Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 104

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Die Handlungen der US-Administration bisher erschienen jedenfalls besonnen und überlegt – Kollege Gusenbauer hat das bereits angesprochen. Es gab keine Hüftschüsse, und die Worte des Außenministers, bezeichnenderweise ein ehemaliger General, lassen darauf hoffen, dass die geplanten Aktionen gezielt und ohne unvertretbare Kollateralschäden ausfallen.

Die ersten Schläge werden allerdings nur bedingte Wirkung zeigen. Wir müssen uns sogar auf neue Terrortaten gefasst machen, und diesmal wahrscheinlich weltweit. Der Kampf gegen sie wird lange dauern und auf vielen Ebenen, von der Wirtschaft bis zu chirurgischen Militärschlägen, geführt werden müssen und bedarf der internationalen Kooperation. Aber bei aller Angst und Abscheu vor den Taten dürfen wir doch, auch wenn wir noch unter ihrem direkten Einfluss stehen, bei ihrer Bekämpfung nicht das Augenmaß verlieren. Die demokratischen Freiheitsrechte unserer Bürger dürfen nicht leichtfertig eingeschränkt werden. Überprüfen wir zunächst – der Herr Innenminister hat das vorhin angesprochen –, ob nicht unser Instrumentarium dafür ohnehin ausreicht. So viel Sicherheit wie unbedingt nötig, aber so viel Freiheit wie möglich muss auch weiterhin der Grundsatz unseres Handelns sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die europäische Kooperation bei der Terrorbekämpfung darf deshalb bei allem Harmoniebedürfnis nicht über unser gewachsenes Rechtssystem drüberfahren; in diesem Zusammenhang wird auch der europäische Haftbefehl von uns sehr kritisch überprüft werden müssen. Wir müssen aber auch lernen, wie leicht wir aus dem tiefsten Frieden hinein in Terror und in Krieg gestürzt werden können, und dürfen nicht vergessen, wie es in der Vergangenheit geschehen ist, viel zu schnell vergessen, wenige Tage, Monate nach den Krisen, wer die Krisen zu bewältigen hatte und dass dafür ein geeignetes und leistbares Instrumentarium notwendig ist.

Abschließend möchte ich noch eines betonen – Kollege Einem hat vorhin darauf hingewiesen –: Es ist beruhigend zu sehen, dass die österreichischen Parteien unter dem Eindruck dieser schrecklichen Ereignisse doch den Weg zum Konsens finden, und ich kann gerade als Obmann des für die Behandlung der Sicherheitsdoktrin zuständigen Ausschusses nur hoffen, dass wir uns auf dem Weg dorthin in Gemeinsamkeit finden.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die nächsten Monate werden für uns schwierige und wichtige Entscheidungen bringen. Sie werden uns vor große Probleme stellen, denn die wirklichen Probleme für uns kommen erst. Wenn man in China jemandem etwas Böses wünscht, dann sagt man: Mögest du in interessanten Zeiten leben! In diesem Sinne leben wir gegenwärtig in interessanten Zeiten. Versuchen wir, sie gemeinsam zu bewältigen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

13.19

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Angesichts des Terroranschlags, der weltweit Schock ausgelöst hat, hat es heute im Nationalrat eine Debatte gegeben, die geprägt war von besonnenen Tönen, von einer gewissen Nachdenklichkeit und auch Distanziertheit gegenüber einer militanten Rhetorik, was ich sehr geschätzt habe – bis auf wenige Ausnahmen, wie das halt leider immer wieder der Fall ist. (Ruf bei den Freiheitlichen: Lunacek!) Man hat in Bezug auf die Kriegsrhetorik hier in diesem Haus schon einige Male angesprochen, dass sie in diesem Fall schädlich und gefährlich ist, und man hat gesagt, sie folge einer inneren Logik der USA, wie mein Vorredner Jung erwähnt hat.

Ich glaube, genau das ist einer der wichtigen Ansatzpunkte. Es kann für uns alle, für die USA, aber auch für uns, keine Entschuldigung mehr sein, aus einer inneren, staatlichen Logik heraus auf der weltweiten Bühne externe Eskalation mit Worten zu betreiben, denn damit schaffen wir ein Klima, das dazu führt, dass sich genau diejenigen die Hände reiben können, die im Hintergrund diese Terroranschläge vorbereitet haben. Sie fühlen sich damit gerechtfertigt.


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