Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 22

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9.05

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Die Rednerin stellt einen gelben Karton mit der Aufschrift "Kein österreichischer Steuerschilling für EU-Atomindustrie", in dem sich stilisierte Euro-Banknoten befinden, auf das Rednerpult.) Wenn man die innenpolitische Auseinandersetzung in den letzten Wochen verfolgt hat, konnte man den Eindruck gewinnen, es geht um ein einziges Thema, nämlich: Anti-Atompolitik, Widerstand gegen Temelín. Was oft zu kurz kommt und was die Glaubwürdigkeit in diesen Fragen extrem unterwandert, ist die Anti-Atompolitik der österreichischen Bundesregierung vor allem in Brüssel, vor allem innerhalb der Europäischen Union.

Sie müssen sich jetzt vorstellen, dass – aktuell zur Beschlussfassung anstehend – eine halbe Milliarde österreichischen Steuergeldes in einer entscheidenden Phase ist, dass diese in Zukunft für neue Atomreaktoren ausgegeben werden soll: für Forschung, für neue Nuklearanlagen!

In Großbritannien steht seit 1983 ein Atomreaktor. Er unterscheidet sich etwas von anderen Atomreaktoren: Er produziert keinen Strom und frisst Milliarden an Geld. – Dieser Atomreaktor wird Folgeprojekte haben: Ein Projekt, das 45 Milliarden Schilling, ein weiteres Projekt, das 110 Milliarden Schilling kosten wird. Und für die gesamte Palette dieses Irrwegs der Erforschung neuer Atomreaktoren wird die Europäische Union in den Jahren 2002 bis 2006 17 Milliarden Schilling ausgeben! 17 Milliarden Schilling aus den Steuergeldern der europäischen Bürger!

Was ist jetzt die österreichische Position?, fragt man sich da berechtigt. Was ist der österreichische Widerstand, so etwas zu verhindern? Was war die österreichische Linie in den Verhandlungen um dieses Milliardenprogramm, rund um diesen politischen Irrweg?

Man kann sich nur darüber wundern, dass es von österreichischer Seite bis zum jetzigen Zeitpunkt, bei dem es um die letzte entscheidenden Phase in Bezug auf diese 17 Milliarden Schilling für neue Atomreaktoren, für neue Konzepte geht, keinen ernst zu nehmenden Widerstand gibt! Und ich frage Sie: Steht das nicht in einem gewissen Widerspruch zu Ihrem hier im Inland so propagierten, ja beworbenen Temelín-Widerstand? Macht sich Österreich nicht völlig unglaubwürdig, wenn es bei den großen Weichenstellungen innerhalb der Europäischen Union, wie es in der Energiepolitik weitergehen soll, eine völlig unglaubwürdige Linie fährt? (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte Ihnen einmal vorlesen, wozu die österreichische Bundesregierung im Begriff zuzustimmen ist, und zwar in der Person von Frau Bundesministerin Forstinger beziehungsweise Frau Bundesministerin Gehrer – ich zitiere –:

Auf längere Sicht könnten neuen Technologien der sicheren Nutzung der Kernspalt-Energie entwickelt werden, mit denen sich der Energiebedarf Europas in den kommenden Jahrzehnten auf eine Art und Weise decken ließe, die den Erfordernissen der nachhaltigen Entwicklung entspricht. – Zitatende. (Abg. Mag. Schweitzer: Wo lesen Sie das heraus?)

Das ist das EURATOM-Rahmenprogramm, das die österreichische Bundesregierung im Begriff ist, und zwar im Dezember, mitzubeschließen, mit zu verabschieden – ohne eine einzige Stimme des Protestes! (Abg. Mag. Schweitzer: Nein! Nein! Da musst du das Protokoll auch lesen! – Rufe bei den Freiheitlichen: Keine Unwahrheiten!)

Ich möchte Ihnen noch weitere Zitate daraus vorlesen: Forschungsziel dieses Programmes sind neue Reaktorkonzepte.

17 Milliarden Schilling für den Bereich Kernfusion, für eine Technologie, von der Wissenschaftler sagen, dass man aus dieser Quelle nie Strom gewinnen wird können, aber Milliarden für eine Technologie, die genauso eine Risiko-Technologie darstellt, die genauso atomaren Abfall produziert!


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