Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 113

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

krete eigene Verantwortung. Kollege Murauer ist schon darauf eingegangen: Wir arbeiten derzeit intensiv am Analyseteil einer neuen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin, und in diesem Analyseteil sind bereits jene Bedrohungen dargestellt, die jetzt leider Gottes traurige Realität geworden sind.

Die wichtigsten sicherheitspolitischen Herausforderungen werden dort nämlich schon genannt, und sie lauten: Proliferation von Massenvernichtungswaffen, Destabilisierung der Rüstungsentwicklung, totalitäre Ideologien und fundamentalistische Religionen, politische Fragmentierungsphänomene verbunden mit einer Erosion staatlicher Handlungs- und Ordnungsfähigkeit, international agierende organisierte Kriminalität, Umweltgefahren, Bevölkerungsentwicklung und Migration, Energie- und Ressourcenprobleme und Ernährungsprobleme.

Meine Damen und Herren! Sie sollten anerkennen, dass diese Analyse, wie sie von der Regierung vorgelegt worden ist, eine umfassende ist. Wir sollten deshalb auch im Unterausschuss, der im Landesverteidigungsausschuss eingerichtet worden ist, zügig und konsequent an der Erstellung einer neuen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin mitarbeiten. Ich glaube, dass wir als Abgeordnete das unserer Bevölkerung schuldig sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte.

14.00

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Herr Minister! Hohes Haus! Ich glaube, niemand, der die Bilder von den Terrorangriffen in New York und Washington gesehen hat – und die ganze Welt konnte diese Terrorangriffe via Medien live miterleben –, kann sich dem Gefühl der Beklemmung entziehen, das diese Terroranschläge ausgelöst haben.

Die unglaubliche Aggressivität und die unglaubliche Destruktivität haben nicht nur Amerika, sondern die gesamte Zivilisation bis ins Mark getroffen. Die Trauer der gesamten Öffentlichkeit gilt daher zu Recht den Tausenden unschuldigen Zivilisten, die bei diesen Selbstmordattentaten ihr Leben verloren haben. Zu glauben, dass diese ungeheuren terroristischen Akte von Gewalt gegen Personen oder Sachen irgendeine konstruktive Änderung der Politik bringen würden – falls das überhaupt beabsichtigt war –, ist ein Irrtum.

Dennoch hat der Terror, glaube ich, die Vereinigten Staaten, die seit dem Sezessionskrieg keinerlei kriegerische und zerstörerische Akte in diesem Ausmaß auf ihrem Territorium erdulden mussten, ins Herz getroffen. Weder der Erste noch der Zweite Weltkrieg noch die übrigen Kriege, in die Amerika involviert war, von Vietnam bis zu den Nahost-Kriegen, haben das amerikanische Territorium tangiert. Insofern ist real nicht nur ein Stadtviertel in Schutt und Asche gelegt worden, sondern symbolisch auch der Glaube an die Unverwundbarkeit und die eigene territoriale Integrität verloren gegangen. Ein Gefühl des Ausgeliefertseins, einer gewissen Hilflosigkeit und die verzweifelte Suche nach einem fassbaren, greifbaren Schuldigen scheinen Amerika derzeit zu bewegen.

Insofern verdient Amerika in Anbetracht der vielen positiven Leistungen, die hier in diesem Haus schon genannt worden sind – von der Befreiung vom Hitler-Regime im Zweiten Weltkrieg bis zum Marshall-Plan und so weiter –, unser aller Solidarität.

Was tun? – Ich glaube, dass das Gerede vom Kampf der Kulturen – Abgeordneter Kurzmann hat das heute schon angesprochen –, so wie es Huntington präsentiert hat, der in der Andersartigkeit von Kulturen eine Kriegsgefahr sieht, in gewissem Sinne kulturrassistisch ist. Wenn man dessen Thesen wirklich ernst nähme und zur Richtschnur politischen Handelns machte, wäre eine massive Reideologisierung der Außenpolitik die Folge – auch wenn unter dem Deckmantel des Islam Akte der Intoleranz, des Fanatismus, der Gewalt und des Terrors begangen werden.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite