Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 2. Sitzung / Seite 28

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einig. Seien wir ehrlich: Gibt es in der Praxis nicht diese Zwei-Seelen-Theorie, sowohl in der politischen Landschaft als auch in vielen Mitbürgern und Mitbürgerinnen?

Wir schimpfen zwar über den Proporz, ja wir lehnen ihn ab – selbstverständlich! –, auf der anderen Seite aber nehmen wir – ich erlebe das als Politiker, wie Sie alle wahrscheinlich auch – tagtäglich Interventionswünsche entgegen, egal, ob es dabei um Jobsuche, Wohnraum, Wirtschaft oder Pensionen geht. Oder ist das bei den Freiheitlichen anders? (Abg. Gaugg: Der Scholten war auch auf Jobsuche!)  – Nein, es wird bei euch auch nicht anders sein.

Wir Politiker sind selbst schuld daran (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer ), denn wir haben in den letzten Jahrzehnten die Erwartung geweckt, dass die Politik alles regeln kann. Diesbezüglich müssen wir uns allesamt an der Nase nehmen. Daher sollten wir lieber in die Zukunft schauen und die Rolle des Politikers, aber auch der Politik im Allgemeinen, neu definieren. Wir sollten vor allem genau überlegen, ob wir alles in Gesetze pressen können.

Es gibt bereits in vielen Bereichen gesetzliche Regelungen. So gibt es beispielsweise in meinem Bundesland, dem Burgenland, ein Objektivierungsgesetz (Abg. Mag. Schweitzer: Auweh!), und es gibt Grundsätze dafür, Herr Kollege Schweitzer. Es gibt das burgenländische Stellenbesetzungsgesetz. (Abg. Mag. Schweitzer: Kannst du dich erinnern, wie der Schmid zurückgetreten ist? Warum ist der Schmid zurückgetreten?) Es gibt den Sozialfonds nicht – da haben Sie Recht!

Es gibt also bereits in vielen Bereichen Transparenz. Auch auf Bundesebene haben wir mit Wolfgang Schüssel schon vor Jahren gemeint: "Mehr Privat – weniger Staat!" (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Gemeint schon, aber gemacht habt ihr nichts!) Wir haben damit auch dem Rückzug der Politik aus der Wirtschaft das Wort geredet. Es gibt weiters das Stellenbesetzungsgesetz. (Beifall bei der ÖVP.)

Es liegt auch jetzt wieder ein derartiges Übereinkommen vor, bei dessen Ausarbeitung unser Klubobmann Andreas Khol federführend war (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer ), nämlich jenes bezüglich Postenvergabe und Beförderungen im Bundesdienst mit anonymen Eignungstests und der Einrichtung unabhängiger Kontrollbehörden. (Abg. Scheibner: Aber die SPÖ sagt, das gibt es schon lange!)

Aber seien wir ehrlich: Gesetze alleine reichen dafür nicht aus. Es muss ein Umdenken in den Köpfen der Politiker und der Bevölkerung stattfinden. Es muss eine Bewusstseinsänderung herbeigeführt werden. (Abg. Öllinger: In Niederösterreich zum Beispiel!) Wir alle sollten also aus dem Ergebnis des 3. Oktober lernen, denn wir werden nicht an unseren Worten, sondern an den Taten gemessen.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen einen Ausspruch von Nietzsche zum Nachdenken mitgeben. Nietzsche meinte: Jedem das Seine geben, das wäre die Gerechtigkeit wollen und das Chaos erreichen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

11.03

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Die Geschichte des österreichischen Proporzes ist in der letzten Zeit auch eine Geschichte der Zerknirschungen gewesen. Die erste Zerknirschung zeigte man nach dem Selbstmord Praschaks, und seither gab es nach jeder Wahl Zerknirschung und dem entsprechende Bekenntnisse zur Abschaffung des Proporzes.

Dass Proporz schon längst nicht mehr existent sei, hören wir ständig! Interessanterweise kam es nun aber zu einem Schub an Ehrlichkeit. Wenn Herr Kommissar Fischler zum Beispiel ganz klar und offen sagt, dass man um politische Posten dealen müsse, und wenn die SP-Spitze –


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