Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 68

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Neuntens: Wir haben im Sommer eine nicht sehr bekannt gewordene Initiative – aber sie war sehr wichtig – mit UNO-Generalsekretär Kofi Annan gestartet, nämlich einen Dialog der Zivilisationen, an dem Juden, Muslime und Christen aller Richtungen mitgearbeitet haben. Das Buch, eine Art Weltethik, soll im November erscheinen. Wir haben mit den österreichischen Religionsgemeinschaften vereinbart, einen Dialog der Zivilisationen hier in Österreich zu führen.

Zehntens und letztens: Dies ist der Bündnisfall für Demokraten. Gestützt auf die UNO-Resolution 1368 werden wir diesen Bündnisfall für Demokraten auch effektuieren. Wir sind bereit, an dieser Terrorbekämpfung mitzuarbeiten und unseren Luftraum für jene zu öffnen, die handeln wollen. Österreicherinnen und Österreicher werden an Kampfhandlungen aber jedenfalls nicht teilnehmen. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und der SPÖ.)

In dieser schrecklichen Situation wächst aber auch die Hoffnung – ich will das hier zum Schluss ganz offen sagen. Die Koalition von 180 Staaten, die gute Koordination zwischen den Europäern, die Kooperation mit den Amerikanern sowie die gestrige Rede von Präsident Putin vor dem Deutschen Bundestag geben Hoffnung. Putin hat erklärt, auch wir Politiker sind schuld, denn wir reden von einer Partnerschaft, haben in Wirklichkeit aber noch nicht gelernt, einander zu vertrauen. – Ich finde, solch offene Worte geben Hoffnung. Dies und das hoffentlich heute stattfindende Treffen zwischen Arafat und Peres geben Hoffnung.

Amerika ist getroffen, aber es wird nicht fallen. Unsere scheinbare Sicherheit mag erschüttert sein, aber die Gewissheit bleibt, dass eine offene demokratische Gesellschaft mit den Feinden fertig wird. In diesem Sinne gibt auch die heutige Drei-Parteien-Entschließung Hoffnung, dass es in Österreich Gemeinsamkeit in schwieriger Zeit gibt.

Diese Hoffnung, diese Sicherheit, dieses Vertrauen in einer unruhigen Zeit, das brauchen unsere Bürger. – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

10.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Erklärung vor dem Nationalrat.

Zu Wort gelangt nun die Frau Vizekanzlerin. Redezeit: 15 Minuten. – Bitte.

10.44

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Zwei Wochen sind seit den ungeheuerlichen Anschlägen in New York und Washington vergangen, zwei Wochen der Trauer über Tod und Zerstörung, aber auch der intensiven Recherchen und Analysen, der Spekulationen und Ermittlungen hinsichtlich der Urheber dieses Verbrechens und der richtigen, notwendigen und angemessenen Antwort darauf.

Vor all diesen Überlegungen muss aber vor allem eines stehen: das Gedenken an die Tausenden Menschen, die an diesem 11. September auf so grausame Weise ihr Leben verloren haben. Dieser Tag, der als strahlender Herbsttag begonnen hat, ist zum schwärzesten Tag in der Lebenszeit meiner Generation geworden. Tausende Menschen sind an diesem Tag, wie an jedem anderen, in ihre Büros zur Arbeit gegangen oder haben, wie schon so oft zuvor, ein Flugzeug bestiegen, um ihre Familie oder Freunde zu besuchen, um einen geschäftlichen Termin wahrzunehmen, und Tausende werden nie wieder nach Hause kommen.

Viele von ihnen haben in den letzten Momenten ihres Lebens die sichere Gewissheit des Todes vor Augen gehabt. Niemand von uns kann auch nur annähernd ermessen, was das heißt und wie unsagbar groß das Leid der Angehörigen ist, deren Väter und Mütter, deren Söhne und Töchter, deren Brüder und Schwestern unter den Trümmern begraben sind.

Diese Gedanken sind schmerzhaft, aber wir dürfen sie nicht von uns weisen, denn das, was am 11. September passiert ist, geht uns alle an. Das war ein Anschlag auf Menschenwürde, Freiheit, Toleranz und Demokratie überall auf der Welt. Davor können und dürfen wir nicht die


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite