnungsmäßigen Antrag der Abgeordneten Böhacker, Dr. Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen vertagt.

*****

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.38

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kann anscheinend seitens der Sozialdemokraten in diesem Hohen Haus keine Debatte über Soziales geführt werden, ohne dass es persönliche Verunglimpfungen meiner Person von Seiten einzelner Abgeordneter der SPÖ gibt. Sie verunglimpfen mich persönlich in einer Art und Weise, die unverschämter nicht geht. Dagegen werde ich mich mit aller Kraft zur Wehr setzen, das sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie glauben, Sie haben die Wahrheit gepachtet, dann reduziert sich das darauf, dass Sie die "Prawda" lesen, denn anscheinend hat Ihr Kollege, mein Vorredner, seine Informationen und seine Spitzfindigkeiten aus der "Prawda" oder aus dem "TATblatt". (Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy, Dr. Mertel, Dietachmayr und Gradwohl.  – Unruhe im Saal.)

Ich sage Ihnen eines, Frau Abgeordnete Silhavy, weil Sie ja nicht müde werden, zu betonen, wie unsozial diese Regierung sei: Ihre Fehler, die Sie in den vergangenen drei Jahrzehnten gemacht haben, sind nicht in zwei Jahren wegzuräumen! (Abg. Dr. Mertel: Stehsatz Nummer eins!)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Zu Ihren immer wiederkehrenden Anträgen ... (Abg. Dr. Mertel: Stehsatz Nummer eins!)  – Frau Kollegin, haben Sie auch die Fähigkeit, zuzuhören? (Abg. Dr. Mertel: Stehsatz Nummer eins!)  – Nicht, gelt ja, das habe ich mir gedacht. (Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)

Herr Präsident! Kann man so fortfahren? Ich weiß es nicht.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich würde vorschlagen, dass Sie jetzt fortsetzen!

Abgeordneter Reinhart Gaugg (fortsetzend): Kaum ist der Cap nicht da, fängt der Wirbel in der SPÖ-Fraktion an. So, Frau Abgeordnete Silhavy, ich hoffe, dass ich jetzt von einer ÖGB-Funktionärin aus Kärnten nicht ständig unterbrochen werde, weil ich Ihnen nämlich eines sagen


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möchte: In regelmäßigen Abständen bringen Sie Anträge ein, zum Beispiel zur Abschaffung der Ambulanzgebühr, Abschaffung der Besteuerung der Unfallrente und so weiter. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Hören Sie doch einmal zu! Bitte, Herr Präsident, darf ich hier im Parlament noch einen Satz sagen oder nicht? (Abg. Mag. Posch: "Bitte, Herr Lehrer, helfen Sie mir!")  – Bist du geisteskrank, oder wie? (Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bitte, Herr Abgeordneter Gaugg, solche Aussprüche können Sie unterlassen, aber dafür können Sie jetzt endgültig fortsetzen, sofern Sie noch Wert auf Ihre Wortmeldung legen. (Abg. Nürnberger: Was ist denn das, Herr Präsident? Was bedeutet der Finger hinunter?! – Abg. Nürnberger zeigt die Faust mit dem Daumen nach unten. – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir werden das schon machen! Das habe ich gemeint. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Gaugg, seien Sie so lieb und setzen Sie jetzt wirklich fort!

Abgeordneter Reinhart Gaugg (fortsetzend): In regelmäßigen Abständen bringt die SPÖ Anträge ein – über Dinge, die sie selbst eingeführt hat, zum Beispiel betreffend die Ambulanzgebühren, die Unfallrentenbesteuerung und Ähnliches mehr –, und ich sage Ihnen: Selbst wenn Sie einen Antrag auf Abschaffung der Sozialdemokratischen Partei in Österreich einbringen würden, auch diesem Antrag würde ich nicht zustimmen, obwohl es überlegenswert wäre, denn ich erwarte mir von einer Opposition Konstruktivität. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht hier um eine Sachfrage, und zwar um die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und Angestellten – nur um diese Frage geht es! –, um ein verbessertes Service für die Kunden in Österreich, die diese Leistungen in Anspruch nehmen, und um die dort beschäftigten Mitarbeiter, und nicht um ein paar beleidigte sozialdemokratische Funktionäre, so wie Sie das immer darstellen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mein geschätzter Herr Vorredner! Es geht darum, die Selbstverwaltung zu stärken, selbstverständlich! Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich, bevor Sie hier herauskommen und wieder vom parteipolitischen Diktat der Regierung und der Abgeordneten von den Regierungsparteien sprechen, mit Ihren Vertretern im Selbstverwaltungskörper unterhalten hätten, denn dieser Beschluss der Zusammenlegung, der Beschluss der Ausschreibung für den Vorstand, all das ist einstimmig erfolgt, also auch mit den Stimmen der Vertreter der Sozialdemokraten!

Hier in der Öffentlichkeit wollen Sie uns weismachen, dass die SPÖ deshalb entschieden dagegen ist, weil diese Zusammenlegung ein Angriff auf die Funktionäre wäre.

Fragen Sie doch Ihre Vertreter in der Selbstverwaltung, warum sie diesen entscheidenden Schritten zustimmen! Ich werde Ihnen sagen, warum: weil sie sich in der Sache damit auseinander setzen und weil sie Vorteile für die Pensionisten und Pensionistinnen in Österreich sehen, zum Beispiel weil endlich Schluss ist mit den unendlich langen Wegen für die Bewilligung eines Kuraufenthalts, für einen Pensionsantrag und so weiter, von einer Stelle zur anderen, wie es jahrelang der Fall war.

Umso erstaunlicher ist in dieser Frage die Haltung der Sozialdemokraten, weil sie früher immer dafür eingetreten sind, dass die Rechte für Arbeiter und Angestellte gleichgestellt werden. Aber jeder Schritt, den diese Regierung mit den Abgeordneten von den Regierungsparteien in diese Richtung setzt, wird von der SPÖ boykottiert, diesen Schritten wird entschieden entgegengetreten. (Abg. Silhavy: Weil sie immer zu Lasten der Arbeitnehmer gehen!)

Die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten gibt es offenbar nur in den Köpfen einzelner Ihrer Funktionäre. Fragen Sie die Menschen draußen! Diese sind daran interessiert, dass es eine Angleichung zwischen Arbeitern und Angestellten gibt!


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Die Zusammenlegung dieser großen verantwortungsvollen Gebietskörperschaft ist ein wesentlicher Schritt in der Sozialpolitik der Republik Österreich. Ich würde mir erwarten, dass die Sozialdemokraten hier sachlich und fachlich mittun.

Warum haben die Vertreter der Sozialdemokraten im Selbstverwaltungsapparat zugestimmt? – Weil sie für klare Strukturen sind, weil sie ein modernes Management wollen, weil sie moderne Entscheidungen brauchen, um klar definierte Aufgaben zugeordnet zu bekommen. Das gilt besonders in der Verwaltung. Eine effiziente Verwaltung ist immer im Interesse der Kunden, ist immer im Interesse der Pensionisten und Pensionistinnen und jener Mitarbeiter, die dort angestellt werden.

Eine Straffung der Führungsspitze, eine Beschleunigung der Entscheidungsstrukturen – das kann und ist nicht im Interesse der Menschen in Österreich? – Das ist vielleicht in einzelnen Köpfen der sozialdemokratischen Funktionäre so, aber sicher nicht die Auffassung bei der breiten Masse.

Ich appelliere an die SPÖ: Seien Sie doch nicht immer Gegner Ihrer eigenen Funktionäre, Gegner Ihrer eigenen Mitarbeiter in diesem Unternehmen! Diese Menschen haben Interesse daran, dass dieses Unternehmen, die Pensionsversicherungsanstalt, positiv arbeiten kann. Daran hat die SPÖ einen wesentlichen Anteil, sie sollte mittun, weil wir diese Harmonisierung brauchen, weil sie sinnvoll und ein richtiger Schritt in die richtige Richtung ist. Daher wäre es gut und vernünftig, wenn die SPÖ nicht immer aus ihrer Bestemmhaltung heraus einfach dagegen wäre, sondern bei diesen so wichtigen Entscheidungen mittäte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Gaugg! Für Ihren Ausdruck in Richtung der Fraktion der Sozialdemokraten: "Bist du geisteskrank?" erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

Herr Abgeordneter Nürnberger, Sie würde ich bitten, Ihre unangemessene Aufgeregtheit mir gegenüber auf Grund meines Handzeichens zu überdenken. Diese Geste war so zu interpretieren, dass ich Ihnen zugestimmt habe, und daher war Ihre Reaktion unangebracht.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

12.45

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werter Kollege Gaugg, Ihre verbale Aggression habe ich jetzt für etwas unangemessen gehalten. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Achatz: Sie sollten das Wort "Gewalt" gar nicht in den Mund nehmen!) Darf ich mich erklären, Herr Kollege Gaugg? (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Zurückhaltung, Zurückhaltung!

Herr Kollege Gaugg! Das alles von Edlinger bis zu den anderen sozialdemokratischen Kollegen über einen Kamm zu scheren und in eine Rede zu verpacken, halte ich schon deshalb für unangemessen, weil du, werter Kollege Gaugg, dich vielleicht daran wirst erinnern können, dass ich, nachdem ich eine Erklärung von dir bezüglich des "Nazi"-Buchstabierens erhalten habe, diesen Vorwurf nie wieder an deine Adresse gerichtet habe.

Daher habe ich es als ziemlich unpassend empfunden, dass ausgerechnet du dich an die Adresse des Kollegen Edlinger gestern mit einem entsprechenden Vorwurf gerichtet hast. Ich habe das ziemlich daneben gefunden und stehe dazu, weil jeder hier den verbalen Ausrutscher des Kollegen Edlinger als das verstehen konnte, was er war, nämlich ein Ausrutscher.

Da sollte dann nicht unbedingt jemand wie ein Richter darüber urteilen, dem selbst einmal ein Ausrutscher passiert ist und dem es offensichtlich danach auch peinlich war, dass er diesen Ausrutscher hatte. Er sollte aber an andere Kollegen jedenfalls nicht in dieser Art und Weise den Vorwurf der Wiederbetätigung richten, der durch nichts, aber schon gar nichts gerechtfertigt ist! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)  – So viel dazu.


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Die Aggression in der Sache, die wir jetzt diskutieren, ist mir nur dadurch verständlich, dass ich in den Medien gelesen beziehungsweise über Gerüchte kolportiert gehört habe, dass Kollege Gaugg als einer der Stellvertreter dieser neu geschaffenen Anstalt im Gespräch war und darüber verhandelt wurde. (Abg. Dr. Feurstein: Überhaupt nicht!)

Aber wir können doch, Herr Kollege Feurstein, ganz normal sprechen! Sie können sich ganz normal erklären! Es hat Versuche gegeben, hinter den Kulissen etwas auszudealen. Es hat diese Versuche gegeben, und zwar mittels eines Abänderungsantrages, und das war ja auch Gegenstand von Verhandlungen im Sozialausschuss, wo man auf der einen Seite den Sozialdemokraten mit Stimmen entgegenkommen wollte und auf der anderen Seite von Ihnen die Zustimmung für einen weiteren Stellvertreter für diese neu geschaffene Anstalt offensichtlich erkaufen wollte.

Die Sozialdemokraten haben sich auf diesen Deal, soweit mir bekannt ist, nicht eingelassen. Es gibt auch keinen Abänderungsantrag. Das ist die Geschichte. Aber Sie werden mir, Herr Kollege Feurstein, dann sicherlich mitteilen, dass ich etwas völlig Falsches gehört habe. Aber ich habe es gehört, Ohren habe ich gute, zumindest, um solche Gerüchte noch aufnehmen zu können – auch ohne die entsprechende Gehöruntersuchung. (Der Redner spielt auf einen gleichzeitig stattfindenden Hörtest im Parlamentsgebäude an.)  – Das war der Hintergrund, Herr Kollege Feurstein, und Ihr Lachen verrät mir, dass ich gar nicht so weit daneben liege. – Punkt.

Das, was wir an dem, was auf der einen Seite im Antrag der Regierung ist, kritisieren, ist, dass dieser Antrag typisch ist, nämlich insofern, als wir nach einer "hingeschluderten" 59. ASVG-Novelle jetzt vor der 60. – die ja auch kommt, aber für Ihr Vorhaben zu spät (Abg. Silhavy: ... in Begutachtung!)  – schon wieder eine Reparatur-Novellierung machen müssen, weil es den Regierungsparteien in ihrer Gier – und die Gier bezieht sich nicht auf den verständlichen Wunsch, zusammenzulegen, sondern darauf, Mehrheiten in dieser neu geschaffenen Pensionsversicherungsanstalt politisch zu verändern –, nicht schnell genug gehen konnte. (Abg. Dr. Feurstein: Stimmt wieder nicht! ... die Arbeiterkammer und die Wirtschaftskammer!)

Das ist der Punkt, Herr Kollege Feurstein. Da merken wir ein um das andere Mal die Absicht und sind verstimmt. Wir sind auch deshalb verstimmt, weil eine seriöse Debatte über die Zusammenlegung von Sozialversicherungen – nach Leistungssparten beispielsweise – durchaus geführt werden sollte, weil wir sie auch bei anderen Sozialversicherungsträgern für gerechtfertigt halten. Das ist für uns auch der Grund, warum wir dem Antrag der SPÖ, nämlich auf Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft und der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, nicht zustimmen wollten.

Sehr wohl halten wir es aber für richtig, Herr Kollege Feurstein, dass endlich im Bereich der Unfallversicherungsträger die AUVA auch in Bezug auf die Bauern, auch in Bezug auf die Eisenbahner, auch in Bezug auf den öffentlichen Dienst zuständig werden sollte, wo es überall noch eigene Unfallversicherungsträger gibt, die wie ein Augapfel gehütet werden, weil es dabei natürlich um politische Machtblöcke geht – und ich spreche hier ja nicht zufällig den Bereich der Bauern, der gewerblichen Wirtschaft und des öffentlichen Dienstes an, weil man sich da noch das Revier halten will –, und wo es keinen Grund gibt, sich dieser sinnvollen Spartenzusammenlegung zu verwehren.

Das hätten wir gerne diskutiert, und wir hätten dabei gerne alles auf dem Tapet gehabt. Wir hätten gerne gewusst: Wo soll noch reformiert werden, wo ist es sinnvoll? Wir hätten gerne die Debatte politisch geführt, so wie es Sinn macht, aber nicht über Personalpolitik.

Verstehen Sie mich, Herr Kollege Feurstein? Wir wollen nicht, dass zusammengelegt wird, nur damit neue politische Mehrheiten geschaffen werden. Wir wollen nicht, dass Staatssekretär Waneck im Zusammenhang mit einer absolut verunglückten Ambulanzgebühr – diese ist absolut verunglückt, und wir haben Ihnen das schon damals gesagt – dann die Gebietskrankenkassen disziplinär belangen will, weil die Gebühr ein Unsinn ist. Ja wo kommen wir denn da hin, Herr Staatssekretär, wenn wir die Krankenkassen, die ein verhunztes Gesetz administrieren müssen,


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disziplinär dafür belangen?! Das geht nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Tancsits: Wenn Sie es bewusst falsch auslegen!)

Ich habe nichts falsch aufgefasst, sondern ich lese hier: FP droht Krankenkasse mit disziplinären Maßnahmen.

Der Punkt – und damit komme ich zum Schluss – ist der: Mit uns gibt es kein personalpolitisches Paket! Mit uns wird es nicht gelingen, die Selbstverwaltung noch weiter zu zertrümmern. – Ich gebe ja allen Recht, die die alte Selbstverwaltung auch kritisiert haben, ich bin ja selbst in der Vergangenheit ein Kritiker der Selbstverwaltung gewesen, ich war dagegen dort, wo sie zur proporzmäßigen Verwaltung zwischen den Sozialpartnern beigetragen hat. Aber die alte Selbstverwaltung in den Zeiten davor war insofern noch gerechter, als die Versicherten, nämlich über die größeren Blöcke für die Arbeitnehmer, noch mehr Mitspracherecht hatten.

Was Sie jetzt gemacht haben, ist, die Blöcke und damit die Versicherteninteressen zurückzudrängen und den Arbeitgebern einseitig – beziehungsweise einer politischen Farbe oder eigentlich zwei Farben – mehr politischen Einfluss auf die Sozialversicherungsanstalten einzuräumen. Das ziehen Sie durch, wo Sie nur können.

Bei dieser personalpolitischen Trickserei gibt es keine Zustimmung. Ehrlichen Reformen verwehren wir uns sicher nicht. (Beifall bei den Grünen.)

12.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

12.54

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten im Arbeits-, Sozial- und Pensionsrecht ist ein Anachronismus und überholt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Das ist der Grundsatz, unter dem wir an diese Novelle herangehen – und nicht so wie mein Vorredner, Kollege Öllinger, der es geschafft hat, in einer mir ziemlich lang erschienenen Rede (Heiterkeit des Abg. Dr. Stummvoll ) kein einziges Wort über das Leistungsrecht für die Versicherten zu verlieren, sondern sich einzig und allein mit der Vergabe von Posten, Pöstchen und Funktionen auseinander gesetzt hat. (Abg. Silhavy: Es ändert sich ja nichts! Es geht um eine Lex ...!)

Wir haben aus der Überlegung heraus, dass das Leistungsrecht der Arbeiter und der Angestellten und für die Arbeiter und die Angestellten zusammenzuführen ist (Abg. Silhavy: Was verändert sich am Leistungsrecht mit Ihrem Antrag heute? Nichts!), im Krankenversicherungsrecht etwas geschaffen, was Sie jahrzehntelang nicht zusammengebracht haben, nämlich die gleiche Leistung bei Krankheit für beide Berufsgruppen. Das war eine der ersten Aufgaben dieser Reformkoalition. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aus diesem Gedanken heraus haben wir in der 59. ASVG-Novelle die Weichen dafür gestellt, auch in der Pensionsversicherung eine einheitliche Verwaltung zu schaffen. (Ruf bei der SPÖ: ... über die Tagesordnung reden! – Abg. Silhavy: Haben Sie den Antrag überhaupt gelesen?)

Auf Grund der guten Vorarbeiten, die die Selbstverwaltung, auch Ihre Funktionäre – ich sage es Ihnen, denn Sie reden ja offensichtlich nicht mit ihnen – und die Mitarbeiter in der Pensionsversicherung der Arbeiter und Angestellten geschaffen haben (Abg. Silhavy: ... haben eine andere Qualität als "jugendliche Liebhaber"!), gelingt es uns heute, dem Hohen Haus eine Novelle zur Präzisierung und Beschleunigung dieses Vorhabens zur Abstimmung vorzulegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir sichern damit den Abschluss dieser wichtigen Zusammenführung mit 1. Jänner 2003, wir schaffen klare Verantwortlichkeiten, nämlich insofern, als jene leitenden Angestellten, jene Selbstverwaltungsfunktionäre, jene Funktionäre der Kontrolle, die die Zusammenführung durch


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führen, auch nachher im Amt sind und dafür verantwortlich sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist eine klare Aufgabenstellung, mit der wir sicherstellen, dass mit 1. Jänner 2003 dieses Fusionswerk (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy )  – zusammen 259 Milliarden, zusam-men 6 500 Mitarbeiter, davon 2 500 in präventivmedizinischen Bereich: Spitzenmedizin! – ordentlich für die Versicherten und die Pensionisten arbeiten kann.

Wir erwarten daraus Einsparungen in der Verwaltung bis zu 10 Prozent, Synergieeffekte in der EDV und Synergieeffekte in den Verwaltungsstellen.

Umgekehrt ist es mir wichtig, zu erläutern, meine Damen und Herren, dass diese Fusion der Anstalten nicht dazu führt, dass ein Monsterinstitut entsteht. Das waren ja Bedenken, die in den letzten Jahren berechtigt waren. Sie haben die Fusion ja auch schon probiert – der Erste war Hesoun, Stichwort Häusermann-Studie –, Sie haben es nur nie zusammengebracht.

Diese Bedenken bestehen in diesem Fall nicht, weil wir auf der anderen Seite näher zum Versicherten gehen und viele Entscheidungen, für die bisher aus einem Bundesland, etwa Vorarlberg, zuerst beispielsweise in Salzburg und dann in Wien nachgefragt werden musste, jetzt in eigenen Selbstverwaltungskörpern an Ort und Stelle geschehen werden. Also dem Grundsatz der Fusion und der Synergieeffekte steht auf der anderen Seite das Näher zum Versicherten, die Stärkung der Selbstverwaltung auch in der föderalen Struktur gegenüber. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Für uns ist es wichtig, dass diese Strukturmaßnahmen einer Sozialpolitik dienen, die, wie schon eingangs erwähnt, für die Menschen da ist: Arbeiter und Angestellte im Krankheitsfall, Arbeiter und Angestellte im Pensionsversicherungsfall und bessere Möglichkeiten, um besser und näher und schneller an soziale Maßnahmen herankommen zu können. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Lassen Sie mich das Stichwort "Arbeiter und Angestellte" zum Anlass nehmen, auch zur Sozialpolitik dieser Reformkoalition im Allgemeinen etwas zu sagen (Abg. Heinzl: Ersparen Sie uns das!): Pflegegeld für behinderte Kinder, Kinderbetreuungsgeld, Hospizkarenz, Abfertigung neu – das sind die Dinge, die entweder bereits umgesetzt sind oder sich als Vorlagen in diesem Hohen Haus befinden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das, meine Damen und Herren, ist reale Sozialpolitik, von der die Menschen etwas haben (Abg. Verzetnitsch: Ambulanzgebühr!) – nicht virtuelle, bei der ich mir über Verfassungsbestimmungen, von denen kein Mensch etwas hat, den Kopf zerbreche. (Abg. Verzetnitsch: Unfallrentenbesteuerung!)

Aber es geht nicht nur um diese virtuellen Bestimmungen. Ich habe schon gesehen, worum es Ihnen geht, nämlich darum, diese reale Sozialpolitik – betreffend Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, Pflegegeld für behinderte Kinder, Kinderbetreuungsgeld (Abg. Heinzl: Unfallrentenbesteuerung! Ambulanzgebühren!), Hospizkarenz, Abfertigung neu (Abg. Heinzl: Unfallrentenbesteuerung! Ambulanzgebühren!)  – aus dem Blick der Öffentlichkeit und aus dem Parlament zu bekommen und hinter die Polstertüren des Verfassungsgerichtshofs, eines Sozialverträglichkeits- oder irgendeines Wohlfahrtsausschusses zu bringen. Dort gehört sie nicht hin! Sozialpolitik, die sich sehen lassen kann (Abg. Gradwohl: Das ist der springende Punkt: "die sich sehen lassen kann"!), gehört in den Blickpunkt der Öffentlichkeit und des Parlaments! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

13.01

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es wäre natürlich jetzt sehr lustvoll, auf die Rede


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des Abgeordneten Tancsits einzugehen, denn er hat so vieles gesagt, was unwahr ist (Abg. Steibl: Da würde ich sehr vorsichtig sein, mit dem Wort "unwahr", ...!) Anscheinend hat er sich mit der bestehenden Sozialversicherung, die bestens und überall anerkannt ist, nicht auseinander gesetzt. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: "Unwahr"?! "Unwahr"?!) – Unwahr!

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte mich mit dem heute von uns eingebrachten Antrag auseinander setzen, in dem es um die Zusammenlegung der Pensionsversicherung von Bauern und Gewerbetreibenden geht. Man kann gar nicht oft genug festhalten – und das hat man ja auch gerade jetzt angesichts der teilweise falschen Darstellungen des Abgeordneten Tancsits gesehen –, dass die Pflichtversicherung eine der bestbewährten Versicherungen ist, und das gestehen uns auch internationale Experten immer wieder zu. (Abg. Mag. Tancsits: Richtig!)

Wir sind deshalb der Meinung, dass die Pensionsversicherung der gewerblichen Wirtschaft und die Bauernpensionsversicherung zusammengelegt werden sollen, da ja ohnedies viele Bauern neben ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit eine Nebenerwerbstätigkeit ausüben, die die Grundlage einer gewerblichen Selbständigkeit darstellt. (Abg. Dr. Mitterlehner: Aber zum Teil sind sie ... unselbständig! – Abg. Steibl: Wenn sie ..., sind sie dann selbständig?)

Meine Damen und Herren! Festzustellen ist – und ich möchte das verdeutlichen –, dass ein sehr hoher Bundeszuschuss für die Gewerbetreibenden und für die Bauern geboten wird. Der Bundeszuschuss für 346 000 Pensionen für Gewerbetreibende und Bauern beträgt 30,8 Milliarden Schilling. Für 1,6 Millionen ASVG-Pensionen werden 34,5 Milliarden Schilling geleistet. Dies beweist eindeutig, dass der Bund fast das Vierfache für Gewerbetreibende und Bauern zuschießt. (Ruf bei der ÖVP: Die bekommen eh so niedrige Pensionen, die Bauern!)

Deshalb, meine Damen und Herren, muss zum besseren Verständnis gesagt werden, dass sich die ASVG-Versicherten ihre Pensionen zu 86,9 Prozent aus den laufenden Beitragseinnahmen selbst finanzieren, wogegen von den Gewerbetreibenden nur 38 Prozent aus den laufenden Beitragseinnahmen finanziert werden, und die Bauern finanzieren ihre Pensionen nur mit 19,1 Prozent Beitragseinnahmen. (Abg. Schwarzenberger: Das sind auch die Ärmsten!)

Dies bedeutet also, meine Damen und Herren, dass der Bund für einen Arbeiter monatlich 1 782 S an Pensionsleistungen zahlt, hingegen für einen Bauern 5 952 S und für einen Gewerbetreibenden 6 863 S. (Rufe bei der ÖVP: Wie viel Euro? Euro! Euro!) – Okay, aber im Bericht ist es noch in Schilling angeführt, Herr Abgeordneter Donabauer. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Aber seit 1. März haben wir nur mehr Euro! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist mir auch deshalb ein Bedürfnis, die unterschiedliche Höhe der Zuschüsse des Bundes zu den Pensionen aufzuzeigen, weil es bei den verschiedenen Diskussionen in der Öffentlichkeit ja immer so dargestellt wird, als ob für die ASVG-Pensionisten der größte Zuschuss geleistet würde. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Ein wichtiger Faktor ist das Vertrauen der Menschen in unser staatliches Pensionssystem, und dieses Vertrauen wird durch den verfassungsmäßigen Vertrauensschutz abgesichert. Ich fordere Sie daher auf, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Sinne einer Harmonisierung der Pensionsversicherungssysteme diesem Antrag der Sozialdemokraten zuzustimmen. (Beifall und Bravo-Ruf bei der SPÖ.)

13.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte. (Abg. Verzetnitsch: Der "Bauernvertreter"!)

13.05

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundes-minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Bauer, ich gebe Ihnen grundsätzlich Recht, wenn Sie sagen, dass die Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft wie jene der Bauern zusammengeführt gehören, aber alles zu seiner Zeit! Ich weiß nur nicht, warum


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Sie da keinen Bezug herstellen (Abg. Donabauer: Das ist eine gefährliche Drohung, mein lieber Freund!): Auf der einen Seite verlangen Sie von den selbständig Erwerbstätigen eine Zusammenführung, und auf der anderen Seite sind Sie bei den unselbständig Erwerbstätigen, bei den Arbeitern und Angestellten – wo es für Sie als Sozialdemokraten ja auch ein Ziel sein muss, eine Angleichung durchzuführen –, strikt dagegen. Das verstehe ich nicht.

Außerdem gibt es gravierende Unterschiede bei den selbständig Erwerbstätigen, wie etwa bei den Bauern und der gewerblichen Wirtschaft. Diese Zusammenlegung ist einfach nicht zu vergleichen mit jener der Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und der Angestellten, weil es zwischen den Pensionsversicherungsanstalten der gewerblichen Wirtschaft und jener der Bauern unterschiedliche Leistungen gibt. Im Bereich der gewerblichen Wirtschaft gibt es zum Beispiel eine gemeinsame Anstalt für Krankenversicherung und Pensionsversicherung. – Außerdem besteht zwischen diesen beiden Anstalten bereits heute eine Zusammenarbeit im Back-office-Bereich.

Wir machen hier jedenfalls eines nach dem anderen. (Ironische Heiterkeit des Abg. Verzetnitsch. ) Unser Ziel ist es, eine Pensionsversicherungsanstalt für alle Österreicher zu schaffen, ebenso wie eine Krankenversicherung und eine Unfallversicherung. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Das ist der Sinn und Zweck unserer Maßnahmen, das ist das, was wir in Zukunft schaffen und auch umsetzen wollen.

Frau Kollegin Silhavy, mich wundert ohnedies, dass Sie nicht als Erstrednerin herausgegangen sind! – Wahrscheinlich deshalb, weil Ihnen nicht ganz wohl in Ihrer Haut ist. Deshalb schicken Sie Kollegen Riepl und Frau Kollegin Bauer heraus. (Abg. Silhavy: Ich wollte diesen wertvollen Beitrag noch hören, bevor ich rede!) Aber es ist eben so – wie bei Kollegem Öllinger auch –: Sie vermuten beziehungsweise stellen dies hier in den Raum, dass politische Hintergründe maßgebend sind (Abg. Verzetnitsch: Eindeutig!), dass es darum geht, eine deutliche politische Mehr-heit in den neuen Pensionsversicherungsanstalten zu schaffen. (Abg. Verzetnitsch: Eindeutig! Sonst wäre es doch nicht verhindert worden!)

Wieso? Schauen Sie, Herr Präsident Verzetnitsch: Wie der Schelm denkt, so ist er! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das haben Sie in den letzten 30 Jahren – oder in den letzten 50 Jahren – praktiziert, und jetzt unterstellen Sie das uns hier. (Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy, Sophie Bauer und Verzetnitsch. )

Tatsache ist, dass das Ziel dieses Initiativantrages, Frau Kollegin Silhavy, jenes ist, die beiden größten Pensionsversicherungsanstalten Österreichs, nämlich jene der Arbeiter und jene der Angestellten, zu einer Fusion zusammenzuführen, und das geschieht mit 1. Jänner 2003.

Was jetzt kritisiert wird, ist der Überleitungsausschuss. Diesem fehlte bisher die nötige Kompetenz. Durch diesen Initiativantrag ist diese nunmehr gegeben, damit diese Zusammenführung zügig und sicher durchgeführt und mit 1. Jänner 2003 auch erreicht werden kann. Es gibt ab 1. Juli 2002 eine neue Zusammensetzung – 15 Mitglieder –, und es wird für die Zusammenführung die volle Beschlusskompetenz statt der bisherigen Zustimmungsrechte eingeführt. Um die Zusammenlegung effizient durchzuführen, ist auch vorgesehen – was von Ihnen auch kritisiert worden ist –, dass bereits mit 1. Juni 2002, also einen Monat vorher, die Bürogeschäfte vom neu bestellten leitenden Angestellten der künftigen Pensionsversicherungsanstalt durchgeführt werden, um die zeitliche Vorgabe der Fusion mit 1. Jänner 2003 gewährleisten zu können. Es ist dringend notwendig, in diesem Bereich klare Verantwortlichkeiten und Führungsverhältnisse zu schaffen, um eine Straffung der administrativen Abläufe zu ermöglichen und die für diese Fusion verantwortlichen handelnden Personen frühzeitig mit den zu erfüllenden Aufgaben zu betrauen und in ihrer Kompetenz zu stärken. Das ist der Sinn dieses Initiativantrages, und so wollen wir das auch tun.

Die Minister Dallinger, Hesoun, Hostasch und Hums, sie alle haben bereits versucht, daran zu arbeiten, sind aber immer an der eigenen Fraktion gescheitert. Das ist Tatsache! Nach 50 Jahren divergierender Entwicklung ist es sinnvoll, bei der Harmonisierung im Pensionsversicherungsbereich behutsam vorzugehen (ironische Heiterkeit des Abg. Verzetnitsch ), Herr Präsi


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dent – wir gehen behutsam vor, eines nach dem anderen! –, um Nägel mit Köpfen zu machen. Eine Harmonisierung ist aus unserer Sicht auch bei der Pensionsversicherungsanstalt der Eisenbahner und bei jener des Bergbaus erforderlich. Langfristig – das habe ich früher schon gesagt – soll es eine Pensionsversicherungsanstalt beziehungsweise eine Kasse für alle geben.

Abschließend sage ich nur noch Folgendes: Der große Mann eilt seiner Zeit voraus, der Kluge kommt ihr nach auf allen Wegen, der Schlaukopf beutet sie gehörig aus – das haben wir schon oft erlebt –, der Dummkopf aber stellt sich ihr entgegen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Heiterkeit der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Schwarzenberger. )

13.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte.

13.10

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Tancsits, wovon hast du gesprochen? – Es wird mit der vorliegenden Novelle überhaupt nichts – nicht einmal ein Punkt oder ein Beistrich – im Leistungsrecht verändert! Und was das großartig angeführte Beispiel eurer Sozialpolitik, die Angleichung von Arbeitern und Angestellten bei Krankenstand betrifft, so trifft es sich gut – du bist ja, glaube ich, Generalsekretär einer Arbeitnehmervereinigung, nämlich des ÖAAB –, dass, wenn du jetzt nach links hinüberschaust, der stellvertretende Generalsekretär der Wirtschaftskammer neben dir sitzt. Ich rufe dir nämlich in diesem Zusammenhang die Jubelbroschüre der Wirtschaftskammer – medienrechtlich ist der neben dir sitzende Generalsekretär Mitterlehner dafür verantwortlich –, der Arbeitgeber in Erinnerung, wonach sich die Arbeitgeber durch die Angleichung der Krankenstandsregelung von Arbeitern und Angestellten ein Körberlgeld von 3 Milliarden Schilling gemacht haben. Das ist reale Sozialpolitik: dass die Arbeitgeber heute, wenn die Arbeitnehmer krank sind, sie kündigen. Das ist eure reale Sozialpolitik! Abgeordneter Tancsits, das spricht für sich! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Staatssekretär Waneck hat das Plenum in weiser Voraussicht schon verlassen. Er muss gewusst haben, dass im Zuge der Diskussion über diese Novelle natürlich auch die Ambulanzgebühren zur Sprache kommen. Er hat eine Presseaussendung losgelassen, die vom ersten bis zum letzten Satz – Herr Minister, ich nehme an, Sie wissen, was Ihr Staatssekretär da an die Presse weitergibt – nicht stimmt, denn er gibt für alle Probleme im Zusammenhang mit der Einhebung der Ambulanzgebühren den Krankenkassen die Schuld. Ich halte fest: Die Krankenkassen verrechnen nur das, was die Spitäler melden, und nichts anderes, und daher liegt die Verantwortung nicht bei den Krankenkassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn er schreibt, dass Gewerkschaftsfunktionäre nicht rechnen können, dann möchte ich ihm dazu erstens sagen, dass ich gerne mit ihm im Kopfrechnen in einen Wettstreit trete. Ich brauche nicht einmal einen Taschenrechner! Zweitens rufe ich in Erinnerung, dass es in jeder Krankenkasse eine Selbstverwaltung gibt, und darin sind die Arbeitgeber auch vertreten, und die Arbeitgeber können, glaube ich, auch rechnen. Daher ist diese Presseaussendung dort einzureihen, wo sie hingehört, nämlich unter "Kuriositäten".

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister! Sie haben eine Chance vertan: Sie hätten heute mit der Novelle zum ASVG das Unsozialste, das Chaotischste – weil es nicht administrierbar ist –, was je in diesem Hause über Initiative einer Regierung oder eines Parlamentsklubs von Regierungsseite beschlossen worden ist, ändern können, nämlich die Ambulanzgebühren.

Ich darf Ihnen vorweg sagen: Sie haben als Regierungsmaßnahme den Krankenversicherungen 196 Millionen € oder 2,7 Milliarden Schilling an Belastungen hinaufdividiert. – Die Quelle dieser Zahlen nenne ich Ihnen auch: Hauptverband neu. – Ihre Leute, auf deren Bestellung Sie maßgebend Einfluss gehabt haben, die Sie dort hingesetzt haben, bestätigen, dass Sie die Krankenkassen mit 2,7 Milliarden Schilling belastet haben!


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Die Ambulanzgebühr ist ein eindeutiger Rohrkrepierer. Sie haben den Kassen 1 Milliarde Schilling an Mehreinnahmen als Äquivalent für die Belastungen, die Sie uns auferlegt haben, versprochen. Tatsächlich werden es 600 bis 700 Millionen Schilling sein, und davon geht wahrscheinlich das Ganze für Verwaltungsaufwand der Krankenkassen und der Spitäler drauf.

Der Lenkungseffekt ist auch nicht eingetreten, weil nach wie vor 76 Prozent der Ambulanzbesucher – Quelle: Ihr Hauptverband neu – von den praktischen Ärzten oder von Fachärzten zugewiesen werden.

Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren der Regierungsparteien, geben wir Ihnen mit folgendem Entschließungsantrag, den ich hiermit einbringe, Gelegenheit, diese Maßnahme rückgängig zu machen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Ziele des Volksbegehrens "Sozialstaat Österreich" unter anderem durch die Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, mit dem die unsozialen Ambulanzgebühren, rückwirkend mit 1. März 2001, aufgehoben und die bereits eingehobenen Beiträge rückerstattet werden."

*****

Herr Bundesminister, nützen Sie die Chance! Sie haben mit dieser Ambulanzgebühr das Finanzierungsziel eindeutig verfehlt, Sie haben das Steuerungsziel eindeutig verfehlt, Sie haben die Versorgung verschlechtert, und Sie treffen die Unsozialsten, nämlich die kranken Menschen. (Abg. Ellmauer: "Die Unsozialsten"?)

In der Ausgabe dieser Woche der Zeitschrift "NEWS" ist zum Problem Ambulanzgebühr Folgendes zu lesen – ich zitiere –:

"In der selbst ernannten Partei des kleinen Mannes jedenfalls machen sich Skrupel breit." – Das Wort habe ich zitiert, es stammt nicht von mir, ich würde es nicht verwenden.

Und weiters: "So tritt FP-Sozialsprecher Reinhart Gaugg offen für die Streichung der umstrittenen Krankensteuer ein. Auch Sozialminister Herbert Haupt machte sich einmal dagegen stark, um tags darauf wieder Regierungslinie zu demonstrieren."

Sie, Herr Minister, können da leider nicht mitstimmen, aber Ihr Fraktionskollege, Herr Gaugg, kann mitstimmen. Vielleicht zeigt Herr Abgeordneter Gaugg einmal Rückgrat im Interesse der Arbeitnehmer, die er zu vertreten glaubt, und stimmt diesem Antrag zu. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie, Herr Bundesminister, wären auch gut beraten, wenn Sie die Chance nützen und schauen würden, dass wir die Ambulanzgebühren wegbekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.16

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der vorgebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang und damit auch mit zur Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

13.16

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es geht um Sozialpolitik. Ich hätte nicht vom Sozialstaat-Volksbegehren gespro


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chen, wenn sich nicht mein Vorredner damit beschäftigt hätte. Ich kann mir schon vorstellen, wie weh das tut, wenn man sich 1 Million Menschen erwartet und dann trotz allergrößter Bemühungen, unter Heranziehung aller peripheren Strukturen und Vereine und Organisationen mit Mühe 715 000 Unterschriften erreicht. – Schwach ist das Ergebnis! (Zwischenruf des Abg. Nürnberger. ) Herr Kollege, ärgern Sie sich nicht! Sie können sich über Herrn Kollegen Edlinger ärgern – das verstehe ich –, aber über das, was ich sage, brauchen Sie sich nicht zu ärgern. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Martin Graf. )  – Über Kollegen Edlinger können Sie sich ärgern, das ist keine Frage!

Zweiter Punkt: Es geht um Sozialpolitik, es geht um die Weiterentwicklung! Meine Damen und Herren, bitte erkennen Sie: Gestern gab es eine Aussendung des Hauptverbandes neu – das ist jene Konstruktion, die Sie so oft geschmäht haben –, und dieser Hauptverband neu hat nun endlich das geschafft (Abg. Binder: ... dass es mehr kostet!), was Sie nie geschafft haben – unter Leutner, unter Sallmutter, unter Geppert. Er hat es geschafft, ein einheitliches EDV-Konzept (Abg. Sophie Bauer: ... abwälzen auf die Kleinen!) für die Sozialversicherungen in ganz Österreich zustande zu bringen, und das unter Mithilfe von Dr. Probst, den ich auch sehr schätze, und von Nischelbitzer und unter dem Vorsitz von Kandlhofer.

Meine Damen und Herren! Das sind Meldungen, über die wir uns freuen können, und das ist ein Fortschritt und ein Erfolg! – Herr Minister, Kompliment! Das ist die Arbeit dieser Regierung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf bei der SPÖ. – Abg. Rauch-Kallat: Billiger als bei der steirischen SPÖ!)

Nun ist auch Folgendes noch zu sagen – das tut jetzt weh, aber wenn wir schon reden, dann reden wir auch darüber –: Diese Sache war deshalb so dringend notwendig, weil in der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse unvorstellbare Versäumnisse festzustellen sind. (Ruf bei der ÖVP: Da schau her!) – Punkt. Mehr sage ich nicht. Das ist bitte eine Ungeheuerlichkeit, auch gegenüber den anderen Sozialversicherungsträgern und dem Gesamtsystem.

Heute geht es in der uns hier vorliegenden Materie darum, sich damit zu beschäftigen, dass die neue Pensionsversicherungsanstalt ab 1. Juni wirklich voll handlungsfähig ist, indem ein Leiter und ein ständiger Stellvertreter bestellt werden, und es geht darum, dass mit 1. Juli auch die Verwaltungskörper tatsächlich umfassend bestellt sind, damit dieses Haus arbeiten kann.

Auch all jene, die heute hier von Zusammenlegung reden, soll man anhören. Diskussionen darüber dürfen, nein, müssen geführt werden. Aber ich denke, dass es wichtiger ist, dass wir darauf achten, dass wirklich effizient verwaltet wird, dass wir darauf achten, dass die Sozialversicherungen – welches Postulat sie auch immer haben – sich tatsächlich ihren Aufgaben und ihren Bürgern zuwenden, dass sie für die Menschen arbeiten und nicht für irgendwelche Verwaltungsstrukturen.

Ich glaube, Österreich würde nicht glücklicher, wenn wir diese Zusammenlegungstheorien jetzt von den Sozialversicherungen über Gemeinden oder was auch immer weiterführen würden. Das macht doch keinen Sinn! Sinn macht: Wir müssen wirklich im Sinne der Versicherten arbeiten, kostengünstig arbeiten!

Nun liegt wieder einmal ein Antrag vor – diesmal von der Sozialdemokratischen Partei, das letzte Mal kam er von den Grünen –, die Pensionsversicherungen der Gewerblichen und der Bauern zusammenzulegen. Sie werden sicherlich erwarten, dass man dazu etwas sagt. (Abg. Silhavy: Das hätten Sie sich nicht erwartet!) Sie haben sich jetzt mühsam mit einer vorgelesenen Rede bemüht, diesen beiden Gruppen zu unterstellen, wie viel Geld sie von Seiten der Öffentlichkeit bekommen. (Abg. Silhavy: Faktum! Herr Kollege Donabauer, ein Faktum ist das!) Gnädige Frau, hören Sie doch zu! Grundsatz unserer Sozialpolitik ist die Solidarität. Das heißt, einer ... (Abg. Silhavy: Ah, jetzt auf einmal ...!) Hören Sie einmal zu! Einer hat für den anderen auch dort da zu sein, wo es darum geht, Aufwendungen und Risken abzudecken, die der Einzelne nicht abdecken kann.


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Nun frage ich Sie schon nach der Qualität Ihrer Sozialpolitik; deshalb haben Sie ja so wenig Unterschriften beim Sozialstaat-Volksbegehren bekommen. Wir haben heute in Österreich noch mehr als 300 000 Ausgleichszulagenbezieher. (Abg. Silhavy: Wir haben über 700 000 Unterschriften ...!) Wir sind dabei, diese Zahl der Ausgleichszulagenbezieher zu verringern. (Abg. Silhavy: Über 700 000 Unterschriften können Sie nicht einfach wegwischen, Herr Kollege Donabauer!) Wir sind dabei, das zu tun, und wir waren die Ersten! Sie können uns zuschauen und uns höchstens dazu gratulieren! Mehr ist Ihnen bis heute dazu nicht eingefallen.

Zweitens, bitte überlegen Sie einmal: Der Bundeszuschuss für diese Gruppe wird auch bei einer Zusammenlegung um überhaupt nichts weniger. (Abg. Silhavy: Wieso? Weniger Kosten, sagen Sie ja immer!) Drittens sage ich Ihnen auch, Frau Silhavy ... (Abg. Silhavy: Weniger Kosten nach den Zusammenlegungen ...!) Auch wenn Sie noch so munter dazwischenrufen, ändert sich nichts an der Sachlage.

Das Dritte, was ich Ihnen sage, Frau Kollegin Silhavy, ist: Sie müssen zur Kenntnis nehmen (Abg. Schwarzenberger: ... kennt sich Donabauer im Sozialversicherungsrecht aus! – Abg. Silhavy: ... ist bauernschlau!), dass wir, die Vertreter der Regierungsparteien, für jeden sinnvollen Vorschlag zugänglich sind. Aber was Sie mit diesem Antrag machen wollen, Frau Kollegin Silhavy, haben Sie in der Tiefe vielleicht noch gar nicht erkannt. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Silhavy und Schwarzenberger. )

Sie wollen zuerst Anstalten zertrümmern, und dann wollen Sie zusätzlich eine schaffen. Sie wollen unten zertrümmern und eine dazu haben – Sie reduzieren nicht, sondern Sie vermehren. Für dieses Geschäft, für dieses Vorhaben stehen wir nicht zur Verfügung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Frau Silhavy! Jeder Sozialsprecher der Sozialdemokratischen Partei hat das gewusst – wahrscheinlich haben Sie den Einblick nicht. (Abg. Schwarzenberger: Sie ist noch zu jung!) Die PVAng und die PVArb sind jetzt endlich zusammengeführt. Das ist ein Projekt, worum sich Ihre Minister redlich bemüht haben, was sie aber nicht geschafft haben. PVArb und PVAng haben keine Beitragshoheit, sie haben nur Leistungskompetenz. Hingegen stellen sich die SV der gewerblichen Wirtschaft und die SV der Bauern ganz anders dar. Erstens sind sie Mehrspartenträger – die SV der gewerblichen Wirtschaft (Abg. Silhavy: Sie werden den Antrag ja wohl gelesen haben! Dass wir sehr wohl ...!): Kranken- und Pensionsversicherung ohne Beitragshoheit; die der Bauern: Krankenversicherung, Pensionsversicherung, Unfallversicherung und Beitragshoheit.

Frau Kollegin! Von der Sozialsprecherin einer großen Oppositionspartei wie der Sozialdemokratischen Partei erwarte ich mir wirklich ein bisschen mehr Wissen in dieser Sache und nicht einen so billigen Antrag, der nichts anderes zum Inhalt hat als Rache: Legen Sie jetzt diese beiden Anstalten zusammen! Wir wollen ihnen zeigen, dass wir auch einen Vorschlag haben! – Einen Vorschlag, der nichts enthält. (Abg. Silhavy: ... vom Kollegen Gaugg!) Kollege Gaugg hat sich schon selbst verteidigt, das brauche ich nicht zu tun!

Ich sage Ihnen: Sie können uns auch in aller Zukunft als fairen Partner haben, und wir wollen Sie als fairen Partner in der Sozialpolitik haben. Darüber, wie man diese gute Sozialpolitik in Österreich, die sich täglich und immer wieder anpassen muss, weiterentwickelt, sind wir gerne gesprächsbereit. Aber zum Zertrümmern und zu neuen Konstruktionen ohne Inhalt und ohne Ziel muss ich sagen: mit uns nicht, Frau Kollegin! Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. (Beifall bei der ÖVP.)


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13.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Bevor ich als Nächstem Herrn Abgeordneten Helmut Dietachmayr das Wort gebe, möchte ich aus gegebenem Anlass ersuchen, Zwischenrufe wirklich als Zwischenrufe zu praktizieren und keine Dauer-Zwischenrufe zu veranstalten. Ich gehe davon aus, dass der oder die Betroffene weiß, wer gemeint ist. (Abg. Neudeck: In der Stimmlage ...!)

Bitte, Herr Abgeordneter Dietachmayr.

13.24

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Damen und Herren auf der Zuschauergalerie werden sich auch ihren Teil denken. Aber es ist mit den Zwischenrufen immer so, wie es auch gestern war (Abg. Neudeck: Was war gestern für ein Zwischenruf, Kollege?): Der jeweilige Redner oder die Rednerin provoziert auch Zwischenrufe oder dauernde Zwischenrufe. Es muss sich jeder Redner immer selbst vor Augen halten, wie seine Rede in diesem Haus aufgenommen wird. (Abg. Dr. Martin Graf: Kollege Dietachmayr meint, das war gestern nicht ...!)

Kollege Donabauer hat in seinem Beitrag zitiert: Grundsatz der Sozialversicherung ist die Solidarität. Ich gebe ihm da vollkommen Recht. Ihre Fraktion, Herr Kollege, könnte auch heute Solidarität zeigen, indem sie unserem Antrag zur Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühr die Zustimmung erteilt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Ambulanzgebühr – wir werden dieses Thema noch sehr oft in diesem Haus behandeln müssen, nämlich so lange, bis sich hier eine Mehrheit findet, die die Ambulanzgebühr wieder abschaffen wird –, sie ist nicht nur unsozial, weil sie vorwiegend Einkommensschwächere trifft, sondern sie ist auch nicht vernünftig administrierbar und richtet in den Ambulanzen ein heilloses Chaos zu Lasten der Hilfesuchenden an. (Abg. Ellmauer: Nur in Wien!) Sie ist eine unsoziale Krankensteuer – wie viele Tausende immer wieder betonen –, sie bedeutet eine versteckte Beitragserhöhung allein zu Lasten der Arbeitnehmer, weil die Arbeitgeber diesbezüglich aus ihrer Verantwortung entlassen werden.

Die Ambulanzgebühr ist, wie sich herausgestellt hat, unsinnig und zu teuer, weil die Verwaltungskosten einen Großteil der Einnahmen verschlingen. Darüber hinaus stellt sie eine Strafzahlung für jene Patienten dar, die keine andere Möglichkeit haben, als eine Ambulanz aufzusuchen. Am Wochenende, speziell in der Nacht und in vielen ländlichen Gegenden stehen entsprechende Fachärzte nicht zur Verfügung. Sie ist aber auch eine Diskriminierung für Schwerkranke und chronisch Kranke. Sie verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil die Ausnah-men willkürlich gewählt wurden.

Die erklärten Ziele, wie sie von den Regierungsparteien immer wieder argumentiert wurden – Kosten einzusparen und die Patienten zu niedergelassenen Ärzten umzulenken –, werden nicht einmal ansatzweise erreicht, wie das auch schon verschiedene Studien und Zahlen beweisen. Die Ambulanzgebühr ist schließlich kein Ersatz für notwendige Maßnahmen zu einer gerechten und sozialen Finanzierung des Gesundheitssystems!

Ich verstehe daher auch die Aktion des Gewerkschaftsbundes in Oberösterreich – und ich habe gehört, dass auch andere mittun (Abg. Donabauer: Wieder einmal eine Aktion!)  –, in welcher die Leute dazu aufgerufen werden, einer Anfechtung der Ambulanzgebühr näher zu treten und einen Antrag auf Ausstellung eines Bescheides gemäß § 410 ASVG durch die Gebietskrankenkasse zu stellen.

Meine Damen und Herren! Ich habe schon erwähnt, dass es Untersuchungen und bereits eine interessante Studie aus Tirol darüber gibt, wie die Patienten des Landeskrankenhauses Innsbruck auf die Ambulanzgebühren reagierten. Die Analyse der Daten zweier Krankenhäuser ergab, dass die Patientenbehandlung in deren Ambulanzen keinesfalls teurer als in Praxen ist und somit dem Lenkungseffekt der rationale Bogen fehlt.

Die ökonomische Sinnhaftigkeit, von der vor Einführung der Ambulanzgebühr immer gesprochen wurde, beruhte auf der Behauptung, dass ein Abrechnungsfall in der Praxis nur zirka 600 S, in der Ambulanz aber 2 000 S kosten würde. Ein Abrechnungsfall in der Ambulanz ist mit dem in der Praxis aber, wie es sich herausgestellt hat und wie wir es auch vorher immer gesagt haben, nicht vergleichbar. Man kennt alle diese Argumente, dass in der Ambulanz die gesamte Abrechnung doch unter einem durchgeführt wird und dass verschiedene Spezialuntersuchungen in einer Praxis gar nicht gemacht werden können. Vor allem ist auch sehr wichtig, dass die Ambulanzen eine 24-Stunden-Notfallversorgung finanzieren.


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Es gäbe hier noch eine Reihe von Argumenten anzuführen. Ich kann abschließend nur sagen, dass die Ambulanzbeiträge zu einer sozialen Selektion der Ambulanzbesuche führen: Die Patienten mit niedrigem Einkommen scheinen ihre Ambulanzbesuche eher zu reduzieren. Eine unterlassene Diagnostik oder Krankenbehandlung führt aber langfristig zu höheren Behand-lungskosten und ist sicherlich ein Schaden für alle Patienten.

Ich stelle fest – und das besagt auch die Studie aus dem Landeskrankenhaus Innsbruck –, dass die Ambulanzbeiträge in Frage zu stellen sind. Zum Beispiel wurden in Holland ähnliche Beiträge nach zwei Jahren wieder abgeschafft. Meine Damen und Herren, es ist höchste Zeit, sich am Beispiel Holland zu orientieren. Stimmen Sie daher unserem Antrag zur Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren zu! (Beifall bei der SPÖ.)

13.30

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

13.30

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf zum gegenständlichen Entschließungsantrag auch aus der Sicht des Ministeriums Stellung nehmen, weil daraus inzwischen schon eine allgemeine Debatte über die Ambulanzgebühren geworden ist.

Herr Kollege Dietachmayr, Sie haben aus Ihrem Bundesland Oberösterreich angeführt, dass es dort eine Gewerkschaftsaktion gibt. Das ist richtig so. Die Gewerkschaftsaktion in Oberösterreich macht etwas mehr als zwei Drittel der Fälle aus, die nunmehr die Ambulanzgebühr durch Bescheid beeinspruchen. Ich darf Ihnen klar sagen, dass sich mit dieser Aktion des Österreichischen Gewerkschaftsbundes Oberösterreich die Verwaltungskosten von durchschnittlich 6,5 Prozent – auch nach Angaben von Oberchristl, der bekanntermaßen nicht meiner Partei zugehörig ist; das war in den Medien in Oberösterreich nachzulesen – verdreifachen werden.

Daher finde ich: Wenn Sie hier auf der einen Seite eine derartige Aktion verteidigen und auf der anderen Seite hinsichtlich der Verwaltungskosten monieren, warum diese bei den Ambulanzgebühren so exorbitant hoch sind, sollten Sie den Versicherten auch sagen, dass Sie mit dieser Aktion des Österreichischen Gewerkschaftsbundes den Versicherten Versicherungsgeld entziehen und Geld aus dem Bereich der Gesundheitsleistungen hin zum Bereich der Verwaltungsleistungen transferieren. Wenn Sie schon für Transparenz und für Offenheit sind, sollten Sie den Versicherten auch das klarmachen.

Sehr geehrter Herr Kollege Dietachmayr! Wenn Sie die Niederlande mit der dortigen Struktur ansprechen: Sie als Obmann des Sozialausschusses wissen, dass in den Niederlanden in der Struktur der Krankenanstalten im Verhältnis zu Österreich nicht einmal 35 Prozent der Betten vorgesehen sind und daher dort, wo der Krankenanstaltenbereich exorbitant zusammengedrückt und die Versorgung im Krankenanstaltenbereich auf ein Minimum reduziert worden ist, eine Ambulanzgebühr selbstverständlich unsinnig ist, weil dort die Patienten nur dann in die Ambulanzen kommen, wenn sie im niedergelassenen Bereich nicht entsprechend versorgt sind. Man sollte hier also nicht einen Vergleich von Äpfeln und Birnen machen, sondern systemkonform vergleichen.

Sehr geehrter Herr Kollege Dietachmayr! Ich bin sehr viel in Österreich unterwegs. Mich interessieren nicht Studien – die noch dazu nicht von der Universitätsklinik, sondern von einem Mitarbeiter gemacht worden sind –, sondern mich interessiert die Praxis. Ich darf Ihnen, aus der Praxis nachvollziehbar, einiges mitteilen. Für eine handchirurgische Intervention wie die Dupuytren-Operation, eine häufige Operation in diesem Bereich, beträgt nach dem Tarifkatalog der Gebietskrankenkasse meines Heimat-Bundeslandes Kärnten die Abgeltung ambulant rund 4 900 S, im Bereich des Krankenanstaltenwesens des Bundeslandes Kärnten 20 100 S, in den Privatkrankenanstalten der unterschiedlichen Träger 26 000 S und von Seiten der Beamtenversicherungen und anderer, grob gesprochen, 8 500 S.


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Ich bitte Sie, Herr Kollege Dietachmayr, sich diese Zahlen anzusehen: bei gleicher Qualität, im Übrigen sogar im Regelfall vom gleichen Arzt ausgeführt, nämlich von jenem, der am Vormittag im AUVA-Krankenhaus tätig ist und am Nachmittag in seiner Kassenpraxis sitzt, für ein und dieselbe Leistung durch ein und denselben Operateur an drei Stellen ein Unterschied von mehr als 300 Prozent – von unten nach oben gerechnet – in der Honorierung!

Herr Kollege Dietachmayr, wenn Sie bei den vorliegenden Honorierungszahlen einem Lenkungseffekt und einer Kostenersparnis noch entgegenhalten, dass Sie mit sündteurem Patientengeld Studien über Studien haben wollen, dann verstehe ich Sie nicht. (Abg. Dietachmayr: Da kann ich auch einige Beispiele liefern!) Was hier auf dem Tisch liegt, Herr Kollege Dietachmayr, und was Praxis ist, ist für mich maßgeblich, aber nicht das, was von irgendwelchen Interessenten im System behauptet wird. Dies sei Ihnen in aller Klarheit gesagt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dietachmayr: Genauso gut ...!)

Es sind in der letzten Zeit mehrere Fälle durch die Medien gegangen, dass Versicherte, die von Autofahrern niedergemäht worden waren, etwa der Pensionist auf dem Zebrastreifen oder die Pensionistin auf dem Fußgängerübergang, Ambulanzgebühren zahlen mussten. Ich frage mich, warum die Haftpflichtversicherung des Versicherten für die Bekleidung, für das Fahrrad und für all jene Dinge gezahlt hat, dass also eine Entschädigungsleistung getätigt worden ist, und warum nicht auch die Haftpflichtversicherung für diese Autorowdys die Krankenversicherungskosten und die Ambulanzkosten ins Gesundheitssystem beizutragen hat. Das ist eine Erweiterung des Gesundheitssystems und der Kostenstruktur hin in den Bereich der privaten Vorsorge und in den Bereich der Versicherungen, die bis heute, weil der Patient nichts zahlen musste, gar nicht bereit waren und nicht aufgefordert sind, jene Kosten innerhalb des Systems zu tragen.

Sehr geehrte Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion! Ich frage mich: Mit welcher Berechtigung behaupten Sie, dass der Lenkungseffekt nicht eingetreten ist und der fiskalische Effekt nicht erreicht wird? (Abg. Silhavy: ... Frage beantworten!)  – Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass die Wiener Gebietskrankenkasse jetzt im April damit begonnen hat, die Ambulanzgebühren für den November des Vorjahres vorzuschreiben. Ich darf darauf aufmerksam machen, dass bis jetzt – obwohl scheinbar ein Jahr abgelaufen ist, weil die Ambulanzgebühren mit 7. April 2001 in Kraft gesetzt wurden – noch nicht einmal die Hälfte der Ambulanzgebühren vorgeschrieben worden sind. (Abg. Dietachmayr: ... die Krankenkassen! – Abg. Dr. Feurstein: Ist aber richtig, was er sagt!)

Sehr geehrter Herr Kollege Dietachmayr! Zu den Ambulanzgebühren: In Ihrem eigenen Bundesland Oberösterreich können Sie sich jederzeit erklären lassen, warum dort so viel an Protest laut geworden ist. Wenn Sie sich nämlich die Zahlen der WHO über den Versorgungsgrad mit Ärzten und Fachärzten in den österreichischen Bundesländern anschauen: Es ist auffallend, dass in dem Bundesland, in dem der stärkste Protest gegen die Ambulanzgebühren geäußert worden ist, auch die WHO-Zahlen über die niedergelassenen Fachärzte und praktischen Ärzte am deutlichsten unter dem WHO-Schnitt liegen.

Herr Kollege Dietachmayr, Sie und Ihre Fraktion haben sich – wenn ich mich 16 Jahre zurück erinnere – kontinuierlich, wie auch ich, gegen eine Zwei-Klassen-Medizin ausgesprochen. Zur Zwei-Klassen-Medizin gehört für mich nicht nur der Zugang zur Medizin, sondern auch der Versorgungsgrad. Wenn in Linz und in Wels alles vor Ort ist, aber in den Außenbezirken – in Rohrbach, Schärding und wie sie alle heißen – die Versorgungsdichte unter dem WHO-Schnitt liegt und die Patientenversorgung unter dem liegt, was Sie mit Ihren Vorgängerinnen und Vorgängern in meinem Amte auch immer als notwendig anerkannt haben, und nicht verbessert wird, dann ist es höchste Zeit, dass wir einen Lenkungseffekt erreichen, um allen Bevölkerungsschichten – und nicht nur jenen in den Ballungszentren – endlich eine Versorgung zu bringen, die ihnen zusteht (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), und die diese Zwei-Klassen-Medizin – auf dem Land, in den ländlichen Gemeinden und Städten eine Unterversorgung und in den Ballungszentren ein Überangebot – endlich im Interesse aller Österreicherinnen und Österreicher beendet. Davon wollen Sie nichts wissen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Ich sage es auch in aller Klarheit, Herr Kollege Dietachmayr und Frau Kollegin Silhavy, und werde es Ihnen nicht ersparen: Sie haben die Ambulanzgebühr "Krankensteuer" genannt; sie ist aber die einzige Gebühr, die diese Bundesregierung in diesem Bereich eingeführt hat. Zuzahlungen hat Ihre Regierung unter Ihrer Verantwortung im Sozial- und im Gesundheitsministerium eine ganze Reihe eingeführt. Für jene Damen und Herren, die oben sitzen und für die Medien berichten, seien hier die Listen angeführt. (Der Redner hält nacheinander mehrere Schriftstücke mit Tabellen in die Höhe, die zum Großteil rot eingefärbt sind.)

All diese Listen betreffen Zuzahlungen und Selbstbehalte, die unter den Sozialdemokraten eingeführt worden sind; das, was Sie hier grau eingefärbt sehen, ist das, was von dieser Bundesregierung an Zuzahlungen eingeführt worden ist.

Rezeptgebühr und Ambulanzgebühren, die Zuzahlungen im Bereiche der Krankenanstalten, alles das sind gleiche Instrumente. Es legt sich niemand aus Jux und Tollerei ins Krankenhaus; einer, der das Taggeld zuzahlen muss, ist auch ein kranker Mensch. Wenn jemand ein Rezept einlösen geht, um ein notwendiges, ihm vom Arzt verschriebenes Medikament in der Apotheke zu holen, ist diese Zuzahlung selbstverständlich eine Belastung für den kranken Menschen. Alles das haben Sie eingeführt, ohne die unwürdige Bezeichnung einer "Krankensteuer" zu verwenden. Was Sie hier machen, sehr geehrte Damen und Herren, ist das Verdrängen dessen, dass Sie für die Mehrzahl der Zuzahlungen selbst zuständig sind – Sie haben sie veranlasst! Diese Bundesregierung ist nur für einen einzigen Bereich, für die Ambulanzgebühr, zuständig.

Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt noch etwas zur Nicht-Umsetzung in diesem Bereich und zu der Unmöglichkeit, etwas umzusetzen: Vor einem Jahr, Ende August des vorigen Jahres, ha-be ich mir darüber Sorgen gemacht, ob die Ambulanzgebühren ordnungsgemäß eingehoben werden. Der damalige Präsident des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, Sallmutter, hat mir in einem Brief geschrieben – der in meinem Ministerium aufliegt und jederzeit vorzeigbar ist –, dass alle Vorkehrungen von Seiten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger sowohl im EDV- als auch im Unterstützungsbereich getätigt worden sind, um einen klaglosen Vollzug der Ambulanzgebühren durchzuführen, und dass er es nicht verstehen würde, wenn die Aufsichtsbehörde, das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen, diese Einhebung auch nur um ein Quartal aufschieben würde, weil alles bestens vorbereitet ist.

Ich sage daher als Aufsichtsbehörde – weil auch dieser Brief des Kollegen Sallmutter bei uns aufliegt –: Wenn Sie ein Tohuwabohu in der Einhebung und in diesem Bereich geltend machen, dann ziehen Sie bitte Ihren ehemaligen Präsidenten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, der sich ja in der Öffentlichkeit immer als der Vertreter der österreichischen Versichertengemeinschaft dargestellt hat, endlich auch zur Verantwortung, warum er diesen Brief geschrieben hat und warum er dieses Tohuwabohu gestattet hat, das Sie heute wieder aufheben wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Kollegin Silhavy! So schlecht kann das Gesetz nicht sein, wenn in sechs Bundesländern 9 Prozent der vorgeschriebenen Datensätze beeinsprucht werden und in den restlichen drei Bundesländern – wo mit einer Tageszeitung und dem Gewerkschaftsbund entsprechende Aktionen laufen – die restlichen 91 Prozent der Vorschreibungen zum Tragen kommen. (Abg. Silhavy: Warum ist jetzt die Kollegin Hartinger nicht hier?)

So schlecht kann das Gesetz und die Vorbereitung dort, wo mit den Trägern datenversicherungsrechtlich ordnungsgemäß vernetzt und zusammengearbeitet wird, nicht sein, wenn man in einem westlichen Bundesland bei mehr als 380 000 vorgeschriebenen Datensätzen 51 – beziehungsweise jetzt 54 – falsche Bescheide ausgestellt hat und in anderen Bundesländern gegen die Bescheiderstellungen 19 000 und 20 000 Personen vorstellig geworden sind und im Falle der Wiener Gebietskrankenkasse 49 000 Bescheide – gemäß den mir bis dato bekannten Zahlen – korrigiert werden mussten. (Abg. Silhavy: Herr Bundesminister! Warum kritisiert Ihre eigene Abgeordnete das?)


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Frau Kollegin Silhavy! Ich frage mich auch, warum die Wiener Gebietskrankenkasse Dinge korrigieren und interpretieren kann, wenn sie angeblich so sehr auf der Seite des Patienten steht. Betrachten Sie auch den Fall der Frau, die in Klosterneuburg ihr Kind verloren hat. Sehr geehrte Frau Kollegin Silhavy, in diesem Falle – und darum hat es sich auch in der Presseaussendung des Herrn Kollegen Staatssekretär Dr. Waneck gehandelt – ist nachzufragen, welche Aufgabe ein Jurist der Wiener Gebietskrankenkasse tatsächlich darin sieht, als Angestellter der Versicherten des Bundeslandes Wien alle Intelligenz seines Faches anzuwenden, um jemandem eine Ambulanzgebühr vorzuschreiben, obwohl das Gesetz für diesen Fall keine vorsieht. Verzeihen Sie mir, ich habe eigentlich immer die Ansicht vertreten, dass die Versichertenvertreter die Aufgabe haben, auf der Seite der Versicherten zu stehen und nicht mit großer Akribie danach zu suchen, wie man den Versicherten mehr Geld abnehmen kann, als es der Gesetzgeber vorsieht! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich hoffe – nachdem auch Kollege Bittner mir in einem persönlichen Gespräch und auch telefonisch versichert hat, dass er mit der Vorgangsweise seines Mitarbeiters nicht einverstanden ist und den Fall durchaus gleich wie das Ministerium sieht: nämlich dass keine Ambulanzgebühr vorzuschreiben ist –, dass vielleicht solche übereifrige Beamte, die das Gesetz noch punktgenauer interpretieren wollen, als es ohnehin zu interpretieren ist, in Zukunft es dann so interpretieren, wie es für die Versicherten vom Gesetzgeber gedacht war.

Sehr geehrte Frau Kollegin Silhavy! "Unsozial": Sie wissen ganz genau, dass dieses Gesetz die Ambulanzgebühren betreffend für die sozial Schwächsten und für die Ausgleichszulagenbezieher insgesamt die Gebührenfreiheit vorsieht. Sie wissen, dass die Kinder ausgenommen sind. Sie wissen, dass eine ganze Reihe von Erkrankungen ausgenommen sind. Sie wissen selbstverständlich auch, Frau Kollegin Silhavy, dass für diejenigen, die knapp die Ausgleichszulagenregelung überschreiten, die Möglichkeit besteht, über die Härtefonds Rückerstattungen zu bekommen.

Ich würde mir wünschen – und ich habe es mir eigentlich drei Monate lang gewünscht –, dass die Versichertenvertreter innerhalb der Versicherungen in ihren Mitteilungen, die sie ihren Versicherten vierteljährlich, halbjährlich oder einmal im Jahr frank und frei nach Hause übermitteln, endlich auch diese Möglichkeiten der Refundierung für diejenigen, die sich durch Krankheit wirklich schwer tun, übermitteln und nicht nur auf die harten Grenzen der Gebührenbefreiung, sondern auch auf die Möglichkeiten der Gebührenbefreiung über die Härtefonds hingewiesen hätten, weil man damit sehr vielen Versicherten tatsächlich hätte helfen können. Ich frage mich: Was sind das für Versichertenvertreter, die diese Aufklärungsarbeit im Interesse der Versicherten, wenn sie sozial bedürftig sind, nicht machen? (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Nunmehr zu den Regelungen der Pensionen. Man sollte die Österreicherinnen und Österreicher vielleicht auch – neben dem Zuschussbedarf – einmal darüber aufklären, wie hoch die durchschnittlichen Pensionen sind. Trotz des von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, apostrophierten Zuschussbedarfes beträgt die Durchschnittspension der Bauern im Dezember 2001 824 € bei den Männern und 410 € bei den Frauen. Ich frage mich, sehr geehrte Damen und Herren: Wollen Sie diese ohnehin geringen Pensionen von 824 € für die Männer und 410 € für die Frauen noch einmal vermindern, indem Sie den Staatszuschuss streichen?!

Ich frage mich: Was ist das für eine Solidarität, wenn man einer Berufsgruppe in diesem Staate, die in der Nachkriegszeit und in der Aufbauzeit dazu beigetragen hat, die Ernährungssicherheit für alle Berufsgruppen in diesem Lande sicherzustellen, heute, wo diese Menschen in Pension sind, offensichtlich um eine Durchschnittspension von 824 € für Männer und 410 € für Frauen neidig ist? (Abg. Auer  – in Richtung SPÖ –: Schämen Sie sich!) Sehr geehrte Damen und Herren, das ist nicht die Solidarität, die ich meine! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich sage auch etwas zu Ihrem Wunsch, nach der Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten auch jene der gewerblich Selbständigen und jene der Bauern zusammenzuführen. Hoffentlich will keiner in


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diesem Parlament, dass die ohnehin geringen Pensionen, die in diesem Bereich ausgezahlt werden, noch geringer werden. Es würde eine Verschmelzung der beiden Anstalten der gewerblich Selbständigen und der Bauern heute erhebliche Nachteile mit sich bringen, weil die Pensionsversicherungsanstalt der Bauern sich in der Vergangenheit verpflichtet hat, die Altschulden, die dort bestehen, aus Eigenem abzudecken, und ein Sparprogramm für ihren Bereich vorgelegt hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube daher, dass wir alle gut beraten sind, dieses Sparprogramm so, wie es vereinbart ist und wie es läuft, durchzuziehen und uns dann, wenn dieses Sparprogramm aus dem eigenen Berufsstande entsprechend erledigt ist, zu überlegen, ob es unter diesem Ziel noch Sinn macht, die Anstalten zusammenzulegen oder nicht zusammenzulegen.

Dass zu diesem Sparziel auch die gemeinsame Zusammenarbeit im Back-office-Bereich gehört, dass zu diesem Sparziel die gemeinsame Zusammenarbeit im Bereich der Rehabilitationen gehört, dass zu diesem Zusammenarbeitspaket auch das Abspecken der Landesstellen gehört und bei den Overhead-Kosten, vereinfacht ausgedrückt: bei den Häuptlingen, aber nicht bei den Indianern gespart wird, das ist durchaus ein System, das für die Zukunft einiges an Einsparungseffekten erwarten lässt, ohne dass die Nähe zum Versicherten verloren geht.

Frau Kollegin! Wenn Sie die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und Angestellten ansehen: Es sind auch im Bereich der Arbeiter, der Ihnen und auch Frau Kollegin Bauer, wie ich weiß, seit vielen Jahren am Herzen liegt, deutliche Verbesserungen abzusehen.

Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter hat heute vier Regionalstellen, sie wird dann in allen neun Bundesländern vertreten sein. An Stelle der heutigen Begutachtungsstellen der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter haben wir zwei Modellversuche laufen, und zwar in Linz und Graz, die sich nach mir bisher vorliegenden Feedbacks durchaus bewähren, weil jetzt alle Träger gemeinsam die Begutachtung machen und Menschen mit Behinderungen, Menschen, die Rehabilitationen brauchen, Menschen, die um eine vorzeitige Alterspension angesucht haben, früher wissen, wie sie dran sind, und ihre Lebensplanung danach ausrichten können.

Das alles sind doch durchaus auch Vorteile, die für die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und ihre Versicherten in Zukunft mehr Versichertennähe, mehr Regionalismus und ein schnelleres, ein durchsichtigeres, ein klareres Prozedere bei den einzelnen Berufsgruppen und den erheblichen Unterschieden, die wir in diesem Bereich der Begutachtungen haben, bringen werden.

Darüber hinaus haben wir unbestritten – unbestritten auch von beiden Teilen innerhalb der eröffneten Diskussion – einen jährlichen Einsparungseffekt von zumindest – ich gehe nur einmal von der Mindestgrenze aus – 10 Prozent der heutigen Kosten im Bereiche der Verwaltung. Das sind, grob gesprochen, 350 Millionen Schilling, und das entspricht 0,1 Prozent Pensionserhöhung, die wir Jahr für Jahr in der Verwaltung einsparen können. Ich glaube, die Damen und Herren Pensionisten hätten für die letzten zehn Jahre lieber Jahr für Jahr um 0,1 Prozent mehr Pension gehabt als die Verwaltung, die sie derzeit haben.

Daher sollte es, glaube ich, auch das gemeinsame Ziel sein, das Geld, das für die Pensionen eingezahlt ist, den Pensionisten mit der bestmöglichen und sparsamsten Verwaltung zu übermitteln, so bürgernahe und so schnell, wie es sich die Seniorinnen und Senioren in unserer Gesellschaft zu Recht erwarten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es war uns allen bewusst, auch jenen, die sich von Seiten der Sozialdemokratie im Vorfeld in ihren Publikationen für die Zusammenlegung der beiden Häuser stark gemacht haben, dass es selbstverständlich bei zwei Häusern wie der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten mit jahrelang gewachsenen unterschiedlichen Philosophien – ähnlich wie bei Wirtschaftsbetrieben – einen gewissen Reibungsverlust in der Zusammenlegungsphase geben wird, weil unterschiedliche Betriebsphilosophien und auch unterschiedliche Philosophien in einem Bereich, wo Menschen sitzen, Ängste, soziale Ängste und Zukunftsängste, auslösen.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube daher, dass der vorliegende Initiativantrag mit der Bündelung der Verantwortung, dem Implementieren einer entsprechenden Kontrolle, die früher einsetzt und den gesamten Prozess kontrollierend begleiten wird, auch ein Moment ist, diese Ängste in der Form abzubauen, dass sie, wie ich hoffe, wenn die gesamte Zusammenlegung abgeschlossen ist, niemand mehr in Österreich haben wird und aus meiner Sicht auch schon heute nicht haben muss. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dietachmayr zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, ich gehe davon aus, dass Ihnen die GO-Bestimmungen ausreichend bekannt sind. – Bitte.

13.53

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Der Herr Bundesminister hat im Hinblick auf die ärztliche Versorgung in Oberösterreich gemeint, dass die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse nur deshalb ein besseres Finanzergebnis als andere Träger hat, weil ihre Leistungen für die Versicherten geringer wären. (Bundesminister Mag. Haupt: Das habe ich nicht gesagt!)

Wie durch mehrere Leistungsvergleiche festgestellt werden kann, Herr Bundesminister, ist gerade das Gegenteil der Fall, und ich kann Ihnen auch einige Beispiele nennen. (Bundesminister Mag. Haupt: Das habe ich nicht gesagt, Herr Kollege! – Abg. Dr. Khol: Sie berichtigen etwas, was nicht gesagt wurde!)

Sie haben gesagt, dass in Oberösterreich die ärztliche Versorgung unter dem OECD-Schnitt ist. (Abg. Dr. Khol: Nein, das hat er nicht gesagt!) Ich kann Ihnen sagen, dass im Österreich-Vergleich die Inanspruchnahme der niedergelassenen ...

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Ich habe Sie auf die Bestimmungen zu einer tatsächlichen Berichtigung aufmerksam gemacht. Da geht es nicht um Vergleiche mit anderen – das ist ein Debattenbeitrag –, sondern darum, ob eine Behauptung falsch ist und wie nach Ihrer eigenen Ansicht die Richtigkeit ist. Das heißt, es geht darum, eine tatsächliche Behauptung zu korrigieren.

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (fortsetzend): Ich erspare mir daher die Vergleiche, kann aber abschließend sagen, dass das Ergebnis bedeutet, dass in Oberösterreich zwar insgesamt weniger – und das hat der Herr Bundesminister gesagt ... (Abg. Dr. Ofner: Das ist wieder keine tatsächliche Berichtigung!)

13.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Dann müssen Sie das in einem Debattenbeitrag sagen, aber nicht in Form einer tatsächlichen Berichtigung. Das ist nicht geschäftsordnungskonform!

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. (Abg. Dr. Rasinger: Danke! Auf Wiederschauen! – Abg. Dr. Khol: Dabei ist er Ordner seiner Fraktion und kennt die Regeln nicht!)

13.55

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Zwickmühle, in der sich der Kollege Dietachmayr befindet, zeigt sich auch ganz klar an seinen Versuchen, die Redebeiträge zu gestalten.

Worum geht es denn eigentlich bei diesem Initiativantrag? Es ist an sich schon etwas Besonderes, wenn einmal eine Gesetzesinitiative nicht von der Regierung oder von einem Minister kommt, sondern von den Abgeordneten hier im Hohen Haus ein Initiativantrag gestellt wird. (Abg. Dietachmayr: Kiloweise haben wir Abänderungsanträge eingebracht!) Abänderungsanträge ausgenommen. Hier geht es um einen Initiativantrag, Herr Kollege! (Abg. Dietachmayr: Auch Initiativanträge haben wir kiloweise eingebracht!) Aber obwohl es hier um die Zusammenlegung oder um einen Teilaspekt der Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten der Angestellten und der Arbeiter geht, fällt dem Kollegen Dietachmayr dazu nichts anderes ein,


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als seine bereits fünfmal hier gehaltene Rede zu den Ambulanzgebühren zu halten und zu versuchen, aus dieser Zwickmühle herauszukommen – denn in der Sache selbst könnten Sie kaum gegen diesen Initiativantrag sein –, etwas ganz anderes in die Debatte einzuwerfen. Es sei Ihnen unbenommen. (Abg. Dietachmayr: Das mit den Ambulanzgebühren tut Ihnen weh, weil es eine Fehlentscheidung war! Eine falsche Politik waren die Ambulanzgebühren!)

Der Herr Bundesminister hat Ihnen – wie schon des Öfteren in diesem Hohen Hause – nicht nur die richtige Antwort gegeben, sondern auch den Sachverhalt aufgeklärt. Das betrifft auch Ihre tatsächlichen Berichtigungen. Sie versuchen, dem Herrn Bundesminister zu unterstellen, er hätte eine OECD-Studie zitiert, in Wirklichkeit hat er über die WHO gesprochen. Sie wissen es besser, aber wider besseres Wissen stellen Sie sich immer wieder hier heraus und reden von etwas anderem. Aus dieser Zwickmühle müssen Sie sich selbst befreien. Ich glaube, das ist eine Angelegenheit, die Sie intellektuell einmal verarbeiten müssen. – Das ist im Wesentlichen das, was ich dazu sagen möchte.

Zum Kern selber, zum Antrag selber. Da verwundert es mich eigentlich, dass die Sozialdemokraten hier nicht zustimmen können oder wollen. Ich glaube, es ist ein gerüttelt Maß an Fundamentalopposition, die Sie hier einnehmen, denn selbst die Vertreter der Gewerkschaft, selbst die Vertreter der Arbeiterkammer, selbst auch die sozialdemokratischen Vertreter in den beiden Häusern wollen diese Änderung haben. Wenn Sie mit den beiden leitenden Angestellten gesprochen hätten, wenn Sie mit den Funktionären aus Ihrem Dunstkreis gesprochen hätten, dann wären Sie auch zu diesem Ergebnis gekommen. Es fehlt an der effizienten Struktur in der Führung, und das macht unsicher. Diesen Zustand wollen und werden wir beheben, damit eben die Fusion, die im Wesentlichen quer durch alle politischen Lager außer Streit steht, durchge-führt werden kann.

Warum und weshalb außer Streit steht? – Der gemeinsame Arbeitnehmerbegriff ist ja Faktum. Auch Sie in Ihrem eigenen Dunstkreis haben sich schon in diese Richtung bewegt. In der Arbeiterkammer unterscheiden Sie nicht mehr zwischen Arbeitern und Angestellten. In der Gewerkschaft haben Sie selbst die Weichen gestellt, dass es zur Zusammenlegung der Metaller beziehungsweise eben aller Arbeiter mit den Angestellten kommt. Es sind die pensionsrechtlichen Bestimmungen gleichgestellt, die arbeitsrechtlichen Bestimmungen gleichgestellt. Warum bedarf es dann noch zweier verschiedener Häuser mit zwei großen Verwaltungsapparaten? Hier sind Synergien zu lukrieren, und das muss man auch tun – im Sinne der Versicherten und natürlich auch im Sinne des Steuerzahlers. Und das tun wir hiermit.

Wenn Sie trotz alledem gegen diese sinnvolle Änderung sind, so ist das rein aus parteipolitischer Taktik zu sehen. Sie wollen oder können offensichtlich einer sozialpolitischen Maßnahme der ÖVP und der Freiheitlichen Partei nicht Ihre Zustimmung erteilen, auch wenn sie sinnvoll ist und es in Wirklichkeit in Ihren eigenen Reihen hinter vorgehaltener Hand begrüßt wird, dass es zu einer derartigen Änderung kommt. – Wieder eine Zwickmühle, in die Sie sich begeben und die an sich auch wiederum die Unehrlichkeit in Ihrem sozialpolitischen Verhalten darlegt.

Etwas stimmt ganz sicher nicht – und ich bin froh, dass die SPÖ bislang darauf noch gar nicht eingegangen ist –, nämlich das, was Kollege Öllinger hier gesagt hat: dass man mit dieser Novellierung, mit diesem Initiativantrag versucht, Mehrheiten politisch zu verändern. Das ist überhaupt nicht der Fall. Im Funktionärswesen wird nichts verändert gegenüber dem Stand von vor einem, zwei, drei, vier oder fünf Monaten. Das wissen Sie ganz genau. Die Mehrheiten sind dieselben, und es ist auch so, dass die Beschlussfassungen dort im Wesentlichen alle einstimmig vor sich gehen. Dort bringt sich jede Fraktion ein – es tut mir Leid, dass es überhaupt noch Fraktionen dort gibt, aber das haben nicht die Freiheitlichen zu verantworten, und das wird sich vielleicht auch irgendwann einmal noch ändern –, und die Beschlüsse erfolgen einstimmig.

Wo es Reibungsverluste gibt, das sind die unterschiedlichen Unternehmensphilosophien der beiden Häuser, und ich glaube, dass man auch hier Rechtssicherheit insofern schaffen sollte, als man relativ rasch und klar zu einer einheitlichen Führung der leitenden Angestellten kommen sollte, die, wie Sie selbst wissen, Frau Kollegin Silhavy, ja nicht das geschäftsführende


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Organ sind, sondern lediglich leitende Angestellte. Aber es sollte hier Klarheit geschaffen werden, damit eine hier bestehende Verunsicherung endlich beseitigt wird.

An den politischen Mehrheitsverhältnissen wird nichts geändert – das wissen Sie selbst auch am besten –, sondern es wird eine effiziente Verwaltungsstruktur ermöglicht. Das ist auch deshalb notwendig geworden – das sage ich auch an Ihre Adresse –, weil es, anders, als man sich das vor einem halben Jahr gedacht hat, eben nicht möglich gewesen ist, dass die Bürogeschäfte von den beiden leitenden Angestellten gemeinsam geführt werden. Man hat immer gedacht, dass das in der Übergangsphase der nächsten acht Monate – oder damals noch zwölf Monate – im Konsenswege der leitenden Angestellten vor sich gehen wird. Das hat nicht funktioniert.

Der Gesetzgeber ist der Einzige, der hier handeln kann. Wir handeln! Und das ist, glaube ich, im Sinne der Versicherten, der Versicherungsvertreter, der Belegschaft dort vor Ort und auch im Sinne des Steuerzahlers. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Horn. – Bitte.

14.02

Abgeordneter Josef Horn (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu Beginn meiner Rede möchte ich nur klarstellen, dass kein Sprecher der Fraktion der Sozialdemokraten behauptet hat, dass die Pensionszuschüsse für die Gruppen der Bauern und der gewerblichen Wirtschaft gesenkt werden sollen. Es hat nur eine Darstellung gegeben, wie hoch der Zuschuss in diesem Bereich sein wird.

Herr Minister! Wenn Sie Kosten im niedergelassenen Bereich mit Kosten in einem Krankenhaus vergleichen, so ist das nicht ganz korrekt, denn Sie wissen ganz genau, dass die Fixkosten in einem Krankenhaus schließlich und endlich doch auch in die Kosten für Operationen und so weiter eingerechnet werden. – Ich würde mir dazu noch eine Klarstellung Ihrerseits erwarten.

Mit dem Beschluss der Regierungsparteien wurde die Zusammenführung der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter mit jener der Angestellten beschlossen. So ist es in der 59. ASVG-Novelle nachzulesen. Beide Anstalten waren für geringe Verwaltungskosten bekannt. Die Regierungsparteien argumentierten mit dem gleichen Pensionsrecht und weiteren Einsparungen in der Verwaltung.

Zurzeit ist die Übergangsregelung in Kraft, und mit 1. Jänner 2003 sollte eine neue Führung in dieser Pensionsversicherungsanstalt die Verantwortung übernehmen. Damit Ihnen nicht noch etwas "anbrennt", wollen Sie nun vorzeitig, vor dem endgültigen Zusammenschluss am 1. Jänner 2003, den Griff nach dem leitenden Angestellten durchziehen und diesen bereits mit 1. Juli 2002 bestellen.

Jetzt liegt ein Antrag der sozialdemokratischen Fraktion betreffend gemeinsame Verwaltung der Sparte Pensionsversicherung der Bauern und jener der gewerblichen Sozialversicherung zur Entscheidung vor. Nun gibt es plötzlich einen Bruch in Ihrer Argumentation hinsichtlich Verwaltungseinsparung durch Zusammenlegung von zwei Anstalten. Plötzlich führen die Regierungsparteien einen Eiertanz auf und finden auch noch weitere Argumente, warum eine gemeinsame Verwaltung in der Selbständigen-Sozialversicherung nicht möglich ist. Doch hier ist Beweglichkeit ebenso notwendig, noch dazu, wo die Sozialversicherung der Bauern und die der gewerblichen Wirtschaft bis zu 4,5-mal höhere Beiträge des Bundes zur Pensionsleistung benötigen, als sie die Arbeiter und Angestellten vom Staat erhalten. – Was den Zuschussbedarf betrifft, wurden von meinen Vorrednern schon Vergleiche angeführt.

In Zeiten großer technischer Möglichkeiten und Unterstützung durch leistungsfähige EDV-Anlagen und Software-Programme sind Ihre Argumente der unterschiedlichen Pensionssysteme bei der Sozialversicherung der Bauern und jener der gewerblichen Wirtschaft nicht länger aufrechtzuerhalten. Vergleicht man die Pensionsberechnungssysteme dieser beiden Anstalten, so er


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kennt man, dass die Berechnung, sowohl was den Pensionsanspruch als auch was die Pensionsleistung betrifft, die gleiche ist.

Wenn sich Abgeordneter Donabauer, der jetzt nicht mehr im Saal ist, als Obmann der Sozialversicherung der Bauern immer wieder lautstark zu Wort meldet und die Unterschiedlichkeit der Pensionssysteme ins Treffen führt, dann steht bei seinen Argumenten vielleicht der Eigennutz Pate.

Stimmen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, auch hier zu, damit wenigstens die mit 10 Prozent angenommenen Verwaltungseinsparungen in diesem Bereich zu Entlastungen führen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

14.06

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich möchte nur zwei Dinge hinzufügen: Wenn Sie von Kosten sprechen, sollten Sie auch sagen, für wen die Kosten anfallen.

Es ist unbestritten, dass innerhalb der Krankenanstalten ein erheblicher Anteil der Aufwendungen an Overhead-Kosten für den Bereich der Verwaltung, für die Zurverfügungstellung von Gebäuden, für die Bettenabteilungen und ähnliche Bereiche zu tätigen ist. Wenn ich von Kosten spreche, spreche ich von Kosten für den Versicherten und für die Versicherung. Die Versicherung hat auf Grund der Honorarsätze im Bereich der niedergelassenen Ärzte – das betrifft jenen Bereich und jene Beispiele, die ich Ihnen genannt habe – eindeutig geringere Kosten als im Bereich der Krankenanstalten, sogar unter Berücksichtigung dessen, dass bei den Krankenanstalten die Länder und die Gemeinden einen erheblichen Beitrag zur Kostentragung leisten und die Krankenversicherung nicht der ausschließliche und alleinige Beitragszahler ist. Wenn Sie die durchschnittlichen Kosten, die von den Ländern und Gemeinden übernommen werden, bei den unterschiedlichen Honorierungssätzen auch abrechnen, dann werden Sie feststellen, dass das, was von Ihrer Fraktion behauptet wurde, nämlich dass die Krankenanstalten das Billigere wären, mit Sicherheit bei sehr vielen Positionen nicht der Fall ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. – Bitte.

14.07

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es schon ein wenig merkwürdig, dass, obwohl wir an sich die Thematik Zusammenlegung von Versicherungsträgern auf der Tagesordnung haben, hier – vor allem von den Sozialdemokraten – hauptsächlich die Ambulanzgebühren ins Spiel gebracht werden. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass jeder lobt, wie stark und wie gut die Sozialversicherung ist, aber die Finanzierungsprobleme nicht sehen will.

Die Ambulanzgebühr ist nichts Angenehmes, und niemand hat sie aus Jux und Tollerei eingeführt, aber was ich überhaupt nicht verstehen kann, ist, dass man auf dem Rücken der Patienten Politik mit der Ambulanzgebühr betreibt (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), wie in dem Fall der Patientin, die einen Schwangerschaftsabbruch gehabt hat und der man dann die Ambulanzgebühr ... (Ruf bei der SPÖ: Fehlgeburt!), die eine Fehlgeburt gehabt hat und der man dann die Ambulanzgebühr verrechnet hat. Für jeden Juristen, der das Gesetz auch nur einigermaßen lesen kann, ist ganz klar gewesen, dass hier keine Ambulanzgebühr verrechnet werden darf, aber Herr Bittner stellt sich dann hin und bringt das Thema in die Öffentlichkeit. Und was ich als das Unwürdigste empfinde: Als es eng geworden ist, hat man sich hinter einem Mitarbeiter versteckt und gesagt, er hätte das richtig interpretieren müssen. – Diese Politik, wie Sie sie ma


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chen, ist eine Politik auf dem Rücken der Patienten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ihr ehemaliger Bundeskanzler Sinowatz hat einmal gesagt, Politik ist kompliziert. – Auch die Sozialversicherung ist kompliziert, daher ist es manches Mal sehr angenehm zu sagen, dass man zur Sanierung der ganzen Problematik Träger zusammenlegen soll. In diesem Fall muss man sagen, Träger zusammenzulegen mag schon etwas Richtiges beinhalten. Es ist aber nicht in jedem Fall die richtige Maßnahme, sondern man muss in jedem Einzelfall prüfen: Wann ist es logisch, wann ist es sinnvoll, wann ist es nicht sinnvoll?

Im Bereich der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und jener der Angestellten ist die Zusammenlegung eine sehr sinnvolle Maßnahme, weil sich dort Synergieeffekte ergeben, weil es dort in etwa gleiche Beiträge und gleiche Leistungen gibt und weil jetzt auch die Angleichung der Arbeiter und Angestellten im Krankheitsfall und bei sonstiger Dienstverhinderung erfolgt ist. Also hier gleicht sich alles an.

Herr Nürnberger – er ist jetzt leider nicht im Saal – hält uns immer einen Prospekt vor, den wir angeblich irgendwann einmal gedruckt haben, und erklärt, dass die Wirtschaftskammer sich rühmt, dass man da, so rechnet er uns vor, etwas zu Lasten der Betroffenen gemacht hat. – Ich sage Ihnen Folgendes, meine Damen und Herren: Es war diese Bundesregierung, die die Angleichung der Arbeiter und Angestellten im Krankheitsfall durchgezogen hat. Sie haben es jahrelang nicht zusammengebracht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was in dieser Unterlage dargelegt wurde, sind zwei Dinge, die vermischt worden sind: Einerseits wurde mit einer Maßnahme Gerechtigkeit geschaffen, und andererseits wurde durch die Urlaubsaliquotierung, die darin auch angesprochen wurde, eine Ungerechtigkeit abgeschafft (Abg. Riepl: Sie haben es verschlechtert!), nämlich die, dass man bis zu dem Zeitpunkt, da das korrigiert wurde, mit einem Tag im Jahr einen Gesamturlaubsanspruch erworben hat. Das ist in keinem Land der EU so gewesen, und daher war es notwendig, es zu korrigieren.

Meine Damen und Herren! Bei diesen beiden Versicherungen ist es daher logisch, sinnvoll und konsequent, wenn ich die Beiträge und die Vorschreibung mit einem EDV-System abwickle, wenn ich ein gemeinsames Controlling habe. Das wird sich dann im Zeitablauf entsprechend rechnen, und das kommt auch in den Prognosen zum Ausdruck.

Was im Bereich dieser beiden Versicherungen richtig ist, das muss aber nicht zwangsläufig auch für einen anderen Bereich zutreffen. Sie haben jetzt den Antrag gestellt, die gewerbliche Sozialversicherung und die Sozialversicherung der Bauern zusammenzulegen. Wenn Sie mit dem Argument von Synergieeffekten gekommen wären, dann könnte man dem etwas abgewinnen – warum auch nicht? –, wenn ich dort Einsparungspotentiale sähe. Wenn ich aber genau dieselben Kriterien anlege wie beim anderen Beispiel, dann sehe ich, dass die Beitragsvorschreibung dort eine unterschiedliche ist: Ich habe einerseits den Einheitswert und andererseits den Einkommensteuerbescheid als Grundlage. – Ich habe daher keine Vorteile, wenn ich das so mache, wie Sie das vorschlagen.

Jetzt aber kommt der springende Punkt – und das ist das Komischste –: In Ihrer Begründung führen Sie an, der Staat leiste dort die höchsten Zuschüsse. – Wenn wir uns in der Verwaltung nichts ersparen, frage ich mich: Haben wir dann mehr Beiträge? Haben wir dann mehr Milliarden? – Überhaupt nichts haben wir in diesem Zusammenhang, gar nichts verändert sich! Sie gehen nach dem lockeren Motto vor: Aus zwei mach eins! Das ist am allereinfachsten, damit tut man schon irgendjemandem etwas zu Fleiß.

Jetzt frage ich Sie aber trotzdem: Wenn das, was Sie sagen, logisch ist, dann müssten Sie ja eigentlich für die Zusammenlegung mehrerer anderer Träger sein, dann müssten Sie ja fast für eine Art von Einheitsversicherung sein. Dann wäre es irgendwann so, dass der Letzte, der im Bergbau arbeitet, natürlich für seine Kollegen die Beiträge zahlen müsste. Das kann er nicht, sondern es muss in diesem Zusammenhang auch der Staat herangezogen werden.


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Daher ist Ihre Argumentation widersprüchlich, unlogisch und hat nur eines zum Ziel: den Machterhalt. Es tut Ihnen weh, wenn Sie nicht überall die entsprechenden Leute sitzen haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Daher ist der richtige Weg, meine Damen und Herren, in der Sache zu kooperieren, wie es die gewerbliche Sozialversicherung und die Bauern-Sozialversicherung bei der Beschaffung, bei der Gebäudeverwaltung, bei der Druckerei, im Mikroverfilmungsdienst und so weiter tun.

Und merken Sie sich Folgendes – das sollten Sie sich überlegen –: Gehen Sie differenziert vor! Was in dem einen Fall gerade richtig ist, das ist im anderen Fall präzise falsch. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

14.13

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Mein Vorredner, Herr Abgeordneter Mitterlehner, hat uns hier Gedanken unterstellt, zu denen ich nur feststellen kann: Wie der Schelm denkt, so handelt er. Er hat nämlich gemeint, es tut uns weh, dass wir nicht überall die richtigen Leute, Leute unserer Farbe, unterbringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Er vergisst dabei, dass wir – deshalb war auch die österreichische Innenpolitik, die österreichische Bundesregierung mit Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer wieder erfolgreich für unser Land – bei unserem Maßnahmen den Menschen sowie die Frage, wie es in unserem Land sozial aussieht, in den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellten. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir behandeln heute einen Initiativantrag, den ich als ein weiteres Beispiel für Unprofessionalität bewerten will und in dem ich auch eine Husch-Pfusch-Maßnahme sehe, denn warum ist das nicht schon in der vorangegangenen ASVG-Novelle geregelt worden? Sie sprechen immer über sozialpolitische Maßnahmen und zählen zu den Erfolgen dann etwa die EDV. Im Hauptverband haben Sie jetzt, so haben Sie gesagt, Ihre richtigen Personen drinnen sitzen.

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. – Ich ersuche die Besucher auf der Galerie, das Gewand von der Galerie zu entfernen. Es sind die Abgeordneten gefährdet, wenn Gegenstände herunterfallen.

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (fortsetzend): Danke schön für den Sicherheitshinweis. Ich denke, das war nur eine leichte Jacke, die hätten wir ausgehalten. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Nach der beim Hauptverband erfolgten Umstrukturierung hat sich gezeigt, dass es zu keiner Kostenersparnis gekommen ist, sondern dass die Verwaltungskosten um 20 Prozent gestiegen sind. Auch hier sehen Sie – "wie der Schelm denkt ..." gilt hier ebenso wie vorhin für Herrn Mitterlehner –, dass die Bundesregierung in unserem Land umfärbelt.

Es wird dabei eine durchschaubare Strategie gefahren: Zuerst werden Institutionen in unserem Land mit Neid und Missgunst bedacht. Es wird aus dem Hut gezaubert, welche Privilegien wer wo hat, welche Maßnahmen wo gesetzt werden, wo es jemandem besser geht. Es werden Institutionen angeschüttet, statt konstruktive Kritik zu üben. (Abg. Steibl: Auch die SPÖ ist nicht konstruktiv! Lauter Luftblasen!) Dann werden diese Institutionen von außen torpediert, und das Vertrauen der Menschen in unserem Land in unsere Institutionen wird erschüttert. Dann werden die Leistungen in Frage gestellt. Schließlich werden die Institutionen zerschlagen, und es gibt weniger Leistungen für die Menschen in unserem Land. – So kann man das in sehr vielen Bereichen erkennen und mitverfolgen.

Die Wahlversprechen, die von Seiten dieser Regierungsparteien im Wahlkampf abgegeben wurden, haben Sie, ohne mit der Wimper zu zucken, gebrochen. (Abg. Steibl: Nein! Wir haben


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das Kinderbetreuungsgeld für alle, wir haben das Pflegegeld für behinderte Kinder ab der Geburt und so weiter!) Eine Mehrzahl der Menschen in Österreich wird geschröpft. Die nächste Wahl wird zeigen, dass das nicht goutiert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben Ambulanzgebühren und eine Unfallrentenbesteuerung eingeführt und die Rezeptgebühren erhöht. Bei den Rezeptgebühren sieht es so aus, dass sehr viele ältere Menschen schon mehr Geld für Medikamente ausgeben müssen, als sie das für Lebensmittel tun können. – Das hat diese Regierung für unser Österreich getan! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie nennen das dann Strukturmaßnahmen für soziale Anliegen. Auch diese Argumentation wird entlarvt und wird von den Menschen im nächsten Wahlkampf sicherlich unter genaue Beobachtung gestellt werden, denn die Menschen lassen sich nicht für dumm, für unwissend verkaufen. Sie werden diese Regierung an ihren Maßnahmen und Leistungen messen und auch an ihren Schröpfaktionen.

In diesem Sinne war auch, so denke ich, eine Unterstützung von mehr als 700 000 Menschen in Österreich – und das ohne begleitende mediale Unterstützung, ohne Unterstützung von Seiten der Medien – ein sehr wichtiges Zeichen. Sie haben überhaupt keine Reaktion zu diesem Thema abgegeben. Das zeigt, dass diese Bundesregierung keinerlei Sozialverträglichkeit besitzt. Und das wird bei den nächsten Wahlen abgewählt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

14.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brugger. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Jetzt kommt ein Tiroler!)

14.18

Abgeordneter Bernd Brugger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Als Arbeitnehmer finde ich es wichtig und richtig, dass die im vergangenen Herbst beschlossene Zusammenführung der Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und Angestellten mit 1. Jänner 2003 zeitgerecht umgesetzt wird. Um das bewerkstelligen und beschleunigen zu können, diskutieren wir über einen Initiativantrag, damit der Überleitungsausschuss mit 1. Juli dieses Jahres seine volle Beschlusskompetenz erhalten kann. Es ist notwendig, dass schnell klare Verantwortlichkeiten und Führungsverhältnisse geschaffen werden. Im Weiteren geht es auch um eine Straffung der administrativen Abläufe.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die von Kollegin Silhavy und Herrn Öllinger im Sozialausschuss geäußerten Befürchtungen, es stünden politische Absichten hinter diesem Antrag, sind absurd und nicht zutreffend. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. ) Das war über 30 Jahre die durchgängige Praxis der Sozialdemokraten in diesem Ministerium, der wir uns sicher nicht anschließen. Eine ausgewogene Berücksichtigung der Interessenvertretungen in den Verwaltungskörpern wird gewährleistet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten war seit jeher eine freiheitliche Forderung, damit endlich Einsparungen und Synergieeffekte zugunsten der Beitragszahler, der Arbeitnehmer in diesem Land erzielt werden können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

14.19

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das von Kollegem Mitterlehner, der jetzt leider hinausgegangen ist, angeführte Beispiel zeigt deutlich, wie unsozial die Gesetze sind, die Sie beschließen. Das Beispiel der Fehlgeburt dieser Frau zu nennen und sich dann herzustellen und so zu tun, als wäre er oder sie als Bundesregierung nicht verantwortlich, das ist wirklich gewagt, meine Damen und Herren. Das war das falsche Beispiel (Beifall bei der SPÖ), denn Sie haben es so eingerichtet,


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dass es keine oder kaum Ausnahmen bei den Ambulanzgebühren geben kann und dass solch tragische Zwischenfälle passieren können.

Es kann Ihnen sowieso nicht schnell genug gehen in der Sozialpolitik, aber natürlich auch in anderen Politikbereichen. Das ist Absicht, keine Frage: Möglichst rasch umbauen, in möglichst kurzer Zeit – das ist Ihr politisches Motto.

Das bedeutet mehreres, meine Damen und Herren: Auf der einen Seite wird es uns und auch jenen, die Gesetze zu begutachten haben, kaum mehr ermöglicht, Ihre Vorschläge zu prüfen, dann zu begutachten und darüber zu diskutieren. Das ist von Ihrer Seite unerwünscht, weil es natürlich unbequem werden kann.

Auf der anderen Seite passieren Ihnen Fehler, sie passieren Ihnen am laufenden Band, meine Damen und Herren: Einerseits bringen Ihre Maßnahmen nicht die Einnahmen, die Sie sich erwartet haben, andererseits muss sich der Verfassungsgerichtshof einschalten, der bestätigt, dass Sie Fehler gemacht haben.

Drittens, so denke ich, soll durch den Turbo, den Sie einschalten, von der Bevölkerung nicht bemerkt werden – das ist ganz eindeutig die Absicht bei dieser Vorgangsweise –, dass Sie im Sozialbereich abbauen und abbauen und abbauen. 717 314 Österreicherinnen und Österreicher haben aber sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass Ihre Sozialpolitik nicht die Sozialpolitik ist, die wir uns in diesem Land wünschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch beim vorliegenden Initiativantrag betreffend die Zusammenlegung der beiden Pensionsversicherungsanstalten kann es nicht rasch genug gehen, und ich denke, dass Ihnen wieder Fehler passieren könnten, meine Damen und Herren. Machen wir nur einen kurzen Ausflug zur Zerschlagung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, wo Sie es geschafft haben, nach Ihren Wünschen umzubauen und die Verwaltung auf ein Zigfaches anzuheben, um ein Zigfaches teurer zu machen, als sie vorher war. Aber die Versicherten warten auf Reformen. Wir haben noch nichts Konstruktives von Ihnen gehört. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage mich – und das müssten Sie sich schön langsam auch fragen –, für wen Sie Sozialpolitik machen. Sicherlich nicht für die Mehrzahl der Menschen in diesem Land. Diese Umfärbelungen und Umbesetzungen kommen die Österreicherinnen und Österreicher sehr, sehr teuer zu stehen, aber merken tun sie nichts davon. So wie hier bei diesem Antrag auch.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten reagieren, wir reagieren immer schnell, nur Sie nehmen diese Reaktionen, die durchaus konstruktiv und positiv sind, nicht an. Warum haben Sie – zum Beispiel Kollege Donabauer im Ausschuss – unseren Antrag zur Zusammenlegung der Pensionsversicherungen von Bauern und Gewerbe als sinnvoll erachtet – das hat er wortwörtlich gesagt, ich habe nachgeschaut –, und warum wird das jetzt plötzlich nicht mehr als sinnvoll erachtet und abgelehnt? Ich hätte gerne, wir hätten gerne eine nachvollziehbare Erklärung. Alles, was heute gesagt wurde, kann das nicht erklären. Es waren keine wirklichen Erklärungen da, die dies rechtfertigen.

Anträge, meine Damen und Herren – das muss man zur Sozialpolitik auch sagen –, die wirklich von Brisanz sind, wo wirklich gehandelt werden müsste, die werden vertagt, die werden verschoben.

Zum Abschluss sei noch auf die Situation der jungen Menschen hingewiesen. Herr Bundesminister Haupt ist Sozialminister, er ist aber auch Jugendminister, und ich würde mir wünschen, dass er schnellstens einen Dialog mit dem Arbeitsminister Bartenstein sucht und endlich in diesen Dialog eintritt, um die Situation der jungen Menschen auf dem Arbeitsmarkt, auf die wir seit Monaten hinweisen, zu diskutieren und Veränderungen herbeizuführen, denn im Herbst, meine Damen und Herren, wird die Arbeitsplatzsituation der jungen Leute nicht besser, sondern schlechter sein. Und das durch Ihre Politik. (Beifall bei der SPÖ.)


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14.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

14.24

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir eingangs zwei Anmerkungen zu meinen Vorrednerinnen von der SPÖ.

Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek, Sie sind schon sehr lange im Parlament (Abg. Heinisch-Hosek: Noch nicht so lange!) und müssten eigentlich wissen, dass der hier vorliegende Initiativantrag nicht zur Begutachtung ausgesendet werden musste. (Abg. Heinisch-Hosek: Das weiß ich!) Außerdem wollten wir Nägel mit Köpfen machen, damit das Gremium ab 1. Juli arbeiten und alles gut vorbereiten kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Weiters zu Kollegin Lapp: Meines Wissens sind Sie eine Wienerin und eine SPÖ-Abgeordnete der Wiener, und ich sage Ihnen eines: 1 000 S oder 72 € beträgt die Ambulanzgebühr, wenn man nicht befreit ist – wir haben jedoch sehr viele Befreiungen, denn wir wissen, was das heißt, und wir wollen, dass auch sozial schwache Menschen zu ihren Rechten kommen –, und mit diesen 72 € kann man 365 Tage Spitzenmedizin in Anspruch nehmen.

Sie sind auch diejenigen, die immer wieder davon reden, dass wir zu wenige Kindergartenplätze haben, wie fürchterlich und wie schlecht die Kinderbetreuung in Österreich ist. – Ja, und das Bundesland Wien liegt an der Spitze: Wenn ich einen Wiener Gemeindekindergarten in Anspruch nehme, dann kann ich mit 72 € mein Kind nur zehn Tage in den Kindergarten geben, und ich habe gelesen, dass es jetzt noch eine Erhöhung gibt. – Sie sollten schon auch bei der Sache bleiben und nicht immer nur von der Ambulanzgebühr reden. Sie sollten auch wissen, worum es hier jetzt wirklich geht. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir stehen für eine reale Sozialpolitik, meine Damen und Herren; die virtuelle Sozialpolitik wird letztendlich von der SPÖ und von der Opposition gemacht. Auch die Millionenbeträge, die Sie in eine Werbekampagne zur Unterstützung des Volksbegehrens hineingebuttert haben, haben sicher nichts geholfen. Die Menschen sind um vieles vernünftiger, als Sie glauben.

Ich glaube auch, dass sich die Volkspartei zum Sozialstaat bekennt. Wir tun es. Ich könnte Ihnen mehr als 20 konkrete Maßnahmen nennen, die wir eingebracht, umgesetzt und beschlossen haben. (Abg. Gradwohl: Besteuerung der Unfallrenten! – Abg. Dietachmayr: Freie Mitversicherung gestrichen!)

Eine Vorrednerin von der SPÖ hat gesagt, wir halten unsere Wahlversprechen nicht. – Ich nenne nur ein Wahlversprechen: Kinderbetreuungsgeld für alle, für Vollhausfrauen, Schülerinnen und Studentinnen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben umgesetzt, Sie haben kritisiert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben auch das Pflegegeld ab Geburt eines behinderten Kindes beschlossen. Wir haben den Pakt für ältere Menschen beschlossen. Wir haben größere Fairness beim Arbeitslosengeld eingeführt. Wir schaffen die "Abfertigung neu" – Sie wollen es nicht hören, aber sie kommt auch ohne Ihre Stimmen ab 1. Juli. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben die Familienhospizkarenz eingeführt. Und sagen Sie nicht, dass das etwas Negatives ist. Sie haben die Möglichkeit, Menschen, Verwandte ersten Grades, bis zu sechs Monate lang – bei Weiterversicherung, sowohl Pensions- als auch Krankenversicherung – zu Hause zu pflegen.

Auch die von der Opposition aufgestellte Behauptung der politischen Umfärbung dieses Gremiums ist schlichtweg falsch. Diese Novelle ist rein sachlich. Es geht hier vor allem um die Umsetzung der Fusion, denn – wie ich auch schon gesagt habe – wir schauen, dass Nägel mit Köpfen gemacht werden.

Und wenn Sie behaupten, dass die Grundsätze der Zusammenführung nicht klar sind, so sage ich Ihnen, dass letztendlich nichts anderes stattgefunden hat als eine teilweise Reduzierung der Anzahl der Mitglieder; dies jedoch streng verhältnismäßig. Daher hat sich eine Änderung in der


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politischen Gewichtung der einzelnen Gruppen in keiner Weise ergeben. Es ist nicht so, wie die SPÖ meint, dass dies nur zu unseren Gunsten gehe.

Ich denke auch, dass wir deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir im Sinne der Versichertennähe, der Kundenorientiertheit, einer sozialen Rechtsanwendung und im Sinne einer sparsamen Verwaltung und der raschen Aufgabenerfüllung diese Fusion nun zeitgerecht in die Wege leiten, damit diese reibungslos und sicher vonstatten gehen kann.

Ich möchte Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, wirklich noch sagen, dass wir eine Regierung mit Inhalten sind. Es tut daher sehr weh, wenn die Opposition nichts anderes als Kritik, Kritik in Form leerer Worthülsen einbringt, dass sie nicht sieht, dass wir sehr wohl modernisieren und aufbauen. Und ich füge hinzu: Wir schauen nicht rückwärts, sondern wir schauen vorwärts – im Sinne unserer Bürger und Bürgerinnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Lapp zu Wort gemeldet. – Frau Abgeordnete, ich gehe davon aus, dass Ihnen die Bestimmungen der Geschäftsordnung bekannt sind.

14.29

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Die Frau Abgeordnete Steidl hat hier etwas ... (Rufe bei der ÖVP: Steibl!) Steibl. (Abg. Dr. Trinkl: Erste Berichtigung!) Steibl! Machen wir jetzt einen logopädischen Unterricht? – Frau Abgeordnete Steibl hat hier eine unwahre Behauptung oder eine falsche Behauptung aufgestellt, nämlich dass die Kindergärten in Wien so teuer sind. (Abg. Steibl: Das stimmt nicht! So habe ich das nicht gesagt!)

Da muss ich sie berichtigen. Es ist so: Bis zu einem Einkommen von 1 000 € müssen die Menschen, die Wiener Familien überhaupt nichts zahlen für die Kindergärten. (Abg. Dr. Khol: Das hat nichts damit zu tun!)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! So, wie Sie es anlegen, handelt es sich um einen Debattenbeitrag. Wenn, dann müssen Sie die Behauptung oder die Feststellung der Frau Abgeordneten Steibl widerlegen. Darum bitte ich. (Abg. Sophie Bauer: Das hat sie gerade getan! – Abg. Leikam: Das hat sie ja gemacht!)

Ich lese Ihnen die dazugehörige Stelle in der Geschäftsordnung vor, sodass Sie sehen, was drinnen steht:

"Eine tatsächliche Berichtigung hat mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung zu beginnen und hat dieser Behauptung den berichtigten Sachverhalt gegenüberzustellen." – Und darum bitte ich. (Abg. Leikam: Das hat sie gerade getan!)

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (fortsetzend): Also nach der logopädischen Unterrichtsstunde (Abg. Dr. Trinkl: Nun die zweite Berichtigung!) eine Geschäftsordnungs-Unterrichtsstunde. (Abg. Dr. Khol: Sie brauchen noch viel Unterricht!) Aber nicht von Ihnen, Herr Professor, den hatte ich schon an der Uni. (Abg. Dr. Khol: Leider nicht genug!)

Frau Abgeordnete Steibl, meine Vorrednerin, hat gesagt, dass mit sehr vielen Ambulanzgebühren die Kindergärten noch viel teurer sind. (Abg. Steibl: Das habe ich nicht gesagt!) Das möchte ich berichtigen. (Abg. Dr. Trinkl: Eine Berichtigung ist anders!)

Es ist so, dass jene Menschen in Wien, die 1000 € verdienen, für die Kindergärten nichts zahlen müssen. Wien zeigt damit vor, wie moderne Politik, wie soziale Politik gemacht wird. (Beifall bei der SPÖ.)

14.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! Ich mache Sie nur darauf aufmerksam, dass auch der zweite Teil der Vorgabe für eine tatsächliche Berichtigung nicht entsprochen hat.


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(Abg. Gradwohl: Na, also bitte!) Es geht nicht darum, irgendwelche Bestimmungen und Ausnahmebedingungen zu formulieren, sondern es geht darum, einen Sachverhalt zu berichtigen. Ich bitte Sie, das das nächste Mal zu berücksichtigen.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

14.32

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln hier eigentlich zwei Anträge zum ASVG. Die Breite der Rede der Frau Kollegin Steibl hat mir bewiesen, wie stark das schlechte Gewissen ist. Außerdem, liebe Kollegin Steibl, ist die Sprache verräterisch. Es war sehr interessant, dass du gemeint hast, du glaubst, dass die ÖVP sich zum Sozialstaat bekennt. Also wenn du selbst daran zweifelst, dann haben wir als Opposition ein besonderes Recht, daran zu zweifeln. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Ich brauche keinen Nachhilfeunterricht!)

Meine Damen und Herren! Wir haben die ganze Thematik im Ausschuss ja relativ ausführlich behandelt. Sie legen mit der 59. ASVG-Novelle zwei Pensionsversicherungsträger überfallsartig zusammen (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP – Abg. Dr. Khol: "Überfallsartig"?), indem Sie 2,6 Millionen Versicherte sozusagen in einem Träger vereinen. Wir haben und hatten Sorge – und wir haben das damals hier auch deutlich gesagt und daher auch nicht zugestimmt –, dass bei diesen mangelhaften Vorbereitungen diese Zusammenführung nicht funktionieren kann. Es geht hier immerhin darum, dass die Auszahlung von Pensionen für 1,6 Millionen Pensionistinnen und Pensionisten gesichert ist. Wir reden hier von etwas, was 1,6 Millionen Menschen unmittelbar und 2,6 Millionen mittelbar betrifft, und ich denke, das ist ein Thema, das man nicht so einfach auf die leichte Schulter nehmen kann, das man nicht mit "Speed kills" abtun kann.

Der Antrag, den Sie heute wieder zur Behandlung anstehen haben, zeigt, dass wir Recht gehabt haben. Es war wieder eine Husch-Pfusch-Gesetzgebung. Sie wussten ganz genau – oder hätten es wissen müssen, wenn Sie sorgfältig geprüft hätten –, dass das, was Sie mit der 59. ASVG-Novelle beschließen, so nicht hält. Und auch wenn es keine Veränderung im Funktionärinnen- und Funktionärsbereich ist, Herr Kollege Feurstein, es ist eine Lex Wetscherek. Ich sage es hier so deutlich, wie es ist. Sie bestellen den leitenden Angestellten um einen Monat früher, als die eigentliche Zusammenführung und die Neugestaltung der Selbstverwaltung, wie sie in der 59. ASVG-Novelle vorgesehen ist, vorgenommen wird.

Meine Damen und Herren! Ich denke, das soll man schon auf den Punkt bringen. Natürlich sind das parteipolitische Überlegungen. Ihr Koalitionspartner spielt mit. Angeblich hat es da lange Verhandlungen gegeben, weil es ja auch seitens der Freiheitlichen Personen gibt, die in der Selbstverwaltung sind und die offensichtlich auch ihre parteipolitischen Überlegungen dort hineinbringen. Aber offenbar ist die Koalition da nicht auf einen Nenner gekommen, daher bleiben uns vielleicht heute doch die von Ihnen angekündigten Abänderungsanträge in zweiter Lesung erspart.

Ich begrüße das, weil ich mir denke, so kann es ja nicht sein. Aber Sie haben es uns auch in anderen Bereichen bewiesen – etwa bei der ÖIAG, nur um ein Beispiel zu nennen, oder beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger –, wie schnell Sie zu diesen Umfärbelungsaktionen bereit sind, wenn es darum geht, Machtpositionen für Blau-Schwarz zu bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die heutigen Ausführungen des Kollegen Donabauer waren überhaupt besonders aufschlussreich. Ich meine, es obliegt ihm, wie er mit politischen Konkurrenten umgeht und wie ernst er sie und ihre Anliegen nimmt. Er hat heute bewiesen, dass er das durchaus nicht ernst nimmt. Herr Kollege Donabauer selbst weiß ganz genau, dass in der Sozialversicherung der Bauern eine Beitragsoption geschaffen worden ist. Die Beitragsoption kann ja nur den Sinn haben, eine Vorbereitung der Zusammenlegung der Träger zu treffen, denn sonst brauche ich diese Optionsmöglichkeit nicht zu schaffen. Das verschweigt Kollege Donabauer.


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Kollege Donabauer und Sie, meine Damen und Herren, führen alle eine Verwaltungseinsparung an, die zu Gunsten der Versicherten erfolgen soll. Aber dann wundert es mich schon, dass man dort, bei der Sozialversicherung der Bauern und der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft, auf einmal keine Verwaltungseinsparungen sieht, denn in Wirklichkeit ist die Beitragsgrundlage nicht das Problem, wenn ich die Optionsmöglichkeit gesetzlich geschaffen habe.

Was mich sehr verwundert hat, Herr Bundesminister, ist Folgendes: Sie haben noch dazu befürchtet, dass die Leute dann noch weniger Pension bekommen als vorher. Also wenn das die Befürchtungen sind, dann frage ich mich: Warum wagen Sie sich an die Zusammenlegung der großen Träger – denn dann muss man dort auch diese Befürchtungen hegen, dass das wieder zu Lasten der Pensionistinnen und Pensionisten geht? (Beifall bei der SPÖ.)

Noch etwas, was ich nicht so im Raum stehen lassen will: Ein "Tohuwabohu", wie Sie wortwörtlich gesagt haben, kann nur dann entstehen, wenn ein Gesetz so schlecht ist, dass es so viele Interpretationsmöglichkeiten zulässt, wie es bei den Ambulanzgebühren der Fall ist. Und das haben Sie zu verantworten, Sie von der Regierung und Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP und der FPÖ, die dieses Gesetz beschlossen haben.

Dass es ein schlechtes Gesetz ist, wissen Sie. Sie haben das Gesetz zweimal beschließen müssen. Beim ersten Mal haben Sie nicht einmal die Kinder ausgenommen gehabt mit Ihrer sozialen Ader, die Sie angeblich alle haben. Beim zweiten Mal ist das Gesetz um keinen Deut besser geworden, weil es eben diese Interpretationsmöglichkeiten zulässt. Das ist der Vorwurf, den man Ihnen machen muss. Sie brauchen die Schuld nicht auf irgendwen abzuwälzen. Sie haben die Verantwortung zu tragen für dieses Gesetz, das so eine schlechte Qualität hat, wie es eben bei den Ambulanzgebühren der Fall ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir stimmen Ihrem Antrag nicht zu. Er beweist einmal mehr, dass Sie eine Husch-Pfusch-Gesetzgebung machen, eine Gesetzgebung, der die Intention einer Umfärbelung zugrunde liegt – nicht jetzt, sondern schon in der 59. ASVG-Novelle –, und Sie machen jetzt ein Gesetz, mit dem Sie sich den leitenden Angestellten einen Monat früher sichern wollen. Das ist mit überhaupt nichts begründbar. Ich bin gespannt, womit Kollege Feurstein dann da herauskommt und das begründen will. Sie machen hier – ich sage es Ihnen noch einmal – eine ausgesprochene Lex Wetscherek, und das finden wir nicht in Ordnung.

Das ist eine Partei- und Personalpolitik – und Sie, Herr Bundesminister, sollten sich schon überlegen, ob Sie sich dafür wirklich hergeben –, die dieses Hohen Hauses nicht würdig ist und die überhaupt nichts mehr mit Sozialpolitik, nicht einmal mehr im weitesten Sinn, zu tun hat. Sie sollten sich sehr überlegen, wie Sie mit der Gesetzgebung, wie Sie mit diesem Haus und wie Sie mit den versicherten Menschen in Österreich umgehen. Die versicherten Menschen, die Sozialversicherungseinrichtung und die Sozialversicherungsträger sind nicht Spielwiese für Ihre Machtgelüste! (Beifall bei der SPÖ.)

14.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Egghart zu Wort gemeldet.

Bevor ich Ihnen das Wort erteile, Herr Abgeordneter, erlaube ich mir, noch einmal die diesbezüglichen Bestimmungen der Geschäftsordnung bekannt zu geben:

"Eine tatsächliche Berichtigung hat mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung zu beginnen und hat dieser Behauptung den berichtigten Sachverhalt gegenüberzustellen."

Bitte, Herr Abgeordneter.

14.39

Abgeordneter Robert Egghart (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Abgeordnete Lapp hat behauptet, wie toll in Wien die Kinderbetreuungseinrichtungen sind.


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Wahr ist in Wirklichkeit, dass im Wiener Budget eine Kürzung der Kinderbetreuungsmittel in der Größenordnung von 55 Millionen Schilling oder 4 Millionen € stattgefunden hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Ich mache Sie darauf aufmerksam: Das ist nicht Inhalt einer tatsächlichen Berichtigung. (Abg. Mag. Schweitzer: Aber wahr ist es!)

Ich ersuche die Klubobleute – unabhängig von allen Fraktionen –, darauf einzuwirken, dass allen Abgeordneten die diesbezüglichen Bestimmungen und die daraus zu ziehenden Konsequenzen bekannt sind.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte.

14.40

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte bei den Ausführungen meiner Kollegin Ridi Steibl anschließen: Es ist meines Erachtens wirklich teilweise ein atemberaubendes Tempo, mit dem diese neue Bundesregierung Reformen durchzieht, Reformen, die sich über Jahrzehnte aufgestaut haben und die jetzt wirklich schnell und zügig über die Bühne gehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das bestätigen uns Österreicherinnen und Österreicher gleichwohl wie auch teilweise – man höre und staune! – sogar relativ unabhängige Journalisten in den Medien. Darunter sind natürlich auch viele Maßnahmen, die von der FPÖ, solange sie in Opposition war, versprochen wurden, aber es muss jedem vernünftigen Menschen eigentlich klar sein, dass eine Zusammenführung von 28 Sozialversicherungsanstalten nur Schritt für Schritt vonstatten gehen kann und durchzuführen ist. Ein erster Schritt war die 59. ASVG-Novelle mit der Zusammenführung von PVAng und PVArb. Sie von der Sozialdemokratie, die Sie das jetzt so kritisieren, haben ja selbst immer wieder Versuche gestartet, haben es aber nicht zuwege gebracht.

Mit einem hat diese Regierung natürlich nicht in diesem Ausmaß gerechnet, und zwar mit dem hinhaltenden und ausgeübten Widerstand in den Sozialversicherungsträgern, der es notwendig gemacht hat, heute mit dem Antrag 649/A eine Straffung der Administration durchzuführen, dem Überleitungsausschuss eine Primärkompetenz zuzugestehen. Das ist das Mittel, um die zeitliche Vorgabe trotz des hinhaltenden und ausgeübten Widerstandes in den Sozialversicherungsanstalten auch einhalten zu können. Deshalb ist dieser Antrag ein Gebot der Stunde.

Wenn nun die Sozialdemokratie mit dem Antrag 558/A der Frau Kollegin Silhavy Bauern- und Gewerbe-Pensionsversicherungsanstalt zusammenführen will, dann müssten eigentlich gerade Sie von der Sozialdemokratie wissen, dass das nicht so einfach geht. Sie widersprechen sich nämlich selbst. Das ist ein schlechter Antrag, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie. Herr Bundesminister Haupt hat Ihnen und auch dem ganzen Plenum das heute sehr, sehr ausführlich, fachlich und sachlich dargelegt. Die Argumentation, die da von Ihnen in diesem Antrag geführt wird, die ist einfach nichts wert.

Ich möchte aber noch meinen persönlichen Beitrag zur aktuellen Debatte bringen, die ja auch heute noch im Raum steht, und zwar zu der wirklich unheilvollen Äußerung, die der ehemalige Finanzminister und heutige Nationalratsabgeordnete Edlinger gestern getätigt hat.

Sowohl von den SPÖ-Medien als auch vom Kollegen Kogler von den Grünen wird ja nun schon fast versucht, den Kollegen Edlinger, der jetzt krampfhaft seine Zeitung liest und nicht aufblickt, als Opfer darzustellen, als Opfer einer Provokation von Frau Helene Partik-Pablé. Und ich sage Ihnen: Das ist ein schlechter Versuch. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es lässt sich nämlich einwandfrei nachvollziehen, dass nicht Provokation, sondern Tradition bei der SPÖ der Grund war. Es ist Tradition. Das beweist ein Auszug aus dem Stenographischen Protokoll des Jahres 1989, aus dem hervorgeht, dass der damalige Bundesminister für Wis


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senschaft und Abgeordnete Dr. Heinz Fischer denselben Zwischenruf getätigt hat (Abg. Mag. Schweitzer: Ah, da schau her! – Abg. Kiss: Unser Herr Präsident?), und zwar bei einer Rede des Abgeordneten Dr. Dillersberger aus Tirol, auch der FPÖ angehörig natürlich, damaliger Dritter Präsident, wobei es nicht um Provokation gegangen ist, sondern ganz schlicht und einfach um Parteienfinanzierung. Dr. Dillersberger hat als Schlusssatz gesagt:

"Ich glaube, man soll sich nicht hier herausstellen und nach besseren Arbeitsbedingungen" – gemeint sind die Abgeordneten – "rufen, die natürlich Geld kosten, wenn man vorher das Geld in die Parteikassen geschaufelt hat." Klammer: "(Abg. Dr. Fischer: Sieg heil!)"

Also: Es ist Tradition in der SPÖ, mit solchen Zwischenrufen hier im Hohen Haus zu arbeiten. Und das ist wohl wirklich abzulehnen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.  – Abg. Mag. Schweitzer: Sehr richtig! Vollkommen richtig!)

14.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. – Bitte. (Abg. Dr. Ofner: Berichtigung! Das war in einem anderen Jahr und zu einem anderen Datum! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

14.45

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Ich möchte wieder auf die Sozialpolitik zurückkommen (Abg. Mag. Schweitzer: Du beschäftigst dich ja auch immer wieder mit solchen Sachen!) und vor allem auch auf den Beitrag des Herrn Bundesministers Haupt, in dem es um die ärztliche Versorgung gegangen ist. Ich möchte noch einmal festhalten, dass immer wieder der nicht haltbare Vorwurf zu hören ist, die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse hätte nur deshalb ein besseres Finanzergebnis als andere Träger, weil ihre Leistungen für die Versicherten und Patienten geringer wären. Wie durch mehrere Leistungsvergleiche belegbar ist, ist gerade das Gegenteil der Fall: Die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse hat ein gutes Finanzergebnis bei einem besseren Leistungsangebot für die Versicherten.

Ein gern strapazierter Vergleich betrifft die ärztliche Versorgung, und ich möchte Ihnen nur ganz wenige Zahlen aus dem Jahr 2000 nennen, wonach die Ausgaben für ärztliche Hilfe je Versicherten in Oberösterreich 4 699 S und im Österreich-Durchschnitt 5 610 S ausmachen. Bei der Inanspruchnahmerate niedergelassener Ärzte beträgt in Oberösterreich die Zahl 397,3 Prozent, bei der Wiener Gebietskrankenkasse 396,11 Prozent. Fälle pro Arzt: 4 575 in Oberösterreich und 4 285 im Österreich-Durchschnitt.

Wie diese Zahlen zeigen – es gäbe noch mehr Vergleiche, ich möchte Sie aber nicht langweilen damit –, ist es zwar richtig, dass die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse pro Versicherten weniger für ärztliche Hilfe ausgibt, der Grund dafür ist aber nicht, dass den Versicherten die notwendigen Leistungen vorenthalten würden, sondern vielmehr, dass die Honorar- und Stellenpolitik mit der Ärztekammer für Oberösterreich erfolgreich war. Im Ergebnis bedeutet das, dass in Oberösterreich zwar insgesamt weniger Vertragsärzte tätig sind, diese aber offenbar mehr arbeiten, sodass die Versicherten die gleiche Versorgung bekommen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das heißt, Sie unterstellen den anderen Ärzten, dass sie weniger arbeiten!)

Und eines möchte ich Ihnen schon noch sagen, meine Damen und Herren: Wer gesundheitspolitische Planung auf einfache Divisionen – nämlich Einwohner dividiert durch Arztstellen – aufbaut, beweist zwar, dass er die Grundrechnungsarten beherrscht, eine besondere Planungsqualität und Patientenorientierung lässt sich aber daraus nicht ableiten. Entscheidend sollte doch sein, ob die Patientinnen und Patienten einen vernünftigen Zugang zu den medizinischen Leistungen haben. Und unsere Sozialpolitik wird sich auch in Zukunft daran orientieren. (Beifall bei der SPÖ.)

14.48

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

14.48

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung ist angetreten mit dem


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Slogan: Wir wollen keine neuen Schulden mehr machen, um Bewegungsspielraum für die Aufgaben von morgen zu schaffen. – Wir unterstützen diesen Weg der Bundesregierung, weil das auch die Voraussetzung dafür ist, das soziale Netz in Österreich abzusichern, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir tun dies, obwohl wir die Grenzen der Belastbarkeit sehen, und deshalb hat sich die ÖVP mit Wolfgang Schüssel zum Ziel gesetzt, die Abgabenquote in den nächsten zehn Jahren auf 40 Prozent zu reduzieren. (Abg. Silhavy: Zu wessen Lasten?)  – Zu wessen Lasten? Das möchte ich Ihnen jetzt sagen, wenn Sie die Geduld aufbringen, mich anzuhören. Ich danke Ihnen schön, Frau Kollegin. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Diese Senkung der Abgabenquote ist aber nur dann möglich, wenn alle öffentlichen Stellen ihre Aufgaben effizient und sparsam erbringen, und dies gilt insbesondere auch für alle Träger der Sozialversicherung. Aus diesem Grunde, damit diese Einsparungseffekte erzielt werden können, haben wir in der 59. Novelle die Zusammenlegung der beiden größten Pensionsversicherungsträger, der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und jener der Angestellten, beschlossen. Um diese Einsparungseffekte gezielt anvisieren zu können, machen wir jetzt diese Novelle, die heute zur Diskussion steht. Damit soll gewährleistet sein, dass die entsprechenden Strukturen möglichst früh geschaffen werden können, sodass sie am 1. Jänner des neuen Jahres auch voll arbeiten können. Das ist der Grund, warum wir das heute hier machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Silhavy, ich darf Sie daran erinnern, dass sich schon Herr Minister Dallinger diese Zusammenlegung zum Ziel gesetzt hat. (Abg. Dr. Khol: Gott habe ihn selig!) Das war etwa 1984. Herr Minister Hums, Herr Minister Hesoun, Frau Minister Hostasch, sie alle haben dieses Ziel verfolgt. Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, ärgern sich nur deshalb, weil es diese Bundesregierung ist, die dieses Ziel umzusetzen nunmehr in der Lage ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist der Beweis, Frau Kollegin Silhavy, für die Leistungsfähigkeit dieser Bundesregierung in Sozialangelegenheiten.

Herr Kollege Tancsits und Frau Kollegin Ridi Steibl haben Ihnen bereits vor Augen geführt, welche Leistungen diese Bundesregierung im Sozialbereich umgesetzt hat. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Wir werden diesen Weg fortsetzen mit der "Abfertigung neu", der Familienhospizkarenz, der Senkung der Lohnnebenkosten und der Vorsorge auch für die Jugendbeschäftigung, meine sehr geehrten Damen und Herren, ob Sie mitgehen oder nicht. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie sind heute dagegen, zwei Sozialversicherungsträger zusammenzuführen, die zusammengehören, weil sie praktisch für die gleiche Klientel zur Verfügung stehen und verantwortlich sind. Da sind Sie dagegen, aber wenn es um zwei Sozialversicherungsträger geht, die grundsätzlich andere Mitglieder vertreten, dann sind Sie dafür. – Sie, Frau Kollegin Silhavy, und der gesamte SPÖ-Klub sind ja unglaubwürdig. Das darf ich Ihnen heute hier sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Silhavy: Sie auch!)

Sie sind auch nicht konsequent, denn Sie wollen mit Ihrem Antrag nur die Pensionsversicherung für Bauern und Gewerbetreibende zusammenführen. – Okay, wir fassen die Pensionsversicherungen zusammen, und die Krankenversicherungen lassen wir bei den einzelnen Trägern, so quasi: aus zwei mach drei! – Also der Einsparungseffekt dabei bleibt mir verborgen, Frau Kollegin Silhavy. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Es geht darum, Versicherungs- und Verwaltungsläufe zu beschleunigen und Kosten zu sparen, und das tun beide Sozialversicherungsträger. Ich darf Sie daran erinnern, dass gerade die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft die niedrigsten Verwaltungskosten hat und dass sie diese Verwaltungskosten bis zum Jahr 2003 um weitere 10 Prozent senken wird – und das ohne Ihre Aufforderung!


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Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern und die Sozialversicherungsanstalt der Gewerbetreibenden in einer gemeinsamen GesmbH – das Back-Office gemeinsam organisieren, dort werden weitere Einsparungen in Millionenhöhe zu erzielen sein –, das ist der Weg, den wir gehen, und das ist der Weg, den unsere Funktionäre in diesen Anstalten gehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Edler. )

Es wäre hier vieles zu sagen, auch zur grandiosen Statistik, die Frau Kollegin Bauer hier angesprochen hat. Immer wieder wird der Bundesbeitrag für die beiden Sozialversicherungsanstalten ins Treffen geführt. Ich bitte Sie, zu sehen, dass jeder Selbständige vorher 15 Jahre unselbständig ist. Wenn es uns gelingt, das Problem der Wanderversicherung, wo immerhin ein Volumen von 650 Millionen Schilling oder mehr im Raum steht, zu lösen, das gerecht zuzurechnen, Frau Kollegin Bauer, dann schaut Ihre Rechnung anders aus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wollen ein erfolgreiches Sozialversicherungssystem in Frage stellen, indem Sie die Solidarität, die diesem System zugrunde liegt, die Solidarität zwischen den Menschen und den Generationen, in Frage stellen. Wir wollen das nicht. Wir wollen den Menschen Sicherheit geben – den alten Menschen, dass sie ihren Lebensabend in Ruhe und beruhigt genießen können, aber auch den Jungen, dass auch sie aus dem System etwas erwarten können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

14.54

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben heute wieder versucht, Ihre Ambulanzgebühr hochzuloben, und gesagt, dass sie so super ist und enorme Lenkungseffekte gebracht hat. Herr Minister! Ich weiß, dass es für Sie nicht angenehm ist, zu sagen, dass Ihr Gesetz ein Pfusch ist, das würde Sie wahrscheinlich in politische Schwierigkeiten bringen, aber im Grunde genommen wissen auch Sie, wie es wirklich ausschaut.

Ich habe an Sie, Herr Minister, vor einigen Monaten einige parlamentarische Anfragen gerichtet, in denen ich anhand konkreter Fälle von Ihnen wissen wollte, wie für diese Fälle die Ambulanzgebühr geregelt ist, ob sie zu bezahlen ist oder nicht. Sie, Herr Minister, haben mir geantwortet, dass Sie auf konstruierte Fälle nicht antworten können.

Das zeigt ganz deutlich, dass Sie sich mit der Problematik der Ambulanzgebühren nicht auseinander gesetzt haben, denn die Fälle, die ich in der Anfrage beschrieben habe, waren nicht konstruiert, sondern die Ergebnisse von unzähligen Einzelgesprächen und von Sprechstunden, in denen genau diese Situationen an mich herangetragen wurden, in denen ich gefragt wurde, welche Lösung es da gibt. Für Sie aber sind das konstruierte Fälle.

Herr Minister! Ich würde Ihnen empfehlen, sich wirklich einmal mit all jenen auseinander zu setzen, die durch diese Ambulanzgebühr belastet sind, dann werden Sie merken, dass das keine konstruierten Fälle sind, sondern die Realität ist, die Sie, Herr Minister, im Gesetz nicht entsprechend berücksichtigen. Wenn Sie in Ihrem eigenen Gesetz dafür keine Lösung haben, wer soll sie dann haben?

Herr Minister! Wir haben vor längerer Zeit auch schon einmal darüber diskutiert, dass es gehörlosen oder schwerstbehinderten Menschen oder alten Menschen in der Regel nicht möglich ist, einen Facharzt aufzusuchen, weil die Arztpraxen so gestaltet sind, dass sie dort nicht hingelangen können. Einem Rollstuhlfahrer, einem älteren Menschen, der gehbehindert ist, ist es eben nicht möglich, zu einem Facharzt im ersten oder zweiten Stock zu gelangen, er muss dann, ob er möchte oder nicht, in die Spitalsambulanz ausweichen – und dafür müssen diese Menschen jetzt zahlen.

Herr Minister! Vor einigen Jahren waren wir stolz darauf, dass es in Österreich bereits einige Gehörlosen-Ambulanzen gibt, in denen eben gehörlose Menschen behandelt werden können,


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weil man dort ihre Sprache versteht. Und was ist jetzt? – Auch Menschen, die Spezialambulanzen wie die Gehörlosen-Ambulanzen besuchen müssen, zahlen die Ambulanzgebühr.

Wenn Frau Steibl sagt, man könne sich um 145 € im Jahr erstklassige Medizin kaufen und das müsse sie doch jedem wert sein, dann vergisst sie, dass es nicht nur um diese 145 €, also die Ambulanzgebühr geht, sondern dass sehr viele Maßnahmen im Gesundheitsbereich eingeschränkt wurden, dass Selbstbehalte erhöht wurden, wie die Rezeptgebühr und die Selbstbehalte bei Hilfsmitteln und Heilbehelfen. Die Summe all dieser Belastungen stellt für den Einzelnen das Problem dar, Herr Minister, und diesem Problem müssen Sie sich stellen. Sie können nicht nur einen Teil herausgreifen und sagen, dass das nicht viel ist, sondern Sie müssen auch das berücksichtigen, was sonst noch dazukommt, aber darüber reden Sie nicht, darüber denken Sie nicht nach.

Herr Minister! Ich bin mir im Grunde sicher, dass Sie mindestens so gut wie ich und wir Grünen wissen, dass die Ambulanzgebühr ein Gesetz ist, das nicht haltbar ist und das nichts bringt. Ich verstehe aber Ihre Situation, ich verstehe, dass Sie als zuständiger Minister hinter dieser Ambulanzgebühr stehen müssen, obwohl Sie es im Grunde genommen nicht tun.

Herr Minister! Zur Politik gehört auch, es sich einzugestehen, wenn man Fehler gemacht hat, und diese zu korrigieren – und damit auch die Ambulanzgebühr abzuschaffen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Staffaneller. – Herr Abgeordneter, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass nur noch 2 Minuten Zeit sind bis zur Unterbrechung dieses Punktes, und bitte Sie, dann zu sagen, ob Sie Ihre Rede unterbrechen oder beenden wollen.

14.59

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu den Ausführungen von Herrn Dietachmayr muss ich sagen, dass die Darstellungen nicht ganz stimmen. In Österreich gibt es eine Differenz zwischen dem Ist- und dem Soll-Stand bei den Ärzten: bei den Allgemeinmedizinern von minus 142. Ich nenne hier das Land Oberösterreich: minus 41 Mediziner der inneren Medizin und minus 57 Allgemeinmediziner. Bei den Ärzten der Psychiatrie ist ein Minus von 96 in Österreich zu verzeichnen, allein in Oberösterreich ein Minus von 25. Kinderärzte: minus 17. – Das sind Zahlen, die Sie ja auch zu verantworten haben!

Sehr geehrte Damen und Herren! Die 59. ASVG-Novelle hat ein besonderes Hauptziel: die Zusammenführung der beiden größten österreichischen Pensionsversicherungsanstalten. Um dieses Ziel zügig und sicher zu erreichen, soll der Überleitungsausschuss in seiner neuen Zusammensetzung mit 1. Juli 2002 tätig werden. Es soll dabei eines nicht passieren: Bei der Zusammenführung dürfen solche Geschäfte, wie sie zum Beispiel die Gebietskrankenkasse in der Steiermark getätigt hat, nicht gemacht werden. Ein EDV-Programm, das ursprünglich 32 Millionen Schilling kosten sollte, steht noch lange nicht vor der Fertigstellung – es sollte im Jahr 2002 fertig werden –, und man ist schon bei einer Summe von 222 Millionen Schilling angelangt. (Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Ich glaube, dass die verantwortlichen Kassendirektoren und Obmänner meinen, dass sie da Zeit gewinnen und das dann statt 32 Millionen Schilling einfach 32 Millionen € kosten wird – und das bemerkt ja ohnehin niemand.

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter, die 2 Minuten sind abgelaufen. Ich bitte Sie daher, entweder einen kurzen Schlusssatz zu sprechen oder Ihre Rede zu unterbrechen.

Abgeordneter Norbert Staffaneller (fortsetzend): Sie denken, dass das ohnehin niemand bemerkt. Die Versicherten werden es aber bemerken, die viel strapazierte soziale Kälte liegt bei


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einer solchen "Wirtschaft" bei Ihnen, liebe Oppositionspartei SPÖ. Hier wird sich einiges ändern, dafür werden wir sorgen! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über diesen Tagesordnungspunkt.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die geplante Beseitigung der Autonomie der österreichischen Universitäten (3760/J)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 3760/J.

Die Anfrage ist in der Zwischenzeit allen Abgeordneten zugegangen, eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt sich daher.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Beseitigung des Selbstverwaltungscharakters der Universität statt Autonomie"

"Bestellung von Mitgliedern des Universitätsrats ohne universitäre Legitimation"

"Keine Mitentscheidung des Senats über Entwicklung und innere Organisation der Universität"

"Festlegung von Größe und Zusammensetzung des Senats durch den mehrheitlich politisch besetzten Universitätsrat"

"Jederzeitige Abberufung des Rektors allein durch den mehrheitlich politisch besetzten Universitätsrat"

"Leistungsdiktat statt Leistungsvereinbarung"

"Unklare Ausgestaltung des Globalbudgets und Fehlen eines spezifizierten Indikatormodells"

"Unfaire Verhandlungspositionen"

"Ausgliederung als Sparprogramm zur budgetären Gängelung der Universitäten?"

"Kein für selbstständige unternehmerische Universitäten betriebsnotwendiges Vermögen"

"Keine adäquate Berücksichtigung der Ausgliederungsfolgekosten"

"Fremdbestimmung statt universitärer Selbstbestimmung"

"Verbot von Berufungskommissionen, stattdessen Fremdbestimmung durch Externe"

"Zwingender Ausschluss einer großen Gruppe habilitierter Universitätsangehöriger (ao. Universitätsprofessoren) von universitären Leitungsbefugnissen"

"Keine gesetzliche Absicherung von Wissenschafts- und Kunstfreiheit, wie es verfassungsrechtlich geboten wäre"

"Verbot entscheidungsbefugter Kollegialorgane unterhalb der Leitungsebene"

"Medizinausgliederung: neue Universitäten mit zusätzlichem Aufwand"

"Behinderung interdisziplinärer Lehre und Forschung trotz erhöhter Kosten"


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Diese vernichtende Einschätzung des ministeriellen Begutachtungsentwurfs für ein "Universitätsgesetz 2002" stammt von keiner Oppositionspartei, sondern wurde mit Zwei-Drittel-Mehrheit von der Österreichischen Rektorenkonferenz und den Vorsitzenden der obersten Kollegialorgane am 8. April 2002 beschlossen.

Nicht nur die Rektorenkonferenz lehnt den Gesetzesentwurf vehement ab. In einer Resolution der Bundeskonferenz des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals (BUKO), der Österreichischen Hochschülerschaft, des Universitätslehrerverbands, des Verbands der UniversitätsdirektorInnen, der Bundessektion Hochschullehrer (GÖD), des Zentralausschusses für die Universitätslehrer und des Zentralausschusses für die Bediensteten mit Ausnahme der Universitätslehrer vom 12. April 2002 heißt es:

"Die unten angeführten universitären Gruppen lehnen den vom BMBWK vorgelegten Gesetzesvorschlag zum Universitätsgesetz 2002 zur Gänze ab und fordern seine Rücknahme sowie die Neuverhandlung zwischen BMBWK und VertreterInnen aller universitärer Gruppen in einem gleichberechtigten Diskussionsprozess. Als vorrangige Gründe für die Ablehnung führen wir Folgendes an:

Den oft zitierten "offenen Diskussionsprozess" hat es nie gegeben. Sämtliche guten und konstruktiven Einwände der universitären Gruppen zum Gestaltungsvorschlag fanden keine Aufnahme im Gesetzesvorschlag.

Der Gesetzesvorschlag sieht die politische Abhängigkeit der Universitäten und nicht deren Autonomie vor. Durch die Möglichkeit der mehrheitlich (partei-)politischen Besetzung des Universitätsrates werden die Universitäten politisch willfährig gemacht.

Die Mitbestimmung der universitären Gruppen wird zur Gänze abgeschafft. Der so genannte Mittelbau wird der freien Forschung und Lehre beraubt, die Studierenden zu Kunden degradiert und ArbeitnehmerInnenrechte und soziale Sicherheit abgebaut.

Aus diesen Gründen sehen sich die angeführten Gruppen dazu veranlasst, keinen weiteren Gesprächen über den vorgelegten Gesetzesentwurf mehr beizuwohnen und fordern nachdrücklich seine Rücknahme."

Auch die Österreichische Hochschülerschaft als Vertretung der österreichischen Studierenden lehnt den Gesetzesentwurf komplett ab.

Aus den Unis sollen "neoliberale Ausbildungsstätten unter dem Vorwand der internationalen Anpassung gemacht werden": "Dass demokratische Strukturen dieser Regierung ein Dorn im Auge sind, hat sie schon oft genug unter Beweis gestellt. Nun ist die ÖH das Ziel dieser Angriffe. Konnten die Studierenden bis jetzt das Geschehen an der Universität mitbestimmen, ihren Lebensbereich sozusagen mitgestalten, werden ihnen nun diese Rechte entzogen. Einzig im Universitätssenat, einem vergleichbar unwichtigem Gremium, wird StudentIn noch zu 25 % vertreten sein – gegen eine Mehrheit von ProfessorInnen, die dann gewissermaßen alleine über alle studienrelevanten Bereiche entscheiden können. Selbst die Studienpläne werden nur noch auf Vorschlag der ProfessorInnen beschlossen."

Die gegenwärtige Bundesregierung hat es verstanden, durch eine provokante und vertrauensschädigende Politik gegenüber den Universitäten und deren Angehörigen deren grundsätzlich vorhandene Reformbereitschaft breitflächig zu zerstören. Der in Begutachtung stehende Gesetzesentwurf ignoriert bewusst die in den letzten Monaten vorgebrachten Bedenken und Vorschläge und will die Organisationsstruktur von gewinnorientierten Unternehmen an die Stelle der universitären Selbstverwaltung setzen.

Durch den Gesetzesentwurf der Bildungsministerin würde der Einfluss des Ministeriums im Vergleich zur jetzigen Rechtslage deutlich gestärkt, der parteipolitischen Einflussnahme wäre Tür und Tor geöffnet und die Mitsprache der meisten Universitätsangehörigen würde abgeschafft. Dadurch würden die Strukturen der universitären Selbstverwaltung grundlegend zerstört und die


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österreichischen Universitäten nachhaltig geschädigt. Die Universitäten kämen in enge politische und wirtschaftliche Abhängigkeiten.

Dieser Gesetzesentwurf wird nicht nur von der Österreichischen Rektorenkonferenz vehement zurückgewiesen, sondern stößt auf die sachlich begründete Kritik aller Universitätsangehöriger. In zahlreichen Resolutionen und Stellungnahmen haben sich Professoren, Vertreter des Mittelbaus, Vertreter der Studierenden und Vertreter der Gewerkschaft gegen den Plan der Bildungsministerin ausgesprochen, die universitäre Mitbestimmung drastisch zu reduzieren und ein blau-schwarz besetztes Leitungsgremium (Universitätsrat) in jeder Universität zu installieren, das alle strategischen Entscheidungen treffen könnte. Als Reaktion auf dieses Vorgehen der Bildungsministerin wurde bereits die Abhaltung eines ersten Warnstreiks an den österreichischen Universitäten beschlossen.

Zur inhaltlichen Kritik an den geplanten autoritären Entscheidungsstrukturen kommt, dass einen Tag vor Ende der Begutachtungsfrist noch immer keine Folgekostenabschätzung des Entwurfs vorliegt, obwohl das Bundeshaushaltsgesetz eine solche Kostenschätzung zwingend erforderlich macht.

Experten schätzen, dass durch die geplante Universitätsreform 20 % mehr als bisher für die Verwaltung, für das Zukaufen ausgelagerter Dienstleistungen oder für Sonderverträge von ProfessorInnen aufzuwenden sein wird. Bei stagnierenden Budgets ist damit die umfassende Ausbildung der Studierenden in Zukunft nicht mehr sichergestellt. Es kann erwartet werden, dass im Zuge der geplanten Universitätsreform die Leistungsangebote gekürzt und Zugangsbeschränkungen (beispielsweise durch Studienplatz-Kontingentierungen) weiter verstärkt werden. Dies – wie die Einführung der Studiengebühren, die zu einer drastischen Reduzierung der Studierendenzahlen geführt hat – wird von der SPÖ grundsätzlich abgelehnt.

Reformen der österreichischen Universitäten sind trotz eines positiven Gesamtbefundes notwendig. Solche Reformen müssen aber die wertvollen Elemente – wie den Interessensausgleich in demokratischen Strukturen, die Offenheit für Studierende mit verschiedensten Biografien und Voraussetzungen, die Kooperation mit der Wirtschaft, das Miteinander von Politik, Ministerialverwaltung und Universitäten – erhalten und gleichzeitig auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten.

Die SPÖ tritt daher für eine Universitätsreform ein, die eine echte Autonomie bei Weiterentwicklung der bestehenden Partizipationsmöglichkeiten und schlankeren Entscheidungsstrukturen verwirklicht.

Darüber hinaus muss eine solche Reform die überwiegende Zustimmung der Betroffenen finden und darf nicht unter extremen Zeitdruck erfolgen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur folgende

Anfrage:

1. Sind Sie bereit, den Universitätsrat zu einem echten Aufsichtsgremium (Aufsichtsrat ohne operative Kompetenzen) umzugestalten und auf den dominierenden Einfluss der Bundesregierung in diesem Gremium zu verzichten?

2. Aus welchen Gründen sollen entgegen den ursprünglichen Vorschlägen zwei Mitglieder des Universitätsrats von der Bundesregierung und nicht von der Bildungsministerin entsendet werden?

3. Aus welchen Gründen planen Sie die Beseitigung des Selbstverwaltungscharakters der Universität durch den mehrheitlich politisch besetzten Universitätsrat?


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4. Aus welchen Gründen soll ein mehrheitlich politisch besetzter Universitätsrat Größe und Zusammensetzung des Senats festlegen können?

5. Aus welchen Gründen soll ein mehrheitlich politisch besetzter Universitätsrat jederzeit den Rektor abberufen dürfen?

6. Aus welchen Gründen wollen Sie die Mitspracherechte des universitären "Mittelbaus" im Senat reduzieren?

7. Wieso wollen Sie dem Senat die Mitentscheidungsmöglichkeit über die Entwicklung und innere Organisation der Universität entziehen?

8. Warum wollen Sie den Universitäten keine Autonomie bei der Einrichtung von entscheidungsbefugten Organen und der Festlegung ihrer Kompetenzen unterhalb der Senatsebene zugestehen?

9. Warum wollen Sie Berufungskommissionen verbieten und stattdessen eine Fremdbestimmung des Berufungsverfahrens durch Externe vorsehen?

10. Warum sind habilitierte ao. Professoren für Führungsaufgaben nicht mehr geeignet?

11. Warum treten Sie für die Pragmatisierung von Lehrern, aber gegen die Pragmatisierung von Universitätslehrern ein?

12. Warum nennen Sie es Autonomie, wenn medizinische Fakultäten in Übereinstimmung mit ihren Universitäten für einen Verbleib in einer "Universitas", das heißt einer Universität, eintreten, Ihr Entwurf dies aber nicht mehr zulässt?

13. Warum nennen Sie es Autonomie, wenn nach Ansicht vieler Gutachter der größte Teil der strategischen Entscheidungen von universitätsfremden Personen getroffen wird?

14. Halten Sie die bewusst herbeigeführte Demotivation der Universitätsangehörigen für das geeignete Mittel, "Weltklasse-Unis" zu verwirklichen?

15. Aus welchen Gründen erwarten Sie eine Aufwertung der universitären Lehre, wenn nach der von Ihnen geplanten Universitätsreform pädagogisch-didaktische Fähigkeiten im Rahmen von Berufungs- und Habilitationsverfahren eine deutlich geringere Rolle spielen als derzeit?

16. Universitätsprofessor Dr. Rill hat in seinem Gutachten vom 13. November 2001 ausgeführt, dass die geplante Reform "die Universitäten unter Orientierung an der Organisation von Unternehmen der Erwerbswirtschaft organisieren und demgemäß hierarchisch strukturieren will." Welche Erwerbsabsicht haben die Universitäten?

17. Wieso liegen einen Tag vor Abschluss des Begutachtungsverfahrens keine bundeshaushaltsgesetzlich zwingend vorgeschriebenen, nachvollziehbaren Folgekostenschätzungen der geplanten Reform vor?

18. Trifft es zu, dass die österreichischen Universitäten vor kurzem in einem Schreiben Ihres Ministeriums aufgefordert wurden, selbst Schätzungen der Folgekosten vorzunehmen?

19. Welcher zusätzliche Aufwand würde durch die Schaffung neuer Medizinuniversitäten erforderlich?

20. Aus welchen Gründen fehlen die Leistungsvereinbarungen bis 2006?

21. Warum planen Sie Leistungsvereinbarungen ohne Rechtsverbindlichkeit?

22. Aus welchen Gründen fehlt ein spezifiziertes Indikatormodell?


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23. Wieso gestehen Sie den Universitäten kein für eine selbstständige unternehmerische Tätigkeit betriebsnotwendiges Vermögen zu?

24. Ist dafür vorgesorgt, dass die Universitäten entsprechende Übergangsregelungen für die Implementierung des Rechnungswesens erhalten?

25. Was soll in den kommenden fünf Jahren im Bereich des Dienstnehmerschutzgesetzes geschehen?

26. Die Einführung von Studiengebühren hat zu einer drastischen Reduzierung der Studierendenzahlen geführt. Die Zahl der Ansuchen um Erstzulassung ist im Wintersemester 2001/02 um 13,8 % zurückgegangen. Werden Sie sich für die Abschaffung der Studiengebühren einsetzen?

27. Sie haben stets davon gesprochen, dass 25 % der Studierenden Anspruch auf Studienbeihilfe bzw. Studienzuschuss haben. 46.728 der noch verbleibenden 194.776 Studierenden haben im Wintersemester 2001/02 um Beihilfen angesucht.

a) Wievielen Studierenden sind diese Beihilfen tatsächlich genehmigt worden?

b) Wieviele Studierende wurden noch nicht darüber informiert, ob sie für das vergangene Wintersemester Beihilfen bekommen?

c) Wieviele Studierende wurden noch nicht darüber informiert, ab wann sie Beihilfen ausbezahlt erhalten?

28. Wieviele zusätzliche Stipendienbezieher gibt es im Wintersemester 2001/02 im Vergleich zum Wintersemester 2000/01 im Universitätsbereich?

29. Wieviele Studierende erhalten lediglich den Studienzuschuss als Ausgleich für die Studiengebühren und in welcher Höhe?

30. Wieviele Studierende haben bisher ein zinsgestütztes Darlehen erhalten und wie hoch sind dafür die Aufwendungen des Bildungsministeriums?

31. Wann werden Sie angesichts der Tatsache, dass die letzte Stipendienerhöhung 1999 erfolgt ist, eine Erhöhung der Stipendien der Bundesregierung vorschlagen?

32. Eine Reihe von Vorschlägen geht bereits davon aus, dass die Universitäten künftig die Höhe der Studiengebühren selbstständig festlegen können. Sie haben dies in einer Erklärung ausgeschlossen. Warum soll die Öffentlichkeit diesem Versprechen mehr Glauben schenken als Ihrer früheren Aussage, gegen Studiengebühren zu sein?

33. Werden Sie eine substanzielle Bestandsgarantie für die Österreichische Hochschülerschaft vorsehen?

34. Wie beurteilen Sie die massiven verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der von Ihnen geplanten "Ausräumung" des UOG 1993, in dessen Folge nur verfassungsrechtliche "Ruinen" stehengelassen würden und außerhalb dieses Rahmens ohne Verfassungsmehrheit eine Universität ohne Selbstverwaltungscharakter mit Unternehmensstruktur eingerichtet würde?

35. Welche Auswirkungen wird die von Ihnen geplante Reform auf die Personalstruktur und die Aufgaben des Bildungsministeriums haben?

36. Welchen Aufwand werden die geplanten Pensionskassen verursachen?

37. Ist Ihnen bekannt, dass die Universitäten auf Grund des neuen Dienstrechts bei der Besetzung von Nachwuchsstellen zunehmend vor dem Problem stehen, dass es zuwenige oder keine Bewerbungen gibt?


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38. Warum soll in Zukunft der bisher gesetzlich vorgeschriebene Hochschulbericht entfallen und in welcher Form wird der Nationalrat umfassend über die Entwickung der österreichischen Universitäten informiert werden?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage gemäß § 93 Abs. 2 GOG dringlich zu behandeln.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Gusenbauer als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. Redezeit: 20 Minuten. – Bitte.

15.02

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion an den österreichischen Universitäten in Bezug auf ein Universitätsreformgesetz ist intensiv und sollte am Ende der Begutachtungsfrist dazu veranlassen, heute die Gelegenheit wahrzunehmen, über die Herausforderungen, die Probleme, den Zustand und die Perspektiven der österreichischen Universitäten zu diskutieren. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Angesichts der Bemerkungen, die es in den letzten Wochen über die österreichischen Universitäten gegeben hat, muss man eines klarstellen: Die österreichischen Universitäten brauchen internationale Vergleiche nicht zu scheuen. Sie sind nicht perfekt, aber sie haben sich in Anbetracht der gestiegenen Herausforderungen außerordentlich gut gehalten. Man mag beklagen, dass wir wenig Nobelpreisträger hervorbringen, aber nach allen internationalen Studien haben wir viele ausgezeichnete Absolventinnen und Absolventen, und in einer Reihe von Wissenschaftsdisziplinen genießen unsere Forscherinnen und Forscher Weltruf. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Unsere österreichischen Universitäten waren in einem bestimmten Bereich auch einzigartig: Es gibt ein hohes Maß an Mitbestimmung aller Universitätsangehörigen. Es gab früher keine Zugangsbarrieren wie zum Beispiel Studiengebühren oder den Numerus clausus. Wir haben auch neue erfolgreiche Wege geschaffen, die es ermöglichen, dass benachteiligte Gruppen den Zugang zur Universität bekommen, wie etwa durch die Einführung der Berufsreifeprüfung. Wir haben in einzelnen Bereichen auch, was den Bestand betrifft, durchaus Weltniveau erreicht, gerade was die Anwendung neuer Kommunikationstechnologien betrifft. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist eine absolute Erfolgsbilanz von drei Jahrzehnten sozialdemokratischer Hochschulpolitik! (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was wir derzeit erleben, ist eine konservative Wende der Hochschulpolitik. Ihre ersten Vorboten waren die Studiengebühren, Sparprogramme, ein zunehmend demotivierendes Dienstrecht und im Herbst 2001 das erste Mal seit langem auch rückläufige Zahlen bei den Studierenden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es stellt sich die Frage: Wird diese konservative Wende in der Hochschulpolitik fortgesetzt, oder orientieren wir uns an den Herausforderungen der Zukunft? – Für uns Sozialdemokraten ist klar: Wir wollen nicht die konservative Wende, sondern moderne, zukunftsfähige Hochschulen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz des guten Zustandes unserer Universitäten sind auf Grund von zwei Punkten Reformen erforderlich: Zum einen ändert sich das internationale Umfeld für unsere Universitäten. Universitätspolitik ist nicht mehr allein nationale Angelegenheit, sondern es gibt auch europäische Hochschulpolitik mit all den Auswirkungen auf Österreich. Es gibt die Herausforderung durch die neuen Medien, das Ansteigen von Fernstudien, die weltweite Kooperation und Vernetzung, und wir haben auch eine Auflösung des traditionellen Fächerkanons, wo es nicht mehr nur um ein Studium geht, sondern wo die Studien in andere Bereiche übergreifen. Das heißt, es ist notwendig, auf diese neuen Herausforderungen einzugehen, und daher ist eine Reform erforderlich.


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Eine Reform ist auch deshalb erforderlich, weil es nach wie vor in einigen Bereichen unseres Hochschulsystems Probleme gibt – und das soll man nicht verschweigen. Das größte Problem ist, dass wir in Österreich nach wie vor insgesamt gesehen einen geringen Akademikeranteil haben und uns diesbezüglich leider am Ende der Skala der industrialisierten Welt bewegen. Wir haben nach wie vor zu wenig Frauen unter den Universitätsprofessoren, wir haben nach wie vor überdurchschnittlich lange Studiendauern und hohe Drop-out-Raten, und wir haben trotz der Reformen des Jahres 1993 noch immer aufwendige Verwaltungsstrukturen mit starken Abhängigkeiten der Universitäten vom Ministerium.

Wir haben auch eine Reihe von strukturellen Problemen an den Universitäten, aber einer der größten Nachteile ist vielleicht die zu geringe Verankerung der Universitäten im gesellschaftlichen und im regionalen Umfeld.

Auch die Finanzierung über Drittmittel ist in Österreich geringer, als sie dem internationalen Maßstab entsprechen würde. Daher ist es sinnvoll – absolut sinnvoll –, über eine Reform unserer Universitäten zu diskutieren. Ich unterstütze es daher, dass wir in der österreichischen Öffentlichkeit eine breite Debatte zu diesem Thema durchführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es stellt sich allerdings die Frage, wie man zu einer Reform kommt. Für uns Sozialdemokraten ist klar: Reformen bedürfen der überwiegenden Zustimmung der einzelnen Betroffenen-Gruppen. Wer sind die Betroffenen-Gruppen? – Es sind dies die Studierenden, die Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die administrativen Mitarbeiter und letztendlich auch die Bürger unserer Gesellschaft, die gesamte Gesellschaft und die Wirtschaft. Daher sind die unterschiedlichen Erwartungshaltungen, die es an eine Universität gibt, in eine vernünftige Balance zu bringen, damit wir zu einer höheren Qualität kommen.

Das, was sich die unterschiedlichen Betroffenen-Gruppen erwarten, ist kein Geheimnis, nämlich in Bezug auf das Lehrangebot, die Anwendung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien, den persönlichen Kontakt. Sie erwarten sich ein Studium frei von existentiellen Sorgen und ein Studium, das auch gute Möglichkeiten auf dem nationalen und internationalen Arbeitsmarkt schafft.

Wir wollen daneben aber auch die wissenschaftliche Freiheit weiterentwickeln und letztendlich ein Klima für die Freiheit der wissenschaftlichen Diskussion und für die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung schaffen. Wir sind nicht der Auffassung, Frau Bundesministerin, dass man mit Demotivierung der Mitarbeiter der österreichischen Universitäten die Freiheit der Wissenschaft erreichen kann. Das ist nicht möglich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ministerium hat einen Vorschlag in Begutachtung gebracht. Wenn man die verschiedenen Stellungnahmen liest, die aus den unterschiedlichen betroffenen Gruppen kommen, und sie zusammenfasst, Frau Bundesministerin, dann muss ich sagen, das ist nicht oppositionelle Rhetorik. Aus der Stellungnahme der Österreichischen Rektorenkonferenz, die diese Stellungnahme mit Zweidrittelmehrheit beschlossen hat, stammt Folgendes: Es wird von einer Beseitigung des Selbstverwaltungscharakters der Universitäten statt Autonomie gesprochen, von der Bestellung von Mitgliedern des Universitätsrates ohne universitäre Legitimation, von der Beseitigung der Mitentscheidung des Senats über die Entwicklung und innere Organisation der Universität und von Leistungsdiktat statt Leistungsvereinbarung. Darin ist die Rede von unfairen Verhandlungspositionen, es wird kritisiert, dass es keine adäquate Berücksichtigung der Ausgliederungsfolgekosten gibt, dass es Fremdbestimmung statt universitärer Selbstbestimmung gibt und so weiter und so fort.

Sehr verehrte Frau Ministerin! Wenn man all diese Stellungnahmen – und es gibt noch weitere des Mittelbaus und der Österreichischen Hochschülerschaft – liest, so kann man diese doch nur mit dem Begriff "vernichtend" zusammenfassen. Die Bewertung Ihres Gesetzentwurfes durch alle Betroffenen stellt ein vernichtendes Urteil dar! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir, die sozialdemokratische Fraktion, haben uns nicht darauf beschränkt, ausschließlich Ihren Entwurf zu kritisieren, sondern wir haben die letzten Wochen dazu verwendet, mit den unterschiedlichen Gruppen an den Universitäten – mit dem Mittelbau, mit den Studierenden, mit den Professoren, mit Vertretern aus der Wirtschaft und mit auch anderen, die an der Universität Interesse haben – intensive Gespräche zu führen. Wir haben daraus einen sozialdemokratischen Alternativvorschlag für die Reform der österreichischen Universitäten erarbeitet – einen Alternativvorschlag, mit dem letztlich versucht wird, die unterschiedlichen Interessen, die es an den Universitäten gibt, in einer demokratischen Art und Weise zusammenzuführen. Daher haben wir einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, der sich daran orientiert, dass es eine Modernisierung des Hochschulwesens gibt, und der eine Universität garantiert, die autonom, demokratisch, frei und effizient ist. Das muss unsere Zielsetzung sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben vorgeschlagen, dass unter Einbindung der unterschiedlichen Interessen der Hochschulen so etwas wie eine österreichische Hochschulkonferenz gegründet wird, in der alle Institutionen des tertiären Sektors vertreten sind und in der letztendlich Leitlinien ausgearbeitet werden sollen. Wir schlagen einen Universitätsrat vor, der nicht parteipolitischen Einfluss auf die Universitäten ausübt, sondern als ein Aufsichtsorgan agiert, in dem die Interessen des Staates, der Gesellschaft und der Universität zusammengefasst werden.

Wir sind der Meinung, dass ein Senat der Universität den Entwicklungsplan und den Organisationsplan beschließen soll. Wir sind weiters der Meinung, dass Kollegialorgane mit Entscheidungsbefugnis auch unterhalb der Senatsebene erhalten bleiben sollen. Wir wollen qualifizierte Persönlichkeiten in den Leistungsfunktionen der einzelnen Organisationen haben, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Universitätsprofessoren handelt oder nicht. Wir wollen auch eine Wahrnehmung der politischen Verantwortung durch Beschlussfassung der Grundsätze der Leistungsvereinbarungen und des Entwicklungsplans im Hauptausschuss des Nationalrates sowie die Führung der Budgetverhandlungen und den Abschluss der Leistungsverträge durch das Ministerium. Wir wollen eine wirklich intensive Verankerung der Universitäten in der österreichischen Gesellschaft. Das ist unsere Zielsetzung! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben unseren Vorschlag im Konkreten auch durch eine Satzung ausgeführt, mit der die Gesamtorganisation einer Universität geregelt ist. Daher gibt es für die weitere Diskussion nach Ende des Begutachtungsverfahrens zwei Vorschläge: Es gibt den Vorschlag des Ministeriums, der auf breite Ablehnung aller betroffenen Gruppen stößt, und es gibt den Vorschlag der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion, in dem die Bedenken von den Studierenden bis hin zu den Professoren umfasst sind und in dem ein zukunftsorientiertes Konzept für die Universitätsorganisation präsentiert wird. Unser Reformkonzept setzt auf Mitbestimmung, auf demokratische Selbstverwaltung und auf hohe Qualität in Lehre und Forschung. Frau Bundesministerin! Dem sollten Sie sich anschließen! (Beifall bei der SPÖ.)

Das SPÖ-Konzept bindet die Interessen der Gesellschaft und aller Betroffenen an den Hochschulen in die Reform mit ein. Es berücksichtigt die Bedenken und die konkreten Vorschläge der Professoren, des Mittelbaus und der Studenten. Die demokratische Mitverantwortung und Mitbestimmung aller Universitätsangehörigen bleiben erhalten. Die Selbstverwaltungsstrukturen werden gestärkt, der parteipolitische Einfluss wird zurückgedrängt, die echte Autonomie ist das Ziel unserer Reform, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Grollitsch: Warum haben Sie das nicht ...?)

Wir behalten eine hohe Qualität in Lehre und Forschung bei, wir wollen diese auch zukunftsorientiert weiterentwickeln. Wir wollen das bestehende Leistungsangebot für Studierende erhalten und vorhandene Zugangsbeschränkungen wie die Studiengebühren zum frühestmöglichen Zeitpunkt wieder abschaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir machen einen Vorschlag, der auch in Zukunft Karriereperspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs an den österreichischen Universitäten bietet und daher die Universitäten im


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Wettbewerb mit der privaten Wirtschaft, was qualifizierte Mitarbeiter betrifft, nicht ins Hintertreffen geraten lässt. Es gibt einen Wettbewerb zwischen guten privatwirtschaftlichen Angeboten und verschlechterten Arbeitsbedingungen, die Sie an den Universitäten anbieten. Wenn man will, dass unsere Studierenden mit hoch qualifiziertem wissenschaftlichem Personal arbeiten können, dann muss es an den Universitäten für die dort Lehrenden auch vergleichbare, akzeptable und konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen geben. Das ist ebenfalls ein Ziel von uns, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Es ist bezeichnend – und das ist auch in Universitätsdebatten in anderen Staaten vorgekommen –, dass je stärker auf der einen Seite die Qualität eingeschränkt wird, je stärker die Mittel eingeschränkt werden, desto stärker auf der anderen Seite das propagandistische Vokabular wird. Je mehr eingeschränkt wird, desto öfter werden Begriffe wie "exzellent" und "Weltuni" und so weiter verwendet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das hat man auch schon aus anderen Staaten gehört. Man kann nicht mit immer weniger werdenden Mitteln eine höhere Qualität an den Universitäten erreichen. Ich glaube, wir sollten auch realistisch sein: Wenn man von Weltspitze redet, dann muss man auch sagen, wie die Weltspitze aussieht. Beim Anführen des amerikanischen Vorbilds mit 3 500 Hochschulen und Colleges muss man bedenken, dass maximal 30 davon internationales Niveau haben und der Rest mit unseren Universitäten nicht mithalten kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen darauf achten, dass wir – und das muss unsere Zielsetzung sein – ein gut qualifiziertes akademisches Potential haben, und dafür sorgen, dass die Akademikerquote in Österreich steigt, wenn wir international konkurrenzfähig sein wollen. Das muss das Ziel für Wirtschaft, Gesellschaft und Universitäten sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Universitätsreform nach dem Vorschlag des Ministeriums ist auf breite Ablehnung durch alle Betroffenen gestoßen. Unser Konzept, das wir am vergangenen Montag vorgestellt haben, hat bereits erste Reaktionen hervorgerufen. Ich möchte Ihnen kurz vorlesen, was uns der ehemalige Rektor der Universität Wien geschrieben hat. Er schrieb Folgendes:

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich habe den SPÖ-Entwurf zur Uni-Reform gelesen. Ich wollte Ihnen dazu gratulieren. Das ist ein sehr gutes Papier geworden, darauf ließe sich weiter aufbauen. – Zitatende. (Abg. Ing. Westenthaler: Freundschaft, Genossen!)

Frau Bundesministerin! Schließen Sie sich diesem Ratschlag des akademischen Personals an! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage gelangt Frau Bundesministerin Gehrer zu Wort. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Es wurde schon heftiger applaudiert, früher! War nicht überzeugend!) Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Ministerin.

15.20

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der Herr SPÖ-Vorsitzende und Klubobmann der sozialdemokratischen Fraktion hat eine Rede gehalten, in der er sehr intensiv argumentiert hat. Ich möchte drei Teile davon herausheben.

Ich bin erfreut, ich bin enttäuscht, und ich muss einiges richtig stellen: Erfreut bin ich darüber, dass Sie die Universitäten so gelobt haben. – Jawohl, wir haben gute Universitäten, wir haben sehr gute Universitätsprofessoren, wir haben gute Studierende, und darauf können wir stolz sein. Erfreut bin ich auch darüber, dass Sie ein Bekenntnis zur Reform abgelegt haben, dazu, dass es Weiterentwicklungen geben muss, dass wir der modernen Zeit entsprechend die Herausforderungen annehmen müssen.


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Enttäuscht bin ich darüber, dass Sie unsere Homepage nicht genau gelesen haben. (Abg. Schwarzenberger: Schade!) Dort steht nämlich nicht "Weltspitze", sondern "Weltklasse", und das ist ein Unterschied. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. Ruf bei der SPÖ: Wo ist der Unterschied?)

Enttäuscht bin ich auch über den Vorschlag, den Sie erstellt haben. Dieser Vorschlag ist zu 80 Prozent von unserem Vorschlag abgeschrieben und außerdem von dem Vorschlag, den Herr Kollege Einem am 22. März 1999 gemacht hat (die Rednerin hält ein Exemplar des erwähnten Vorschlags in die Höhe), und zu 20 Prozent stehen einfach Sachen darin, die einem alten Kuriendenken und dem Denken von vorgestern entsprechen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.  Abg. Ing. Westenthaler: Ihr macht Politik aus der Vergangenheit!)

Ich denke, es ist wichtig, dass einige Vorwürfe und Behauptungen richtig gestellt werden. (Abg. Ing. Westenthaler  in Richtung SPÖ : Zwischenrufe aus der Vergangenheit, Politik aus der Vergangenheit!) Sie haben mit extremem Nachdruck in den Vordergrund gestellt, dass gerade im Bereich der Universitäten eine Einigung mit den Betroffenen erzielt werden muss. Ich frage mich, warum Sie eigentlich seinerzeit unter Ihrer Ministerin das Universitäts-Organisationsgesetz 1975 beschlossen haben, denn da gab es Demonstrationen, es wurde von der Zerstörung der Wissenschaft gesprochen, und es wurde mit Auswanderung gedroht.

Niemand ist ausgewandert, das Gesetz ist beschlossen worden, die Universitäten haben sich neu orientiert, und das war zum damaligen Zeitpunkt gut so. (Abg. Dr. Mertel: Das haben wir schon gehört! Das hat uns gestern schon die Frau Brinek gesagt! Ihr erzählt euch die Geschichten gegenseitig!) In derselben Situation sind wir heute wieder.

Ich möchte auch Ihre ständigen Unterstellungen zurückweisen, dass wir der parteipolitischen Einflussnahme Tür und Tor öffnen. Wir haben die Politikerklausel in unseren Gesetzen seit dem ORF-Gesetz verankert. Es ist die erste Regierung, die das gemacht hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Ein gutes Beispiel! – Abg. Dr. Gusenbauer: Das war das beste Beispiel! – Abg. Parnigoni: Wie beim ORF!)

Ich finde es sehr wichtig, dass man ernsthaft dafür sorgt, dass es keine Parteipolitisierung gibt. (Abg. Schieder: So wie im ORF! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Vielleicht kennen Sie diese Klausel nicht, aber wir haben sie genau so in das Universitätsrecht übernommen. Ihr Vorschlag, dass die wichtigen Themen mit dem Hauptausschuss des Parlaments zu verhandeln sind, ist eine Verpolitisierung ersten Ranges! (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. )

Wo bleibt die Selbstverwaltung bei einem Universitätsrat, der wieder auf einem Kuriendenken basiert und wohin von der Arbeiterkammer, von der Wirtschaftskammer Leute entsandt werden? Wo ist denn da die von Ihnen beschworene Selbst verwaltung, die darin bestehen würde, dass die Universität selbst diese Leute benennen soll? (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist ein Aufsichtsrat!)

Meine Damen und Herren! Ich meine, es ist wichtig – das möchte ich heute auch klar festhalten –, dass wir uns während der Begutachtungsphase alle Begutachtungen kommen lassen und dass wir dann die notwendigen Gespräche führen. Es ist auch total unüblich, dass vor Begutachtungsende bereits Demonstrationen, Protesttage et cetera stattfinden.

Ich möchte nun Ihre Fragen beantworten und werde dabei einige Fragen nach Themenbereichen zusammenfassen.

Die Fragen 1 bis 5 und die Frage 13 betreffen den Universitätsrat.

Zur Frage 1:

Ich stelle fest, dass der Universitätsrat laut dem Gesetzentwurf keinerlei operative Kompetenzen hat. – Wir werden das aber noch einmal ernsthaft überprüfen.


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Zur Frage 2:

Die Bundesregierung hat keinen dominierenden Einfluss, weil sie nur zwei von fünf Mitgliedern stellt; das lasse ich mir auch nicht nehmen, solange ich für 2,2 Milliarden € an Steuergeldern verantwortlich bin. (Abg. Dr. Brinek: Das ist die höhere Mathematik der SPÖ: Zwei von fünf ist die Mehrheit!)

Zur Frage 3:

Es ist in einer Koalition üblich, dass Besetzungen gemeinsam erfolgen. – Das sollten Sie aus der Zeit unserer Koalition wissen. Wir haben auch immer gemeinsam besprochen, wer in welches Gremium entsandt wird. (Abg. Ing. Westenthaler: Das weiß er nicht mehr! Das hat er schon vergessen!)

Zur Frage 4:

Die Zusammensetzung des Senats muss nicht vom Uni-Rat genehmigt werden, sondern die Zahl der Senatsmitglieder. – Das werden wir abändern.

Zur Frage 5:

Die Abberufung des Rektors kann nicht jederzeit erfolgen, aber wir werden auch dort die doppelte Legitimation einführen.

Zur Frage 13:

Der Universitätsrat trifft nicht von sich aus strategische Entscheidungen, sondern immer auf Vorlage von Rektor und Rektorat, das heißt, die Mitsprache der anderen Organe ist auch bei strategischen Entscheidungen gesichert.

Die Fragen 6 bis 10 und 14 betreffen in hohem Maße die Universitätsangehörigen.

Zur Frage 6:

Es gibt keine Zusammensetzung nach Kurien. Wir glauben, dass diese Kurien- beziehungsweise Gremialuniversität überholt ist und dass es neue Modelle gibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 7:

Der Senat ist in Fragen der Organisations- und Entwicklungsplanung eingebunden. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine schwache Dringliche!)

Zur Frage 8:

Über die Möglichkeit von entscheidungsbefugten Gremien mit Genehmigungsvorbehalt wird noch diskutiert. Das wird sich nach der Begutachtung herausstellen. Ich halte es nur für wichtig, dass wir die Verantwortung klar definieren. Ich finde es zwar auch sehr schön, wenn die Universitäten autonom, demokratisch und frei sind. Sie müssen aber auch verantwortlich sein, und das haben Sie vergessen, Herr Vorsitzender! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zur Frage 9:

Der Gesetzentwurf sieht eine andere Form des Berufungsverfahrens vor. Wir werden aber Einwendungen, die kommen, sehr ernst nehmen. Wenn es "search committees" braucht, werden wir durchaus darüber reden können. Auch die Frage der Habilitation ist noch einmal zu überprüfen.


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Zur Frage 10:

Außerordentliche Professoren mit großer Lehrbefugnis können eine Reihe von Führungsaufgaben übernehmen, zum Beispiel im Rektorat als Vizerektor. Sie sind laut Entwurf derzeit von der Position des Institutsleiters ausgeschlossen. – Darüber kann man auch noch reden, wenn es besondere Qualifizierungen gibt.

Zur Frage 14:

Zur Demotivation möchte ich Folgendes sagen: Gerade durch Meldungen, die von der Opposition kommen, wird sehr viel zur Demotivation beigetragen. Ich bitte Sie, auch zur Motivation beizutragen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 11:

Diesbezüglich muss ich feststellen, dass das neue Dienstrecht bereits beschlossen ist und dass es da keine beamteten Dienstverhältnisse mehr gibt. Auch Herr Kollege Einem hat am 24. März 1999 gesagt, der fixe Anstellungsstatus solle mit den derzeitigen Universitätslehrern auslaufen. (Abg. Dr. Jarolim: Hat die Regierung nichts anderes zusammengebracht ...?! )

Zur Frage 12:

Dazu muss ich Ihnen Folgendes sagen: Sie unterstellen, dass im Rahmen einer Begutachtung etwas nicht mehr zugelassen ist. Dazu muss ich einfach sagen: Eine Begutachtung ist eine Begutachtung. Sie ist dazu da, dass das, was begutachtet wird, noch besser wird. Es ist daher nicht so, dass nichts mehr zugelassen ist. – Das stimmt einfach nicht.

Zur Frage 15:

Für Berufungen und Habilitationen, auch für die Qualifikationen sind die Universitäten zuständig, weil diese ja autonom sind, so wie Sie es auch gefordert haben.

Zur Frage 16:

Da es keine Ökonomisierung der Universitäten gibt – sie sind keine GesmbHs –, sind Universitäten auch keine Wirtschaftsunternehmen. (Ruf bei der SPÖ: Sehr oberflächlich!) Ich weiß noch von keinen Erwerbsabsichten von Universitäten. Mir ist dazu noch nichts bekannt. (Abg. Dr. Brinek  – in Richtung SPÖ   : Sie sollten einmal die Gutachten lesen!)

Die Fragen 17 bis 19 und 23 beziehen sich hauptsächlich auf das Finanzielle.

Zu den Fragen 17 und 18:

Die konkreten Schätzungen der Folgekosten sind erst in der Regierungsvorlage notwendig. Wir haben die Universitäten gebeten, Unterlagen zu schicken. Ich glaube, das ist wohl nichts Ungewöhnliches, wenn man auch von autonomen, selbständigen Universitäten Unterlagen einholt.

Zur Frage 19:

Für die Medizin wird es keine Mehrkosten geben, aber auch da ist die Diskussion noch voll im Gange.

Zur Frage 23 ist zu sagen:

Es ist kein Vermögen in dem Sinn notwendig, weil sie keine GesmbH sind. Es handelt sich um wissenschaftliche Einrichtungen, die ein auf drei Jahre gesichertes Budget haben.

Zu den Fragen 20 bis 22:

Leistungsvereinbarungen sind eine sehr anspruchsvolle Arbeit. Ich meine, dass die Universitäten mit der Überstellung in das neue Organisationsrecht vor sehr großen Herausforderungen stehen. Deswegen haben wir gesagt, wir wollen ihnen erst einmal drei Jahre ein gesichertes


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Budget geben, dann die Leistungsvereinbarungen erarbeiten und für die Budgetjahre 2007, 2008, 2009 die Leistungsvereinbarungen zur Grundlage machen.

Zur Frage 21:

Die Leistungsvereinbarungen sind öffentlich-rechtliche Vereinbarungen, nicht privatrechtliche, sondern öffentlich-rechtliche, weil die Universitäten auch keine GesmbHs sind, sondern öffentlich-rechtliche Einrichtungen.

Das Indikatormodell für die Leistungsvereinbarungen wird von einer Fachgruppe erarbeitet. Da gibt es europaweit Erfahrungen, die uns sagen: Seid sehr vorsichtig bei Zahlenindikatoren, da kann auch etwas Falsches herauskommen! – Wir wollen auch vorsichtig sein. Es wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die zeitgerecht, bevor die Leistungsvereinbarungen erstellt werden, dieses Indikatormodell erarbeitet.

Also Sie sehen: Dort, wo es notwendig ist, beschleunigen wir das Tempo, dort, wo es möglich ist, lassen wir etwas mehr Zeit, ganz wie Sie das immer fordern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 24:

Implementierung des Rechnungswesens, Übergangsregelungen: ja.

Zur Frage 25:

Wir haben im Gesetz vorgesehen, dass das Arbeitnehmerschutzgesetz erst in fünf Jahren in Kraft tritt. Es heißt übrigens Arbeitnehmerschutzgesetz und nicht Dienstnehmerschutzgesetz.

Zur Frage 26:

Nein, die Studienbeiträge werde ich nicht abschaffen.

Zur Frage 27:

Es sind 47 158 Anträge eingelangt, 33 401 sind bewilligt worden. Diese Anträge sind zu messen an der Zahl der ordentlichen Hörer, denn die außerordentlichen Hörer darf man nicht dazuzählen. Deswegen stimmt die Gesamtzahl von 194 776 nicht im Verhältnis zu der Möglichkeit der Studienförderung. 587 Anträge sind derzeit noch in Bearbeitung, weil sie nicht vollständig waren. Sofort nach Bescheiderstellung werden die Gelder überwiesen.

Zur Frage 28:

Die Zahl zusätzlicher Stipendienbezieher im Wintersemester 2001/02 betrug 4 384.

Zur Frage 29:

1 676 Studierende in der durchschnittlichen Höhe von 512 €.

Zur Frage 30:

Derzeit gibt es 700 Darlehensfälle, wo praktisch ein zinsenfreies Darlehen gewährt wird. Der Bundeszuschuss pro Darlehen beträgt genau 7,27 €. (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist eine SPÖ-Dringliche! Passt ein bisschen auf von der SPÖ! – Abg. Ing. Westenthaler: Gusenbauer wird bald allein in der ersten Reihe sitzen!)

Zur Frage 31:

Anhebung der Mittel für Studienförderung. Wir haben die Studienförderungen ausgeweitet, wir haben die Mittel um 32,7 Millionen € angehoben. Dadurch haben wir Studienförderungsmaßnahmen in breiterem und höherem Ausmaß erreicht.


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Zur Frage 32:

Der Studienbeitrag bleibt mit 363,36 € pro Semester fixiert und steht im § 87 des Begutachtungsentwurfes.

Zur Frage 33:

Es sind auf Grund des Universitätsgesetzes 2002 im österreichischen Hochschülerschaftsgesetz Anpassungen notwendig. Die Österreichische Hochschülerschaft als gesetzliche Interessenvertretung aller Studierenden wird von mir nicht in Frage gestellt.

Zur Frage 34:

Wir gehen mit großer Behutsamkeit vor. Sie sprechen von einigen "Ruinen", die vom alten Gesetz übrig bleiben. Ich lade Sie herzlich ein, uns die Zweidrittelmehrheit zu geben, dann können wir diese "Ruinen" beseitigen. Es liegt also an Ihnen, dass diese Frage, der Punkt 34, erfüllt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 35:

Natürlich hat es Auswirkungen auf das Ministerium. Das Ministerium wird schlanker, es wird weniger Leute dort geben, sie werden neue Aufgaben haben, und die Leute werden darauf eingeschult.

Zur Frage 36:

Das Pensionskassenmodell wird vom BMöLS gerade ausgearbeitet.

Zur Frage 37:

Der Beobachtungszeitraum für solche Aussagen ist bedeutend zu kurz. Es sind noch sehr wenige Posten nach dem neuen Dienstrecht ausgeschrieben worden.

Zur Frage 38:

Ich bin sehr dafür, dass wir so wie bisher alle drei Jahre dem Parlament einen Hochschulbericht vorlegen. Bisher wurde das auch alle drei Jahre gemacht.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir aus dieser Diskussion schon einige Vorschläge mitnehmen können, über die wir gemeinsam weiterreden werden. Ich habe Sie bereits gestern zu Gesprächen eingeladen. Ich meine, wir sollten ganz allgemein sagen: Eine neue Zeit hat neue Herausforderungen! Eine neue Freiheit soll den Universitäten gegeben werden!

Alfred Payrleitner hat in seiner Kolumne sehr schön geschrieben, dass alle, die nach Freiheit schreien, dann plötzlich Angst vor dieser Freiheit haben. Deswegen sage ich Ihnen: Es ist besser, wir haben Mut zur neuen Freiheit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gehen in die Debatte ein. Jeder Klub hat eine Redezeit von 25 Minuten. Kein Redner darf länger als 10 Minuten sprechen.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte. (Abg. Ing. Westen


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thaler: Wieder eine Dringliche abgestürzt! Flopp, patsch! – Abg. Dr. Gusenbauer: Ich glaube, der Westenthaler ist falsch bei diesem Thema!)

15.37

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Wenn Kollege Westenthaler meint, dass bei einer Dringlichen unbedingt geschrien werden muss, dann ist er auf der falschen Veranstaltung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Eure Leute sollten da sein! Eure Mannschaft fehlt!) – Es kann auch einmal konstruktiv geredet werden. Oder ist Ihnen das so fremd? Aber beim konstruktiv Mitreden, da sind Sie wahrscheinlich nicht dabei, und daher gefällt Ihnen das Ganze nicht. (Abg. Ing. Westenthaler  – auf die Galerie weisend –: Die wundern sich alle da oben, warum die SPÖ bei der eigenen Anfrage nicht da ist!)

Frau Bundesministerin! Wir könnten hier genauso mit Zensuren anfangen: Was hat uns gefallen, was nicht? Tatsache ist, dass wir uns mit Ihrer Beantwortung der Fragen extrem schwer tun, weil vieles nur sehr unverbindlich beantwortet wurde. Wirklich falsch ist Ihre Aussage, dass die SPÖ die Kurienuniversität beibehalten möchte und Sie im Gegensatz dazu diese Kurienuniversität beseitigen. Genau so falsch ist Ihr Hinweis, dass unter Herta Firnberg eine Universitätsreform gemacht wurde, die ebenfalls gegen alle Betroffenen an den Universitäten erfolgt wäre.

Die Zitate stimmen schon, aber wie alles, was halb zitiert wird, stimmen sie dann doch wieder nicht. Die Universitätsreform 1975 war eine Reform, die die Studierenden und den Mittelbau extrem gestärkt hat, und die Professoren waren jene, die diese Drohungen, auswandern zu wollen, von sich gegeben haben. Aber es gab insgesamt eine breite Zustimmung an den Universitäten. Das ist jetzt eben ganz anders. Sie haben eine breite Ablehnung an den Universitäten. Darin unterscheiden sich die beiden Konzepte grundlegend! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Kurien schaffen Sie ja nicht ab, sondern Sie stärken eine Kurie ganz besonders, nämlich jene der ordentlichen Universitätsprofessoren, die nicht genau wissen, ob sie dafür oder dagegen sein sollen, weil sie sehen, dass sie allein die Universität auch nicht ... (Abg. Dr. Khol: Die gibt es ja nicht mehr, die ordentlichen! Seit dem neuen Dienstrecht gibt es die nicht mehr! Es gibt nur mehr Professoren!)

Kollege Khol! Sie müssen bitte diesen Entwurf einmal durchlesen. Da kommt diese Terminologie ausdrücklich vor. Sie nehmen alle Leitungsfunktionen ein, sie sind diejenigen, die künftig dort noch etwas zu bestimmen haben. Beim Senat steht doch drinnen, dass die Professoren als Kurie nach wie vor erhalten bleiben.

Also bitte, bleiben wir seriös bei dieser Argumentation, unterstellen Sie uns nicht Dinge, die nicht stimmen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir begrüßen die teilweise Annäherung. Einige Dinge haben Sie als im Fluss befindlich bezeichnet. Das ist sehr wichtig, damit diese Gespräche überhaupt sinnvoll geführt werden können. Aber viel Entscheidendes ist noch offen, Frau Bundesministerin.

Wenn im Mai eine Regierungsvorlage erstellt werden soll und Sie heute noch nicht einmal annähernd über die Kosten Bescheid wissen und sagen: Da werden wir uns Zeit lassen, so wie die Opposition das fordert!, dann heißt das, dass Sie mit dem Hausbau beginnen, ohne dass Sie die Kosten dieses Hausbaues kennen. Ich wünsche Ihnen wirklich viel Glück bei diesem Projekt. So kann man das nicht angehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Was die Versprechen hinsichtlich einer Anhebung der Studienbeihilfen um 25 Prozent anlangt, so ist deutlich, dass Sie von diesem Ziel meilenweit entfernt sind. Wenn man die Zahlen addiert, kommt man nicht einmal auf 20 Prozent. Die großen Versprechen – hier Studiengebühren, da Erhöhung der Studienbeihilfen – wurden also nicht realisiert.

Die Grundprobleme, geschätzte Damen und Herren, bleiben bestehen. Die Organisationsstruktur, die Sie vorschlagen, ist eine Struktur von gestern und maximal noch von heute, aber keine Struktur der Zukunft – und das in zweierlei Hinsicht. Sie konstruieren eine hierarchische Universitätsstruktur der Sonderklasse: Es gibt nur mehr ganz wenige Entscheidungsgremien oben, und diese Entscheidungsgremien – Universitätsrat, Rektoren und Ministerium – sind noch dazu personell extrem verdünnt worden, weil die Funktionen dafür nur sehr wenigen Personen offen stehen.


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101. Sitzung / Seite 118

Das heißt, was Sie hier machen, ist eine hierarchische Struktur mit einem extremen Flaschenhals oben, durch den alle Entscheidungen durch müssten. – Das ist bei weitem keine moderne Organisationsstruktur, die unsere Universitäten international konkurrenzfähig macht. Da müsste nämlich das Gegenteil der Fall sein.

Eine international konkurrenzfähige Universität braucht die Möglichkeit, auf vielen Ebenen zu kooperieren. Es muss eine Struktur geben, in der auf den verschiedenen Ebenen auch Entscheidungen, selbstverständlich im Rahmen einer gesamten Konzeption für die Universität, getroffen werden können; eine Struktur, in der die einzelnen Organisationseinheiten selbständig über Kooperationen, über internationale Zusammenarbeit, über Zusammenarbeit zwischen den Universitäten entscheiden können. Wenn Sie das nicht ermöglichen, dann machen Sie die Universitäten sehr schwerfällig. Dann sind wir wirklich sehr weit von den "Weltklasse"-Universitäten entfernt.

Ein zweiter Punkt – hier werden wir, so wie es aussieht, kaum Annäherungen finden – ist der drastische Abbau von Demokratie und Mitbestimmung. Da trennen uns Welten, Frau Ministerin! Da trennen uns Welten, denn auf Mitbestimmung und Demokratie an den Universitäten wird die SPÖ nicht verzichten. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Brinek! Ich erinnere mich diesbezüglich schon an Kollegen Lukesch, den früheren Wissenschaftssprecher, der sehr wohl sehr konstruktive Gespräche mit uns geführt hat, und zwar betreffend die Möglichkeit, in Studienkommissionen hinsichtlich der Beurteilung der Lehre der BewerberInnen in den Berufungskommissionen sogar eine Semiparität der Studierenden vorzusehen, die für Studierende so wichtig ist. – In Ihrem Entwurf steht das Gegenteil: Da kommen die Studierenden gar nicht mehr vor. Sie dürfen nicht einmal mehr eine Stellungnahme dazu abgeben, ob sie meinen, dass jemand, der künftig an der Universität lehren soll, dafür auch geeignet ist. – Das ist der reaktionäre Rückschritt, den wir bei diesem Entwurf feststellen.

Die Studierenden, das allgemeine Personal und der Mittelbau werden aus allen Gremien kraft Ihres Entwurfes ausgeschlossen. Es wird ihnen schwarz auf weiß bestätigt, dass sie zu Arbeiten, die sie bisher geleistet haben, in Zukunft nicht mehr fähig sein werden. (Abg. Dr. Martin Graf schüttelt verneinend den Kopf.)

Kollege Graf, Sie schütteln den Kopf. Glauben Sie wirklich, dass diese 2 800 Betroffenen, die ja auch Ihnen stoßweise ihre Analysen und Bedenken zuschicken, diesen Gesetzentwurf nicht lesen können? Die sehen sehr wohl, was Sie mit ihnen vorhaben, und protestieren zu Recht dagegen, und bei diesem Protest wissen sie die SPÖ auf ihrer Seite. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Aber nicht alle!)

Ein dritter Punkt ist die Kultur der Zusammenarbeit an den Universitäten. Wir haben in unserem Entwurf – auch darauf möchte ich hinweisen – beispielsweise einen Vorschlag aufgegriffen, der von den Behindertenbeauftragten gekommen ist, dass man so wie die Frage der Gleichstellung von Frauen und Männern auch die Frage der Gleichstellung behinderter und nicht behinderter Menschen beim Zugang zu den Universitäten als wichtiges Thema an der Universität verankern muss. Das ist in unserem Entwurf enthalten. Ich hoffe, dass Sie wenigstens diesem Vorschlag zustimmen können.

Die Kultur der Zusammenarbeit äußert sich auch am Beispiel der medizinischen Universitäten oder Fakultäten. Sie brauchen Sonderbestimmungen. Das war, denke ich, allen klar. Sie haben jetzt einen Lösungsvorschlag auf den Tisch gelegt, und wir würden uns heute hier im Nationalrat schon wünschen, Frau Bundesministerin, dass Sie es grundsätzlich für möglich halten, dass die Universitäten darüber entscheiden können und die medizinischen Fakultäten als Fakultäten erhalten können. Das ist ein breiter Wunsch an allen betroffenen Universitäten, denn die Medizin lebt von Kooperation. Medizin ist nicht nur mehr der Arzt, sondern dazu gehören Informatik, Ethik, Psychologie, Chemie und Naturwissenschaften.

Ich darf Ihnen dazu zitieren, was Professor Margreiter, der Innsbrucker Transplantations-Professor mit Weltruf, geschrieben hat:


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"Natürlich könnte man die Strukturen etwas deutlicher abgrenzen" und eigene Universitäten machen. "Dies erkauft man sich aber mit einer Fülle von Nachteilen: Teurer wird’s wahrscheinlich, und die wissenschaftlichen Kooperationen und die Mitarbeiter gehen uns verloren. Österreich fällt ... weiter zurück."

Wenn Sie von "Weltklasse" reden, dann sollten Sie auch das ernst nehmen, was Ihnen Leute sagen, die wirklich ein internationales Renommee und Erfahrung mit medizinischen Universitäten haben und Ihnen davon abraten.

Letzter Punkt: das politische Gängelband. Es steht ja wohl außer Zweifel, dass dieser Universitätsrat ein politisches Gängelband darstellt. (Abg. Dr. Brinek: Wieso?) Wir wollen die Hereinnahme der gesellschaftlichen Interessen ... (Abg. Dr. Brinek: Wieso?)  Weil diese Bundesregierung ihre vertrauten Vertreter dorthin entsendet. Das hat es ja noch nie gegeben, dass von fünf Personen in der obersten Leitungsstruktur zwei oder gar drei aus den eigenen Regierungsreihen entsendet wurden. (Abg. Dr. Brinek: Zwei!) Das ist meilenweit von dem entfernt, was man unter Autonomie verstehen kann.

Wir stehen für eine Reform, die gut überlegt sein sollte, für moderne, leistungsfähige Universitäten. Wir stehen aber auch für einen offenen Zugang, für eine Wertschätzung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Universitäten. Wir stehen für Mitbestimmung, für Autonomie ohne Parteieinfluss. Für uns gibt es keine Reform gegen die Universitäten, sondern nur eine Reform gemeinsam mit den Universitäten! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Es ist die gleiche Redezeit von 10 Minuten eingestellt. – Bitte.

15.47

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Vorweg mehrere Zitate aus der "Presse":

"Das UOG sei in einigen wesentlichen Punkten verfassungswidrig; es bringe den Hochschulen keine sinnvolle Reform, sondern Chaos; die geplante Organisationsform bedeute, dass die Hochschulen zu Stätten des permanenten Konflikts zwischen den einzelnen Gruppen ... würden." – Professoren, Assistenten und Studenten werden aneinander geraten.

Ein Professor schrieb: "Ich werde in die geistige Emigration gehen, aus diesem Gesetz auswandern. Daher möchte ich mich emeritieren lassen, um ..." – sinngemäß – das zu erfüllen, wozu ich da bin, "nämlich zu lehren und zu forschen."

Ein anderes Zitat lautet: "Der Rektor der Technischen Hochschule Wien ... meinte, das Universitätsgesetz sei eine ‚Totgeburt’, und man müsse sich überlegen, ob man es überhaupt als Rektor exekutieren könne."

Die ÖH spricht sich geschlossen gegen dieses Universitätsgesetz aus: "Donnerstag gingen in allen Universitätsstädten Professoren noch einmal auf die Straße, um in einer Flugblatt-Aktion ‚gegen ein verfehltes, verfassungswidriges und wissenschaftsfeindliches Gesetz’ zu protestieren."

Das waren die Reaktionen laut "Presse" vom 10. April 1975 (Heiterkeit bei den Freiheitlichen – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ungefähr das, was Gusenbauer heute gesagt hat!), also zur Einführung des UOG 1975. Die gleichen Reaktionen gab es 1993 (Abg. Ing. Westenthaler: Hört, hört!), das war die Reform der SPÖ (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Er will es nicht hören!), die Firnberg’sche Universitätsreform, die ja zum Ziel hatte, dass Arbeiterkinder studieren können. Wie wir aus jeder sozialpolitischen Umfrage wissen, hat man damit arbeitende Studenten geschaffen, und nun überschwemmen arbeitslose Akademiker, die am Markt vorbei produziert wurden, das Land. – Das war Firnberg, Marke SPÖ. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Alle Betroffenen sollen mit einbezogen werden! – Sie haben sich nie daran gehalten: weder 1975 noch 1993 noch im Jahre 1997. Das muss man bei der letzten Novelle so sagen. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum wollte der die Dringliche eigentlich? – Abg. Ing. Westenthaler: Keine Ahnung!)  – Im Wesentlichen verwundert es, dass die Sitzreihen der SPÖ nahezu leer sind; die eigene Dringliche Anfrage interessiert sie nicht wirklich.

Zu Ihrem Reformkonzept, Herr Kollege Gusenbauer, neuer Bildungssprecher der Sozialdemokratischen Partei und Begründer! Offensichtlich folgt Ihnen die Fraktion nicht mehr so richtig. (Abg. Mag. Schweitzer: Wer ist denn jetzt Bildungssprecher bei euch?) An sich verstehe ich das schon! Reden wir über Ihren Entwurf!

Eines freut mich, nämlich dass Sie im Wesentlichen die drei Gremien, Organisationen oder, besser gesagt, Organe vom Grundsatz her akzeptieren. Universitätsrat, Rektorat und Senat sind außer Streit. Da sind wir gemeinsam im Boot.

Sie sagen dann allerdings, Sie wollen Autonomie – das ist wirklich nur ein rudimentäres Fragment. Sie wollen das in ein Universitätsgesetz hineinschreiben, wie es hier in Ihrem Papier steht. Ich lese nur eine Passage vor: Jede Universität hat ein Mitteilungsblatt herauszugeben und im Internet, auf der Homepage der Universität öffentlich zugänglich zu machen. – Wenn das Ausdruck der Freiheit ist, die Sie den Universitäten gewähren wollen, dass Sie der Universität auch weiterhin vorschreiben wollen, ob diese ein Mitteilungsblatt herausgibt (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist unglaublich!), dann werden wir uns nicht treffen. So einfach ist das! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Gusenbauer! Das haben Sie genau gesehen! Den Wischer haben Sie genau gesehen! Das gibt es nicht!)

Wenn in weiterer Folge nach 19 Seiten Reformpapier ... – Herr Kollege Gusenbauer! Ich hoffe, dass Sie wenigstens dieses Konzept gelesen haben, denn den Begutachtungsentwurf haben Sie sicherlich nicht gelesen. Das habe ich Ihnen gestern schon gesagt. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen in Richtung SPÖ.) Herr Kollege Gusenbauer! Kollege Schweitzer, ich muss ihm sein eigenes Papier einmal erklären dürfen!

Herr Kollege Gusenbauer oder die Fraktion, die noch interessiert zuhört! Wenn Sie dann am Ende Ihres Reformkonzeptes schreiben: Die SPÖ – hier steht es wortwörtlich – wird gegen Jahresende ein völlig neues Studiensystem zur Diskussion stellen (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung des Abg. Dr. Gusenbauer –: Parteipolitisch geht es da zu! Das ist unglaublich! Lass dir Argumente einfallen oder halt die Klappe!), und weitere Konzepte zur Universitätsreform werden folgen, dann muss ich sagen: Das zeigt, dass Sie ganz einfach fünf Jahre hinter Ihrer Zeit zurück sind! Erlauben Sie mir, das zu sagen! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer begibt sich zu Präsidenten Dr. Fischer.)

Der Wissenschaftsminister Caspar Einem und auch der Wissenschaftssprecher der SPÖ, Niederwieser, haben 1999 erklärt, dass binnen fünf Jahren ein neues Universitätsgesetz umgesetzt sein muss. Meine Herren! Wir halten uns an den von Ihnen vorgegebenen Zeitplan aus 1999. Im Unterschied zu Ihnen sind wir allerdings universitätsfreundlicher. Wir wollen nämlich einen Universitätsrat, der aus zwei Mitgliedern von der Universität und zwei von der Bundesregierung besteht, und ein Fünfter ist zu wählen. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Präsidenten Dr. Fischer –: Das war nicht so – der Zwischenrufer macht eine Handbewegung, als wolle er etwas trinken –, das war so – der Zwischenrufer macht eine Handbewegung vor seinem Kopf –!)

Kollege Einem wollte damals noch zehn externe Universitätsräte, die vom Bundesminister bestellt werden. Jetzt liegt ein Papier vor, laut welchem man von der Kurien- und Gremialuniversität abgehen möchte und wo man etwas ganz Neues erfunden hat: die sozialpartnerschaftlich entsandte Universität. Das ist nicht reaktionär, das ist superreaktionär, was Sie da anbieten! (Abg. Dr. Gusenbauer begibt sich zur Protokollführerin. – Abg. Mag. Schweitzer: Darf er das? Das ist unerhört! Das ist Beeinflussung des Protokolls! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Die Arbeiterkammern, die Wirtschaftskammer sollen letztendlich entsenden. Die Landesregierungen, Bürgermeister Häupl sollen die Universitätsräte entsenden. Der Hauptausschuss soll neue Aufgaben erhalten, soll Studieneinrichtungen genehmigen oder nicht genehmigen können und Ähnliches mehr laut Ihrem Konzept. Sie wollen die Politik an der Universität erst wirklich verankern, und zwar nicht einmal eine Standespolitik, sondern eine Parteipolitik. Das ist in Wirklichkeit der Inhalt Ihres Konzeptes!

Sie sind mit diesem Konzept auch bei den Hochschullehrern abgeblitzt, wie ich vorgestern hörte. Zu Recht – so möchte ich an dieser Stelle sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Im Gegensatz dazu werden wir den Universitäten Budgethoheit, Personalhoheit, Ressourcenhoheit und Organisationsfreiheit geben – etwas, was die Universitäten tatsächlich schon lange brauchen. An einer sozialpartnerschaftlich organisierten Universität, wie Sie sie wünschen, hat das natürlich wenig Platz. Wenn Sie immer wieder bekritteln, warum diese oder jene Norm noch nicht fertig sei, dann muss ich sagen, Sie müssen einmal den Geist einer derart freien Universität, den Geist eines derartigen Gesetzes erkennen! Die Universität soll es sich selbst richten und lösen.

Es ist eine falsche Propaganda, wenn Sie immer wieder sagen, die Studenten seien von der Mitwirkung ausgeschlossen, das stimmt schlichtweg nicht. In Wirklichkeit sind die Studenten in allen Gremien, so wie bisher, mit 25 Prozent vertreten. Wollen Sie mehr Mitbestimmung in den Gremien, dann sagen Sie das! Aber das findet sicher nicht den Konsens aller anderen Universitätsangehörigen.

25 Prozent Beteiligung in den Gremien ist meines Erachtens genug. Natürlich kann man sagen, die Universität soll zu 100 Prozent von Studenten geführt werden. Das ist aber nicht mein Zugang! Ich glaube, so weit kenne ich Sie schon, Herr Kollege Grünewald, dass das in Wirklichkeit auch nicht Ihr Zugang ist. 25 Prozent sind genug!

Die anderen werden im Rahmen der Möglichkeiten, die sich bieten, an der Mitbestimmung selbstverständlich teilhaben können. Es steht in keiner Passage, dass die nichtwissenschaftlichen – oder wie man auch sagt: allgemeinen – Universitätsangehörigen von der Willensbildung in den Gremien ausgeschlossen sind, ebenso wie der so genannte Mittelbau. Sie dürfen nicht vergessen, das ist eine sich auf Grund von Dienstrechtsreformen, die notwendig wurden, erübrigende Belegschaftsform. Wir haben ganz einfach dieses Window of opportunity zum Ziel, das sich bietet. Bis zum Jahr 2007 gehen 60 Prozent aller Professoren in Pension. Das sind Möglichkeiten und Chancen für den heutigen Mittelbau.

Die ersten Auswirkungen sind auch schon da: Wir haben 300 Millionen Schilling für vorgezogene Professuren zur Verfügung gestellt. Das sind neue Chancen für die wirklich tätigen Wissenschafter im Mittelbau. Das sind erste Auswirkungen der Reform, und das müssen Sie so zur Kenntnis nehmen – weil Sie immer fragen, was für die Universitäten getan werde.

Ich glaube, wir haben es bereits geschafft, dass wir Abhängigkeitsverhältnisse mit dem letzten Dienstrecht abgeschafft haben. Es ist für alle klar ersichtlich gewesen, dass Stellen an der Universität gedrittelt, geviertelt wurden. 150 Prozent Arbeitsleistung wurden erbracht! Das war Ihr System! Das haben wir überwunden. Dorthin wollen Sie wieder zurück.

Wir schaffen moderne Dienstrechte. Die Universitäten sollen sich mit ihren Universitätsangehörigen ab In-Kraft-Treten dieser Reform über Kollektivvertragsverhandlungen ein neues Dienstrecht geben. Eine Kollektivvertragsverhandlung darf und wird auch der SPÖ nicht fremd sein. Sie werden sich selbst ein neues Dienstrecht in Form eines Kollektivvertrages, in Form von Betriebsvereinbarungen und mit Sondervereinbarungen geben. Die Gewerkschaft und die Betriebsräte werden dort ein deutliches Wort mitsprechen können. Das ist gelebte Autonomie, das ist Freiheit an den Universitäten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Sie wollen Regelungen, Normierungen und die sozialpartnerschaftlich überholte Politik an der Universität. Das hat sich wirklich überholt. Dorthin wollen wir nicht! Die Universitäten werden uns darüber hinaus auch folgen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Bravo!)

15.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser zu Wort gemeldet. Die Bestimmungen sind bekannt. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Werden aber nie angenommen!)

15.58

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Aus Zeitgründen muss ich mich auf zwei Punkte beschränken; es wären sonst mindestens zehn, die man berichtigen müsste.

Abgeordneter Graf hat gemeint, wir seien bei den Universitätslehrern mit unserem Vorschlag abgeblitzt. – Sie waren im Unterschied zum Kollegen Gusenbauer und mir nicht dabei.

Wir sind dort nicht "abgeblitzt", sondern wir haben dort eine sehr konstruktive Diskussion auf Basis unseres Entwurfes geführt und sehr viel Applaus bekommen. Das ist Tatsache! (Abg. Dr. Khol: Das ist eine politische Beurteilung! – Abg. Ing. Westenthaler: Keine tatsächliche Berichtigung! Keine tatsächliche Berichtigung! – Abg. Mag. Schweitzer: Er behauptet einfach etwas!)

Zum Zweiten: Sie haben die Passage zitiert, dass ein Mitteilungsblatt im Internet zu veröffentlichen sei, und das als SPÖ-Vorschlag dargestellt, den die Regierung ablehnen wird.

Tatsache ist, dass diese Passage im Begutachtungsentwurf Ihres Ministeriums steht. Es ist schon eine Premiere, dass ein Sprecher einer der Regierungsparteien dann herausgeht und sagt, das werde mit ihm nie und nimmer passieren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das war nichts! Das war nichts! Er hätte uns lieber erklären sollen, was mit der SPÖ heute los ist!)

15.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

15.59

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPÖ legt einen Entwurf für die Hochschulreform vor. Die Betroffenen an den Universitäten diskutieren den Begutachtungsentwurf der Bundesregierung heftig. Derzeit gibt es sehr viel Ablehnung, gemischte Zustimmung. Das habe ich alles schon so oft erlebt, sodass ich eines weiß: Am Ende wird ein Gesetz stehen, und das wird unsere Handschrift tragen, und es wird ein gutes Gesetz sein. (Beifall


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bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Entwurf, den die Sozialdemokraten vorgelegt haben, geht nach dem bewährten Oppositions-Schleichkonzept vor: das Gleiche wie die Bundesregierung minus 20 Prozent und drei Jahre später. Sie sind somit auf dem "besten Weg", meine Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich weiß nicht, warum mir das italienische Sprichwort eingefallen ist: Quando il sol’ tra monta l’asino s’imponta. – Die deutsche Übersetzung heißt: Am Abend wird der Faule fleißig. – Für das andere würde ich einen Ordnungsruf bekommen. Daher mache ich die sprichwörtliche Übersetzung. (Zwischenruf der Abg. Hagenhofer. )

Herr Kollege Einem war Wissenschaftsminister dieser Republik – fünf Jahre lang. (Abg. Mag. Schweitzer: Fünf Jahre lang! – Abg. Ing. Westenthaler: Viel zu lang!) Er hat im Jahr 1999 einen Entwurf, eine Punktation für eine Universitätsreform vorgelegt – deckungsgleich mit unserem Entwurf. – Er hat es nur nicht durchgebracht. Das ist der große Unterschied zwischen einem sozialdemokratischen Wissenschaftsminister und unserer Liesl Gehrer. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Er hat geredet, diese Regierung, meine Damen und Herren, handelt!

Wir werden uns auch nicht von den Grünen in unserem Reformeifer bremsen lassen, Herr Kollege Grünewald, wobei ich zugebe, dass Ihre Stellungnahme differenzierter ist als die Stellungnahme der Schleichopposition, das heißt die 20 Prozent weniger und drei Jahre später. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler. )

Ich finde aber, dass der Diskussionsprozess, meine Damen und Herren, eigentlich auf einem sehr guten Weg ist. Ich habe schon gesagt, ich habe mich schon in der Vergangenheit mit der Geschichte der Universitätsreformen in diesem Land befasst. Es gab die Thun-Exner-Bonitz’sche Studienreform in der Mitte des vorvergangenen Jahrhunderts. Auch damals gab es große Proteste, da wurden die Doktorenkollegien abgeschafft, das waren damals Mitbestimmungsgremien der Absolventen der Universität. Von dem Moment an haben alle Betroffenen, Professoren, Mittelbau, Studenten noch jede Reform abgelehnt. Das ist ein gutes Vorzeichen, weil all diese Reformen gemacht wurden. (Beifall bei der ÖVP.)

Das heißt nicht, meine Damen und Herren, dass wir den Begutachtungsprozess nicht sehr ernst nehmen. Ich finde die Diskussion ohnehin in Ordnung. Ich glaube, es ist wichtig, dass sich alle Senate, alle Professorenkollegien, die Gewerkschaft, der Mittelbau, dass sich alle intensiv mit den Vorschlägen beschäftigen, das finde ich gut. Es hat sich ja gezeigt, dass es auf dem Wege des Gesprächs der Betroffenen mit dem Gesetzgeber schon einige Zwischenergebnisse gibt.

Ich finde es beachtlich, dass sich erstmals drei Rektoren und drei Dekane von Universitäten, an denen es medizinische Fakultäten gibt, darauf verständigen konnten, ein gemeinsames Papier zu unterzeichnen. Das war bisher nicht möglich. Das ist großartig, das ist jetzt ein Verhandlungsvorschlag, den die Frau Bundesministerin, wie sie gesagt hat, sorgfältig prüfen wird. Ich glaube, das ist ein Ergebnis der Begutachtung.

Ich muss Ihnen sagen, dass es viele andere Vorschläge gibt, die man sich genau anschauen kann. Aber eines möchte ich jenen, die jetzt Drohgebärden in Aktionstage umsetzen, schon ins Stammbuch schreiben: Es entspricht nicht der demokratischen Tradition in diesem Land, dass man während einer Begutachtung, während des Verhandelns, wenn es noch gar keine Ergebnisse gibt – das sind Diskussionsfragen –, während dieser Phase Streikdrohungen abgibt. Das würde eine Gewerkschaft, die von Fritz Verzetnitsch geführt wird, zum Beispiel nie machen. (Abg. Verzetnitsch: Neugebauer! Neugebauer!) Die Gewerkschaft wartet, bis der Vorschlag auf dem Tisch liegt, und die Gewerkschaft wird sich sehr genau überlegen, was sie mit dieser scharfen Waffe tut.

Ich würde daher auch all jene, die auf der Universität eher im Elfenbeinturm mit dieser Waffe drohen, doch sehr sorgfältig daran erinnern, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sein müssen, nämlich auch für die Studierenden. Die Studierenden haben ein Recht darauf, Vorlesungen zu bekommen. Die Studierenden haben ein Recht darauf, Prüfungen zu machen. Professoren, die sagen: Wir halten die Prüfung nicht ab, in diesem Semester wird es keine Prüfung mehr geben, und dann verlierst du ein Semester!, erinnere ich an die österreichische Gesetzgebung über die Amtshaftung. Es kann nicht sein, dass man die Berufspflichten auf dem Rücken der Studierenden verletzt, die dann Semester verlieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Sehr gut!)

Wir werden den Begutachtungsprozess sehr ernst nehmen. Die Frau Bundesministerin hat heute bereits einige Dinge angerissen. Nach der Begutachtung gibt es eine Regierungsvorlage, diese werden wir ins Haus bekommen, und dann werden wir im Wissenschaftsausschuss diese Vorlage genau beraten. Wir werden sehr sorgfältig darauf achten, dass die Verfassung eingehalten wird. Wir werden sie nicht zu durchbrechen brauchen – auch nicht, wenn Sie uns ihre Zustimmung gäben. Denn ich bin der Meinung, dass wir alles verfassungskonform regeln können.

Wir werden den Universitätsrat sorgfältig nach Artikel 17 Staatsgrundgesetz ausrichten. Wir werden auch die Frage von Habilitation und Berufung so konstruieren – die Frau Ministerin hat


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das gesagt –, dass die sachkundigen autonomen Gremien Vorschläge machen und es dann einen Genehmigungsvorbehalt gibt, so wie es das über 100 Jahre gegeben hat. Wir werden uns die Frage der Abberufung des Rektors sehr genau anschauen, denn auch das berührt die Verfassungsstellung. Wir werden uns natürlich genau mit der Rechtsstellung des Mittelbaus befassen. Ich bin selbst ein außerordentlicher titulierter Universitätsprofessor mit Lehrbefugnis, aber ohne Bezüge – das möchte ich immer dazusagen –, und weiß natürlich, dass man nicht alle gleich behandeln darf und kann. Es gibt sehr viele außerordentliche Professoren, die hervorragende Leistungen erbringen.

Ich denke, dass die Frau Ministerin hier eine Tür geöffnet hat, indem sie gesagt hat, dass man sich einige Dinge noch sehr genau anschauen kann.

Zum Mittelbau gibt es von mir ein kräftiges Ja.

Ich glaube auch, dass die Studenten eine qualifizierte Mitbestimmung wahrscheinlich eher schätzen als die heutige Zeitvernichtungsmaschine der Universität mit 32 Kommissionen und Kommissiönchen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung SPÖ  –: Ihr seid 20! Wir sind mehr!)

Das sind die Verfassungsfragen. Heute ist auch die Klarstellung erfolgt, was die Leistungsvereinbarungen bedeuten, nämlich öffentlich-rechtliche Vereinbarungen. Das ist sehr wichtig. Heute sind auch Klarstellungen erfolgt, wie der Zeitablauf sein wird. Meine Damen und Herren! Ich bin absolut davon überzeugt: Wir sind in einem guten und soliden Diskussionsprozess. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung SPÖ –: 20 : 26! Wir sind 26! – Abg. Ing. Westenthaler: Ein Drittel von der SPÖ ist noch da! Nur noch ein Drittel!)

Die Dringliche Anfrage interessiert im Übrigen meine Fraktion und die Fraktion der Freiheitlichen wesentlich mehr als jene, die hier die Anfrage gestellt haben. (Abg. Mag. Schweitzer hält zwei Zettel in die Höhe; auf einem steht die Zahl 20, auf dem anderen die Zahl 26!) Immer wieder bin ich versucht, eine Geschäftsordnungsdebatte anzuregen, man möge neben dem Instrument der Herbeischaffung des Ministers auch das Instrument der Herbeischaffung der Opposition einführen, denn immer wieder werden von Ihnen Dringliche Anfragen gestellt, die Sie selbst nicht ernst nehmen. (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hinter Ihnen, Herr Kollege Gusenbauer, sind die Reihen leer. Es geht Ihnen wie dem Erzherzog Karl auf dem Heldenplatz, der mit der Fahne in der Hand auf dem Pferd sitzt, in die Schlacht reitet, nach hinten schaut – und niemand ist mehr da. So geht es Ihnen. – Uns geht es nicht so, meine Damen und Herren! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Ihr schaut traurig aus!)

Wir werden diese Gesetzesänderung nach den Grundsätzen dieser Koalition ordentlich beraten, wir werden alle Beteiligten in den Diskussionsprozess einbeziehen, und dann werden wir die richtige Lösung im Interesse der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre, im Interesse der besten Ausbildung der Studenten und im Interesse der Zukunft unseres Landes treffen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Nur fürs Protokoll: Ein Drittel der SPÖ-Abgeordneten ist noch da!)

16.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung gelangt Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich berichtige tatsächlich, ich war zu lange Wissenschaftsminister! Ich wollte gar nicht so lange Minister sein! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

16.09

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Herr Klubobmann Khol war sehr freundlich, mir eine lange Ministerzeit anzudienen. Er hätte wissen können, dass ich nur drei und nicht fünf Jahre Wissenschaftsminister war. (Abg. Ing. Westenthaler: Viel zu lang! – Abg. Dr. Khol: Auch das ist zu viel!) Das war die eine Falschbehauptung.


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Die andere war, ich hätte im Wesentlichen denselben Entwurf vorgelegt, den jetzt die Ministerin vorgelegt hat. – Herr Abgeordneter Khol! Auch diese Behauptung ist tatsächlich falsch. Die Frau Bundesministerin ist in ihren eigenen Worten näher an der Wahrheit gewesen. Sie hat die 80 Prozent angesprochen, und diese 80 Prozent machen in der Tat einen Unterschied, denn bei mir wären die Gremien der Mitbestimmung, insbesondere auf den Ebenen unterhalb des Senats, nicht alle beseitigt worden, sondern die Mitbestimmung erhalten geblieben.

Im Übrigen ist bei mir ein Universitätsrat vorgesehen gewesen, der vom Senat nominiert worden wäre – zwar vom Minister bestellt, aber vom Senat nominiert, und das macht einen Unterschied. (Beifall bei der SPÖ.)

16.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Professor Grünewald. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Das war wie so oft eine tatsächliche Bestätigung!)

16.11

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Nach all den Ausführungen der Vorredner ist es natürlich schwierig, darauf nicht einzugehen und bei dem zu bleiben, was man gerne gesagt hätte. Aber Ihre Rechnung, Herr Klubobmann, ist aufgegangen: Sie haben mich wirklich irritiert – abgesehen von dem Lob. (Abg. Dr. Khol: Differenziert!) Differenziert. Okay.

Herr Klubobmann Khol! Sie haben gesagt, die Bundesregierung werde sich von niemandem abhalten lassen, dieses Gesetz schnell zu beschließen. (Bundesministerin Gehrer: "Schnell"!) Frau Bundesministerin Gehrer fragt, warum sich denn alle fürchten. Ich sage Ihnen jetzt, warum. Wenn Sie sich von niemandem abhalten lassen, etwas zu beschließen, was von der überwiegenden Mehrheit abgelehnt wird – und nicht von denen, die Sie ohnehin immer in das Revoluzzereck stecken, sondern von der Rektorenkonferenz zum Beispiel, den Professoren, dem Mittelbau mit den von Ihnen zitierten ao. Professorinnen und Professoren und auch den Studentinnen und Studenten –, so ist das doch nicht weiter verwunderlich.

Wenn Sie sagen, dass man nicht streikt, wenn etwas im Fluss ist, gebe ich Ihnen schon Recht. Aber was heißt "im Fluss"? Heißt "im Fluss" den Bach hinunter oder heißt "im Fluss" Bewegung? Ich glaube, es klingt eigentlich wie eine Drohung, wenn man sagt: Liebe Freunde, das gehört sich nicht, das ist nicht rechtens! (Abg. Dr. Khol: Nein! "Nicht rechtens" habe ich nicht gesagt!)

Mir fällt schon auf, dass die Studentenschaft eigentlich ungemein solidarisch mit den Zielen der Universität ist, wie sie viele von den Kritikern auch weiterhin erhalten möchten. Ich glaube, dass dieses Verständnis beim überwiegenden Teil der Studierenden vorhanden ist, und dafür gebührt ihnen Lob. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Kollegin Brinek hat mir vor einer Viertelstunde zugerufen: Alles Leben ist Psychologie. Also versuchen wir es jetzt einmal mit Psychologie, wenn alles andere nicht viel hilft. Frau Bundesministerin! Ich bin optimistisch: Vielleicht werden wir auf der Ebene der Psychologie noch etwas erreichen können.

Aber welche Psychologie brauche ich da? – Entschuldigen Sie, Herr Kollege Graf: Wenn Ihre Ideen immer so konsensual und so gut wären, wie Ihre Worte laut sind, dann wären wir auch schon einen Meilenstein weiter. Doch da verstehe ich etwas nicht, und auf diese Diskrepanzen möchte ich aufmerksam machen.

Wenn man von Deregulierung spricht, wenn man von Autonomie spricht, sich die Universitäten dann aber erlauben, autonom zu kritisieren, muss ich schon sagen: Die Universitäten tun das nicht deshalb, weil die Opposition sie demotiviert; Rektoren, Studierende und Mittelbau haben sich nicht die Feder von unserer Hand führen lassen, sondern wir haben ihre Argumente verstanden und ihre Argumente unterstützt. Das ist ein himmelhoher Unterschied!


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Wir möchten – und darin bin ich mit der Frau Bundesminister vielleicht eins – motivieren, indem wir die Kritik unterstützen und schauen, dass aus diesem Gesetz etwas wird, was von der großen Mehrheit der Vernünftigen – ich weiß, dass man nicht alle zufrieden stellen kann – mitgetragen wird. Dazu muss ich aber fragen: Wer profitiert von diesem Gesetz? Sollen es wirklich nur einige wenige sein, die Einfluss haben – nicht immer Ideen, aber Einfluss und Macht – und die jemand anderem die Feder geführt haben?

Ich bin auch so vernünftig und, wenn Sie wollen, "psychologisch", dass ich nicht jeden Paragraphen, der mir nicht gefällt, der Frau Bundesminister in die Schuhe schieben will. Ich weiß, dass es Gruppen gibt, die Einfluss an den Universitäten gewinnen möchten; da gibt es große Interessen. Ich habe ein nicht uninteressantes Papier über die Zukunft der medizinischen Universitäten und die Verteilung des klinischen Mehraufwandes in mehrfacher Milliardenhöhe in die Hand bekommen. Siehe da, darin heißt es, man sollte doch überlegen, ob das nicht Bundesminister Haupt machen solle. (Abg. Dr. Brinek: Ja, auch solche Stimmen gibt es, auch an den Universitäten!)

Es ist dies ein Brief an den Minister, ein offizieller Brief innerhalb des Ministeriums! Das ist schon interessant! Man kann auch darüber diskutieren, aber dann bitte ich die Freiheitlichen, hier mit offenen Karten zu spielen und die Universitäten nicht mit dem Hauptverband, den Krankenkassen und dem ORF zu verwechseln. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Die Zeit läuft. Daher vielleicht nur noch ein paar Vorschläge.

Einer der Kritikpunkte quer über alle Kurien hinweg ist der Rat. Natürlich ist es legitim, wenn die Politik, wenn die Regierung auch Verantwortung übernimmt, und das in Form einer Kontrolle, von mir aus auch im Aufsichtsrat. Wenn aber der Rat viel mächtiger wird und viel stärker unter politischem Einfluss steht, als von der Mehrheit gewünscht, und dagegen die Kompetenzen des Senates – des letzten verbliebenen demokratischen Gremiums der Universität – massiv und teilweise auf Lächerlichkeiten reduziert werden – sie dürfen ein weibliches und ein männliches Mitglied in die Schiedskommission nominieren –, dann muss ich wirklich sagen: Das ist in enormem Maße zukunftsweisend und strategisch. Aber auch solche Dinge stehen in den Aufgaben des Rates, und ich glaube, wir können uns dahin gehend einigen, dass hier eine andere Balance hergestellt werden soll und auch kann.

Was ist mit dem Senat? Wenn der Senat wirklich nur ein so kleines Feigenblatt ist, dass man weiß, dass hinter diesem Feigenblatt eigentlich das versteckt werden soll, was für viele Leute – ich möchte jetzt nicht obszön werden – das Interessanteste ist, dann muss ich schon sagen: Da stimmt es mit den Aufgaben nicht mehr. Es ist keine Autonomie, wenn der Senat nur mehr über beiläufige, geringfügige Dinge entscheiden kann und letztlich das Diktat und nicht der Dialog vom Rat kommen könnte – ich sage einmal vorsichtig: könnte. Dass der Rat zu mächtig wird, das diskutiert und kritisiert die Rektorenkonferenz.

Aber wirklich unerträglich ist es schon, wenn man hört: Die Studenten haben ohnehin noch ein Viertel aller Stimmen! Da hat sich ja nichts geändert, die bestimmen ja mit! – Ich muss schon sagen: Wenn ich von 10, 20 Instrumenten der Mitbestimmung 90 Prozent streiche und dann nur mehr ein Gremium bleibt, wo sie drinsitzen können oder dürfen ... (Abg. Dr. Martin Graf: Aber wir streichen doch nichts, das können sie sich selbst einrichten!) Ich weiß. Es richten sich’s jene ein, wo Sie sagen, die Kurien sind abgeschafft. Darüber kann man reden, es ist vielleicht sogar vernünftig, vom Kuriensystem wegzukommen und sozusagen Koalitionen der Vernünftigen unter HochschullehrerInnen, Studierenden und nichtwissenschaftlichem Personal anzustreben. Aber wenn dort Professoren die absolute Mehrheit haben – jene Professoren, die Sie früher noch kritisiert haben, was sie mit dieser alten Ordinarien-Universität angestellt haben –, dann wird diesen Leuten nicht mehr viel Spielraum bleiben, außer sie gehören der Kaste der Professoren an – die nicht unbedingt etwas Schlechtes ist; das soll keine persönliche Beleidigung sein. Es gibt auch Professoren, die genau wie wir gesagt haben, man könne nicht 80 Prozent aller Akademikerinnen und Akademiker ausschließen. Das ist demotivierend. Das ist kein politisches Ping-Pong, das ist keine Blasphemie, das ist nicht untergriffig, das ist nicht polemisch.


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Das ist Psychologie, wie Brinek sagt, und aus Psychologie besteht das Leben auch. (Beifall bei den Grünen.)

Berufungen und Habilitationsparagraphen werden allgemein kritisiert – von allen Kurien, von allen Beteiligten. Da muss sich etwas ändern. Wenn man so nebenbei Rektorenkonferenz, Professorenkonferenz, Vertretungsorgane des wissenschaftlichen Personals abschaffen will und nur mehr 18 Universitäten vor sich hat, wo ein gewisser politischer Einfluss – zu Recht oder zu Unrecht, auf jeden Fall nicht mit Sicherheit und beruhigend balanciert – da ist, frage ich mich schon, wo die Wehrhaftigkeit dieser Institution Universität bleiben soll.

Daher bin auch ich für einen Wissenschaftsrat. Wie der sich nennt, ist Nebensache, aber es gehört ein Instrumentarium geschaffen, das sich mit Studien und Lehrbedingungen beschäftigt, mit Forschungsbedingungen, mit Koordination im tertiären Bildungsbereich. Auch hier sollten Studentinnen und Studenten ein Wörtchen mitzureden haben. Das finde ich durchaus vernünftig. Aber es ist eben verdächtig, wenn man alle wehrhaften Organe der Universität in freiwillige Interessenvertretungen umschichten will, denn das wird auch der Universität nicht gut tun.

Frau Minister! Ich würde bitten – wir werden Gelegenheit haben, darüber zu reden; viele nennen es Dialog, verstehen darunter aber teilweise Diktat; ich meine jetzt nicht Sie, sondern es gibt auch andere Fädenzieher in der Politik –, dass wir den Dialog wieder aufnehmen.

Dazu zähle ich jetzt auch unsere Kritik, die Kritik aller Vertretungsorgane auch der Gesellschaft und auch des anderen Teiles der Opposition, um so zu etwas zu kommen, das von den Universitäten angenommen werden kann, auch wenn ihnen Einzelnes nicht gefallen mag.

Ich glaube, es macht wenig Sinn, auf jeden Punkt und Beistrich zu beharren und dann wirklich etwas zu hinterlassen, was demotiviert und was möglicherweise auch nicht mehr reparabel ist, auch nicht unter einer anderen Regierung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. Die Uhr ist wunschgemäß auf 8 Minuten gestellt. (Abg. Dr. Martin Graf: Herr Kollege Grünewald! Das SPÖ-Papier: Stimmen Sie dem zu oder lehnen Sie es ab? – Abg. Dr. Grünewald: Weder – noch! Wir diskutieren!)

16.21

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Es hätte uns über die Maßen überrascht, hätten die Vertreter der Regierungsparteien an einem Konzept, das von uns vorgelegt worden ist, an einem Konzept einer Oppositionspartei auch nur ein gutes Haar gelassen. Wir hätten uns gerne überraschen lassen – leider ist Ihnen das nicht gelungen. (Abg. Achatz: Wir haben es zu 80 Prozent übernommen! Was wollen Sie mehr?)

Sie werden mir nicht gram sein, wenn ich sage, dass uns die Zustimmung derjenigen, die an den Universitäten lehren und lernen, wesentlich wichtiger ist und mehr bedeutet. Bedauerlich ist nur, dass wir gemeinsam mit diesen eigentlich Betroffenen keine Gesetzesmehrheit zustande bringen. Insofern wäre Ihre Zustimmung natürlich von großer Bedeutung.

Die ÖVP hat reflexartig unser Konzept als Verpolitisierung abgetan. Ich möchte zitieren, wie Leute ihre Reaktion bewerten. Schauen Sie nach auf der eigenen Homepage, auf der Homepage der ÖVP! An dem Tag, an dem die SPÖ das Konzept präsentiert hat, wurde Kollegin Brinek zitiert mit dem Vorwurf der Verpolitisierung durch das SPÖ-Konzept. Darauf antwortet jemand: Führt denn die Dame Selbstgespräche? Verwechselt sie SPÖ und ÖVP? Ich habe den blau-schwarzen Gesetzentwurf gelesen, und das wäre Politisierung der Universitäten.

Ganz genau so ist es. Alles, was Sie heute hier behaupten, sehr geehrte Damen und Herren, ist mit parteipolitischem Theaterdonner abzutun (Abg. Dr. Khol: Nicht einmal ein Donner heute! Das ist ja ein Lüfterl!) und ist leider in keiner Weise eine sachliche Auseinandersetzung mit dem


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Konzept, das wir vorgelegt haben und das mit breiter Beteiligung von Angehörigen der Universitäten erstellt worden ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Die breite Ablehnung an den Universitäten ist auf zwei Ebenen zurückzuführen: Zum einen besteht die Ablehnung in der Sache – dazu wurde schon viel gesagt –, und zum anderen – Frau Minister, diesen Vorwurf können wir Ihnen nicht ersparen – bezieht sich diese Ablehnung auch auf die Vorgangsweise.

Ich erinnere an die Phase des offenen Diskussionsprozesses, den wir grundsätzlich befürwortet haben. Die Leute waren aber sehr vor den Kopf gestoßen, als sie gesehen haben, dass von den vielen qualifizierten Stellungnahmen zu diesem ersten Gestaltungsentwurf – es waren 240, von denen 90 Prozent kritisch bis ablehnend waren – im Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, nichts einen Niederschlag gefunden hat. Wen wundert es, dass sich die Betroffenen fragen, wozu dieser Diskussionsprozess stattfand. Sie durchschauen das glasklar als das, was er war, nämlich als bloße Inszenierung.

Weil Sie sagen: Jetzt ist einmal die Begutachtungsfrist zu Ende, und wir werden dann schauen, was wir annehmen und ändern. Gestern haben Sie, Frau Minister – und das habe ich besonders bemerkenswert gefunden –, gesagt: Die vernünftigen Stellungnahmen werden eingearbeitet werden. Jetzt ist die Frage, Herr Professor Khol: Was werden Sie als vernünftig empfinden? (Abg. Ing. Westenthaler: Die Frage ist, wie lange Sie noch Bundesgeschäftsführerin sind!) Nach dem, was Sie in letzter Zeit alles schon nicht hineingenommen und nicht berücksichtigt haben, ist offensichtlich, dass Sie als vernünftig werten werden, was Ihre Meinung bestätigt. Alles, was Ihre Meinung nicht bestätigt, werden Sie als unvernünftig abqualifizieren und ausscheiden. Das ist der bedauerliche Prozess, den wir in nächster Zeit beobachten werden.

Zu den Kosten. – Es gibt nach vielen Monaten und unterschiedlichen Anläufen nach wie vor keine Folgekostenabschätzung. Niemand erwartet, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt diese Folgekostenabschätzung auf Punkt und Beistrich vorliegt, aber es müsste einmal ungefähr der Rahmen definiert sein. Nicht einmal das ist jedoch der Fall. Sie spielen jetzt den Ball einfach an die Universitäten weiter, die in zwei Wochen das leisten sollen, was in den letzten Monaten nicht geschehen ist. An den Universitäten schätzt man, dass die Kostenerhöhung bei mindestens 20 Prozent liegen wird, und es ist kein Vorschlag da, wie diese 20 Prozent bedeckt werden sollen.

Allerdings haben wir gestern in der Aktuellen Stunde eine interessante Definition seitens der Kollegin Brinek gehört, was die neue Freiheit an den Universitäten betrifft. Sie hat nämlich die neue Freiheit damit definiert, dass die Universitäten die Freiheit im Geldauftreiben haben werden. – Na wunderbar! Die Freiheit von Forschung und Lehre ersetzen Sie durch die Freiheit von Geldauftreiben! So kann eine moderne, zeitgemäße Universitätsreform wirklich nicht aussehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Frau Minister Gehrer hat heute gemeint, dass die Studiengebühren auf der Höhe bleiben werden, wie sie jetzt sind. Wie lange diese Zusage gilt, wissen wir allerdings nicht. Frau Minister Gehrer hat auch kurz, bevor die Studiengebühren beschlossen wurden, behauptet, es werde keine Studiengebühren geben. Ich fürchte, dass wir in dieser Frage mit ähnlichen Neupositionierungen von Ihnen rechnen müssen. Folgerichtig wird an den Universitäten schon darüber diskutiert, ob nicht die Studiengebühren erhöht werden müssen – je nach Universität eigenständig und unterschiedlich – und ob die zusätzlichen Kosten, die an den Universitäten entstehen werden, dazu führen werden, dass neue Zugangsbeschränkungen an den Universitäten eingeführt werden.

Als ob die Studiengebühren mit einem Rückgang bei den Studierenden von 14 Prozent und vor allem auch mit einem drastischen Rückgang bei den Erstinskribenten nicht schmerzhaft genug wären, werden Sie im nächsten Schritt vermutlich die Freiheit der Studienwahl durch Kontingentierungen von Studienplätzen beseitigen! – Das ist der Weg, den Sie hier einschlagen! Folglich ist der Schritt in Richtung Zugangsbeschränkungen zu befürchten, und das lehnen wir zutiefst ab. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )


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Was die neuen Formen der Mitbestimmung betrifft: Frau Ministerin, Sie sprechen gerne davon, dass sich die Mitbestimmung an den Universitäten überlebt hat, aber das ist selbstverständlich eine Frage des Standpunktes. Aus meiner Sicht kann sich Mitbestimmung nicht überleben.

Kollege Graf hat vorhin davon gesprochen, dass die Studenten selbstverständlich in allen Gremien wie bisher vertreten werden sollen. – Ich glaube, das qualifiziert seine Rede. Das ist eine Behauptung von vielen, die man sehr leicht widerlegen kann, denn die Gremien "wie bisher" werden ja abgeschafft. Also werden die Studenten nicht in den Gremien "wie bisher" repräsentiert sein.

Die Wende, die Sie hier vornehmen, ist, dass Sie den Studenten die Möglichkeit nehmen, dort mitzubestimmen, dort mitzureden, wo die Weichen gestellt werden, wo Studienpläne beschlossen werden, wo die Lehrenden ausgewählt werden, wo Prüfungsordnungen beschlossen werden. Sie wollen das reduzieren auf ein wenig ankreuzen, auf eine Befragung beim Inskribieren. Das, Frau Ministerin, kann eine wirkliche Mitbestimmung an den Universitäten durch die gewählten Studentenvertreter dort, wo die wirklichen Entscheidungen getroffen werden, nicht ersetzen!

Daher aus unserer Sicht ja zu einer Reform an den Universitäten, ja zu einer Modernisierung, zu einer zeitgemäßen Reform, aber nein zu der Gängelung, die Sie vornehmen wollen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Grollitsch hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Die Bestimmungen sind bekannt. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

16.30

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesminister! Frau Kollegin Kuntzl hat soeben gesagt: Die Gremien "wie bisher" werden an den Universitäten abgeschafft.

Frau Kollegin, ich berichtige tatsächlich: Die Gremien werden nicht abgeschafft. Sie werden nicht per Gesetz vorgegeben, sondern dank der Autonomie der Universitäten kann man selbstverständlich über die Satzungen Gremien nach Belieben schaffen. (Abg. Dr. Niederwieser: Sie werden per Gesetz sogar verboten!) Also ich bitte Sie, diese geistige Wende hin zur Autonomie mit uns mitzuvollziehen. Die Gremien werden nicht abgeschafft, sondern es werden Möglichkeiten geboten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Gehrer. In der Debatte haben alle Redner maximal 10 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Ministerin.

16.31

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich meine, dass gerade die Rede von Frau Abgeordneter Kuntzl ein Beispiel war, wie verunsichert wird und wie Angst gemacht wird. Deswegen stelle ich jetzt ganz klar fest: Die Universitäten haben ein auf drei Jahre gesichertes, dynamisches Budget. Zum ersten Mal bei einer Ausgliederung gibt es ein dynamisches Budget, wo Erhöhungen dazukommen. Die Studienbeiträge sind im Gesetz festgelegt, und es ist mir ganz besonders wichtig, dass die Mitsprache der Einzelnen an der Universität von der Universität selber wahrgenommen wird.

Es wird dauernd von einem drastischen Abbau von Demokratie und Mitbestimmung geredet. Meine Damen und Herren! Bitte schauen Sie sich doch einmal realistisch an: Wie nehmen denn diejenigen, die jetzt gewählte Mandatare sind, ihre Mitbestimmung wahr? Ich lade persönlich jeden Einzelnen, die gewählten Mandatarinnen und Mandatare der Österreichischen Hochschülerschaft, zu Sitzungen ein – aber sie kommen nicht. Sie nehmen ihre Aufgabe, nämlich das Mandat, das sie erhalten haben, die Studierenden zu vertreten, nicht wahr!


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Haben Sie gehört, dass die gewählten Mandatare, die Vorsitzenden der Österreichischen Hochschülerschaft, ein Wort zum Schutz der Studierenden gesagt haben, wenn es Streikmaßnahmen gibt, ein Wort dazu, dass diese Streikmaßnahmen auf keinen Fall auf dem Rücken der Studierenden ausgetragen werden dürfen und dass Prüfungen selbstverständlich nachzuholen sind? – Das ist die Aufgabe der gewählten Mandatare und Mandatarinnen, und diese Aufgaben müssen viel, viel ernster genommen werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist auch die Frage gestellt worden: Was kann man noch verändern, wenn Vorschläge im Rahmen der Begutachtung kommen? Was ist eine vernünftige Begutachtung? Ich probiere es jetzt einmal umzudrehen: Was wird sicher nicht berücksichtigt? – Sicher nicht berücksichtigt wird eine Fundamentalablehnung nach dem Motto: Dieses Gesetz wollen wir nicht! Sicher nicht berücksichtigt wird auch eine Stellungnahme, die der Zielsetzung dessen, was wir bei dieser Universitätsreform neu gedacht haben, widerspricht.

Wir haben neu gedacht das Verhältnis zwischen Staat und Universität. Wir haben neu gedacht die Entscheidungsfindung und die Verantwortlichkeit. Wir haben neu gedacht die Zielorientierung mit Profilbildung. Wir haben neu gedacht die Organisation, und wir haben neu gedacht die Finanzen, mit einem gesicherten Budget auf drei Jahre.

Da fehlt noch etwas. – Ich meine, wir sollten auch die Mitsprache der Studierenden neu denken und uns von dem alten Kuriendenken verabschieden. Ich schlage daher vor, dass die Mitsprache der Studierenden in den Zielbestimmungen des Gesetzes verankert wird, dass die Mitsprache der Studierenden bei der Qualität der Lehre, nämlich bei der Evaluierung mit Auswirkung, verankert wird, und dass die Mitsprache der Studierenden bei der Verwendung ihres Studienbeitrages verankert wird. Da gibt es hervorragende Beispiele von zukunftsorientierten Universitäten, die das bereits machen, wie die Universität Linz, die ihren Studierenden bereits sagt: Wir geben euren Studienbeitrag für die Verbesserung in diesen Bereichen aus! – Und ich schlage vor, dass wir die Studierenden mit Mitsprache in Studienangelegenheiten einbinden.

Das ist ein Neudenken der Mitsprache der Studierenden und kein altes Kuriendenken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Universitätsreform 2002, das Universitätsgesetz 2002 bedeutet einen Kulturwandel, einen Kulturwandel von einer Verordnungs- und Anordnungskultur per Gesetz zu einer Vereinbarungs- und Verantwortungskultur unter Partnern, und das ist ein Meilenstein in der Geschichte der österreichischen Universitäten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Papházy. – Bitte.

16.36

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist offenbar kein Zufall, dass in den Reihen der SPÖ so wenige Zuhörer da sind, vor allem beim Debattenbeitrag der Frau Kollegin Kuntzl, denn wenn ich mir die Ausführungen des morgen erscheinenden "FORMAT" auf Seite 14 anschaue, dann verstehe ich das. Da heißt es: "Rochaden in den großen Parteizentralen". Ich darf wörtlich zitieren: "In der wenige hundert Meter entfernten Parteizentrale der SPÖ ... kriselt es auf höchster Ebene." (Abg. Schwemlein: Reden Sie zur Tagesordnung!)

"Seit Wochen berichten Beobachter von Unstimmigkeiten zwischen Parteichef Alfred Gusenbauer und einer seiner beiden Generalsekretärinnen, Andrea Kuntzl, 44. Ein Indiz: Immer öfter meldet sich zu Bildungsthemen die Wiener Stadtschulrätin Susanne Brandsteidl zu Wort, nicht die früher in diesem Spektrum sehr präsente Kuntzl. ... Unzufrieden soll Gusenbauer auch mit Kuntzls Koordinierungstätigkeit für das rote Reformprojekt ,Netzwerk Innovation‘ sein." (Abg. Dr. Mertel: Lesen können Sie! Gratuliere!)

Frau Kollegin Mertel, hören Sie gut zu! Ich zitiere weiter: "Es mangle an Organisation und öffentlicher Präsenz." (Abg. Dr. Glawischnig: Was soll das? – Abg. Dr. Grünewald: Uni-Re


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form!)  – Vielleicht können Sie uns dann verraten, ob das so stimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Kuntzl steht vor der Ablöse!)

Vielleicht, Herr Gusenbauer, lassen Sie sich auch von Ihrem Genossen Niederwieser erklären, wenn Ihnen das Frau Kuntzl nicht mehr erklären kann oder will, wie denn das mit den Ausgaben in Österreich pro Studierenden ist. Herr Niederwieser, bitte erklären Sie Ihrem Vorsitzenden Gusenbauer, dass wir nämlich einen wesentlich höheren Ausgabensatz pro Studierenden haben als im OECD-Durchschnitt. Das wird Herrn Gusenbauer sicher interessieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Universitätsgesetz 2002 ist ein großer Schritt nach vorne. Die Begutachtungsfrist endet morgen, und es ist bezeichnend, dass Aktionstag und Streikdrohungen noch im laufenden Diskussionsprozess stattfinden, statt dass der Dialog, die Diskussion gesucht wird. Das ist ein Zeichen dafür, dass jetzt versucht wird, die Fundamental-Opposition in die Universitäten hineinzutragen.

Bezeichnend ist auch, dass man versucht, gerade diejenigen, die von den Reformen der Regierungskoalition profitieren, nämlich die Vertreter des Mittelbaues, gegen diese Uni-Reform zu instrumentalisieren. Es hat mich gestern ein oberösterreichischer Vertreter des Mittelbaues angerufen. (Abg. Dr. Grünewald: Einer!)

Ich sage Ihnen nur, warum ich gerade dieses Beispiel zitiere. Ich habe verschiedenste Anrufe von jenen bekommen, die verstanden haben, worum es geht. Dieser eine hat mir gestern ein Beispiel genannt, nämlich: Wissen Sie, warum Steyr nicht an der Westbahn liegt? – Weil sich vor weit über 100 Jahren die Pferdefuhrwerker dagegen ausgesprochen haben, und Steyr leidet noch heute darunter! Dieser Vertreter des Mittelbaues fürchtet, dass sich in den Universitäten die "Pferdefuhrwerker" durchsetzen könnten und dann für die Unis der Zug abgefahren ist. Genau das wollen wir nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Die roten Pferdefuhrwerker!)

Die Uni-Reform stellt – ganz im Gegenteil! – sicher, dass die Position von Österreich im europäischen, ja im internationalen Kontext als Bildungsland für die Zukunft sichergestellt ist. Wie gut Autonomie an Universitäten funktioniert, das sehen wir ja bereits an österreichischen Privatuniversitäten. Öffentliche Unis, private Unis und Fachhochschulen werden mit Autonomie, Schwerpunktsetzung und Profilbildung in einen positiven Wettstreit um Studierende treten, denn nur die beste, maßgeschneiderte Ausbildung für jeden einzelnen Studierenden wird die Basis für den Start ins Berufsleben sicherstellen und eine Karriere garantieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition! Beweisen Sie Größe und geben Sie endlich zu, dass das Universitätsgesetz 2002 ein Meilenstein in der Geschichte der österreichischen Universitäten ist! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Niederwieser: Ein Mühlenstein!)

16.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

16.41

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Panta rhei, alles fließt, und heutzutage fließt alles viel schneller, als es noch vor zehn Jahren der Fall war. Das bedeutet auch, dass wir in der Politik darauf reagieren müssen und jetzt wesentlich schneller handeln müssen, um wichtige Reformen umzusetzen, als dies früher notwendig war. Deswegen ist es wichtig, dass wir in Österreich noch in diesem Jahr ein zukunftsorientiertes, neues, das, wie zitiert wird, neben jenem der Schweiz und jenem der Niederlande modernste Universitätsrecht in Europa bekommen werden. Daher freue ich mich darüber, wenn die Diskussionen nicht in die Länge gezogen werden.

Es ist vielleicht vergessen worden, woran die Professoren und der Mittelbau und damit die Studenten in der Vergangenheit wirklich gelitten haben. Die Professoren der Universitäten, die ja


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auch hier in der Opposition vertreten sind, werden sich vielleicht daran erinnern. Ich habe da ein Schreiben einer ganzen Reihe von Universitätsprofessoren vom Juni 2001, und ich möchte ein bisschen daraus zitieren, weil es doch sehr interessant ist.

Mitbestimmung wird hier als eines der allergrößten Probleme, die es an den Universitäten gibt, bezeichnet. Auf Grund des alten UOG haben Studierende, der Mittelbau, vor allem aber auch das nichtwissenschaftliche Personal, von dem hier heute gar niemand gesprochen hat, die sicherlich hervorragend arbeitetenden Sekretärinnen, einen maßgeblichen Einfluss auf allen Ebenen einer Universität. Ein solches Modell der Mitbestimmung gibt es nirgendwo sonst in Europa, und es kann mir niemand erklären, wie dadurch die Qualität von Lehre und Forschung gewährleistet und verbessert werden soll, von Lehre und Forschung, auf der wir in Zukunft die Grundfesten unserer wirtschaftlichen und intellektuellen Zukunft aufbauen. Dass an dieser Mitbestimmung gerüttelt werden muss und musste, ist für mich ein unverzichtbarer Bestandteil einer Universitätsreform – allerdings in einem vernünftigen Ausmaß, nicht so, dass man über irgendeine Gruppe drüberfährt.

Ich glaube, dass das Mitbestimmungsmodell, das hier gewählt wurde, das keine Drittelparität und richtigerweise nicht mehr die gleiche Parität vorsieht wie vorher, das richtige Maß ist, um zu gewährleisten, dass Lehre und Forschung sich entwickeln können.

Ganz besonders wichtig ist natürlich, dass auch die Studenten sich in ihren Anliegen wiederfinden. Das ist bei unserem Modell der Fall.

Die Aktionsgemeinschaft hat darüber hinaus konstruktive Vorschläge gemacht, welche Maßnahmen aus ihrer Sicht über den vorgelegten Begutachtungsentwurf hinaus notwendig wären, und auf diese konkreten Vorschläge hat man auch reagiert. Die Frau Bundesminister hat bereits zugesagt, dass die Studenten bei der Evaluation der Lehrveranstaltungen in Zukunft ein wichtiges Wort mitzureden haben und dass die Beurteilung der Lehre durch die Studenten endlich auch Auswirkungen haben wird. Ich glaube, das ist ein ganz zentraler Punkt, und das ist auch ein intensiver Wunsch der Studentenschaft. Dem wird nachgekommen.

Die Studenten wollen auch, dass sie bestimmen können, wie ihre Studienbeiträge verwendet werden. Auch das werden wir gewährleisten.

Wenn aber die ÖH statt konstruktiver Kritik sich dem Gespräch verweigert und, wie ich es jetzt in den Zeitungen gesehen habe, stattdessen irgendwelche "Faschingsveranstaltungen" maskiert vor der Uni aufführt, dann frage ich mich, ob das der richtige Weg ist, eine seriöse Diskussion in dieser so existentiell wichtigen Frage zu führen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Krokodilstränen hinsichtlich der Mitbestimmung, die heute hier vergossen wurden, kann ich nicht verstehen. Ich habe schon ausgeführt, warum nicht. Wir haben derzeit eine Mitbestimmung, die sich hauptsächlich auf gremiale Diskussionen bezieht, aber das ist keine echte Mitbestimmung, weil es nämlich bis jetzt kaum etwas gab, was wirklich an den Unis bestimmt werden konnte.

Jetzt endlich bekommen die Universitäten die Autonomie, die es ihnen ermöglicht, den ganz, ganz zentralen und wesentlichen Punkt zu bestimmen, nämlich welche Schwerpunkte sie setzen hinsichtlich Sachaufwand und Personal. Jetzt gibt es eine Virementfähigkeit für das eingesetzte Geld genau bei jenen, die viel besser wissen als alle anderen, wo es eingesetzt werden muss. Das heißt, jetzt gibt es wirklich und zum ersten Mal eine Mitbestimmung, weil es zum ersten Mal wirklich etwas zu bestimmen gibt.

Gleichzeitig sind diejenigen, die darüber bestimmen, erstmals auch dieselben, die die Verantwortung dafür tragen, welche Entscheidungen in diesem wichtigen Bereich getroffen werden.

Ich sehe gerade, dass sich Herr Kollege Niederwieser aufmacht, um mich tatsächlich zu berichtigen, und ich nehme vorweg, er wird sagen wollen, es gebe jetzt auch viel Wichtiges zu bestim


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men. Ich denke dennoch, dass das Ausmaß der Mitbestimmung auf Grund größerer Inhalte künftig multipliziert wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Rektor der Universität Graz hat diese Reform nicht zu Unrecht gelobt und für unverzichtbar erklärt, und ich bin der festen Überzeugung, dass wir gemeinsam dieses Vorhaben in der gebotenen Eile und vor allem in der gebotenen Qualität zu Ende führen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung liegt eine Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Niederwieser vor. Bitte, den zu berichtigenden Sachverhalt dem tatsächlichen gegenüberzustellen.

16.47

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Hohes Haus! Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Frau Kollegin Hakl hat richtig vermutet, dass etwas zu berichtigen ist. Frau Abgeordnete, Sie haben gesagt, es gebe derzeit de facto nichts, wo man wirklich mitbestimmen kann, weil die Universitäten nichts selbst zu bestimmen hätten. – Also fangen wir einmal an: Die Universitäten bestimmen jetzt selbst ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Kollege Niederwieser, nicht böse sein, aber die tatsächlichen Berichtigungen gleiten immer weiter davon ab, wie sie sein sollen. Das betrifft alle Fraktionen, aber irgendwann muss man das einmal sagen, und bei der eigenen Fraktion tut man sich am leichtesten, wenn man es sagt. – Bitte dem zu berichtigenden Sachverhalt den tatsächlichen gegenüberzustellen.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (fortsetzend): Kollegin Hakl hat gesagt, es gebe derzeit an den Universitäten nichts mitzubestimmen.

Ich berichtige tatsächlich: Es gibt an den österreichischen Universitäten schon derzeit eine ganz Menge mitzubestimmen: von der Satzung über die Berufungen von Professoren bis hin zu Studienplänen, weiten Teilen der Verwendung des Budgets et cetera, et cetera. All diese Mitbestimmungsmöglichkeiten sollen auf den untersten Ebenen in Zukunft abgeschafft werden. Das ist die Tatsache! (Beifall bei der SPÖ.)

16.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Redezeit: maximal 10 Minuten. – Bitte.

16.49

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Dass Frau Kollegin Hakl solche Probleme hat, sich das Positive von Mitbestimmung vorzustellen, zeichnet die Wertesysteme der ÖVP sehr gut nach, denn die ÖVP hat sichtlich sehr große Probleme, sowohl, was die Mitbestimmung bei der Gesetzwerdung dieser Reform betrifft, als auch, was die Mitbestimmung als positives Prinzip der Universitäten selbst anbelangt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich versuche, es noch einmal kurz zu erklären: Dass die Leistungsfähigkeit einer Organisation und auch ihre Leistungsbereitschaft ganz wesentlich davon abhängen, dass man institutionell abgesichert ist, sich dort mit dem Sachverstand und dem Verständnis aus der Kenntnis der Materie, mit der man befasst ist, auch einbringen kann, dass das ein wesentlicher Bestandteil einer gut funktionierenden Universität ist, darüber braucht man, glaube ich, nicht zu diskutieren.

Herr Kollege Khol ist jetzt abhanden gekommen. Er hat von "gemischter Zustimmung" gesprochen. – Herr Klubobmann Khol ist nicht einer, der die Leistungen dieser Bundesregierung unter den Scheffel stellt, aber wenn selbst Herr Klubobmann Khol das als "gemischte Zustimmung" beschreibt, dann kann man sich, glaube ich, wohl vorstellen, wie breit und wie groß die Ablehnung dieser Reform bei den Betroffenen selbst tatsächlich ist.


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Das sind Tatsachen, Herr Kollege Westenthaler, und es stimmt, dass Universitätsreformen immer umstritten waren, das ist durchaus richtig. Aber was jetzt die Situation komplett einzigartig macht, sind zwei Dinge:

Punkt eins: Es gibt eine grundsätzliche, große Reformbereitschaft der Betroffenen – aller Betroffenen! –, die Strukturen zu modernisieren, zu verändern, strukturelle Probleme anzugehen und anzudenken.

Punkt zwei, etwas Einzigartiges in dieser Debatte: Es gibt eine flächendeckende Ablehnung aller Betroffenen – quer durch die Lager, quer durch die unterschiedlichen Ebenen – gegenüber dieser Reform. Ich meine, das sollte Ihnen schon zu denken geben.

Die "gemischte Zustimmung" ist, glaube ich, eine überspitzte Formulierung, denn 99,9 Prozent der Betroffenen lehnen diese Uni-Reform eigentlich ab. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich würde mir wünschen, dass man eine – wie hat es Frau Kollegin Hakl genannt? – so lebenswichtige, essentielle Frage mit dem Sinn und dem Sachverstand der Betroffenen in einer Art und Weise diskutiert und vorbereitet, die den Namen "Dialog" auch verdient. Dass das mit Sinn und Sachverstand geschehen muss, ist, glaube ich, keine Frage.

Was mich besonders interessieren würde, ist Ihre Vision einer Universität. Das, was heute zum Ausdruck gekommen ist, ist mehr eine Art Produktionsstätte; Abgeordneter Graf hat gemeint: am Markt vorbeiproduzieren. – Also die dahinter stehende Vision ist sichtlich etwas, das ausschließlich auf Markt und Wirtschaft ausgerichtet ist, und nicht mehr die Stätte, die im Wesentlichen ein Ort ist, wo auch eine gesellschaftliche Verantwortung diskutiert wird, wo eine gesellschaftliche Aufgabe Platz hat und wo es einen Raum für Erkenntnis, für Lehre, für Wissenschaft und Forschung gibt, und nicht ausschließlich eine Ausbildungsmaschine für den Markt und für die Wirtschaft. (Beifall bei den Grünen.)

Das dahinter stehende Konzept ist mir heute überhaupt nicht klar geworden. Welche Vision haben Sie? Was ist eine Universität mit diesen gesellschaftlichen Aufgaben in Ihrem Konzept?

Frau Bundesministerin! Warum wehren Sie sich so gegen den Vorschlag, von der ministeriellen Einflussnahme abzugehen? Warum ist Ihnen das so wichtig? Warum sehen Sie nicht, dass der autoritäre Geist, der damit zum Ausdruck kommt, nicht umsetzbar ist? – Das ist für mich ein Beweis dafür, dass die autoritäre Politik, die in anderen Bereichen schon begonnen hat – in der Justizpolitik, bei der ORF-Reform –, hier weitergehen soll, dass hier eine autoritäre Wende vollzogen und auch eine autoritäre, ausgestreckte Hand des Ministeriums hinein in die Universitäten geschaffen werden soll. Warum wehren Sie sich so dagegen, das einmal sachlich zu diskutieren? Was spricht dagegen, diese ministerielle Einflussnahme abzuschaffen? Warum verteidigen Sie das so?

Zweitens: Warum verteidigen Sie so vehement die Absicht, die Mitbestimmung abzuschaffen beziehungsweise deutlich zu reduzieren? Was ist das Schlechte daran? Ich habe versucht, aus der Rede der Kollegin Hakl das Grundverständnis herauszufiltern, aber es ist mir einfach nicht nachvollziehbar, weil die Mitbestimmung etwas Positives ist und die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft deutlich erhöht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich komme jetzt noch auf ein spezielles Problem zu sprechen. Die Universitätsreform ist in einigen Bereichen überhaupt nicht durchführbar und überhaupt nicht denkbar; der wahrscheinlich sensibelste Bereich, nämlich die Kunstuniversitäten, funktioniert im Grunde genommen ganz anders, als Sie sich das offenbar vorstellen können.

Hiezu ein paar Fragen: Wie soll es in diesem Bereich funktionieren, eine Leistungsvereinbarung zu schaffen? Wie soll man künstlerische Maßstäbe und Kriterien abwägen? Wie soll man hier ein Qualitätsmanagement einführen? Wie stellen Sie sich das vor, die Subjektivität, die solchen Entscheidungen immer innewohnt, auf Ihr Modell zu übertragen? Misst man die Absolventen dann etwa daran, wie viele von ihnen im Theater, im Fernsehen Rollen bekommen haben, wie


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viele Bilder verkauft worden sind? Wie stellen Sie sich denn diese marktwirtschaftlichen Prinzipien im Bereich der Kunstuniversitäten vor? – Das ist einfach nicht durchführbar! Auch mein Einwand dazu ist in diesem Bereich überhaupt nicht durchdacht worden. (Abg. Dr. Martin Graf: Die Qualität der ... soll überprüft werden von den Studenten!)

Wie wollen Sie diese berühmte Degradierung der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen rechtfertigen, wenn etwa ein Arnulf Rainer an der Universität dann zu einem wissenschaftlichen Mitarbeiter degradiert wird? Bei den Kunstuniversitäten ist das ein wesentlicher Bestandteil der Lehre, der nicht nur das Studium ergänzt, sondern eben ein wesentlicher Bestandteil ist. Wie stellen Sie sich das vor? Für mich ist das überhaupt nicht nachvollziehbar.

Ein weiterer Punkt: Die Degradierung von außerordentlichen Professorinnen und Professoren ist aus meiner Sicht auch etwas, was frauenpolitisch extrem bedenklich ist. Das ist ein Bereich, in dem gerade etwas beginnt, was man "ein bisschen Aufholen" nennen kann – mit unseren 7 Prozent Professorinnen liegen wir in der Statistik hinter dem Iran; ich glaube, das ist kein positives Zeugnis. – Gerade diesen Bereich abzuwerten und zu degradieren, zumal überhaupt nicht sichergestellt ist, dass in Hinkunft selbständig Diplomarbeiten, Dissertationen betreut und begutachtet werden können (Abg. Dr. Brinek: O ja, das ist sichergestellt!)  – im Gegensatz zu den Meldungen ist das im Gesetzentwurf überhaupt nicht sichergestellt –, ist extrem bedenklich, und das trifft zu einem großen Teil die Frauen in diesem Bereich.

Ich möchte Sie fragen, ob das nicht auch im Gegensatz zum Frauenfördergebot steht. Was hat man sich dabei überlegt? – Bis jetzt offensichtlich noch nichts!

Ich glaube nicht, dass Sie mit dieser – wie hat es Herr Kollege Khol formuliert? – "gemischten Zustimmung", dass Sie mit diesem Konzept tatsächlich einen Erfolg an den Universitäten für die Zukunft garantieren können. (Abg. Dr. Martin Graf: Es werden gute Erfolge sein!) Wir haben alternative Eckpunkte einer Reform vorgelegt.

Ich denke, vor allem die Stellungnahme der Rektorenkonferenz ist ein vernichtendes Urteil für diese Reform, und ich glaube nicht, dass deren Mitglieder sich durch Drohungen wie Amtsmissbrauch einschüchtern lassen, wenn sie ein Protestrecht in Anspruch nehmen. Ich weiß nicht, ob jetzt alle Professorinnen und Professoren zumindest in der Bewertung zu Hooligans degradiert werden sollen. Ich denke, das ist keine Form des Dialogs, wie man mit dem Protest, der durchaus seine Berechtigung hat, umgeht.

Ein Letztes, was mir besonders am Herzen liegt: Ich glaube, dass Sie in vielen Bereichen wenig Verständnis dafür haben, wie eine freie Universität funktionieren soll, dass sie auch andere Aufgaben hat, gesellschaftspolitische Aufgaben hat, dass sie ein Ort, ein Freiraum der Erkenntnis, des Wissens und der Lehre sein soll und nicht ausschließlich eine Ausbildungsmaschine. All das wird in diesem Entwurf mit Füßen getreten! Es geht in Richtung einer Anpassung an Marktprinzipien, die in diesem Bereich einfach nichts verloren haben. Ein solcher Aufsichtsrat funktioniert vielleicht nicht einmal in der Wirtschaft, aber an den Universitäten schon gar nicht.

In dem hoch sensiblen Bereich der künstlerischen Freiheit, der ästhetischen Ausbildung, wo Österreich viel an Qualität zu verlieren hat, sollten Sie diesen Entwurf komplett zurücknehmen und eine neue Ausarbeitung vorlegen, die den Besonderheiten und den Gefahren, die Sie bei der Qualität berücksichtigen sollten, in irgendeiner Weise Rechnung trägt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil zu Wort gemeldet. Maximale Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

16.57

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Wissen Sie, was in diesem Land nach Jahrzehnten sozialdemokratischer Universitätspolitik wirklich entstanden ist? (Abg. Dr. Mertel: Primaria!)  – Abhängigkeiten! Abhängigkeiten, Frau Kollegin! Abhängigkei


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ten und Angst, Angst vor Autonomie und Angst vor Eigenverantwortung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Nur demokratische Selbstverwaltung garantiert echte Autonomie, sagt Herr Dr. Gusenbauer. Und was macht er? – Flugs erhöht er die Zahl der Mitglieder des Universitätsrates von fünf auf elf, ganz nach dem alten Proporzdenken. Die Professoren kontrollieren sich selbst. Nähme man den Universitätsrat, den wir vorschlagen, dann gäbe es fünf Mitglieder – vier einigen sich noch auf ein weiteres –, und dann käme es doch glatt zu schnellen, effektiven Entscheidungen wie etwa über die Budgetzuteilung.

Aber Schnelligkeit ist weder die Sache der Sozialdemokraten noch die Sache der Grünen, denn der Klubobmann der Grünen Van der Bellen hat die gute Idee: Verschieben wir doch die Reform! – Na bitte, verschieben wir sie doch! Wir haben ja erst 300 Gespräche geführt, zwei Enqueten und sechs Infoplattformen veranstaltet. Verschieben wir sie, dann können wir scheinargumentieren, dann haben wir Zeit zum Angstmachen, und dann haben wir Zeit zum Mobilisieren von Demos! – Das, meine Damen und Herren, ist der Hintergrund, so schaut es aus! (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Herr Dr. Gusenbauer, haben Sie vergessen, dass 1975, als die SPÖ die Uni-Reform im Alleingang durchgeführt hat, die Uni-Rektoren ihren Rücktritt eingereicht haben? – Davon spricht man heute nicht.

Was haben wir heute? – Wir haben noch immer funktionierende Unis, ja, aber jeder, der sich auskennt, weiß, wir haben auch heillos überfüllte Unis, die am längsten Studierenden der Welt, die höchste Drop-out-Rate, zeitweise nur nach dem Zufallsprinzip stattfindende Veranstaltungen und eine unklare Budget- und Leistungstransparenz. – Na bravo! Das heißt, diese Gesetzesnovelle ist dringend erforderlich, diese Gesetzesnovelle ist ein Paukenschlag, und wir brauchen eine Paukenschlagreform. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

Der Präsident der TU München hat unseren Gesetzentwurf als liberal gelobt und hat gesagt, dass die Reform in Bayern unwesentlich und wesentlich weniger weitgehend war.

Meine Damen und Herren! Weil heute schon so oft damit argumentiert wurde, es gebe keine Zustimmung: Gestern Abend hat sich das Universitätskollegium der Grazer Universität mit Zweidrittelmehrheit, mit 18  :  9 Stimmen, von den Professoren her einstimmig, wiederum für eine eigene medizinische Universität ausgesprochen. – Natürlich gibt es einen Kampf, natürlich gibt es eine Diskussion, aber das ist ganz klar wieder eine Deklaration der Universität, und zwar von jenen Leuten, die dort arbeiten, nämlich vom Fakultätskollegium, ein klares Bekenntnis zur eigenen medizinischen Universität. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Die Zukunft verlangt, dass auch Universitätsspitäler entsprechend konkurrenzfähig und ökonomisch geführt werden. Es bedarf ganz einfach durchgehender medizinischer Leistungsstrukturen, die eben in der Gesamtuniversität für die Medizin nicht gegeben sind. Graz sagt, dass Konzepte für die Organisation und Finanzierung von Lehre und Forschung dem Trennungsprinzip und dem Transparenzprinzip folgen müssen.

Das heißt, um weiterhin europäisch und international konkurrenzfähig zu sein, bedarf es dieser Uni-Reform in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Es ist großer Diskussionsbedarf gegeben – in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten! Hören Sie endlich damit auf, Menschen zu bevormunden! Lassen Sie sie in ihrer eigenen Autonomie ihre eigenen Wege und ihre eigenen Strukturen finden! Was wir wollen, ist nicht nur die Reform oben drauf, sondern auch die Reform wirklich mittendrin. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

17.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Mikl-Leitner. – Bitte.

17.02

Abgeordnete Mag. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geschätzte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vorerst möchte ich dir, sehr geehrte Frau Minister, ein herzliches Danke sagen und zu dieser


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Universitätsreform herzlich gratulieren. Wichtig ist es, nicht nur die Ideen dazu zu haben, sondern auch, die dazu notwendigen Schritte zu setzen. Dafür vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gerade die von dir angedachte Autonomie kann und muss unsere volle Unterstützung erhalten, denn eben diese Autonomie ist eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Zukunft unserer Universitäten. Wir alle wissen es, wir leben in einem Zeitalter des weltweiten Wettbewerbs, und hier ist es vor allem wichtig, schnell agieren und reagieren zu können. Diese weitgehende Autonomie mit klar definierten Rahmenbedingungen bildet dabei die Basis für eine funktionierende Partnerschaft zwischen den Universitäten und der Politik.

Wir wollen diesen erfolgreichen Weg in die Zukunft fortsetzen, und deswegen ist es auch wichtig, dass wir dem internationalen Wettbewerb standhalten können. Daher ist es wichtig, uns den internationalen Entwicklungen nicht zu verschließen und uns von diesen internationalen Entwicklungen nicht abzukoppeln.

Wettbewerb, Qualität und Leistung gewinnen immer mehr an Bedeutung. 82 Prozent der Bevölkerung haben erkannt, dass diese Reform eine richtige Reform ist. 82 Prozent der Bevölkerung sprechen sich für diese Reform aus und sind davon überzeugt, dass wir damit den richtigen Weg gehen.

Umso mehr freut es auch, dass dies von unseren bayerischen Nachbarn bestätigt wird. Ich denke hier an Universitätsprofessor DDr. Herrmann von der TU München, der gleichzeitig auch Vorsitzender der Bayerischen Rektorenkonferenz ist, der unserer geschätzten Frau Bundesministerin einen phänomenalen Ruf in Deutschland attestiert. Er attestiert ihr deswegen einen guten Ruf, weil vor allem das Ministerium nicht einmal in die Satzungshoheit der Universitäten eingreifen möchte. Das, meine Herrschaften, ist Liberalität. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich finde, es ist traurig, dass gerade bei einem solch wichtigen Thema mit Falschmeldungen und Angstparolen agiert wird, anstatt konstruktiv mitzudiskutieren und mitzugestalten. Ich darf die Damen und Herren von der Opposition noch einmal daran erinnern, dass wir uns noch immer in der Begutachtungsfrist befinden. Für mich heißt Begutachtung, den Dialog zu pflegen und den Dialog auch zu finden.

Ungeheuerlich erscheint mir vor allem der Vorwurf, dass das Gespräch mit den Betroffenen nicht gesucht worden sei. – Ich meine, die Daten und Fakten sprechen für sich. Ich denke hier an die 300 Gespräche, die mit den Vertretern der Universitäten geführt worden sind, an die zwei Enqueten im Parlament, an die sechs Informationsplattformen, an die über 200 schriftlichen Stellungnahmen und an einiges mehr. Ich glaube, das ist Beweis genug.

Ihnen von der Opposition geht es meines Erachtens rein darum, Widerstand zu säen, den Konflikt zu schüren und den Streik zu provozieren. Ich appelliere an Sie alle: Tragen wir diesen Konflikt nicht auf dem Rücken unserer Studierenden aus! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Apropos Studenten. – Es stimmt nicht, dass die Mitsprache der Studierenden abgeschafft wird. Es stimmt nicht, dass die Studienbeiträge durch diese Reform um ein Vielfaches erhöht werden. Vielmehr stimmt, dass die Studierenden bei der Qualität der Lehre, bei der Verteilung ihrer Studienbeiträge und bei den Studienplänen mitbestimmen und mitgestalten sollen.

Unverständlich erscheinen mir die Vorschläge von der SPÖ. Ich denke etwa an den Vorschlag, was den Universitätsrat betrifft. Dies ist für mich in keinster Weise ein Fortschritt, sondern dokumentiert nur, dass von der SPÖ keine Verantwortung übernommen werden soll und dass hier in alten Strukturen und in alten Formen gedacht wird.

Unser Anliegen lässt sich ganz kurz in einigen Punkten festhalten. Wir stehen für eine Top-Ausbildung unserer Studenten, wir wollen die Universitäten zur Weltklasse führen, wir wollen die Universitäten in die Gesellschaft zurückführen. Wir wollen weg von der Verordnungskultur hin


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zur Vereinbarungskultur, weg vom Abschieben der Verantwortung hin zum Tragen von Verantwortung. Wir wollen ein modernes Management mit großer Effizienz, wir wollen die Mitbestimmung aller Beteiligten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte.

17.08

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Minister! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Minister, die Sie abfällig vom alten Kuriendenken gesprochen haben: Jene Leute, die sich bisher an den Universitäten in Kurien geschart haben, wissen, was sie wollen und was sie nicht wollen.

Herr Abgeordneter Khol hat heute davon gesprochen, dass er im Bewusstsein des parlamentarischen Prozederes jene im Elfenbeinturm an den Universitäten ...

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter, dass ich Sie kurz unterbreche.

Frau Abgeordnete Petrovic, ich würde ersuchen, Telefongespräche außerhalb des Plenarsaales zu führen. (Abg. Dr. Mertel: Das gilt aber auch für den Herrn Khol, wenn er telefoniert!)

Bitte setzen Sie fort, Herr Abgeordneter Posch!

Abgeordneter Mag. Walter Posch (fortsetzend): Ich gehe davon aus, Herr Abgeordneter Khol, dass Sie sich noch ab und zu an den Universitäten werden sehen lassen wollen, obwohl Sie jenen, die Sie als im Elfenbeinturm sitzend bezeichnen, mit Amtshaftung drohen, wenn sie sich widerspenstig oder kritisch zur Vorlage äußern.

Tatsache ist, dass es zahlreiche Resolutionen gegeben hat, dass sich an der Universität Graz ein Notstandskomitee gebildet hat, das die Erhöhung des politischen Einflusses von Regierung und Wirtschaft auf die Universitäten befürchtet. Wie immer man das auch beurteilen mag, wie immer man auch die Partikularinteressen beurteilen mag, Tatsache ist, dass es von mehreren Seiten zahlreiche Rücktrittsaufforderungen an Sie, Frau Minister, gegeben hat.

Die Kritik am Entwurf kulminiert konkret in sechs Punkten, wie ich meine. Der erste ist der Universitätsrat mit seiner universitätsfernen Fremdbestimmung, der zweite die Reduktion der Mitgestaltungsrechte der Uni-Angehörigen. Tatsächlich wurden die Partizipationsrechte des UOG 1975 eingeschränkt.

Dritter Punkt: Das UOG 2002 demotiviert die Uni-LehrerInnen, Stichwort Leistungsvereinbarungen und Leistungsziele. Es demotiviert vor allem den Mittelbau; immerhin sind 53 Prozent aller Universitätslehrer Assistenten.

Die Einbeziehung des Studienrechts ist völlig missglückt. Die Arbeit der Studienkommissionen der letzten Jahre war in Wahrheit fast völlig umsonst (Abg. Dr. Khol: Vergeblich!), und nicht zuletzt befürchten die Betroffenen auch, dass das Universitätsgesetz 2002 zu einer gewaltigen Aufblähung des Verwaltungsapparates führen wird. Nicht umsonst sagt die Aktionsgemeinschaft, die uns wahrlich nicht nahe steht, ja zu einer Unireform, aber nicht zu dieser. Sie sagt: Es kann nicht sein, dass wir Studierende zur Kasse gebeten werden und gleichzeitig unsere Mitbestimmung eingeschränkt wird. Wenn wir schon zahlen müssen, dann fordern wir auch!

Ein nicht unbedeutender Universitätsangehöriger, der Präsident der österreichischen Rektorenkonferenz, Professor Dr. Georg Winckler, sagt: Eines haben wir immer gehabt, sieht man vielleicht von der Metternich’schen Zeit ab: Wir haben die Selbstverwaltung im Sinne der Selbstbestellung gehabt. – Da fragt man sich: Warum fällt dem Präsidenten Winckler im Zusammenhang mit dieser Reform ausgerechnet Metternich ein? Das macht bei dieser Reform doch nachdenklich.


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Tatsache ist, dass der Universitätsrat – dieser fünfköpfige universitätsferne Universitätsrat – zahlreiche zentrale Kompetenzen erhält, für die Entscheidung aber niemandem verantwortlich ist. Tatsache ist auch, dass mit der Drittmittelfinanzierung der Einfluss großer Geldgeber von außen, der Einfluss der Großindustrie nicht zuletzt auch auf die Forschung besteht, und Tatsache ist auch, dass es keine Folgekostenrechnung gibt.

Zur Leistungsvereinbarung wurde schon sehr viel gesagt. In Wahrheit sind noch keine strategischen Ziele beziehungsweise Leistungsziele auf dem Gebiet der Hochschulpolitik definiert, und daher gibt es auch keinen Bezugspunkt für diese Leistungsvereinbarungen.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich im Übrigen der Meinung bin, dass zwischen dem affirmativen, den Nationalsozialismus verharmlosenden "Nazi"-Buchstabieren des Abgeordneten Gaugg und dem zynisch-sarkastischen "Sieg Heil!"-Zwischenruf des Abgeordneten Edlinger, der eine klare Distanz zum Nationalsozialismus erkennen lässt, ein gewaltiger Unterschied besteht. Es erhebt sich daher die Frage, worauf sich Ihre moralische Empörung heute Vormittag eigentlich bezogen hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Ziehen Sie die Debatte jetzt noch einmal hoch?) Sie haben in Wahrheit mit Ihrem Verhalten heute Vormittag, mit dem Auszug aus dem Plenarsaal, die Antwort sich selbst eindrucksvoll gegeben. (Beifall bei der SPÖ.)

17.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.13

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Posch hat ausgeführt, ich hätte allen, die an der Regierungsvorlage Kritik üben, mit der Amtshaftung gedroht.

Dem stelle ich den richtigen Sachverhalt gegenüber: Ich habe alle jene auf die Amtshaftung aufmerksam gemacht, die den Studierenden sagen, am Aktionstag gibt es keine Prüfung, und ich werde auch keine weitere Prüfung mehr abhalten.

Es geht um die Rechte der Studierenden – und um nichts anderes! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. – Bitte.

17.14

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Kumulierte Jahresringe haben auch ihren Vorteil. Ich habe nämlich noch die alte Ordinarienuniversität selbst als Ordinarius erlebt, eine Zeit, in der jeder Lehrkanzelinhaber sein Duodez-Fürstentum nach Gutdünken mehr oder weniger beschaulich einrichten konnte. Dieser Beschaulichkeit bin ich stets entgegengetreten.

Allerdings habe ich umgekehrt 1973 in einem öffentlichen Vortrag vor der Österreichischen Akademie der Wissenschaften – der Vortrag wurde abgedruckt und ist nachlesbar – vor dem bevorstehenden UOG gewarnt, und zwar mit den Worten: "Missverstandene Demokratisierung führt zur Diktatur der Inkompetenz."

Hohes Haus! Genau dies ist eingetreten. Musste man sich vor dem UOG mit ein paar Professoren gut stellen, wenn man auf der Universität weiterkommen wollte, so waren es nach dem UOG ein paar linke Studentencapos, die de facto bestimmten, wer Professor werden dürfe. Ich kann gerne Beispiele dafür anführen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auch hat die Mitbestimmung auf den unteren Ebenen überhaupt nichts an den Duodez-Fürstentümern geändert. Platzte in einem Institut der Hörsaal aus allen Nähten und stand der im Nachbarinstitut praktisch leer, so mauerten in diesem Institut alle Kurien gemeinsam gegen eine sinnvolle Neuordnung.


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Dasselbe hat sich im Senat abgespielt. Ich habe im Senat der Universität Wien – gemeinsam mit Kollegen Loitlsberger – einmal angeboten, dass wir beide einen Kriterienkatalog erarbeiten, auf Grund dessen die außerordentlichen Dotationen auf die Fakultäten nach deren objektiven Bedürfnissen in Lehre und Forschung aufgeteilt werden könnten. – Lähmendes Entsetzen quer durch alle Kurien! Man wollte nicht einmal wissen, ob man bei diesem Schlüssel, bei der seit Jahren mit zwei Dezimalen eingefrorenen Aufteilung auf die Fakultäten, eigentlich Nutznießer oder Geschädigter war.

Ich hatte auch ein umgekehrtes Schlüsselerlebnis: 1968 besuchte ich in Massachusetts den berühmten, aus Österreich stammenden Ökonomen Gottfried Haberler. Ich fragte ihn am Telefon, ob ich um halb drei Uhr vorbeikommen könne. Er antwortete: Leider nein, da habe ich nämlich Vorlesung. Die Zeit passt mir überhaupt nicht, aber seit Jahren gelingt es mir nicht, von dieser Zeit wegzukommen! – Tableau!

Hohes Haus! Die Reform von 1993 hat zu wenig gegriffen. Die nunmehr in Diskussion stehende Reform schafft endlich die Voraussetzungen dafür, dass der bisher dominierende Kantönligeist auf gemeinsame Ziele ausgerichtet werden kann (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), im Interesse der Studierenden und im Interesse des Steuerzahlers. Ich freue mich! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schender. – Bitte.

17.17

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist mehrfach von den Abgeordneten dieser Regierung darauf hingewiesen worden, dass wir uns nach wie vor im Begutachtungsprozess befinden, was dieses Gesetz betrifft, dass wir uns nach Abschluss dieser Begutachtungsphase die Stellungnahmen ansehen und dann darüber diskutieren werden. Gute, richtungsweisende Vorschläge werden selbstverständlich aufgegriffen und angenommen werden.

Ich verstehe daher nicht, warum bereits in diesem Stadium, in dieser Phase mit Streiks gedroht wird, mit Niederlegung der Arbeit gedroht wird. Ich verstehe nicht, wenn damit gedroht wird, dass den Studenten keine Prüfungen mehr abgenommen werden, dass keine Lehrveranstaltungen mehr durchgeführt werden und so weiter.

Meine Damen und Herren! Wir wollen eine zukunftsorientierte Reform, wir wollen eine weitgehende Reform, die endlich die Vollrechtsfähigkeit bringt, die endlich den Universitäten auch die Autonomie und die Hoheit in wesentlichen Bereichen bringt – im Bereich der Budgetpolitik, der Personalpolitik, der Ressourcen und der Organisation, denn dadurch wird es endlich möglich sein, flexible Gestaltungen vorzunehmen. Dadurch wird es für die Universitäten endlich möglich sein, ein eigenständiges Profil zu entwickeln. Und letztendlich und vor allem wird es dadurch möglich sein, auf die Bedürfnisse, auf den Bedarf der einzelnen Universität einzugehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist wohl klar: Die jeweilige Universität wird selbst wohl am besten wissen, wo Investitionen notwendig sind, wo mit Verbesserungen anzusetzen ist.

Daher wird dieses Gesetz die Situation an den österreichischen Universitäten ganz erheblich verbessern. Es wird mehr Leistung geben, es wird mehr Wettbewerb geben, es wird mehr Internationalität geben, und es wird – das ist für die Studenten sehr wichtig – bessere Studienbedingungen geben, und das wird vor allem den Studenten zugute kommen.

Meine Damen und Herren! Daher verstehe ich die Politik der ÖH, der Studentenvertreter ganz und gar nicht! Ich finde sie geradezu verwerflich und unverständlich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Wenn hier von Seiten der linken ÖH-Führung mit gezielten Fehlinformationen der eigenen Mitglieder vorgegangen wird, wenn Unterschriftenlisten durchgegeben werden, wenn fälschlicherweise davon gesprochen wird, dass die Lehre gefährdet ist, wenn in Flugzetteln geschrieben wird, dass es zu massiven Beeinträchtigungen bis hin zum völligen Zusammenbruch der Lehre kommen wird, dann ist das die blanke Unwahrheit und eine Skandalisierung, die keinen Platz haben darf. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Oder wenn davon gesprochen wird, dass dieser Entwurf Knockout-Prüfungen vorsieht: Das ist die blanke Unwahrheit! Wenn von der ÖH davon gesprochen wird, dass es zu einem Ende der Mitbestimmung kommen wird: Das ist die blanke Unwahrheit! Wahr ist vielmehr, dass Qualität statt Quantität in der Mitbestimmung zum Tragen kommen wird, und das ist gut so, meine Damen und Herren.

Es wird Mitsprachemöglichkeiten für Studenten und Studentenvertreter in allen Bereichen geben, die die Studenten betreffen. Es wird Mitsprache in allen Prüfungsangelegenheiten geben, es wird Mitsprache in allen Studienangelegenheiten geben, und es wird erstmalig – ich betone: erstmalig! – eine ernst zu nehmende Lehrveranstaltungs-Evaluierung stattfinden, die auch zu Ergebnissen führen wird. Das alles sind Dinge, die die Qualität verbessern werden.

Es werden wie bisher – Kollege Graf hat es angesprochen – 25 Prozent der Plätze im Senat von Studenten besetzt werden. Es werden in allen Gremien der Universitäten, die diese nach ihren Satzungen autonom einrichten können, 25 Prozent der Anzahl der Mitglieder für die Studenten reserviert sein. Es werden die Rechte der Studierenden unberührt bleiben, etwa die Einsichtnahme in Prüfungsprotokolle, die Anfechtung von Prüfungsentscheidungen, die Anerkennung von bereits absolvierten Prüfungen und ähnliche Rechte, meine Damen und Herren.

Es betreibt hier eine von nur ungefähr 20 Prozent der Studierenden legitimierte Vertretung, eine nur so schwach legitimierte Standesvertretung gezielte Panikmache! Das ist unverantwortlich, das ist nicht ihrem Auftrag entsprechend, und das ist unseriös, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dafür haben aber die grünen Studenten – bitte erlauben Sie mir, ein bisschen abzuschweifen – mittlerweile eine eigene Cannabis-Beauftragte, die durch die Lande zieht und dafür wirbt, dass der Drogenkonsum legalisiert werden soll und dass das eigentlich etwas Gutes ist. Die grünen Studenten haben für ihre Gruppe bezeichnenderweise die Kurzform "GRAS" gewählt – nomen est omen; kein Wunder, dass man an nichts anderes mehr denken kann, wenn man so heißt. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Diese Studenten-Organisationen haben auf ihrer Homepage Links zu anderen Internet-Seiten, wo Dinge beschrieben werden wie zum Beispiel: "Wie kiff’ ich am besten?", Eimerrauchen, "Mini-Blubber" – mit Bauanleitung selbstverständlich – und eine Anleitung zum Bau der Vier-Personen-Party-Bong, also wirklich "schöne" Sachen! Es steht auch drinnen, wie man sich Hasch-Cookies macht – all das findet sich auf den Web-Seiten der grünen Studenten-Vertreter! (Abg. Dr. Glawischnig: Wie man sich was macht? – Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! Das ist keine Studentenpolitik, die sinnvoll und notwendig ist! Und ich fordere die Studentenvertreter – einige befinden sich heute ja hier in den Zuhörerreihen –, ich fordere euch auf: Kommt wieder zurück zu eurer eigentlichen Aufgabe, zu eurer ureigentlichen Aufgabe! Vertretet die Studenten! Vertretet eure Mitglieder, die ihr in eurer Standesvertretung betreuen sollt! Nehmt ihre Anliegen ernst, dann werden auch die Studenten diese Standesvertretung wieder ernst nehmen, und es werden nicht nur 20 Prozent zu den Wahlen gehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.23

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

17.24

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! (Zwischenruf des Abg. Kurzbauer.  – Heiter


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keit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Es ist ja erstaunlich, wozu Sie eine Wissenschaftsdebatte animiert. (Abg. Ing. Westenthaler: Uns animiert etwas anderes! Es ist die Kombination von Telefon und ...!)  – Dann sind Sie offenbar nicht beim Gegenstand, und das ist ja wirklich sehr bedauerlich. (Abg. Dr. Khol: Wir sind bei Ihnen!)  – Na das ist ja wieder schön! Das ist ja wieder schön und freut mich.

Allerdings: Das, was in dieser Debatte hier ans Tageslicht kam, muss ich fast sagen, gibt mir doch sehr zu denken, Frau Bundesministerin, denn die blau-schwarze Vorstellung von Autonomie – irgendwo zwischen drohender Amtshaftung, ministeriellen Vorgaben bis hin zu einem ministeriellen Diktat und einer Notenverteilung durch blau-schwarze Abgeordnete, was sie denn dürfen und was nicht –, das ist, mit Verlaub, nicht das, was ich unter dem Wort "Autonomie" verstehe. Aber es scheint seit gestern hier in diesem Haus eine gewisse Schwierigkeit mit Fremdwörtern zu geben. (Beifall bei den Grünen.)

An sich ist es die Aufgabe der Wissenschaft und der Universitäten schlechthin, kritisch zu sein, skeptisch zu sein, Etabliertes in Frage zu stellen, andauernd die überkommenen Erkenntnisse zu prüfen und die Bereitschaft zu haben, sie erforderlichenfalls zu revidieren. Wenn ich dann aber eine Debatte wie die heutige erlebe, Frau Bundesministerin – ich komme jetzt nicht primär auf die vielen Fach- und Sachargumente in Sachen Mitbestimmung und so weiter zurück, die schon gefallen sind, sondern ich meine nur das, was hier und heute auch von Ihnen in dieser Debatte gesagt wurde –, dann würde ich sagen, das bestätigt alle Kritikerinnen und Kritiker.

Sie haben begonnen und haben gesagt: Ich habe die Vertreter der ÖH eingeladen, sie sind nicht gekommen, aber das ist ihre Aufgabe als gewählte Mandatarinnen und Mandatare. Sie sollten sich um Prüfungswiederholungen und Ähnliches kümmern. – Mit Verlaub, Frau Bundesministerin, ich beobachte seit geraumer Zeit, dass Sie die Vorgaben machen, was die Aufgabe der ÖH ist, vielleicht auch, was die Aufgaben der Grünen oder der sozialdemokratischen Fraktion sind. Aber – in aller Form –: Das ist nicht Ihre Aufgabe, sich darüber Gedanken zu machen, was die Aufgabe der Studierenden ist!

Das ist das Grund-Missverständnis, das zwischen Ihnen und den anderen Beteiligten an Universitas offenbar herrscht, und das macht es auch schwer, mit Ihnen in ein Gespräch zu gehen, wenn Sie sagen: Es steht einmal von vornherein fest, worüber wir reden.

Frau Bundesministerin, Sie haben wörtlich gesagt: Wir haben neu nachgedacht über die Ziele, die Organisation, die Finanzierung und die Mitsprache. – Mit Verlaub: Was, glauben Sie, soll dann die Rolle der GesprächsteilnehmerInnen sein, wenn Sie ohnehin schon "nachgedacht" haben, die Ergebnisse fertig sind und Sie sagen: Ein paar Marginalien dürft ihr vielleicht anbringen? – Das ist der grundsätzliche Unterschied! Das ist nicht unser Verständnis von Universität und von Autonomie. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Bundesministerin, Sie haben ferner gesagt, in Sachen Mitsprache schlagen Sie vor, wir mögen doch dieses antiquierte Kuriendenken überwinden. – Ich kenne ähnliche Aussagen schon aus einer anderen Debatte, nämlich aus der Debatte in Sachen Gesetzesaufsicht im Zusammenhang mit der Sozialpartnerschaft. Ich habe die Worte noch im Ohr! Damals hat es geheißen: Wozu brauchen wir ein eigenständiges Wirtschaftsministerium und ein Sozialministerium mit der Kompetenz der Gesetzmäßigkeitskontrolle in Sachen der Vertretung der ArbeitnehmerInnen? Wir sind doch alle schon längst über diesen Gegensatz hinweg, es gibt doch nur noch florierende Betriebe, und da ziehen doch alle an einem Strang!

Wir haben dann gesehen, was das bedeutet hat: Es ist de facto ausschließlich und in einer höchst personifizierten Form in den ÖGB eingegriffen worden! Es ist dort vom Wirtschaftsminister ein Köpferollen veranstaltet worden, und nur in dieser Rolle hat er agiert. In allen Angelegenheiten ist de facto die Wirtschaftskompetenz über die Sozial- und Arbeitskompetenz gestellt worden.

Und wenn ich jetzt wieder Worte höre wie: Die alten Kurien, was kümmert uns das?, dann befürchte ich Schlimmes. Selbstverständlich gibt es Interessengegensätze zwischen den wenigen


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Professorinnen und dem großen Heer der Professoren und zwischen dem Mittelbau und den Studierenden. Und selbstverständlich ist es Aufgabe der Universitas, sich in irgendeiner Form zu einigen und zu einer vernünftigen, zu einer handlungsfähigen Gesamtheit zu werden.

Aber wenn Sie die Gegensätze leugnen, indem Sie ganz klar die Vorgaben von oben her machen, und zwar im Bündnis mit nur einer dieser Kurien, dann muss ich sagen: Genau das ist es, was wir an dieser Reform kritisieren.

Sie haben uns mit Ihrem Redebeitrag – da brauche ich nicht auf die einzelnen Paragraphen einzugehen – eigentlich erneut bewiesen, dass Sie von einem modernen Universitätsverständnis, einem Verständnis von einem Universitätssystem, in dem es gleichberechtigte Partnerinnen und Partner, Teilnehmerinnen und Teilnehmer gibt, wirklich nichts wissen wollen, und das ist traurig! (Beifall bei den Grünen.)

17.30

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Die Rednerliste ist erschöpft.

Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich nehme jetzt die Verhandlungen über den 9. Punkt der Tagesordnung betreffend Novellierung des ASVG wieder auf.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte.

17.30

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben über diesen Initiativantrag schon vor der Behandlung der Dringlichen Anfrage sehr ausführlich gesprochen. Meine Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen! Im Grunde handelt es sich dabei um einen ganz unverfänglichen Antrag für eine Gesetzesnovelle. Es geht lediglich darum, dass Verantwortungsbereiche möglichst früh geklärt werden, damit klar ist, wer ab 1. Jänner 2003 die Verantwortung für diese Pensionsversicherung für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber hat.

Ich finde nicht, dass irgendwelche Probleme damit verbunden sein können. Ich weise auf jeden Fall die Angriffe und die Unterstellungen zurück. Hier geht es nicht darum, die Selbstverwaltung irgendwie auszuhöhlen. Es geht nicht darum, dass man irgendwelche parteipolitischen Maßnahmen setzen möchte. Es geht nicht darum, dass man etwa die Sozialpartner zurückdrängen wollte – in keiner Weise!

Es gibt keine Veränderung der Mehrheitsverhältnisse. Alles bleibt gleich. Die Sozialversicherung wurde heute gelobt. Jawohl, wir stehen zur Sozialversicherung, wir stehen zur Pensionsversicherung. Da gibt es überhaupt nichts. Und wenn Sie, meine Damen und Herren, dagegen sind, dann kann ich nur sagen, das entsteht offenbar aus einer gewissen Verärgerung heraus. Sie sollten eigentlich eine Lehre daraus ziehen. Die Angleichung der Bestimmungen für Arbeiter und Angestellte mussten wir, FPÖ und ÖVP, in den wichtigen Punkten schlussendlich allein beschließen.

Die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten für Arbeiter und Angestellte müssen wir allein beschließen. Wir tun es! Wir tun es gerne! Aber ich möchte Ihnen doch sagen: Eigentlich waren das Anliegen, die immer wieder auch von Ihrer Seite unterstrichen worden sind, als wichtig erachtet worden sind. Ich verstehe nicht, dass Sie hier nicht mitgehen können, dass Sie das nicht mit uns mittragen können, meine Damen und Herren von der Opposition. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte aber auch noch etwas Zweites sagen: Der Herr Minister hat schon sehr ausführlich zu den Ambulanzgebühren Stellung genommen. Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie sagen nichts davon, dass Eisenbahner, Bauern, Selbständige, öffentlich Bedienstete selbst


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verständlich schon seit langem Ambulanzgebühren bezahlen müssen. (Abg. Schwarzenberger: Schon seit Jahrzehnten!) Da gibt es keine Ausnahmen. Alle zahlen Ambulanzgebühren.

Bei den Arbeitnehmern, bei den unselbständig Beschäftigten in der Privatwirtschaft gibt es jedoch sehr wohl Ausnahmen. Die Ambulanzgebühr ist ein Problem des Zusammenwirkens der Gebietskrankenkassen mit anderen Verwaltungsstellen. Nur dieses Problem haben wir, meine Damen und Herren, und kein anderes Problem.

Ich bedauere es, dass der ÖGB Personen auffordern kann, gegen einen Bescheid ohne rechtliche Grundlage, ohne sachliche Notwendigkeit Berufung einzulegen. Ich finde, das ist eine Unverschämtheit (Abg. Verzetnitsch: Die Ambulanzgebühren sind eine Unverschämtheit!), dass Sie das tun und dass Sie Bürgerinnen und Bürger dazu auffordern.

Meine Damen und Herren! Herr Präsident Verzetnitsch! Ich würde mir nie erlauben, jemanden aufzufordern, gegen einen Bescheid ohne rechtliche Grundlage Berufung einzulegen. Sie schaden dem betreffenden Menschen! (Abg. Verzetnitsch: Nein, überhaupt nicht!) Er zahlt mehr, er hat zusätzliche Kosten und keinen Erfolg. Er kann keinen Erfolg haben, wenn der Bescheid korrekt ausgestellt worden ist, meine Damen und Herren.

Was Sie hier tun, Herr Präsident Verzetnitsch, was der ÖGB in Oberösterreich tut, ist nicht korrekt. Das hat es noch nie gegeben, noch gar nie, dass auf diese Art und Weise der Rechtsstaat in Frage gestellt worden ist, wie das von Ihnen, von einzelnen ÖGB-Gewerkschaftern gemacht wird. Ich sage nicht, dass das alle tun. Einzelne tun es, und das ist bedauerlich. (Abg. Dietachmayr: Tausende machen das!)

Sie werden sehen, durch die Maßnahmen, die wir jetzt setzen, werden wir zu Kosteneinsparungen in der Sozialversicherung beitragen. Es wird eine Verbesserung der Situation für Arbeiter und Angestellte geben, weil sie viele Vorteile durch diese Zusammenlegung haben. Ich bedauere noch einmal, dass es nicht möglich war, hier zumindest die SPÖ für eine Zustimmung zu gewinnen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.35

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.

17.35

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte in meinem Beitrag noch einmal kurz darauf eingehen, warum wir den Antrag der Kollegen Silhavy und Dietachmayr nicht mittragen können. Werte Kollegen von der SPÖ! Wenn man zu einer Verbesserung im Sozialversicherungsbereich gerade der Bauern und der Gewerbetreibenden beitragen wollte, dann ginge es darum, im Vorfeld wirklich eine Tiefenanalyse vorzunehmen, die unserer Auffassung nach auch dringend erforderlich ist. Ich werde versuchen, das anhand von einigen Beispielen kurz darzustellen.

Eines ist jedoch wesentlich, und ich glaube, dieses Argument sollten wir aus dem Weg räumen: Die hohen Zuschüsse, die für die Bauernsozialversicherung notwendig sind, haben natürlich auch damit zu tun, dass die bäuerliche Bevölkerung seit Jahrzehnten auf Grund struktureller Entwicklungen schrumpft. Lassen Sie mich das exemplifizieren: Seit 1995 wurde der Anteil der Bäuerinnen und Bauern beziehungsweise der bäuerlichen Arbeitsplätze jährlich um 5 000 Betriebe verringert. In Summe gibt es seit 1995 um 35 000 Betriebe weniger. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Das ist eine Tatsache, die ich nicht als positiv werten kann. Das ist auch ein Problem, mit dem wir uns beschäftigen sollten.

Das andere Problem ist natürlich, dass von 1 000 pensionsversicherten Bäuerinnen und Bauern etwa 980 Pensionisten zu decken sind, während es im Bereich der Angestellten nur 420 Pensionisten sind. – Das sind alles Fakten, die wir kennen und anhand derer wir uns auch das System der Beitragsgrundlagenberechnung der bäuerlichen Sozialversicherung einmal genauer ansehen sollten. Also in dieser Richtung würden wir Sie unterstützen. Wir glauben auch, dass es einen Reformbedarf gibt, keine Frage!


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Jetzt zum konkreten, aktuellen Anlass. Herr Kollege Donabauer, Sie werden schon wissen, womit ich jetzt fortfahren werde. Es geht um die letzten Maßnahmen, die Sie beschlossen haben, nämlich um die 25. Novelle des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes, mit der Sie zusätzliche Beiträge für die bäuerliche Direktvermarktung eingeführt haben, und zwar auf einer Basis, die einzigartig ist, die gegenüber diesen Bäuerinnen und Bauern extrem unfair und auch sachlich unkorrekt ist.

Sie haben in dieser 25. Novelle 30 Prozent vom Umsatz als Beitragsgrundlage herangezogen und das auch beschlossen. Meine Damen und Herren! Das gibt es in keinem anderen Bereich! In allen anderen Bereichen geht man von Einkünften aus und nicht vom Umsatz. Durch diese Novelle ist es möglich, dass bäuerliche Direktvermarkter, die einen Verlust erwirtschaften, trotzdem zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen haben.

Herr Kollege Donabauer! Das ist unglaublich! Ich ersuche Sie wirklich entschieden und eindringlich von dieser Stelle aus, sofort Maßnahmen zu ergreifen, damit diese Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter nicht unter die Räder kommen! (Beifall bei den Grünen.)

Übrigens: Ein Aspekt dieser Novelle ist auch, dass Sie damit ein ganz neues Kontrollsystem etablieren müssen. Die Bauern müssen bis zum 15. Februar des Folgejahres ihre Einkünfte aus der Direktvermarktung deklarieren. Kollege Donabauer! Wer kontrolliert denn das? Sie von der Sozialversicherung? – Das kann ich mir nicht vorstellen. Es wäre also dringend notwendig, entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Ich finde auch, dass es richtig und notwendig wäre, die Direktvermarktung grundsätzlich neu einzuschätzen. Unserer Auffassung nach ist die Direktvermarktung Teil der landwirtschaftlichen Produktion, sie ist ein landwirtschaftlicher Betriebszweig und eine urbäuerliche Tätigkeit. Insofern ist es notwendig, hier massive Änderungen vorzunehmen.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sozialversicherung der Bauern

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die in der 25. Novelle des Bauernsozialversicherungsgesetzes beschlossene Belastung der bäuerlichen Direktvermarktung und der Mostbuschenschanken (§ 32a betreffend Vermarktung von Naturprodukten und Mostbuschenschanken) zurückzunehmen und damit innovativen Betrieben die wirtschaftliche Überlebensmöglichkeit zu erhalten.

*****

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wäre ein fairer Zug, eine wirklich misslungene Novelle rasch zurückzunehmen. Wir haben diesbezüglich ja auch bereits einen Entschließungsantrag eingebracht, der dem Ausschuss zugewiesen wurde. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch Kollegen Hornegger – sofern er im Saal anwesend ist – daran, dass er sich in der Hauptversammlung der Sozialversicherung der Bauern massiv für die Erhöhung der Freigrenze eingesetzt hat. Das, Kollege Hornegger, wäre auch ein Grund, unserem Antrag heute hier zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit zur Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. – Bitte.


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17.41

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren der SPÖ! Leider muss ich immer wieder feststellen, dass es Ihnen nicht um die Menschen geht, sondern immer nur um Ihre Funktionäre. Ich möchte dies auch anhand eines konkreten Beispiels, das sich leider Gottes auf die Steiermark bezieht, darlegen. Wie sonst wäre es nämlich möglich, dass Ihr Parteiobmann in der Steiermark, Herr Voves, zur Misswirtschaft in der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse banal feststellt: Es gab keine optimale Führung!? – Konsequenz: Null!

Nur zur Erklärung für die Kollegen: Die Steiermärkische Gebietskrankenkasse wurde 1996 aufgefordert, ein EDV-Projekt zum Beitrags-, Melde- und Versicherungswesen für alle Gebietskrankenkassen umzusetzen. Bis heute ist es nicht beendet. Mehrkosten von 70 Millionen, sieben Jahre wirklich ineffizientes EDV-Projektmanagement – Konsequenz seitens der Führung: null! Ja man hat sogar – das muss man sich einmal vorstellen! – seitens der Führung im Projektlenkungsausschuss, wo alle Gebietskrankenkassen zusammensitzen, letztes Jahr im Dezember erklärt, man wäre heuer im April fertig. – Das Projekt ist noch immer nicht fertig, und ein Projektreview einer deutschen Firma hat festgestellt, wie desaströs, wie ineffizient dieses Projekt gemanagt wird.

Ich bin daher sehr froh, dass im Rahmen des Hauptverbandes eine Zusammenfassung auch des EDV-Bereiches für alle Sozialversicherungen im November dieses Jahres geplant ist. Man sieht wieder einmal, wie richtig unsere Entscheidung in der Regierung war, hier auch personelle Konsequenzen an oberster Stelle zu setzen.

Entbürokratisierung durch Zusammenlegungen: Synergiepotentiale gibt es genug, ob es um das Melde- und Beitragswesen geht, ob es die Vertragspartnerabrechnung ist, ob es das Personalverrechnungswesen ist oder ob es das Rechnungswesen ist. Es gibt genug Synergiepotentiale, die umzusetzen sind – wozu gerade Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, jahrelang Zeit gehabt hätten!

Drei Punkte sind für mich außerordentlich wichtig – ich habe das hier schon oft dargelegt –:

Erstens sind das die Leistungsunterschiede in den einzelnen Bundesländern. Leistungsunterschiede um mehr als 50 Prozent sind in Österreich keine Seltenheit! Diese Leistungsunterschiede abzubauen, ist natürlich auch bei einer Zusammenlegung der Sozialversicherungen sehr wichtig.

Zweitens sind es die größeren Fallzahlen, die durch die Zusammenlegungen der Sozialversicherungen entstehen. Sie machen ein effizienteres Controlling und natürlich auch ein Benchmarking möglich.

Und last but not least etwas, was besonders für den Patienten wichtig ist, nämlich, dass es in Zukunft möglich sein wird, die Chefarztpflicht in ihrer heutigen Form abzuschaffen und somit, meine Damen und Herren – und das müsste unser aller Ziel sein –, ein qualitativ besseres Gesundheitssystem mit gleichzeitig größerer Bürgernähe zu bieten. – Ich danke unserer Regierung dafür! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

17.44

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Hartinger, jetzt sehe ich erst, wie weise die Entscheidung war, Sie nicht als Geschäftsführerin im Hauptverband zu bestellen, denn Ihre Berichterstattung hier ist alles andere als objektiv. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte Sie noch auf zwei Aspekte hinweisen, Frau Kollegin Hartinger. Sie wissen ja wohl, wer der Vorsitzende der Kontrollversammlung in der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse ist – es ist Universitätsprofessor Dr. Schrank –, und Sie sollten auch wissen, welche Aufgabe


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die Kontrollversammlung hat. (Abg. Dr. Trinkl: Was soll das jetzt? Für die Geschäftsführung ist Herr Voves verantwortlich!)

Zweiter Punkt: Sie wissen vielleicht auch, wer der erste Obmannstellvertreter ist. Es ist jemand aus Ihrer Wirtschaftskammer, Herr Kommerzialrat Lemler. Wenn Sie das Ganze schon in die parteipolitische Ecke drängen wollen, dann schauen Sie einmal, wer in diesen Vorständen und in diesen Gremien sitzt! Sie, die Freiheitlichen, sind übrigens auch prominent vertreten mit Frau Heidi Wiener; die sitzt ebenfalls im Vorstand – wenn wir schon bei diesem Thema sind. Versuchen Sie nicht, die Verantwortung abzuschieben, sondern nehmen Sie Ihre Verantwortung endlich einmal wahr, meine Damen und Herren von der FPÖ! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Feurstein, ich kenne Sie als seriösen Verhandlungspartner, aber Folgendes muss ich Ihnen schon sagen: Sie wissen im Allgemeinen doch sehr wohl, dass die Krankenkassen die Ambulanzgebühren vorschreiben und keinen Bescheid dazu ausstellen. Das, wozu der ÖGB auffordert, ist, wenn jemand sich nicht sicher ist, ob diese Aufforderung zur Zahlung auch tatsächlich die gesetzliche Deckung hat, sich einen Bescheid ausstellen zu lassen, damit man den Rechtsweg überhaupt beschreiten kann. Es ist ja sehr traurig, dass Sie überhaupt ein Gesetz beschließen, auf Grund dessen nicht automatisch ein Bescheid ergeht, damit die Leute überhaupt den Rechtsweg beschreiten können. Sie schließen für die Menschen eigentlich von vornherein die Möglichkeit des Rechtsweges aus, und das ist ein Skandal, ein weiterer Skandal im Zusammenhang mit diesen Ambulanzgebühren! (Beifall bei der SPÖ. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Weil Sie heute so oft und so vollmundig das Wort "Solidarität" in den Mund genommen haben und weil Sie heute alle möglichen Ausflüchte gesucht haben, warum die Pensionsversicherungszweige der SV der gewerblichen Wirtschaft und der SV der Bauern nicht zusammengehören können – Sie werden übrigens beim Antrag des Kollegen Pirklhuber beweisen können, wie Sie zur SV der Bauern stehen –, weise ich Sie darauf hin, Herr Kollege Trinkl, was in der Zeitung der Wirtschaftskammer Steiermark auf den Seiten 2 und 3 in großen Lettern zu lesen ist: "Kein Geld für ASVG". – So viel zu Ihrer Solidarität. Die ASVG-Beschäftigten sollen immer Solidarität mit Ihnen üben, der Steuerzahler soll zuschießen, aber in der Zeitung der steirischen Wirtschaftskammer steht in großen Lettern: "Kein Geld für ASVG". – Das ist Ihr Bezug zur Solidarität! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir verstehen unter Solidarität nicht, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Landes für alle anderen Gruppen nur zahlen sollen und alle anderen sozusagen besser gestellt werden und durch diese Bundesregierung unverhältnismäßige Vorteile bekommen. Sie vergessen die arbeitenden Menschen in diesem Lande! Das ist nicht unsere Politik, und dafür werden Sie auch nicht unsere Zustimmung bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend darf ich noch hinzufügen: Wir werden dem Antrag der Grünen zustimmen, weil es wirklich nicht einsehbar ist, dass der Umsatz sozusagen auf einmal die Beitragsgrundlage darstellen soll. Ich verstehe nicht, wie jemand, der Obmann dieser Sozialversicherungsanstalt ist, diesem Antrag überhaupt jemals zustimmen konnte. Damit haben Sie sich selbst disqualifiziert! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1084 der Beilagen.


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Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit . Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Ziele des Volksbegehrens "Sozialstaat Österreich" unter anderem durch die Abschaffung der unsozialen Ambulanzgebühren.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Rufe bei der SPÖ – in Richtung des mit seiner Fraktion und der ÖVP gegen den Entschließungsantrag stimmenden Abg. Gaugg –: Gaugg?! Gaugg?!)  – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Gaugg: Was ist mit dem Gusenbauer? Wo ist er?)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sozialversicherung der Bauern.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Gaugg: Wo ist der Gusenbauer?)  – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1085 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

11. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (093 Hv 9/02b) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler (1088 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes St. Pölten (32 Hv 4/02v) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler (1089 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gradwohl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Rufe bei den Freiheitlichen: 1 Minute!)

17.51

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Kollegen von der freiheitlichen Fraktion! Ich kann Ihnen mit der einen Minute nicht dienen, weil einige Dinge zu diskutieren und auszusprechen sind. (Abg. Mag. Schweitzer stellt sich vor den Redner und betrachtet ein Abzeichen, das dieser an seinem Sakko angebracht hat. – Der Redner nimmt das Abzeichen in die Hand und hält es in Richtung des Abg. Mag. Schweitzer.)  – Soll ich es dir ein bisschen hinhalten? (Der Redner legt das Abzeichen auf das Rednerpult.) Du kannst es dir inzwischen anschauen, Karl!


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Zusammenhang sind einige Dinge zu besprechen, die nicht mit der vorliegenden Immunitätsangelegenheit zu tun haben, sondern damit, wie das Parlament als Kollegialorgan mit Immunitätsfragen in der Vergangenheit umgegangen ist und in Zukunft umgehen wird.

Ich darf in Erinnerung rufen, dass im Jahre 1996 auf Grund verschiedener Vorkommnisse das Haus mit Mehrheit beschlossen hat, Bürger in der Wahrnehmung ihrer Rechte und in der Wahrnehmung ihrer Würde vor Politikern, die sie beschimpfen, herabwürdigen oder sich ihnen gegenüber kreditschädigend verhalten, dadurch zu schützen, dass in solchen Fällen trotz des Vorliegens eines politischen Zusammenhanges eine Auslieferung des entsprechenden Abgeordneten erfolgen wird. Diese Regelung hat dazu geführt, dass es zu einer Verringerung der Anzahl der Tatbestände gekommen ist und dass selbst diejenigen, die Mitglieder des Hohen Hauses waren und in den Jahren zuvor vehement und immer stärker und immer öfter Bürger in ihrer Würde beeinträchtigt haben, ausgeliefert wurden.

Die Anzahl solcher Fälle hat sich also verringert, und diese Entscheidungspraxis des Immunitätsausschusses hat sich auch bewährt – bis zu jener Abstimmung, die vor einigen Wochen hier im Haus durchgeführt wurde, wo der Immunitätsausschuss zwar einer Auslieferung zugestimmt hatte, aber bei der Abstimmung hier im Haus ein Großteil der Fraktionsmitglieder der ÖVP und der Freiheitlichen ihren Klubobleuten nicht gefolgt ist und der Auslieferung einer Abgeordneten dieses Hauses nicht zugestimmt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit war die bisherige Entscheidungspraxis des Immunitätsausschusses hinfällig, denn da es sich beim Immunitätsrecht um ein Kollegialrecht dieses Hauses handelt, kann es nicht so sein, dass Mehrheiten darüber entscheiden, ob Abgeordnete weiterhin Bürger herabwürdigen dürfen, kreditschädigendes Verhalten an den Tag legen dürfen und nicht ausgeliefert werden, weil sie der Mehrheitsfraktion angehören, wogegen andere, die nicht der Mehrheitsfraktion angehören, für die gleichen Delikte, wenn sie sie begehen, ausgeliefert werden. Das Immunitätsrecht muss vielmehr ein kollegiales und einfach handhabbares Schutzrecht der Abgeordneten sein, zu dem wir uns auch bekennen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Schutzrecht muss auch für die Vertreter und Abgeordneten der Minderheiten in diesem Haus Gültigkeit haben. Daher kam es in einer Sitzung des Immunitätsausschusses meiner Meinung nach zu einem Rückschritt, obwohl es von Seiten der Regierungsfraktionen immer wieder Ankündigungen gegeben hat, man würde sich um eine Neuregelung im Immunitätsbereich, die auch den zivilrechtlichen Schutz dieses Immunitätsinstruments umfassen würde, bemühen und entsprechende Verhandlungen aufnehmen.

Diese Verhandlungen haben bis heute nicht stattgefunden. Es wurden zwar hervorragende Unterlagen erarbeitet, aber die Verhandlungen darüber haben nicht stattgefunden, weshalb wir uns heute in der Situation befinden, dass der Nationalrat im Immunitätsbereich wieder auf die Regelung von vor 1996 zurückkehrt und damit – ich sage das, obwohl es mir schwer über die Lippen kommt – einige Abgeordnete hier im Haus wahrscheinlich wieder das Privileg für sich in Anspruch nehmen werden, das eigentlich ein Schutzmechanismus des Kollegialorgans ist, nämlich die parlamentarische Immunität, um politisch aktive Bürger in einer Form zu behandeln, die kreditschädigend und herabwürdigend ist. Ich befürchte das. Deshalb bezeichne ich das jetzige Zurückgehen auf diese Entscheidungspraxis als einen Rückschritt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass wir, so wie es in dem Passus, der mit dem Beschluss des Immunitätsausschusses verbunden ist, angekündigt wird, tatsächlich am Beginn der kommenden Legislaturperiode in eine umfassende Diskussion des Immunitätsbegriffes und einer Entscheidungspraxis eintreten werden, die auch eine Gesetzesänderung betreffend das Immunitätsrecht für Abgeordnete dieses Hauses umfassen wird. Ich hoffe, dass es diese Verhandlungen tatsächlich geben wird und dass wir zu einer guten Regelung kommen, die einerseits das Recht des Parlamentariers, unangenehme Fragen stellen zu können, ohne in


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seiner Existenz gefährdet zu sein, beinhaltet und die auf der anderen Seite auch den Bürger vor Übergriffen einiger Parlamentarier, wie das in der Vergangenheit der Fall war, schützt.

Ich hoffe, wir kommen dazu. Zurzeit haben wir einen Rückschritt begangen. Aber um das Kollegialrecht aufrechtzuerhalten, werden wir uns auch entsprechend verhalten (Abg. Gaugg: Stimmt ja eh!) und Herrn Abgeordneten Westenthaler nicht ausliefern (Abg. Gaugg: Stimmt ja eh!), Herr Kollege Gaugg. (Beifall bei der SPÖ.)

17.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte.

17.57

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die neue Regelung der Spruchpraxis ist meiner Meinung nach – und ich glaube, diese Meinung teilen sehr viele Abgeordnete – nicht ein Rückschritt, sondern sie ist ein Schritt, der wieder hin zur Rechtsstaatlichkeit führt, die wir aus parteipolitischen Motiven verlassen haben, woran die Sozialdemokraten beteiligt gewesen sind. – Das einmal zu diesem Punkt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: ... seit Jahren!)

Für mich ist die parlamentarische Immunität kein Privileg, sondern sie stellt tatsächlich einen Schutz dar – auch einen Bürgerschutz, weil wir hier letztendlich auch Bürgerinteressen zu vertreten haben und man einen Abgeordneten nicht durch Klagen mundtot machen können soll.

Die parlamentarische Immunität bedarf einer gesetzlichen Regelung, und die gibt es derzeit. Diese Regelung sieht vor, dass man eine Spruchpraxis entwickeln kann, wo man durch zwei Abstimmungen erstens feststellt, ob ein politischer Zusammenhang gegeben ist, und zweitens, ob man ausliefert oder nicht. Das stellt an sich kein wirklich rechtsstaatliches Instrument dar, weil wir durch die Änderung der Spruchpraxis letztendlich den Pfad verlassen haben und trotz Feststellung eines politischen Zusammenhanges ausgeliefert haben. Das haben die Mehrheitsfraktionen so beschlossen – zum Nachteil der damaligen Oppositionsparteien, also der Minderheitsfraktionen. (Abg. Gradwohl: Aber zum Schutz der Bürger, Herr Kollege!) Nicht zum Schutz der Bürger, sondern zum Nachteil der Rechte von Abgeordneten und damit auch zum Nachteil der Rechte von Bürgern, sage ich hier dazu.

Uns ist es in der Diskussion um die parlamentarische Immunität darum gegangen, wieder eine Rechtsstaatlichkeit, eine Einheitlichkeit herbeizuführen, die nicht vom Gutdünken zufälliger Mehrheiten in diesem Hohen Haus abhängig ist. Das muss das Ziel sein.

Dazu gab es verschiedenste Wünsche aller Fraktionen. Wir haben zu diesem Thema auch Materialien zusammengetragen. Diesbezüglich ist dankenswerterweise auch durch die Parlamentsdirektion sehr viel geschehen. Dann haben einige Sitzungen stattgefunden, wobei ich sehr verwundert darüber war, dass die Sozialdemokraten zu diesen Sitzungen nicht gekommen sind. Ich war nämlich dort, nur konnten wir nicht viel machen, denn wir wollten eigentlich mit den Sozialdemokraten verhandeln, aber es waren keine Vertreter der Sozialdemokraten da. Ich war zwei Mal im ÖVP-Klub eingeladen und bin auch hingegangen. Einmal habe ich Vertreter der Grünen dort getroffen – nur euch (in Richtung SPÖ) habe ich dort nicht gesehen. (Abg. Parnigoni: Das stimmt doch nicht! ... Parteienversammlung!)

Am Ende – das sage ich, obwohl das, was wir hier jetzt beschließen, nicht das Gelbe vom Ei ist, weil wir letztendlich an einer Spruchpraxis festhalten, als ob wir ein Gericht wären, und weil wir keine wirklich ausgefeilte gesetzliche Determinierung gefunden haben – ist mir der Zustand, so wie er jetzt ist, dass wir wieder zur alten Spruchpraxis zurückkehren – nämlich nicht auszuliefern, wenn ein politischer Zusammenhang feststellbar ist –, allemal lieber, als weiterhin nur über eine Spruchpraxis, die in Wirklichkeit contra legem ist, auszuliefern, und das manchmal auch nur fallweise.

Es ist besser, eine Rechtsgrundlage zu haben, wonach niemand ausgeliefert wird, wenn ein politischer Zusammenhang festgestellt wird, als eine Rechtsgrundlage, wonach man tatsächlich


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ausliefert, wann es einem gerade gefällt oder wann es zufällig zu entsprechenden Mehrheiten kommt.

Die Einladung seitens meiner Fraktion – und damit nehme ich etwas vorweg, was der Ausschussvorsitzende von der ÖVP-Fraktion sagt – lautet, dass wir uns ernsthaft darüber unterhalten müssen, wie wir mit der parlamentarischen Immunität auch im zivilrechtlichen Bereich und in ähnlichen Dingen vorgehen sollten. Dass wir hier eine Einigung erzielen sollten, steht nach wie vor fest. Das Parlament oder die Vertreter hier sind nicht daran gehindert, zu arbeiten. Setzen wir uns zusammen! Es muss mittelfristig eine neue Regelung her! An dieser sollten wir arbeiten, und die Einladung dazu steht. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

18.01

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ist die Immunität notwendig, ja oder nein? Privileg für Politiker oder Errungenschaft und Schutz vor Willkür? – Unterschiedliche Behauptungen, Meinungen, Sichtweisen. Wichtiger für die Opposition, oder um vermeintliche Probleme aufzeigen zu können? – Ich möchte darüber nicht urteilen. Ich meine, dass die Immunität des Parlamentariers eine wichtige Errungenschaft ist.

Wir haben – das ist richtig – 1996 die Spruchpraxis geändert. Sie wurde 1998 evaluiert, und die Vorgangsweise wurde bestätigt. Wir hatten am 11. Mai des letzten Jahres eine sehr intensive Debatte darüber, weil Kollege Pilz eine Auslieferung haben wollte. Dem wurde nicht entsprochen, weil es nicht sein kann, dass einem Wunsch entsprechend oder sozusagen aus dem Anlassfall eines Einzelnen zu entscheiden ist. Es steht wohl außer Zweifel, dass das nicht die Entscheidungsmöglichkeit eines Einzelnen sein soll, sondern es ist dies eine Entscheidungskompetenz des Kollegialorgans.

Meine Damen und Herren! Wichtig ist mir als dem Obmann des Immunitätsausschusses, dass Entscheidungen nicht aus der Tageslaune heraus und nicht entsprechend dem Aspekt "Regierung gegen Opposition" getroffen werden, sondern tatsächlich in einer ruhigen, fairen, objektiven Debatte zustande kommen.

Ich stehe nicht an, zu bestätigen, was Kollege Gradwohl gesagt hat: dass wir uns entschieden haben, man sollte über eine grundsätzliche Reform reden. Aber alle diesbezüglichen Gespräche sind offensichtlich nicht so weit gediehen, dass wir heute schon zu einer derartigen Entscheidung kommen könnten. Wir haben aber fixiert, wieder zu der Entscheidungspraxis von vor 1996 zurückzukehren, und haben auch fixiert – übrigens einstimmig –, dass diese Entscheidungspraxis bis zum Ende dieser Legislaturperiode Gültigkeit haben soll. Dann wollen wir uns über die getroffenen Entscheidungen nochmals ein Bild machen.

Meine Damen und Herren! Dieser Grundsatzbeschluss hat – das ist richtig – momentan zu einer Verringerung der so genannten Auslieferungsbegehren geführt. Aber das war nur kurze Zeit so. In der bisherigen kurzen Zeit der XXI. Legislaturperiode hat es immerhin schon 25 Auslieferungsersuchen gegeben. Wir sind also wieder bei jener Zahl angelangt, wie sie früher gegeben war, als offensichtlich unter dem Schutz der Immunität deutlicher – ich formuliere es bewusst so – gesprochen wurde.

Meine Damen und Herren! Mein Appell an alle lautet: Niemand hindert einen Parlamentarier daran, trotz der Immunität so zu argumentieren, dass die Öffentlichkeit ein richtiges Bild von den Kolleginnen und Kollegen hat. Niemand hindert einen Parlamentarier daran, Formulierungen und Argumente so vorzutragen, dass kein Anlass für Auslieferungsbegehren besteht. Ich bitte alle, diesen Hinweis ernst zu nehmen.

Wir sollten uns insbesondere dessen bewusst sein, dass aus der Sicht der Außenstehenden und der nicht hier Tätigen die Immunität immer als Privileg gesehen wird. Ich meine, sie ist kein Privileg. Sie ist eine wichtige Errungenschaft, damit politisch Tätige entsprechend Missstände


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und Angelegenheiten zur Sprache bringen können. Wir sollten uns stets bemühen, dies in objektiver Weise zu tun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

18.05

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gebe dem Herrn Abgeordneten und Ausschussvorsitzenden Auer darin Recht, dass es wichtig ist, in Sachen Immunität eine prognostizierbare, kalkulierbare Linie zu haben. Ich habe die bisherige Linie des Immunitätsausschusses nach 1996 nicht wirklich gutgeheißen, weil mir einerseits kein Prinzip erkennbar war, nach dem man bestimmte Paragraphen trotz eindeutigem politischem Zusammenhang auslieferungsfähig gemacht hatte. Vor allem war mir auch nicht erkennbar, warum man das tut.

Ich bin der festen Überzeugung, dass der Schutz von Bürgerinnen und Bürgern, die vielleicht durch Äußerungen eines Mandatars oder einer Mandatarin in ihren Rechten verletzt werden, durch die ordentlichen Gerichte nicht gewährleistet werden kann. Ich habe schon lange angeregt, dass wir uns nicht nur über die Frage des Zivilrechts und der wirtschaftlichen Macht mancher Firmen oder Konzerne, die bestimmte politische Äußerungen nicht mögen oder sich dadurch beeinträchtigt fühlen, Gedanken machen.

Ich habe auch gesagt, dass gerade für so genannte kleine Leute oder für Leute, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, das Urteil eines Gerichts, das drei, vier oder fünf Jahre später erfolgt, zu spät kommt, um eine allenfalls eingetretene Verletzung der Ehre oder des Rufs wieder gutzumachen. Sie werden mir darin Recht geben, dass in vielen Fällen, in denen sich nach Jahren herausgestellt hat, dass die Attacke eines Politikers oder einer Politikerin ungerechtfertigt war, und in denen es um schwere persönliche Vorwürfe gegangen ist – ich denke, Sie kennen auch solche Fälle –, ein Jahre später ergehendes Gerichtsurteil den eingetretenen Schaden nicht wirklich gutmacht.

Daher habe ich gesagt – und es hat mich sehr gefreut, dass Präsident Fischer dies jetzt vorgeschlagen hat, angesichts dieses in meinen Augen wirklich unverfrorenen und schlimmen Buchs über den Bundespräsidenten und seine Familie –, dass hier ein anderes Instrument eingerichtet werden soll, mit dem in solchen Fällen rascher und effizienter eine Zurückweisung ausgesprochen werden kann.

Aber ich bin, wie gesagt, zumindest einmal damit zufrieden, dass wir zur alten Spruchpraxis zurückkehren. Ich hoffe, dass die Reformdebatte betreffend zivilrechtliche Immunität und raschere Reaktion auf Verletzungen durch bekannte Persönlichkeiten nicht einschläft und dass wir hier weitermachen.

Nur ist ebenso klar, dass es das freie Mandat in dieser Richtung gibt, und insofern wird mein Kollege Pilz hier in der Folge seinen Standpunkt kundtun. Für mich – und ich denke, für die Mehrheit des grünen Klubs – ist es wichtiger, ein Prinzip zu haben, das seinerzeit aus sehr, sehr guten Gründen eingeführt wurde, nämlich um den Vorrang der Gesetzgebung vor anderen Staatsfunktionen – insbesondere der Vollziehung – deutlich zu machen und vor allem die Handlungsfähigkeit der Exekutive vor allfälligen administrativen Schikanen sicherzustellen.

Insofern freue ich mich über diese Rückkehr zur alten Spruchpraxis und stimme ihr gerne zu. Für mich war immer das Prinzip und die Wahrung des Prinzips der Immunität wichtiger als vielleicht gelegentlich mein gewisser Ärger über bestimmte Äußerungen des Herrn Ing. Westenthaler. (Beifall bei den Grünen.)


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101. Sitzung / Seite 153

18.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

18.10

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bis heute hat mich niemand davon überzeugen können, dass Abgeordnete zum Nationalrat das Recht haben sollen, Menschen in dieser Republik straffrei beschimpfen zu dürfen.

Die Immunität hatte doch immer einen anderen Sinn. Die Immunität war nie als Privileg eines einzelnen Abgeordneten gedacht. Die Immunität war immer gedacht als eine gesetzliche Garantie, dass der Nationalrat unter allen Umständen in seiner gewählten Zusammensetzung zusammentreten darf. Ein Verfahren nach § 111 gefährdet mit Sicherheit nicht das Zusammentreten des Nationalrates in seiner gewählten Form.

Wenn Herr Ing. Westenthaler wieder einmal einen Journalisten, einen politischen Gegner, einen Künstler, einfach einen Andersdenkenden beschimpft und beleidigt hat (Abg. Dr. Martin Graf: Das tut er nie!) und dafür vor einem ordentlichen Gericht steht (Abg. Dr. Martin Graf: Das machen immer nur Sie!), wird er trotzdem von niemandem daran gehindert werden, sein Nationalratsmandat auszuüben. (Zwischenruf des Abg. Ing. Scheuch. ) Warum soll er, warum sollen wir und warum soll daher jeder von uns vor Verfahren wegen übler Nachrede geschützt werden?

Dann gibt es ein anderes Problem, und an dieses Problem möchte ich auch erinnern. Nach wie vor ist es möglich, nicht nur Abgeordnete, sondern alle Menschen in dieser Republik zivilrechtlich so zu klagen, dass das persönliche Vermögen darüber entscheidet, ob man sich zur Wehr setzen kann. Eine zivilrechtliche Klage nach § 1330 ABGB in Verbindung mit einer Feststellungsklage kann – und ich kann Ihnen darüber authentisch berichten – durchaus mit einem Streitwert von 100 Millionen Schilling enden.

Hier gibt es eine unglaubliche Ungleichheit vor dem Gesetz und vor dem Richter oder der Richterin. (Abg. Neudeck: Und den Schaden ...?) Ich appelliere an Sie, meine Damen und Herren, diese Lücken zu schließen, nicht nur für Abgeordnete dieses Hauses, sondern für alle Menschen, die von derartigen Verfahren betroffen sein können. Wenn es einen Streit gibt, dann sollen nicht der Besitz und das Vermögen darüber entscheiden, ob man die Chance hat, vor einem Zivilrichter oder einer Zivilrichterin einen Streit zu einem Ende zu bringen.

Darum geht es: Streitwertbegrenzungen einzuführen und auch in der Feststellungsklage die Obergrenze von 270 000 S gesetzlich zu verankern! Das sind Aufgaben des Nationalrates, wenn er nicht nur an sich selbst und seine Mitglieder denkt, sondern sagt: Wie soll Chancengleichheit vor dem Gericht für alle Menschen in dieser Republik hergestellt werden?

Meine Damen und Herren! Das zu diskutieren, empfehle ich, und dazu wollen wir vom grünen Klub – da wird es keine Differenzen bei uns geben – Ihnen in naher Zukunft einen Vorschlag machen: Wie können wir diese Chancengleichheit im Zivilrecht für alle Menschen dieser Republik im Nationalrat gemeinsam durchsetzen?

In der Frage des strafrechtlichen Immunitätsschutzes bleibe ich dabei: Üble Nachrede ist mit Sicherheit kein Tatbestand, für den es Freibriefe geben könnte und sollte. Ich bin mir sicher – und die Erfahrung zeigt es –, dass eine überwältigende Mehrheit der Mitglieder dieses Hauses von derartigen Freibriefen nie Gebrauch machen würde.

Ich kenne aber zumindest einen Abgeordneten, der diesen Freibrief völlig falsch verstehen würde. Allein aus diesem Grund bin ich dafür, üble Nachrede nicht zum Gegenstand der parlamentarischen Immunität zu machen und den Abgeordneten Westenthaler an das Gericht auszuliefern, das er sich wirklich nach allen Kräften verdient hat. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Pfui-Rufe bei den Freiheitlichen.)

18.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
101. Sitzung / Seite 154

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 1088 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. Februar 2002 um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der von dem Privatankläger behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler besteht. Daher wird einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler nicht zugestimmt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 1089 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichtes St. Pölten vom 20. Februar 2002 um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der von dem Privatankläger behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler besteht. Daher wird einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Peter Westenthaler nicht zugestimmt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Mehrheit und damit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 663/A bis 672/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 3760/J bis 3799/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für heute, 18.17 Uhr, ein; das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 18.17 Uhr