Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 196

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Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

19.45

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz zu Beginn meiner Rede einen kurzen Eindruck über die Nennungen zu diesem Tagesordnungspunkt schildern. Ich finde es schon bezeichnend, dass – aber vielleicht ist es Zufall – die ersten vier Redner zum Thema "Schutz von Kulturgütern" lauter Frauen sind, dass hingegen diejenigen, von denen Kulturgüter auch heute noch vorrangig zerstört werden, weiterhin vorrangig Männer sind. Aber das nur zum Nachdenken zu diesem Punkt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Haigermoser: Ihre Sorgen möchte ich haben!)

Wie auch meine Vorrednerinnen begrüße ich es sehr – und wir werden auch zustimmen –, dass dieses Zweite Protokoll zur Haager Konvention jetzt zur Ratifizierung vorliegt, denn Kulturgüter sind, wie auch schon gesagt wurde, essenziell für die Menschheit insgesamt, aber natürlich auch für die Identität und Verbundenheit von Menschen in einer Gesellschaft mit einer gewissen kulturellen Zugehörigkeit.

Nun ein kleiner Schwenk zu einem anderen Thema, das wir heute schon diskutiert haben: Natürlich könnten wir auch sagen, dass Lipizzaner und Mozartkugeln für eine Gesellschaft identitätsstiftend sind, da hätte ich aber schon Probleme, diese unter die Kulturgüter einzuordnen. Mit der Neutralität hätte ich wohl auch ein Problem, auch wenn diese durchaus identitätsstiftend ist, aber sie gehört wohl auch nicht zum Kulturgut im Sinn dieser Haager Konvention.

Zurück zur Konvention selbst. Das Positive an dieser Konvention ist, dass jetzt die Ausnahmeklauseln präzisiert wurden. Wenn Kulturgut militärisch "genutzt" – unter Anführungszeichen – wird, wenn Kirchen, wenn Moscheen quasi genutzt werden, damit es dort keinen Angriff gibt, dann kann es Ausnahmeklauseln geben.

Was auch präzisiert wurde, ist, dass für die Liste der Kulturgüter, die gemeldet werden können, auch Nichtregierungsorganisationen Vorschläge machen können. Ich denke, dass das ein großer Fortschritt ist, denn gerade in Staaten, in welchen die Zivilgesellschaft noch nicht so ausgeprägt ist, oder auch in solchen, in denen es sie sehr wohl gibt, macht es Sinn, dass auch von Seiten der Zivilgesellschaft und nicht nur von Seiten des Staates Kulturgüter vorgeschlagen werden können, die in diese Liste eingetragen werden sollen. (Beifall bei den Grünen.)

Erweitert wurde auch der verstärkte Schutz von besonders schützenswerten Kulturgütern. Dazu gehören natürlich auch bewegliche Kulturgüter. Was ein hilfreicher Punkt in diesem neuen Gesetz ist, ist der Umstand, dass internationale Organisationen wie etwa die Unesco eingebunden sind, womit auch dazu beigetragen werden kann, dass keine Mythenbildungen entstehen. Ich nenne als Beispiel all das, was sich an Mythen rund um die Schätze oder auch Nichtschätze im Toplitzsee oder rund um das Bernsteinzimmer, das im Zeiten Weltkrieg verschwunden war und von dem jetzt Teile wieder auftauchen, entwickelt hat.

Bei all diesen beweglichen Kulturgütern macht es Sinn, wenn sie rechtzeitig, also noch in Friedenszeiten, aber ganz dezidiert dann, wenn ein bewaffneter Konflikt beginnt, in einer Liste eingetragen sind, wenn klar ist, um welche es sich handelt, und wenn – und das ist der weitere wichtige Punkt in diesem Gesetz – auch klar ist, dass die Täter, die Täterinnen auszuliefern sind und strafrechtlich verfolgt werden müssen, dass also jene Personen – seien es Soldaten, seien es Plünderer, seien es andere –, die für die Zerstörung verantwortlich sind, verpflichtend ausgeliefert werden sollen.

Natürlich ist trotz allen Schutzes von Kulturgütern immer wieder anzumerken, dass eigentlich die Menschen selbst im Mittelpunkt der Bemühungen des Schutzes stehen sollten, denn ohne den Schutz der Menschen wird alles andere marginal. Da verweise ich auch auf die Zerstörung der Buddha-Statuen in Afghanistan. Da hat es einen Aufschrei in der Welt gegeben. Einen Aufschrei darüber, was durch das Taliban-Regime davor schon an Grausamkeiten, und zwar vor allem an Frauen, verübt wurde, hat es nicht gegeben.


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