Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 110

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Es kam interessanterweise in Österreich und darüber hinaus nicht, wie man vielleicht hätte befürchten können, zum Ruf nach einem totalen, nach einem schnellen, gewalttätigen, militärischen Gegenschlag. Im Gegenteil: In vielen Gesprächen ist mir klar geworden, dass in breiten Teilen der österreichischen Bevölkerung große Sorge genau vor einem derartigen Gegenschlag besteht. Viele Menschen haben sich die Fragen gestellt: Was würde ein derartiger Gegenschlag wirklich auslösen? Welche Dynamik würde weltweit damit in Bewegung gesetzt?

Es würde eine endlose Spirale von Gewalt und Gegengewalt in Bewegung gesetzt. Es würde eine Dynamik in Bewegung gesetzt, die Hunderte, Tausende Opfer fordern würde, die aber entschlossene Menschen vermutlich nicht davon abhalten würde, solche wahnsinnige Attentate, Terroranschläge durchzuführen.

Es bestünde die Gefahr, dass eine derartige Spirale der Gewalt als Resultat eine Situation mit sich bringen würde, in der die Bevölkerung in dauernder Angst leben müsste. Daher ist die Haltung der Besonnenheit, die sich – bisher zumindest – zunehmend abzeichnet, von großer Bedeutung, und es ist zu hoffen, dass sich diese Besonnenheit auch weiterhin durchsetzt, und nicht jene Logik, die hinter den starken Worten der ersten Tage gestanden ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Trotzdem gibt es auch große Sorge darum, wie nun die Gratwanderung zwischen der notwendigen Bekämpfung des Terrorismus einerseits und der Bewahrung der Grund- und Freiheitsrechte andererseits erfolgen soll. Dies wird nicht nur in Österreich diskutiert, aber selbstverständlich auch in Österreich. Es gibt die Sorge, dass nun Maßnahmen gesetzt werden, die den Schutz gegen den Terrorismus versprechen, obwohl sie ihn nicht bieten können, aber das wertvolle Gut der Freiheit aufs Spiel setzen und einschränken.

Vor diesem Hintergrund müssen wir auch sehen, wie die Schritte umgesetzt werden, die jetzt angekündigt werden. Wie wird all das wahrgenommen, wenn vor dem Hintergrund der Besorgnis zum Beispiel mein Vorredner auf einmal von der multikulturellen Gesellschaft spricht, die man sich in New York "aufgelastet" hat, wenn er davon spricht, was man sich damit "eingehandelt" hat, nämlich mit dieser Zuwanderungspolitik? – Er leitet daraus ab, dass wir in unserem Lande eine restriktivere Zuwanderungspolitik machen sollten. Sind das schon die ersten Anzeichen in Richtung Einschränkung von Freiheitsrechten – unter dem Deckmantel dieser schrecklichen Ereignisse?

Wie müssen wir es bewerten, wenn von "finger prints" gesprochen wird, wie das jetzt heißt? Dabei geht es schlicht und einfach um Fingerabdrücke – Fingerabdrücke, die jeden verdächtig machen sollen.

Wie ist es zu bewerten, wenn Lauschangriff und Rasterfahndung ohne Diskussionsphase, ohne Bewertung der Probephase einfach fortgesetzt werden sollen?

Sie werden verstehen, dass das nicht wirklich vertrauenserweckende Schritte sind. Es gibt sogar Stimmen, die meinen, jetzt würde das gesteigerte Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung dazu missbraucht werden, um Dinge durchzusetzen, die schon lange geplant sind. Daher appelliere ich an die Fraktionen der Regierungsparteien, an die Regierungsmitglieder, die Behutsamkeit und Bedachtsamkeit, die diese Debatte heute in großen Zügen gekennzeichnet haben, auch in die konkreten politischen Schritte einfließen zu lassen, die Sie in der nächsten Zeit setzen werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

13.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

13.49

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Am 11. September habe ich mich um drei Uhr nachmittags vor dem Parlament in mein Auto gesetzt und wie üblich das Radio aufgedreht. Die Burgenlandstunde stand auf dem Programm, und Barbara Maras-Egermann, eine Oberpullendorferin, Kind meiner Heimatgemeinde, hat anmoderiert. Wenige Minuten später bin ich, wie Tausende, wie


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