Stenographisches Protokoll

98. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 21. März 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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98. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 21. März 2002

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 21. März 2002: 9.02 – 20.42 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren Veto gegen Temelín

2. Punkt: Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen samt Anlagen

3. Punkt: Bericht über den Antrag 625/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Ing. Gerhard Fallent, Mag. Ulrike Sima, Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Position Österreichs bei den zukünftigen Vertragsstaatenkonferenzen des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfanges sowie über den

Entschließungsantrag 588/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Position Österreichs bei den zukünftigen Vertragsstaatenkonferenzen des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfanges

4. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 576/A (E) der Abgeordneten Dr. Harald Ofner, Matthias Ellmauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend den internationalen Schutz der Menschenrechte und über den

Entschließungsantrag 582/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen betreffend den internationalen Schutz der Menschenrechte und über den

Entschließungsantrag 142/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Menschenrechtssituation in Tibet und über den

Entschließungsantrag 163/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiederaufbauhilfe in den türkischen Bürgerkriegsgebieten und über den

Entschließungsantrag 336/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen betreffend die finanzielle Unterstützung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und über den

Entschließungsantrag 340/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend die internationale Anerkennung der Rolle indigener Völker im Bereich nachhaltiger Entwicklung und über den


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Entschließungsantrag 342/A (E) der Abgeordneten Inge Jäger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Verfolgung und Ermordung der Prostitution beschuldigter Frauen im Irak und über die

Petition (16/PET) betreffend "Menschenrechte auch für Sudetendeutsche!", überreicht vom Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, und über die

Petition (13/PET) betreffend "Anerkennung der Verfolgung und Auslöschung der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich von 1915 bis 1917 als Völkermord im Sinne der UN-Konvention zur Verhinderung und Bestrafung von Völkermord vom 9. Dezember 1948", überreicht von den Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Dr. Johannes Jarolim, sowie über den

Entschließungsantrag 50/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung der Massaker an der armenischen Bevölkerung 1915 bis 1917 im Osmanischen Reich als Völkermord

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 11

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 626/A (E) betreffend Änderung der Pflichtversicherung und des Bewertungsgesetzes für bäuerliche Nebentätigkeiten und Direktvermarktung gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 16. April 2002 zu setzen 31

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 31

Redner:

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 133

Heinz Gradwohl 136

Reinhart Gaugg 137

Karl Donabauer 138

Dr. Gabriela Moser 139

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 140

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 31

Fragestunde (20.)

Finanzen 11

Mag. Andrea Kuntzl (152/M); Dr. Peter Pilz

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (150/M); Mag. Werner Kogler, Hans Müller, Rainer Wimmer

Dr. Peter Pilz (157/M); Hermann Böhacker, Doris Bures, Dr. Michael Spindelegger


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98. Sitzung / Seite 3

Hermann Böhacker (155/M); Reinhold Lexer, Mag. Werner Kogler, Heidrun Silhavy

Marianne Hagenhofer (153/M); Astrid Stadler, Dr. Peter Pilz

Mag. Cordula Frieser (151/M); Hermann Böhacker, Heinz Gradwohl

Mag. Werner Kogler (158/M); Mag. Gerhard Hetzl, Anna Huber, Ernst Fink

Heidrun Silhavy (154/M); Karl Donabauer, Dr. Kurt Grünewald

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 11

Ausschüsse

Zuweisungen 30

Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Ing. Peter Westenthaler, Dr. Andreas Khol, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen auf Wahl eines besonderen Ausschusses gemäß § 87 Abs. 1 GOG zur Vorberatung des Volksbegehrens "Veto gegen Temelín" – Annahme (Verzeichnis der Mitglieder siehe bitte S. 186) 35, 85

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Michael Krüger, Matthias Ellmauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Verbesserung des rechtlichen Status von Angehörigen der Exekutive und Zivilpersonen im Rahmen von UN-Missionen (646/A) (E) 104

Begründung: Dr. Michael Krüger 106

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 110

Debatte:

Dr. Andreas Khol 112

Peter Schieder 114

Dr. Harald Ofner 116

Dr. Peter Pilz 118

Johann Loos 120

Rudolf Parnigoni 121

Dr. Helene Partik-Pablé 123

Mag. Terezija Stoisits 125

Matthias Ellmauer 126

Mag. Andrea Kuntzl 128

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 130

Hermann Reindl 131

Johann Kurzbauer 132

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung des rechtlichen Status von Angehörigen der Exekutive und von Zivilpersonen im Rahmen von UN-Missionen – Ablehnung 129, 133

Annahme des Selbständigen Entschließungsantrages 646/A (E) betreffend Verbesserung des rechtlichen Status von Angehörigen der Exekutive und Zivilpersonen im Rahmen von UN-Missionen (E 128) 133


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Verhandlungen

1. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren Veto gegen Temelín (1065 d. B.) 32

Redner:

Dr. Josef Cap 32

Ing. Peter Westenthaler 35

Dr. Andreas Khol 38

Rudolf Edlinger (tatsächliche Berichtigung) 41

Dr. Andreas Khol (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 41

Dr. Eva Glawischnig 41

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 45

Mag. Ulrike Sima 47

Mag. Karl Schweitzer 49

Karlheinz Kopf 51

Dr. Peter Pilz 53

Bundesminister Herbert Scheibner 55

Georg Oberhaidinger 57

Anna Elisabeth Achatz 58

Maria Rauch-Kallat 59

Dr. Gabriela Moser 61

Ing. Peter Westenthaler (tatsächliche Berichtigung) 62

Mag. Barbara Prammer 63

Dr. Martin Graf 64

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 65

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 67

Dr. Peter Wittmann 68

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 70

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 70

Dr. Gabriela Moser (tatsächliche Berichtigung) 72

Karl Donabauer 72

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 74

Katharina Pfeffer 74

Dr. Brigitte Povysil 75

Dr. Peter Wittmann (tatsächliche Berichtigung) 76

Mag. Kurt Gaßner 76

Dr. Alois Pumberger 78

Gerhard Reheis 79

Ing. Gerhard Fallent 80

Ing. Wilhelm Weinmeier 81

Ing. Herbert L. Graf 82

Theresia Zierler 83

Mag. Helmut Kukacka 84

2. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (987 d. B.): Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen samt Anlagen (1060 d. B.) 86

Redner:

Mag. Ulrike Sima 86

Mag. Karl Schweitzer 87

Erwin Hornek 88

Dr. Eva Glawischnig 90

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 93

Georg Oberhaidinger 95

Ing. Gerhard Fallent 96

Matthias Ellmauer 97

Dr. Gabriela Moser 99


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98. Sitzung / Seite 5

Karl Dobnigg 101

Robert Wenitsch 102

Johann Loos 103

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 141

Anton Heinzl 142

Franz Hornegger 143

Edeltraud Lentsch 144

Dkfm. Dr. Hannes Bauer 145

Ing. Herbert L. Graf 146

Mag. Hans Langreiter 147

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 148

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend österreichische Klimaschutzoffensive nach der Ratifikation des Kyoto-Protokolls – Ablehnung 92, 149

Genehmigung des Staatsvertrages 149

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG 149

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 149

3. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 625/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Ing. Gerhard Fallent, Mag. Ulrike Sima, Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Position Österreichs bei den zukünftigen Vertragsstaatenkonferenzen des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfanges sowie über den

Entschließungsantrag 588/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Position Österreichs bei den zukünftigen Vertragsstaatenkonferenzen des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfanges (1061 d. B.) 149

Redner:

Katharina Pfeffer 150

Mag. Dr. Udo Grollitsch 150

Werner Miedl 151

Dr. Eva Glawischnig 152

Ing. Erwin Kaipel 153

Ing. Gerhard Fallent 154

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 155

Rainer Wimmer 155

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1061 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Position Österreichs bei den zukünftigen Vertragsstaatenkonferenzen des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfanges (E 129) 156

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Entschließungsantrag 576/A (E) der Abgeordneten Dr. Harald Ofner, Matthias Ellmauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend den internationalen Schutz der Menschenrechte und über den

Entschließungsantrag 582/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen betreffend den internationalen Schutz der Menschenrechte und über den


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98. Sitzung / Seite 6

Entschließungsantrag 142/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Menschenrechtssituation in Tibet und über den

Entschließungsantrag 163/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiederaufbauhilfe in den türkischen Bürgerkriegsgebieten und über den

Entschließungsantrag 336/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen betreffend die finanzielle Unterstützung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und über den

Entschließungsantrag 340/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend die internationale Anerkennung der Rolle indigener Völker im Bereich nachhaltiger Entwicklung und über den

Entschließungsantrag 342/A (E) der Abgeordneten Inge Jäger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Verfolgung und Ermordung der Prostitution beschuldigter Frauen im Irak und über die

Petition (16/PET) betreffend "Menschenrechte auch für Sudetendeutsche!", überreicht vom Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, und über die

Petition (13/PET) betreffend "Anerkennung der Verfolgung und Auslöschung der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich von 1915 bis 1917 als Völkermord im Sinne der UN-Konvention zur Verhinderung und Bestrafung von Völkermord vom 9. Dezember 1948", überreicht von den Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Dr. Johannes Jarolim, sowie über den

Entschließungsantrag 50/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung der Massaker an der armenischen Bevölkerung 1915 bis 1917 im Osmanischen Reich als Völkermord (1062 d. B.) 156

Redner:

Mag. Walter Posch 157

Dr. Harald Ofner 159

Matthias Ellmauer 161

Mag. Terezija Stoisits 163

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 165

Dr. Elisabeth Hlavac 169

Dr. Michael Krüger 170

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 171

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 172

Stefan Prähauser 173

Dr. Martin Graf 175

Dr. Gertrude Brinek 176

Helmut Dietachmayr 177

Dr. Gerhard Kurzmann 179

Günter Kößl 180

Inge Jäger 181

Dr. Christof Zernatto 183

Karl Dobnigg 184

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen im Bereich der Menschenrechte und der Sicherung der Gewissensfreiheit – Ablehnung 182, 185


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Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1062 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend aktive Menschenrechtspolitik (E 130) 185

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage 29

1066: Dienstrechts-Novelle 2002

Anträge der Abgeordneten

Dr. Michael Krüger, Matthias Ellmauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung des rechtlichen Status von Angehörigen der Exekutive und Zivilpersonen im Rahmen von UN-Missionen (646/A) (E)

Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats geändert werden (647/A)

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Reforminitiative für die KZ-Gedenkstätte Mauthausen (648/A) (E)

Dr. Martin Graf, Dr. Gottfried Feurstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (649/A)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (Wahlrecht auf kommunaler Ebene für MigrantInnen aller Staatsangehörigkeiten) (650/A)

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufhebung der "Beneš-Dekrete" und der "AVNOJ-Bestimmungen" (651/A) (E)

Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Chancengerechtigkeit für Frauen (652/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Verschuldung in Österreich" (653/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Anton Gaál, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Stellungnahme des Verfassungsdienstes (3659/J)

Helmut Dietachmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Sparprogramm der ÖBB auf Kosten der Sicherheit (3660/J)

Dr. Ilse Mertel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend den Anspruch auf Pflegefreistellung für geschiedene Eltern (3661/J)

Dr. Ilse Mertel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Erwerbsquote von Frauen im europäischen Vergleich (3662/J)

Dr. Ilse Mertel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Umsetzung der vom Europäischen Rat beschlossenen


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Beschäftigungsstrategie zur Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen (3663/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Koedukation im Sportunterricht (3664/J)

Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Verhaltensvereinbarungen (3665/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "Durchführung einer bundesweiten Aufklärungs- und Informationskampagne zum Thema ,Jugend und Alkohol‘" (3666/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend dringenden Klärungsbedarf hinsichtlich des Theaters "Kosmos-Frauenraum" (3667/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Kunsthistorisches Museum (3668/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Diskriminierung von Lesben und Schwulen durch an österreichischen Schulen verwendete Schulbücher (3669/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Diskriminierung von ausländischen MitbürgerInnen durch ein an österreichischen Schulen verwendetes Schulbuch (3670/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Aufnahmehürden fürs Gymnasium (3671/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend "EU-Tourist klagt Salzburg" (3672/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend "Pflanzengutgesetz – Berichte – Kontrolle – Konsequenzen – Kompetenzen" (3673/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "Vollziehung der Fertigverpackungsverordnung – Konsumentenprobleme II" (3674/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "Wasserqualität in Einzelwasserversorgungsanlagen" (3675/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend "Wasserqualität in Einzelwasserversorgungsanlagen" (3676/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend "EU-Tourist klagt Salzburg" (3677/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend "EU-Tourist klagt Salzburg" (3678/J)


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Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die mangelnde Budgettransparenz und den vorläufigen Gebarungserfolg für das Jahr 2001 (3679/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "EU-Tourist klagt Salzburg" (3680/J)

Dr. Ilse Mertel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kinderbetreuungseinrichtungen (3681/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Mais-Aussaat 2002 (3682/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Saatgut- und Futtermittel-Kontrollen sowie der "Saatgut-Grenzwert-Verordnung" (3683/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Pestizidbelastung in Obst und Gemüse (3684/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend "Futtermittelgesetz – Berichte – Kontrolle – Konsequenzen – Kompetenzen" (3685/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend LKW-LenkerInnen-Tagung am 10. Oktober 2000 (3686/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend LKW-LenkerInnen-Tagung am 10. Oktober 2000 (3687/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend LKW-LenkerInnen-Tagung am 10. Oktober 2000 (3688/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend LKW-LenkerInnen-Tagung am 10. Oktober 2000 (3689/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend LKW-LenkerInnen-Tagung am 10. Oktober 2000 (3690/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Schülerfreifahrt während des Pflichtpraktikums (3691/J)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend gesicherte Daten für Hauptverbandspräsident Frad (3692/J)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend negative Auswirkungen der Saisonierregelung auf den Arbeitsmarkt (3693/J)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Reduzierung des Leistungsangebotes bei arbeitsmarktpolitischen Beratungsstellen ab 2003 in Wien (3694/J)


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98. Sitzung / Seite 10

Jakob Auer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs durch Mittel aus dem Finanzausgleich (3695/J)

Jakob Auer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs durch Mittel aus dem Finanzausgleich (3696/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schloss Waidhofen (3697/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Schloss Waidhofen (3698/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Schloss Waidhofen (3699/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Überhandnahme des Mülltransits wegen Ausweitung der Ausnahmen von der Ökopunktepflicht (3700/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (3276/AB zu 3284/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen (3277/AB zu 3297/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (3278/AB zu 3307/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (3279/AB zu 3314/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen (Zu 3246/AB zu 3268/J)


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98. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

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98. Sitzung / Seite 12

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie sehr herzlich begrüßen und erkläre die 98. Sitzung des Nationalrates, die für heute, 9 Uhr, einberufen wurde, für eröffnet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Amon, Mag. Firlinger, Dr. Lichtenberger, Mag. Lunacek, Murauer, Jung, Dr. Einem, Öllinger und Sodian. Einige dieser Abgeordneten sind auf Grund der Teilnahme am Konvent der Europäischen Union verhindert.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für die heutige Sitzung hat der Herr Bundeskanzler Mitteilung gemacht über eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Regierungsmitgliedern wie folgt:

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer wird durch Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer vertreten.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr, um 9.03 Uhr, zur Fragestunde.

Bundesministerium für Finanzen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir beginnen mit der Anfrage 152/M an den Herrn Finanzminister, die von Frau Abgeordneter Mag. Kuntzl eingebracht wurde. Ich bitte um Formulierung der Anfrage, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage an Sie lautet:

152/M

Zu welchem Ergebnis sind die Finanzbehörden bei der Prüfung der Frage gekommen, ob Landeshauptmann Dr. Jörg Haider mit seiner Reise in den Irak das Außenhandelsgesetz verletzt hat?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich vorausschicken: Den Medien konnte man bereits entnehmen, dass es in dieser Frage ein Ermittlungsansuchen des zuständigen Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit Martin Bartenstein gegeben hat. Es hat auch der Herr Landeshauptmann von Kärnten, Dr. Jörg Haider, in einem Brief an das Bundesministerium für Finanzen darum ersucht, dass diese Angelegenheit überprüft wird. Wir sind in dieser Frage selbstverständlich tätig geworden.

Da ich, wie Sie wissen, im Abgabenverfahren beziehungsweise Finanzstrafverfahren der abgabenrechtlichen Geheimhaltungsverpflichtung gemäß § 48a BAO unterliege, ersuche ich um Verständnis dafür, dass ich diese Frage nicht weiter beantworten kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Bundesminister! Aus Medienberichten ist bekannt, dass eine Ausfuhrgenehmigung, ein wichtiger Bestandteil der legalen Ausfuhr der Hilfsgüter in den Irak, eine Rolle gespielt haben soll.

Liegt eine derartige Ausfuhrgenehmigung den Behörden vor?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich kann nur noch einmal sagen: Das Bundesministerium für Finanzen ist im Wege des Ersuchens des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit tätig geworden und hat die Finanzlandesdirektion Kärnten und die dafür zuständigen Zollstellen mit der Untersuchung, mit der Ermittlung des tatsächlichen Sachverhalts beauftragt. Ein Ergebnis liegt bis jetzt noch nicht vor.

Und außerdem unterliege ich, wenn das Ergebnis vorliegt, der abgabenrechtlichen Geheimhaltung. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Pilz, bitte.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine Frage, Herr Bundesminister: Haben Sie vor, dann, wenn ein Ergebnis dieser Untersuchung vorliegt, dieses Ergebnis an das Sanktionenkomitee der Vereinten Nationen weiterzuleiten? (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage! – Abg. Mag. Prammer: Das war doch eine Frage! – Abg. Dr. Ofner: Hat der Pilz einen Sachwalter?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Das ist eine Frage, die wir sehr gerne prüfen, die wir bis jetzt noch nicht überlegt haben.

Ich gehe davon aus, dass auch der Landeshauptmann von Kärnten, nachdem er in dieser Frage offensichtlich selbst großes Interesse an Transparenz und Offenheit hat und in einem Brief an mich herangetreten ist und ersucht hat, dieser Frage nachzugehen, da er offensichtlich der Überzeugung ist, völlig rechtens gehandelt zu haben, kein Problem haben wird, wenn man das Ergebnis dieser Untersuchung dann auch mitteilt – wem auch immer.

Ich persönlich bin in der Verantwortung als Finanzminister – noch einmal – an § 48a Bundesabgabenordnung und damit an die Geheimhaltung gebunden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Zusatzfragen dazu werden nicht gewünscht.

Wir kommen daher zur 2. Anfrage, die Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll eingebracht hat. – Bitte.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

150/M

Welchen Einfluss wird die Zinsbelastung auf die Erreichung der von der Bundesregierung bis zum Jahr 2010 angestrebten Abgabenquote von 40 Prozent haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Zunächst: Wir haben uns gemeinsam zu diesem Ziel bekannt. Wir wollen die Abgabenquote bis zum Jahr 2010 in mehreren Etappen auf 40 Prozent senken. Zuletzt hatten wir 1979/1980 ein solches Niveau. Das heißt, es geht um eine nachhaltige und wirklich umfassende Entlastung des Steuerzahlers in einer Größenordnung von 18 Milliarden € bis zum Jahre 2010.


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98. Sitzung / Seite 13

Konkret zu Ihrer Frage, welchen Teil die Zinsentlastung hier beitragen kann: Es werden in den nächsten Jahren hochverzinste Anleihen abreifen. Wir werden aus heutiger Sicht – mit einem konstanten Zinsniveau gerechnet – eine gewisse Entlastung des Budgets erreichen. Es wird per Saldo die Zinsbelastung des Budgets nominell zwar etwas ansteigen, sie wird aber gemessen am Bruttoinlandsprodukt sinken.

In den Jahren 2000 und 2001 waren wir im Budgetvollzug um 29 Milliarden Schilling noch besser, als im Voranschlag gestanden ist. Allein daraus ergibt sich schon eine dauerhafte Entlastung im Zinsbereich in einer Größenordnung von in etwa 110 Millionen € pro Jahr – also auf Dauer jedes Jahr um 110 Millionen € weniger.

Es zeigt sich natürlich ein noch drastischerer Unterschied, wenn man rechnet, was gewesen wäre, wenn wir nicht konsolidiert hätten. Im Vergleich dazu ist die Zinseinsparung natürlich wesentlich größer.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Bundesminister! Da wir nicht nur Fragestunde haben, sondern heute auch Frühlingsbeginn ist, möchte ich eine Zusatzfrage stellen, während meine Kollegen an die Damen des Hauses einen Frühlingsgruß in Form von Blumen verteilen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Zusatzfrage, Herr Minister: Wäre die Erreichung dieses ehrgeizigen Ziels, die Senkung der Abgabenquote unter 40 Prozent, auch bei einem nicht sanierten Budget möglich?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Bei einem nicht sanierten Budget bräuchte man diese Frage überhaupt nicht zu ventilieren. Es wäre unmöglich, ein solches Ziel auch nur anzustreben. Es ist klar, dass ein saniertes Budget Voraussetzung dafür ist, dass wir uns über eine nachhaltige Entlastung für den Steuerzahler unterhalten können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kogler, bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundesminister! Wir dürfen davon ausgehen, dass diese Blumengrüße nicht aus dem Steuerzahlertopf zu refundieren sind. (Zwischenruf.) – Ich finde es ein bisschen eigenartig, wenn die Fragestunde für innerfraktionelle Belustigungen herangezogen wird.

Zur Frage selbst: Herr Bundesminister! Ist es nicht ein bisschen dick aufgetragen, den Einfluss der Zinsschwankungen – Sie haben ihn sehr ausführlich beschrieben – hinsichtlich des Ziels der Erreichung einer Abgabenquote von 40 Prozent zu nominieren?

Mir erscheint es als dick aufgetragen, insbesondere wenn man an die Ausgabenbelastungen denkt, die auf uns zukommen – ich darf hier die Abfangjäger erwähnen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Ich habe die Fragestellung nicht wirklich erkannt, sage aber noch einmal: Es ist einfach ein Faktum, dass wir allein in diesen zwei Jahren eine Größenordnung von 110 Millionen € pro Jahr an Zinsersparnis, und das dauerhaft für alle Zukunft, erreicht haben, weil wir den Vollzug besser zustande gebracht und den Haushalt konsolidiert haben. Wir haben diese Entlastung für den Steuerzahler erreicht, und das ist natürlich ein wichtiger Beitrag, um hier über eine nachhaltige Entlastung der Bevölkerung nachdenken zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Müller, bitte.


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98. Sitzung / Seite 14

Abgeordneter Hans Müller
(Freiheitliche): Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Halten Sie auch Anpassungen im Budgetverfahren für erforderlich, um das Ziel der Senkung der Abgabenquote auf 40 Prozent bis zum Jahr 2010 zu erreichen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser:
Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich sehe dieses Erfordernis absolut. Es sollte uns um eine bessere Abstimmung der staatlichen Aufgaben mit den verfügbaren finanziellen Ressourcen gehen.

Sie wissen, dass zurzeit ein Budgetprogramm im Bundeshaushaltsrecht verankert ist. Wir schlagen vor, dass man dieses Budgetprogramm durch einen integrierten Aufgaben- und Finanzplan ersetzt, der nicht nur die beabsichtigte budgetäre Entwicklung aufzeigt, sondern auch die politischen Prioritäten und ihre Finanzierung im Rahmen stabiler Staatsfinanzen klarlegt. Wir werden einen solchen Vorschlag auch ins Hohe Haus einbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Wimmer, bitte.

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Bundesminister! Um wie viele Milliarden Euro müssten die öffentlichen Ausgaben – bei einem ausgeglichenen Budget – pro Jahr gesenkt werden, damit im Jahre 2010 eine Steuer- und Abgabenquote von 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, wie Sie das eben angekündigt haben, tatsächlich verwirklicht werden kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! In Summe geht es um eine Entlastung in der Größenordnung von 18 Milliarden €, je nach Wachstumsentwicklung, um bis 2010 die 40 Prozent erreichen zu können. (Unruhe im Saal. – Abg. Kiss spricht, mit dem Rücken zu Bundesminister Mag. Grasser stehend, mit Abg. Kopf.)

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Kollege Kiss! Zeigen Sie bitte nicht so demonstrativ Ihr Desinteresse an den Ausführungen des Herrn Finanzministers! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kiss: Was soll denn das? Warum picken Sie mich heraus? Ich glaube, Sie können den gestrigen Abend nicht verwinden! – Bei Philippi sehen wir uns wieder!)

Bitte, Herr Minister, setzen Sie fort!

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser (fortsetzend): Es geht also um eine Entlastung in der Größenordnung von etwa 18 Milliarden €, je nach Wachstum. Man muss aber zwei Komponenten sehen: Auf der einen Seite geht es uns darum, in Österreich ein stärkeres Wachstum zu ermöglichen, weil es uns automatisch hilft, die Abgabenquote zu reduzieren, auf der anderen Seite geht es um Restrukturierungen der Ausgabenseite, um dieses Ziel zu erreichen.

Es sind also zumindest zwei Komponenten: Wachstumssteigerung einerseits, Ausgabenreduktion andererseits.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 3. Anfrage, die Herr Abgeordneter Dr. Pilz eingebracht hat.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Herr Bundesminister! Meine Frage ist ganz einfach und lautet:

157/M

Sind Abfangjäger aus finanzieller Sicht leistbar?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir haben gerade ein Ziel diskutiert, nämlich die Abgabenquote auf 40 Prozent zu senken und damit eine nachhaltige Entlastung der Bevölkerung zu ermöglichen. Es ist daher klar, dass es in der Verantwortung des Finanzministers liegt, alles zu tun, damit die Staatsausgaben konstant gehalten beziehungsweise gesenkt werden können.

Insofern werden Sie verstehen, dass es mir ein großes Anliegen ist, keine neuen Ausgaben ohne Gegenfinanzierung zuzulassen. Mehrausgaben ohne Gegenfinanzierung stellen aus meiner Sicht in allen Bereichen ein Problem dar. Die Frage der Abfangjäger wird man vor diesem Hintergrund erst dann endgültig seriös beurteilen können, wenn alle Eckpunkte des Geschäftes, vor allem was den Preis und die Gegengeschäfte anlangt, vorliegen.

Sie kennen meine Aussagen dazu und können sicher sein, dass wir die Angebote sehr seriös und sehr detailliert prüfen werden, sobald sie dem Finanzministerium zugänglich sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Herr Finanzminister! In einem Interview mit der Zeitschrift "NEWS" waren Sie eine Spur konkreter, dort hat Ihre Aussage gelautet: Abfangjäger sind finanziell nicht leistbar. – Ich nehme diese Umschreibung jetzt so zur Kenntnis.

Meine konkrete Zusatzfrage lautet: Können Sie, Herr Bundesminister, dann, wenn das Schlimmste passiert und ein Vertrag über den Kauf von Abfangjägern auch gegen Ihren Widerstand unterzeichnet wird, sicherstellen und garantieren, dass eine Stornoklausel in den Vertrag eingebaut wird, die sicherstellt, dass nach einem möglichen Regierungswechsel ein Ausstieg aus dem Abfangjägerkauf mit möglichst geringen Kosten für die Republik Österreich verbunden ist? (Abg. Ing. Westenthaler: "Verteidigungsminister Pilz"!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Zunächst noch einmal: Das, was ich vorhin gesagt habe, sollte im Vergleich zu dem Interview, das Sie zitiert haben, keine Umschreibung sein, sondern ich habe damals selbstverständlich auch diesen Komplex dargelegt. Es geht um die Ausgabenseite, die uns allen ein Anliegen sein sollte. Ich denke nämlich, es sollte ein gemeinsames Ziel sein, die Bevölkerung zu entlasten, und dazu müssen wir die Staatsausgaben senken. Insofern sind alle Ausgaben, egal, um welche es geht, ohne Gegenfinanzierung ein Problem. Vor diesem Hintergrund war auch das damalige Interview zu verstehen.

Was die Frage nach der Stornoklausel betrifft, so sage ich Ihnen ganz offen: Ich kenne kein Geschäft, das rechtsverbindlich abgeschlossen wird (Abg. Ing. Westenthaler: "Rechtsverbindlich", diesen Begriff kennt Pilz nicht! – Abg. Mag. Schweitzer: Er meint "linksverbindliches" Geschäft!), bei dem man – in die politische Zukunft blickend, nicht wissend, was später bei Wahlergebnissen durch die Bevölkerung zum Ausdruck gebracht wird – so etwas festlegen kann. Wir sind guten Mutes, dass der Erfolgsweg dieser Bundesregierung von der Bevölkerung so honoriert wird, dass es auch weiterhin eine solche Regierungskonstellation gibt, weil es zum Vorteil des Landes ist. – Eine solche Stornoklausel würde sich insofern erübrigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Das Wort "rechtsverbindlich" kennt Herr Pilz nicht! Er weiß nicht, was das ist! Anarchist da drüben!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Böhacker, bitte.

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Österreich hat ja bereits Luftraumüberwachungsflugzeuge, deren Laufzeit aber in einigen Jahren ausläuft. Diese Luftraumüberwachungsflugzeuge müssen ja auch gewartet und entsprechend in Schuss gehalten werden. (Heiterkeit.)


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Herr Bundesminister! Ich möchte Sie fragen: Wie beurteilen Sie, wenn es zu keiner Neuanschaffung kommt, die Lage aus wirtschaftlicher Sicht im Allgemeinen und insbesondere im Zusammenhang mit den derzeit für die "Draken" beschäftigten Mitarbeitern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir müssen natürlich die wirtschaftliche Komponente sehen – ich habe es angesprochen, es geht um Gegengeschäfte. Wir haben eine Kompensation des Abfangjägerkaufs in der Größenordnung von 200 Prozent in den Ausschreibungsbedingungen verlangt. Diese Gegengeschäfte sind jetzt in Prüfung, ich kann also noch kein endgültiges Urteil darüber abgeben.

Es ist klar, dass die damalige Beschaffung der "Draken" mit den Gegengeschäften dem Standort sicher genützt hat. Deswegen sagte ich, es geht darum, dass wir ein Gesamtpaket hinsichtlich der Fragen nach den unmittelbaren Kosten des Kaufs und den Möglichkeiten an Wertschöpfung, Arbeitsplätzen und Betriebsansiedlungen in Österreich evaluieren, bewerten können. Dann wird man ein Urteil fassen können, ob es ökonomisch finanziell verantwortbar ist oder nicht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Bures, bitte.

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Bundesminister! Es handelt sich um die größte Einzelinvestition der Geschichte, wenn wir die Abfangjäger ankaufen. Und in Zeiten, in denen im Sozialbereich massiv gekürzt wird, wird über den Ankauf von Abfangjägern diskutiert.

Herr Bundesminister! Sind Sie auch der Auffassung, dass bei solch einer Investition die Bevölkerung ein Recht darauf hat, gefragt zu werden, ob sie den Ankauf von Abfangjägern überhaupt möchte? (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich glaube, jeder weiß, dass ich grundsätzlich ein Fan der direkten Demokratie bin. Gott sei Dank hat die Bevölkerung in Österreich immer das letzte Wort, selbstverständlich zuletzt auch bei Wahlen.

Ich denke aber, dass man, wenn es um Volksabstimmungen geht, sehr konkret überlegen muss, wie ein Text und ein Gesamtzusammenhang einer solchen Fragestellung aussehen sollten, sodass es auch tatsächlich Sinn macht.

Ich möchte zu Ihrer Einleitung Folgendes sagen: Kürzungen im Sozialbereich sind mir – ganz offen – nicht bekannt, sondern ganz im Gegenteil (Abg. Edler: 17 Milliarden Schilling! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), wir konnten allein in diesem Jahr, im Jahr 2002, über die Pensionserhöhung erreichen, dass die Pensionisten 450 Millionen € mehr an Kaufkraft haben. Auf der anderen Seite haben wir durch das Kinderbetreuungsgeld eine Kaufkraftsteigerung von 9 Milliarden Schilling erreicht.

Das heißt: sehr signifikante Mehrausgaben im Sozialbereich – zu krönen mit einem Beschluss des Hohen Hauses, der die Mitarbeitervorsorge, also die "Abfertigung neu", betrifft. Sie sehen also, dass wir im sozialen Bereich wirklich Schwerpunkte zum Wohle der Beschäftigten und der Bevölkerung setzen. Ich denke, darauf können wir stolz sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Danke für die Frage, Frau Kollegin Bures! Bitte weiter solche Fragen! – Abg. Achatz: Das war ein Eigentor! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger, bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Bundesminister! Dieses Projekt der Abfangjäger soll ja über viele Jahre finanziert werden, nicht nur in einem Jahr.


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98. Sitzung / Seite 17

Meine Frage an Sie: Gab es nicht schon große Beschaffungsvorhaben in Österreich, die über mehrere Jahre finanziert wurden, und welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Selbstverständlich gibt es im Landesverteidigungsbereich viele Beschaffungen, die über mehrere Jahre finanziert werden. Ich würde sagen, es ist die Regel, dass größere Beschaffungen im Verteidigungsbereich über mehrere Jahre finanziert werden.

Eindeutig unrichtig ist, dass es mehrere Generationen betrifft. Sie wissen, dass wir eine Finanzierung von neun Jahren ins Auge fassen – das ist ein überschaubarer Zeitraum. Es ist absolut üblich, eine solche Finanzierung über einige Jahre vorzunehmen, weil es unsinnig wäre, größere Ausgaben in einem Jahr zu finanzieren. Deshalb verteilen wir es sinnvollerweise auf mehrere Jahre. (Abg. Dr. Khol: Sehr gut macht er das!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 4. Anfrage, die Herr Abgeordneter Böhacker stellt. – Bitte.


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98. Sitzung / Seite 18

Abgeordneter Hermann Böhacker
(Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

155/M

Welche Maßnahmen werden Sie im Zusammenhang mit den gestern beschlossenen gesetzlichen Bestimmungen zur nachhaltigen Bekämpfung der Schwarzarbeit setzen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich bedanke mich zunächst dafür, dass gestern dieser Beschluss im Rahmen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes und der Konjunkturpakets-Debatte möglich war. Ich denke nämlich, dass das ein sehr wichtiger Schwerpunkt ist, den wir im Bereich der Missbrauchs- und der Betrugsbekämpfung setzen können und in Verantwortung für die Beschäftigten und die Wirtschaft unseres Landes auch zu setzen haben.

Ziel ist es, die illegale Beschäftigung von Ausländern, die natürlich zu einer Verzerrung des Wettbewerbs auf dem Arbeitsmarkt führt, in den Griff zu bekommen, stärker zu kontrollieren. Ziel ist es, Dumpinglöhne zulasten der Beschäftigten auf dem österreichischen Arbeitsmarkt nicht zuzulassen. Ziel ist es, die sozialen Probleme, die im Bereich des Güterverkehrs, des Transportgewerbes, aber auch des Schiffsverkehrs sehr offenkundig geworden sind, sehr massiv aufzuzeigen und abzustellen.

Wir werden hier eine Fülle von Maßnahmen, Schwerpunktaktionen setzen. Es ist auf der Grundlage Ihres Beschlusses möglich geworden, die Kontrolltätigkeit, die Zahl der Kontrollorgane im Bereich der zivilen Zollverwaltung zu verdreifachen. Wir werden also knapp 100 Mitarbeiter für diese Kontrollen zum Einsatz bringen und damit eine größere Kontrolldichte erreichen.

Wir haben mit Pilotversuchen im Rahmen der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland bereits mit großem Erfolg begonnen, in die Fläche zu gehen.

Ich sage aus tiefer Überzeugung, dass es zum Vorteil der Mitarbeiter, der Unternehmer, der Wirtschaft ist, weil es um einen fairen Wettbewerb in allen Bereichen geht.

Ich denke, dass es insofern sehr gut und klug ist, wenn wir diese Missbrauchs- und Schwarzarbeitsbekämpfung massiv angehen. (Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Böhacker wünscht, noch eine Zusatzfrage zu stellen. – Bitte.

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Alle Umfragen beweisen, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen den organisierten Pfusch ist und sich gegen die kriminelle Schwarzarbeit ausspricht. Andererseits aber bestehen Bedenken bei den Bürgerinnen und Bürgern dahin gehend, dass durch diese Aktionen der so genannte volkswirtschaftliche Häuslbauer, die volkswirtschaftlich wichtige Nachbarschaftshilfe unter die Räder kommt. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Frage geht daher in diese Richtung: Sollen diese so genannten kleinen Häuslbauer hier auch unter die Räder kommen, oder wird diese Nachbarschaftshilfe auch weiterhin möglich sein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich gehe davon aus, dass die so genannte Nachbarschaftshilfe ein ganz wichtiger sozialpolitischer und gesellschaftspolitischer Punkt in Österreich ist. Sie wird daher im Rahmen der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung nicht betroffen sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Lexer, bitte.

Abgeordneter Reinhold Lexer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Kontrolle ist sicher wichtig und richtig, die Hauptursache der Schattenwirtschaft sind aber aus meiner Sicht die hohe Steuerquote und die hohen Lohnnebenkosten. Die "Schattenwirtschafter" finden einen breiten Spielraum vor, um steuerfrei zu kalkulieren, und daher sind sie auf dem Markt eben günstiger als die anderen Unternehmer. (Abg. Leikam: Das ist ein Sittenbild, das sich da zeigt!)

Neben den gestern beschlossenen Maßnahmen, die sicher wichtig und richtig sind, wie ich schon betont habe, ist es daher wirkungsvoll und sinnvoll, die Steuerquote zu senken und auch die Lohnnebenkosten zu reduzieren. Damit wir aber wissen, von welcher Summe wir hier überhaupt sprechen, stelle ich die Frage: Wie hoch schätzen Sie das Volumen der Schattenwirtschaft in Österreich ein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass es verschiedene Schätzungen von Professoren gibt, die sich dieses Themas angenommen haben. Wir gehen davon aus, dass es sich um eine Größenordnung von 7 bis 8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes handelt. Das ist viel, ja, wir müssen hier ansetzen, um das zu bekämpfen.

Auf der anderen Seite darf ich Ihnen sagen, dass alles relativ ist. Ich war in meiner Verantwortung als Finanzminister durchaus ein bisschen beruhigt, als ich internationale Statistiken sah, die für Griechenland Werte jenseits der 50 Prozent ausgewiesen haben. (Abg. Dolinschek: Das ist ja ein Wahnsinn!) Insofern muss man sagen, dass dieses Thema im internationalen, im europäischen Vergleich in Österreich noch immer sehr vorbildlich ist. – Ich bedanke mich bei den Beschäftigten und bei den Unternehmen für die Steuermoral, die wir in Österreich haben. Das war auch ein ganz wichtiger Beitrag, damit wir den Haushalt konsolidieren konnten, und damit eine sehr, sehr wichtige Leistung der Bevölkerung. Danke von der Seite des Finanzministers. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kogler, bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundesminister! Was können wir gemeinsam tun, damit die Eigenheimerrichter hinkünftig nicht mehr als "volkswirtschaftliche Häuslbauer" denunziert werden? Und wie können wir zweitens auch darauf achten (Abg. Dr. Khol: Eine Frage! Das sind zwei Fragen! – Rufe bei den Freiheitlichen: Eine Frage!), dass nicht nur die illegal Beschäftigten verfolgt werden, sondern auch die Strafen für die illegal Beschäftigen


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den entsprechend in die Höhe gesetzt werden? – Das war nämlich in der gestrigen Vorlage nicht ausreichend.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sie haben eine relativ vielschichtige Frage gestellt, deren genaue Intention mir jetzt ein bisschen abhanden gekommen ist.

Ja, ich bin dafür, dass wir die Strafen erhöhen. Es war auch Bestandteil des gestrigen Beschlusses, verschiedene Strafen zu erhöhen, Strafen im Bereich der illegalen Beschäftigung zu erhöhen, um auch eine Präventionswirkung zu erreichen.

Auf der anderen Seite sage ich Ihnen als jemand, der aus einem durchaus ländlich geprägten Land kommt, dass die Menschen dort eine wirklich gute Übung und eine gute Praxis entwickelt haben. Das heißt, dass Menschen in Talschaften einfach zusammenhelfen und den anderen unterstützen, um damit auch eine existenzielle Grundlage zu ermöglichen.

Ich glaube, dass das etwas Gutes und Wichtiges ist, weil es für Eigenverantwortung, für Selbstinitiative spricht, und das sollte man durchaus, denke ich, politisch unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Silhavy, bitte.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Bundesminister! Ich will es Ihnen nicht durch die Blume sagen, werde Ihnen aber dann die Blume als Erinnerung und Mahnung übergeben, dass wir in der Schwarzarbeitsbekämpfung tatsächlich ernsthafte Schritte setzen müssen und keine Scheinaktivitäten, wie sie gestern beschlossen wurden, unternehmen sollen.

Herr Bundesminister! Ich frage Sie daher: Wie sollen die rund 300 000 Betriebe in Österreich – da rede ich noch gar nicht von Sub- und Subsubunternehmen – von den rund 100 Beschäftigten zumindest einmal pro Jahr kontrolliert werden, und wie wollen Sie dann die aus dem Sozial- und Steuerbetrug gewonnenen Vorteile dieser Schwarzunternehmer nachweisen beziehungsweise auch abschöpfen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich glaube, dass das ein wichtiger Fortschritt ist, den wir gestern erzielt haben. Wenn Sie sehen, wie wenig Mitarbeiter hier bisher eingesetzt wurden und dass jetzt eine Verdreifachung der Kontrollkapazität vorgenommen wurde, dann können Sie uns zutrauen, dass wir uns auf Grund der Maßnahmen, die wir auch begleitend setzen – nämlich einer Zusammenführung der Steuerverwaltung und der Zollverwaltung mit der Zielsetzung, hier mehr Kapazitäten frei zu bekommen, um Wirtschaftsmissbrauch und Betrug stärker kontrollieren zu können –, und natürlich auch der Risikoanalysen wie im Bereich der Abgabenprüfungen nicht alle 300 000 Betriebe ansehen müssen.

Wir alle wissen zum Beispiel, dass die Baubranche hier ein gefährdeter Bereich ist. Wir haben auf der einen Seite das Phänomen, dass Umsatzsteuer nicht abgeführt wird, und auf der anderen Seite gibt es Betriebe, die nicht mit Lohnnebenkosten kalkulieren, weil sie sie nicht bezahlen wollen – mit allen negativen Konsequenzen auch für die Beschäftigten in solchen Betrieben. Daher wollen wir einmal versuchen, vor allem in solch gefährdeten Branchen Exempel zu statuieren und Illegales abzustellen, um zu zeigen, dass es sich auszahlt, die Spielregeln, die wir in Österreich haben, zu befolgen und damit auch einen wichtigen Beitrag für die vielen Klein- und Mittelbetriebe in Österreich zu leisten, die pünktlich ihre Steuern zahlen, sich an die Regeln halten, ihre Mitarbeiter beschäftigen und die Arbeitsplätze absichern.

Genau von dieser Intention wird das getragen, und daher ist es, denke ich, ein wichtiger Fortschritt. Man kann es immer noch verbessern, keine Frage, aber ich meine, es ist ein sehr, sehr


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wichtiger erster Schritt gesetzt, der vor Antritt dieser Bundesregierung nicht möglich war. Insofern ist es ein großer Erfolg. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Silhavy  – Bundesminister Mag. Grasser einen Blumenstock überreichend –: Jetzt überreiche ich Ihnen trotzdem die Blumen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 5. Anfrage, die Frau Abgeordnete Hagenhofer stellt. – Bitte.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

153/M

Wie lautet der Finanzierungsplan für die budgetäre Bedeckung des Milliarden teuren Ankaufs von Abfangjägern, der von mehr als 75 Prozent der österreichischen Bevölkerung vehement abgelehnt wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich habe vorhin bei der ersten Anfrage bezüglich Abfangjäger sehr klargemacht, dass die Auswertungsergebnisse aus der Angebotseinholung bis jetzt noch nicht vorliegen. Insofern ist es also nicht möglich, Fragen, die die budgetäre Bedeckung, die konkrete Finanzierung und den konkreten Finanzplan betreffen, zu beantworten, denn der Zeitpunkt der Beschaffung steht noch nicht fest. Es steht auch nicht fest, wie hoch der Kaufpreis sein wird. Es steht nicht fest, über welchen Zeitraum wir tatsächlich eine Finanzierung in dieser Frage vornehmen werden. Wenn wir diese Fakten auf dem Tisch liegen haben, werde ich diese Frage selbstverständlich gerne beantworten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Bundesminister! Können Sie abschätzen, wann genau gesagt werden kann, wie viel das kostet und wie lange es dauern wird, bis die Abfangjäger, wenn sie angeschafft werden, auch tatsächlich bezahlt sein werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich gehe davon aus, dass wir diese Thematik bis Mai/Juni behandelt und entschieden haben werden. Der Zeitraum der Finanzierung wird, wie ich schon früher gesagt habe, in etwa neun Jahre betragen – unpräjudiziell zur tatsächlichen weiteren Vorgangsweise.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Müller, bitte.

Abgeordneter Hans Müller (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Zusatzfrage ist bereits beantwortet.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Stadler, bitte.

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Herr Bundesminister! In welcher Art sollen Kompensationsgeschäfte die Finanzierung der neuen Abfangjäger unterstützen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich konnte schon früher ausführen, dass eine 200-prozentige Kompensation vorgesehen ist. Wenn man einen Kaufpreis in der Höhe von 1,4 bis 1,8 Milliarden € hat – das ist die Bandbreite, mit der wir rechnen –, würde das bedeuten, dass man dann im doppelten Ausmaß, also in der Höhe von 2,8 bis 3,6 Milliarden €, Kompensationsgeschäfte nach Österreich bringen muss. Das können Lieferungen oder Exporte von österreichischen Betrieben an Unternehmen sein, die in


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diesem Konsortium der Abfangjägeranbotsteller vertreten sind. Das können aber auch Betriebsansiedlungen in Österreich sein.

Uns ist es vor allem ein Anliegen, im forschungs- und entwicklungsintensiven Bereich, im Hochtechnologiebereich, dort, wo es um hoch qualifizierte Arbeitsplätze geht, dort, wo es um das Potenzial eines Wachstums, einer zukünftigen Wertschöpfung für Österreich geht, solche Unternehmen zu gewinnen, solche Gegengeschäfte zustande zu bringen. Diese Gegengeschäfte werden geprüft; wir versuchen natürlich auch mit möglichst viel Druck, ein Maximum, ein Optimum für den Standort Österreich zu erreichen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Pilz, bitte.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Herr Bundesminister! Der Nationalrat hat ein Recht darauf, dass Sie ihm keine Informationen vorenthalten. Ihnen liegen wie anderen Regierungsmitgliedern bereits die konkreten Preise für die Abfangjäger vor: SAAB-Gripen 1,4 Milliarden €, F-16 1,868 Milliarden €, Eurofighter 2,2 Milliarden €. (Abg. Ing. Westenthaler: Frage!) Und neun Jahre Beschaffungszeitraum ab dem Jahre 2004.

Herr Bundesminister! Meine Frage in diesem Zusammenhang lautet: Wenn es um die Finanzierung geht, reden Sie immer um den heißen Brei herum und reden von Gegenfinanzierungen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten. (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Formulierung der Frage, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Selbstverständlich, Herr Präsident. Die zweite Möglichkeit ist die Gegenfinanzierung. (Rufe bei der ÖVP: Frage! Frage!) Deswegen frage ich Sie – wenn die Erregung von Seiten der Regierungsfraktionen vorbei ist, bin ich in der Lage, meine Frage zu stellen –, Herr Finanzminister: Haben Sie schon einen Gegenfinancier gefunden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Erstens lege ich Wert auf die Feststellung, dass ich dem Nationalrat selbstverständlich keine Informationen vorenthalte, sondern selbstverständlich alle Informationen, die ich zum heutigen Zeitpunkt habe, weitergebe. Auch wenn Sie es nicht glauben, wir wissen zurzeit die Preise, die Sie formuliert haben, nicht. (Abg. Dr. Pilz: Sie wissen die Preise nicht? – Abg. Dr. Gusenbauer: Hat es Ihnen der Bundeskanzler nicht gegeben?) Es liegt dem Finanzministerium kein offizieller Akt vor, weil wir uns darauf geeinigt haben, dass dieser Frage zuerst im Rahmen der technischen Prüfung im Landesverteidigungsministerium nachgegangen wird. Der Herr Verteidigungsminister hat mich darüber informiert, dass man gerade zu den preislichen Komponenten weitere Informationen von den entsprechenden Anbietern eingeholt hat, sodass ein letztgültiges Angebot eben noch nicht vorliegt. (Abg. Dr. Pilz  – auf seine Unterlagen weisend –: Da sind die Preise!) Daher kann ich Sie darüber auch nicht informieren.

Zweiter Punkt. Nochmals: Es geht uns um Gegengeschäfte. Diejenigen, die Interesse daran haben, nach Österreich zu liefern, haben natürlich auch Interesse daran, im Kompensationsbereich in Österreich tätig zu werden. (Abg. Dr. Pilz: Wer ist der Gegenfinancier?)

Der Gegenfinanzier sind genau die Unternehmen, von denen wir sprechen, nämlich jene, die Aufträge an Österreich vergeben werden, die uns zu Exporten verhelfen werden und die Betriebsansiedlungen in Österreich machen sollen.

Ich bitte um eine endgültige Diskussion dann, wenn die Pakete auf dem Tisch liegen und wir Ihnen sagen können, wie vorteilhaft dieses oder jenes Paket für Österreich ist, damit man dann vor diesem Hintergrund eine endgültige Entscheidung im positiven oder negativen Sinn treffen kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Anfrage formuliert Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte.


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Stenographisches Protokoll
98. Sitzung / Seite 22

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser
(ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

151/M

Welche Zielvorstellungen verfolgt die Reform der Finanzverwaltung?


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
98. Sitzung / Seite 23

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Die Reform der Finanzverwaltung verfolgt ganz klar mehrere Ziele: Wir wollen bürgernäher werden, wir wollen effizienter werden, wir wollen kostengünstiger werden. Wir wollen aber natürlich auch mitarbeiterorientierter arbeiten, als das heute möglich ist, und im Ergebnis eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung garantieren können. Das heißt, es geht um die Erhöhung der Kundenorientierung, es geht um die Erhöhung der Eigenverantwortung, um die Verflachung der Hierarchien, um die Kosten und um Leistungstransparenz.

Da Alfred Finz, Staatssekretär im Finanzministerium, ein wesentlicher Träger dieser Reform ist, darf ich ihn bitten, diese Beantwortung weiter zu konkretisieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Eine Teilung der Beantwortung ist eigentlich nicht vorgesehen, entweder antwortet der Staatssekretär oder der Bundesminister. Aber machen wir es einmal so! – Bitte, Herr Staatssekretär. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine moderne Regierung!)

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Wir – das möchte ich gleich zu Beginn voranstellen – schließen keine Standorte von Finanzämtern. Unter unseren Vorgängern sind derartige Schließungen erfolgt; wir wissen, dass das äußerst schlecht bei der Bevölkerung ankommt. Wir sehen daher vor, dass die 80 Finanzämter, über die die Republik derzeit verfügt, in so genannte Wirtschaftsräume zusammengefasst werden, und zwar in 43 Wirtschaftsräume. Und in diesen 43 Wirtschaftsräumen werden die bestehenden Finanzämter – jeweils ein bis drei Finanzämter pro Wirtschaftsstandort – so zusammenwirken, als ob sie ein Finanzamt wären.

Worin wird die Verbesserung konkret bestehen? – Wir wollen Prozesse mithilfe des Internets beschleunigen. Wir wollen die Gesetze durch Deregulierungen vereinfachen, auch die Gesetzestexte vereinfachen. Wir wollen vor allem für Massenverfahren die Elektronik, quasi einen elektronischen Finanzbeamten einsetzen, damit sich einerseits die einzelnen Beamten in Spezialfälle, dort, wo es wirklich notwendig ist, vertiefen können und andererseits die Bürger, vor allem die Alleinverdiener, aber auch die so genannten KMUs, also Friseure oder Blumenhändler, gezielt mehr beraten werden können als bisher.

Wir befinden uns jetzt in der Phase, in der wir die ersten Versuche mit diesem neuen System machen, das ist die so genannte Pilotierungsphase. Wir werden nächste Woche noch mit unseren Personalvertretern Workshops abhalten und werden diese Pilotierungsversuche abermals durchgehen, damit auch die Personalvertretung voll eingebunden ist, da es uns wichtig ist, dass wir für diese Reform die Mitarbeiter gewinnen.

Wir haben vorgesehen, dass wir in den Regionen Urfahr, Freistadt, Rohrbach und Eisenstadt, Oberwart, Bruck einen derartigen Pilotierungsversuch für den gesamten Finanzamtsbereich machen sowie weitere zehn bis zwölf so genannte Themenpiloten, wobei wir einzelne Bereiche eines Finanzamtes, beispielsweise ein Info-Center, ausprobieren werden.

Wenn diese Pilotprojekte erfolgreich abgeschlossen sein werden, erwarten wir, dass wir ab dem Jahr 2003 mit der Reform beginnen können. Nach unseren derzeitigen Vorstellungen können wir die Reform bis zum Jahr 2005 abschließen und sehen dann vor, dass im Vollausbau durch eine gestraffte, verflachte Hierarchie und durch die Bildung von Schwerpunkten eine ungefähre jährliche Ersparnis von 250 Millionen € erreicht werden kann. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Da Präjudizien im Hause eine gewisse Rolle spielen, stelle ich klar, dass nach § 94 Abs. 2 der Geschäftsordnung eine Anfrage entweder vom befragten Mitglied der Bundesregierung oder von dem nach § 19 zu Wort gemeldeten Staatssekretär beantwortet wird. Wir werden bei dieser Praxis des Entweder-oder bleiben. Ich habe soeben mit dem Herrn Bundesminister vereinbart, dass die Zusatzfragen vom Herrn Staatssekretär beantwortet werden.

Frau Abgeordnete Mag. Frieser! Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Staatssekretär! Die Zollverwaltung steht in andauernder Diskussion.

Haben Sie auch in Bezug auf die Reorganisation der Zollverwaltung Reformvorschläge?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Sie wissen, dass ein europäischer Erweiterungsprozess bevorsteht. Nach dem derzeitigen Stand der Verhandlungen ist ja vorgesehen, dass die EU ab dem Jahr 2004 neue Mitglieder bekommt.

Da Österreich in der Europäischen Union derzeit eine Randposition einnimmt und daher eine Grenzfunktion zu erfüllen hat, dann aber in der Mitte der EU liegen wird, müssen wir natürlich insbesondere unter diesem Gesichtspunkt unsere Zollverwaltung vorausschauend neu organisieren, wobei verschiedene Stufen der Erweiterung vorauszuplanen sind, vor allem hinsichtlich des Wegfalls der Schengengrenze, was ja nicht unmittelbar mit einer Erweiterung einhergehen wird.

Wir sehen natürlich eine Neuordnung der Kräfte vor. Außerdem wollen wir auch berücksichtigen, dass wir als Wirtschaftsstandort attraktiv sein müssen. Das Zollverfahren ist durch das Ausfüllen von Formularen, durch das Stellen von Antragsverfahren, die Abwicklung der Verbrauchssteuer, der Zollanmeldung und der Einfuhrumsatzsteuer extrem belastend für die Wirtschaft. Auch hier wollen wir die Elektronik voll zum Einsatz kommen lassen.

Außerdem – der Herr Finanzminister hat das in einer Anfragebeantwortung schon ausgeführt – wollen wir natürlich zur Bekämpfung von Steuerbetrug stärker als bisher die Steuer- und die Zollverwaltung zusammenführen. Wir wollen eine neue Einheit bilden und werden diese Zusammenführung vom Ministerium bis in alle Instanzen besser als bisher durchführen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Her Abgeordneter Kogler, bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Auf Grund der umfangreichen Doppelbeantwortung hat sich meine Zusatzfrage erübrigt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Böhacker, bitte.

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Gibt es im Zusammenhang mit der Neuordnung der Finanzverwaltung nur bei den nachgeordneten Dienststellen Reformen, oder werden diese auch in der Zentralleitung, im Bundesministerium für Finanzen, durchgeführt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich bin Ihnen für diese Anfrage sehr dankbar, denn es wird immer befürchtet, dass wir bei einer Reform immer nur bei den unteren Dienststellen sparen. Wir durchlaufen aber den gesamten Prozess. Derzeit gibt es einen dreigliedrigen Aufbau: die Zentralstelle, die Mittelbehörden – die Finanzlandesdirektionen – und die Finanzämter beziehungsweise die Zollämter auf der untersten Ebene.


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98. Sitzung / Seite 24

Wir verflachen die Hierarchien, das heißt, wir ordnen auch die Finanzlandesdirektionen neu und verlagern die Budget- und Wirtschaftsführung in die neuen Finanzämter in den Wirtschaftszonen. Vor allem aber sparen wir auch in der Zentralstelle – begünstigt durch die Regelung einer neuen Finanzmarktaufsicht – eine ganze Sektion und ungefähr ein Drittel der gesamten Abteilungen ein und schaffen so eine ganze Hierarchieebene ab. Vor allem im Gruppenbereich gibt es eine starke Verschlankung und auch bei allen Referaten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Gradwohl, bitte.

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Staatssekretär! Sie haben diese Reform angesprochen, die von Ihnen angedacht wurde und nun durchgeführt wird. Im Zuge dieser Reform kommt es aber auch zu einer Verringerung höher dotierter beziehungsweise besser bewerteter Dienstposten in den Finanzämtern, und die zukünftigen Leiter der Leitfinanzämter sind durch die Eigenbudgetierung angehalten, sparsam zu agieren.

Wie werden Sie dieser schleichenden Schließung der Finanzämter und damit der Entleerung des ländlichen Raumes entgegenwirken?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Schließungen hat es unter unseren Vorgängern gegeben. (Ruf bei der SPÖ: Wo denn?) Wir führen keine Schließungen durch. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.  – Abg. Mag. Schweitzer: Sehr gut!) Das Finanzamt Schwechat wurde zum Beispiel unter unseren Vorgängern geschlossen. Wir erhalten die Finanzämter, weil uns der ländliche Raum eben sehr wichtig ist.

Wir führen eine Neuorganisation durch und setzen neue Schwerpunkte. Natürlich ist die Frage, welche Karrierechancen die Mitarbeiter haben, auch für uns wichtig, weil wir sie ja für die Reform gewinnen wollen.

Es ist daher im Dienstrecht gerade eine Neuordnung in Vorbereitung. Es wird in Zukunft neben den Leitungsfunktionen so genannte Fachkarrieren geben, die auch entsprechend bewertet werden. Wir haben derzeit auch eine Neuordnung des Finanzberufungswesens vor, die noch im Parlament behandelt wird. Es wird ein unabhängiger Finanzsenat geschaffen. Es werden also funktionell Finanzrichter mit einer wesentlich besseren Bewertung geschaffen, sodass wir auch dem Aspekt der Wertigkeit bei der Betrachtung dieser neuen Organisation einen wesentlichen Stellenwert zukommen lassen.

Wir entlassen niemanden! – Das wäre ja nach dem Dienstrecht ohnehin nicht möglich. Wir führen diese Reform mithilfe der "natürlichen Verjüngung" – also der Nicht-Nachbesetzung von Dienstposten – personalschonend durch.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 7. Anfrage, die Herr Abgeordneter Mag. Kogler formulieren wird. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Geschätzter Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

158/M

Wie sieht der langfristige Finanzierungsplan für den geplanten Ankauf von Abfangjägern aus, der mindestens 2 Milliarden € kosten und die Budgetgestaltung mehrerer Bundesregierungen auf viele Jahre hinaus beeinträchtigen wird?

Herr Staatssekretär, das wäre doch etwas für Sie! Der Herr Finanzminister hat ja schon geantwortet. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte den Herrn Bundesminister um Beantwortung.


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98. Sitzung / Seite 25

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser:
Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich bedanke mich sehr dafür, dass Sie gesagt haben, ich habe diese Frage schon beantwortet. Ich denke nämlich auch, dass das Problem besteht, nicht mehr mit besonders innovativen inhaltlichen Neuerungen glänzen zu können, wenn man eine Frage dreimal gestellt bekommt. Ich bedanke mich dafür, dass Sie akzeptiert haben, dass ich diese Frage schon beantwortet habe. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ich möchte einleitend bemerken, dass die Mehrheitsfraktionen offensichtlich die Geschäftsordnung nicht kennen. Man muss die Frage schon viele Tage vorher abgeben, insofern ist der Applaus eher unverständlich.

Herr Finanzminister! Sie sprechen ja immer von Gegengeschäften. Diese Frage haben Sie aber tatsächlich nicht beantwortet. Wie, glauben Sie, sind 200 Prozent Gegengeschäfte realistisch machbar und im Nachhinein überprüfbar?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich gebe Ihnen vollkommen Recht, dass das eine wichtige Frage ist, und Sie können mir glauben, dass das eines unserer großen Anliegen sein wird.

Wenn man ein Gesamtpaket schnürt und Gegengeschäfte versprochen werden – ob um 150 oder um 200 Prozent, 200 Prozent sind das Ziel –, dann können Sie davon ausgehen, dass wir mit dem Wirtschaftsminister gemeinsam eine Kontrollinstitution einrichten werden, die tatsächlich der Frage nachgeht und dafür sorgt, dass diese Gegengeschäfte stattfinden müssen, und die das auch begleitend kontrollieren und einfordern wird. Anderenfalls – würden sie nicht geleistet – werden natürlich Pönalezahlungen derjenigen, die ihren Teil des Geschäftes nicht beibringen, fällig.

Uns ist es wirklich ein großes Anliegen, erstens im Sinne des Standortes und der Beschäftigten und im Sinne von zusätzlichen Exportleistungen für Österreich das bestmögliche Paket auszuverhandeln und zweitens das Ganze auch hieb- und stichfest zu kontrollieren, sodass das tatsächlich in Österreich stattfindet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Hetzl, bitte.

Abgeordneter Mag. Gerhard Hetzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Welche Gegengeschäfte erwarten Sie speziell im für Österreich so wichtigen Hochtechnologiebereich zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes und zur Sicherung der Arbeitsplätze beim Ankauf von Abfangjägern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich bitte um Verständnis, dass ich den Verhandlungen und den Gesprächen, die jetzt unter Federführung des Wirtschaftsministeriums in einer dort eingerichteten Plattform stattfinden, nicht vorgreifen kann.

Klar ist aber – da haben Sie vollkommen Recht –, dass es uns ein Anliegen ist, im Hochtechnologiebereich und im Forschungs- und Entwicklungsbereich, also dort, wo es um hoch qualifizierte Arbeitsplätze für Österreich geht, den Schwerpunkt für Kompensationsgeschäfte zu setzen. Das Ergebnis werden wir später zu einem geeigneten Zeitpunkt hier im Hohen Haus vorstellen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Huber, bitte.


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98. Sitzung / Seite 26

Abgeordnete Anna Huber
(SPÖ): Herr Finanzminister! Sie haben zwar gemeint, Sie hätten die Fragen zum Abfangjägerankauf schon beantwortet, ich finde es aber interessant, dass Ihnen als Finanzminister Kürzungen im Sozialbereich nicht mehr erinnerlich sind. Sie übertreffen da sogar Ihre Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP!

Meine Frage: Da die Kosten für die Abfangjäger über mehrere Jahre aufgeteilt werden, wie Sie gesagt haben, frage ich Sie, ob wir in den nächsten Jahren wegen Wartung, zusätzlicher Infrastruktur, Hangars und Ähnlichem, für diese angekauften Abfangjäger unter Umständen mit weiteren Kürzungen im Sozialbereich – also mit Pensionskürzungen und so weiter – rechnen müssen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich bitte insofern um Seriosität, als man nicht den Sozialbereich auf der einen Seite mit einer Abfangjägerdiskussion auf der anderen Seite vermengen sollte. Ich kann beispielsweise anführen, dass es unter der Vorgängerregierung im Jahr 1997 meines Wissens eine Pensionserhöhung von 0,0 Prozent gegeben hat! In ihrem Verantwortungsbereich wurden die Pensionen nicht erhöht.

Im Gegensatz dazu konnte diese Bundesregierung heuer durch Verhandlungen des Sozialministers und meiner Person eine Erhöhung für die Pensionisten erreichen, sodass 50 Prozent der Empfänger von geringen Pensionen – also die Hälfte der Pensionisten – eine Erhöhung im Umfang des vollen Inflationsausgleichs erhalten haben. (Abg. Edler: 17 Milliarden Schilling haben Sie nicht bezahlt! – Die Abgeordneten Mag. Kogler und Brosz stellen eine Tafel mit der Aufschrift "Sozialstaat statt Abfangjäger" vor sich auf.)

Insofern ist dies ein wichtiger Punkt, ein wichtiger Fortschritt und ein wichtiger Kaufkraftimpuls für die Pensionisten in einer Größenordnung von 450 Millionen €. Es ist also nicht richtig, dass wir von der Regierung Sozialkürzungen vornehmen, um damit andere Ausgaben zu finanzieren. Das kann nicht das Interesse dieser Bundesregierung sein, und es ist auch nicht ihr Ziel!

Nochmals: Wenn es um Anschaffungen im Verteidigungsbereich geht, dann sind sie in dieser Dimension langfristiger Natur. Das ist überhaupt keine Frage und wird in jedem Land so gemacht. Auch in Österreich wurde das bisher – auch in Zeiten, als die SPÖ in der Regierung war – so gehandhabt. Auch der "Draken"-Kauf wurde natürlich über mehrere Jahre finanziert. – Das ist ein Gebot ökonomischer Klugheit, und zu der bekennen wir uns, daher werden wir den Ankauf der Abfangjäger auch so finanzieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Fink, von dem ich zufällig weiß, dass er übermorgen seinen 60. Geburtstag feiert. (Allgemeiner Beifall.)

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Herr Präsident! Recht herzlichen Dank für die Gratulation! Herr Bundesminister! Sie haben bei der Beantwortung der Anfrage 5 Zahlen zwischen 1,4 und 1,8 Milliarden € für den Ankauf von Abfangjägern genannt. Ich möchte Sie fragen, ob Sie sagen können, in welchem Verhältnis die zu erwartenden jährlichen Ratenzahlungen zum Gesamtbudget der nächsten Jahre – auf neun Jahre aufgeteilt – stehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Herr Minister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Erstens auch von meiner Seite die allerherzlichste Gratulation zu diesem runden Geburtstag! Zweitens: Danke für das aufmerksame Zuhören und dafür, dass Sie die 1,4 bis 1,8 Milliarden € richtig dargestellt haben. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich jetzt nicht im Zuge einer Kopfrechnung sagen möchte, ob es eine 9-jährige, eine 7-jährige oder eine 9,9-jährige Finanzierung sein wird.


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98. Sitzung / Seite 27

Wir müssen schauen, wie hoch die Finanzierungskosten sein werden und wie hoch der Zinssatz ist, den wir hier einsetzen müssen – sind es 4, 5 oder 6 Prozent? –, und erst dann werden wir tatsächlich sagen können, wie hoch die Ratenzahlungen sein werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit haben wir dieses Thema abgeschlossen.

Die nächste Anfrage, eingebracht von Herrn Abgeordnetem Mag. Firlinger, wurde zurückgezogen.

Wir kommen daher gleich zur 9. Anfrage, die Frau Abgeordnete Silhavy formulieren wird. – Bitte.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

154/M

Wie groß sind die budgetären Auswirkungen der von dieser Regierung vorgenommenen Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich?

(Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung SPÖ –: Das ist eine Superfrage! Danke für die Frage! Ihr lernt wirklich nichts dazu!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte um Beantwortung.


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98. Sitzung / Seite 28

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser:
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Frau Abgeordnete! Ich möchte nochmals sagen, dass ich mich gegen die Behauptung verwahre, dass diese Bundesregierung Kürzungen im Sozialbereich vorgenommen hat. Diese Bundesregierung bekennt sich – ganz im Gegenteil! – mit Nachdruck dazu, dass sich soziale Gerechtigkeit durch alle politischen Maßnahmen ziehen muss und sozialstaatliche Leistungen auch auf nachvollziehbaren Kriterien sowie auf gesicherten Finanzierungsgrundlagen basieren sollen.

Ich habe vorhin ein Beispiel angeführt, an dem man sieht, dass es dieser Bundesregierung um soziale Gerechtigkeit geht: Wir haben im Familienbereich mit dem Kinderbetreuungsgeld einen Kaufkraftzufluss von 700 Millionen € erreichen können. 19 000 Mütter – nämlich Hausfrauen und Studentinnen, die bisher keinen Anspruch auf das Kindergeld hatten – erhalten das Kinderbetreuungsgeld. 8 000 Bäuerinnen und gewerblich selbständige Frauen, die bisher nur Betriebshilfe bekommen haben, bekommen jetzt das Kinderbetreuungsgeld.

Wenn Sie die Kaufkraft vor allem des unteren Einkommensdrittels zu Zeiten, als die SPÖ der Bundesregierung angehört hat, also 1999, mit jener im Jahr 2002 vergleichen, dann werden Sie draufkommen, dass das untere Einkommensdrittel heute eine wesentlich höhere Kaufkraft hat als damals. (Zwischenruf der Abg. Binder. ) Insofern ist der Zugang dieser Bundesregierung tatsächlich von sozialer Gerechtigkeit geprägt. Uns sind die Bezieher von kleinen Einkommen ein Anliegen. Wir haben sie gestärkt und werden das auch weiterhin tun. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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98. Sitzung / Seite 29

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Silhavy, bitte.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Bundesminister! Menschen, deren Unfallrenten besteuert werden, Pensionisten, die keine Kaufkraftanpassung erhielten, und Studenten, die Studiengebühren zahlen, sehen das etwas anders als Sie.

Sind Sie im Lichte Ihrer Ausführungen für das Sozialstaat-Volksbegehren, und werden Sie persönlich es unter diesem Aspekt unterschreiben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das ist keine Frage der Vollziehung des Herrn Bundesministers. Er kann aber freiwillig darauf antworten.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich werde das Volksbegehren nicht unterschreiben, weil ich denke, dass parteipolitisch motivierte Volksbegehren (ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen) keine Zielsetzung verfolgen, durch die die Frage, wie wir in Österreich zu mehr sozialer Gerechtigkeit kommen, in Angriff genommen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Silhavy: Die Volksbegehren gegen die EU und gegen Temelín waren nicht parteipolitisch motiviert?! – Abg. Ing. Westenthaler: Wollen Sie behaupten, Temelín war parteipolitisch motiviert? 914 000!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Eine Zusatzfrage von Frau Abgeordneter Schoettel-Delacher ist mir avisiert worden. – Bitte.

Abgeordnete lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Frage hat sich bereits durch die Beantwortung des Herrn Ministers erledigt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Donabauer, bitte.

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Bundesminister! Alle Berichte zeigen uns, dass wir eine dynamische Volkswirtschaft haben. Wir brauchen keine Vergleiche zu scheuen, und das wiederum ist die Voraussetzung für ein leistungsstarkes Sozialsystem. Eine Volkswirtschaft braucht aber nicht nur soziale Symmetrie, sondern auch Entwicklung. (Rufe bei der SPÖ: Frage! Frage!)

Meine Frage: Wie sehen Sie die Entwicklungen bei den Fachhochschulen? (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Wir haben immer gesagt, dass uns Bildung und Ausbildung wichtig sind. Wir wollen in Menschen investieren. Ich bin der Meinung, dass das für die Zukunft des Landes ein unendlich wichtiger Beitrag ist.

Sie wissen, dass wir im Vergleich zu den Vorjahren mehr Geld für Bildung und Ausbildung ausgeben, mehr als jemals zuvor. Wir haben erst gestern dankenswerterweise hier im Hohen Haus im Zuge der Behandlung des Konjunkturpakets einen Beschluss fassen können, in dem eine Verdoppelung der Zahl der Studienbeginner im Fachhochschulbereich vorgesehen ist.

Ich meine also, dass diese wesentliche Komponente, die ergänzend zur Universität gedacht und damit auch besonders praxisorientiert und wirtschaftsrelevant ist, dadurch auf eine neue Basis gestellt wird. Ebenso konnte übrigens auf der anderen Seite auch mit der Universitätsreform eine Leistungsorientierung durchgesetzt werden.

Ich finde, dass es durchaus als historisches Verdienst dieser Bundesregierung angesehen werden kann, dass es durch Verhandlungen mit Frau Bundesminister Gehrer und Frau Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer gelungen ist, einen gesamten Berufsstand im Universitätsbereich zu entpragmatisieren. Dadurch wird von jenen, die den Studenten sinnvollerweise sagen, sie müssen flexibel sein und auch in andere Länder gehen, nämlich vom Lehrkörper, ebenfalls eine entsprechende Flexibilität und Leistungsorientierung verlangt, die nun stärker als bisher verankert werden konnte.

Jetzt – mit der dritten Säule der Autonomie der Universitäten – wird ein ganz wichtiger Fortschritt gemacht, der für die Leistungsorientierung der Fachhochschulen einerseits und der Universitäten andererseits und für die Investition in die Menschen steht und damit zeigt, welche Schwerpunkte wir für die Zukunft, für den Standort, für die Wettbewerbsfähigkeit und damit für ein höheres Einkommens- und Wohlstandsniveau der Bevölkerung gesetzt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Grünewald, bitte.

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Bundesminister! Ich als zukünftiger Unterzeichner des Sozialstaat-Volksbegehrens frage Sie:

Wie errechnen und finanzieren Sie die Mehrkosten der Universitätsausgliederung und Universitätsreform, die sich durch die Einführung des Angestelltenrechtes, durch verstärkte Arbeitnehmerschutzbestimmungen, durch ortsübliche Mieten für von Universitäten angemietete Räume und durch die Versicherung universitären Eigentums ergeben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sie kennen den Begutachtungsentwurf, Sie kennen wahrscheinlich auch die finanziellen Erläuterungen im Rahmen des Begutachtungsentwurfes. Wir haben uns mit Frau Bundesministerin Gehrer auf ein, wie ich meine, auch finanziell sehr attraktives Paket für die Universitäten geeinigt.

Bei bisherigen Ausgliederungen, beispielsweise im Bereich der Museen, war das immer mit einer budgetären Deckelung verbunden. Wir haben ausdrücklich gesagt, im Bereich der Universitäten machen wir diese budgetäre Deckelung nicht, weil wir dort eben einen politischen Schwerpunkt im Bereich Bildung, Ausbildung setzen wollen.

Wir werden diese Punkte, die Sie angeführt haben, zum Beispiel Herausnehmen aus der Pragmatisierung und damit Überführung in ein Vertragsbedienstetenrecht mit höheren sozialen Nebenkosten, ganz normal aus dem Budget abdecken, weil es uns wichtig war, vom Grundsatz her Leistungsorientierung gerade an jenen Institutionen, eben Hochschulen, zu vermitteln, wo es darum geht, unsere Jugend, die Studenten, für eine schnelllebige Wirtschaft, auch für eine sich enorm schnell wandelnde Gesellschaft vorzubereiten und somit wettbewerbsfähig zu machen, fit zu machen, möglichst gut auszubilden. Das war uns ein großes Anliegen. Dafür muss man, wie ich meine, auch ein bisschen Geld in die Hand nehmen. Das wird aus dem ordentlichen Haushalt budgetiert werden, wird also bedeckt sein und ein wichtiger Schwerpunkt dieser Bundesregierung sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erkläre die Fragestunde für beendet. Ich danke Herrn Bundesminister Grasser und Herrn Staatssekretär Finz.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 GOG auf die schriftliche Mitteilung, die im Sitzungssaal verteilt wurde.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 3276/AB bis 3279/AB;

Berichtigung zur Anfragebeantwortung: Zu 3246/AB.

2. Regierungsvorlage:

Dienstrechts-Novelle 2002 (1066 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:


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98. Sitzung / Seite 30

Bautenausschuss:

Antrag 638/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Maß- und Eichgesetzes (MEG) etc.;

Familienausschuss:

Antrag 642/A (E) der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen aus der Bundes-Jugendförderung an den Österreichischen Pennälerring;

Finanzausschuss:

Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1034 der Beilagen),

Antrag 643/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierung des Ausfuhrförderungsgesetzes;

Gesundheitsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird (967 der Beilagen),

Antrag 632/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tierseuchenbekämpfung (Rinderleukosegesetz 1982),

Antrag 634/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend nicht zulässige Behandlungsmethoden,

Antrag 635/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend nicht zulässige Behandlungsmethoden,

Antrag 636/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Gentechnik-Gesetzes;

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Bundesverfassungsgesetz über den Verlauf der Staatsgrenze zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland im Grenzabschnitt "Salzach", in den Sektionen I und II des Grenzabschnitts "Scheibelberg-Bodensee" sowie in Teilen des Grenzabschnitts "Innwinkel" (1043 der Beilagen),

Bundesverfassungsgesetz über Änderungen des Verlaufes der Staatsgrenze zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik (1044 der Beilagen),

Antrag 639/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auszahlung einer einheitlichen Verpflegungsentschädigung für Zivildienstleistende,

Antrag 640/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Pauschalvergütung für Zivildiener,

Antrag 641/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kürzung der Dauer des Zivildienstes;

Justizausschuss:

Antrag 644/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Opferhilfegesetzes zur rechtlichen, sozialen und finanziellen Unterstützung von Gewaltopfern,

Antrag 645/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des § 730 ABGB;


Nationalrat, XXI.GP
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98. Sitzung / Seite 31

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 633/A (E) der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines Bundesrahmengesetzes für die Fischerei durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft;

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz sowie das Schieß- und Sprengmittelgesetz und die Schieß- und Sprengmittelmonopolsverordnung geändert werden (GGBG – Novelle 2001) (979 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (21. KFG-Novelle), die 3. und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle sowie die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden (1032 der Beilagen),

5. Führerscheingesetznovelle (1033 der Beilagen);

Wirtschaftsausschuss:

Antrag 629/A (E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend die geplante Änderung der Gewerbeordnung 1994 und deren mögliche Auswirkungen auf den Jugendschutz.

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf bekannt geben, dass die Abgeordneten Dr. Krüger, Ellmauer, Kolleginnen und Kollegen vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt haben, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 646/A (E) der Abgeordneten Dr. Krüger, Ellmauer betreffend Verbesserung des rechtlichen Status von Angehörigen der Exekutive und Zivilpersonen im Rahmen von UN-Missionen dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung wird dieser Dringliche Antrag um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, dass Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber beantragt hat, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 626/A (E) betreffend Änderung der Pflichtversicherung und des Bewertungsgesetzes für bäuerliche Nebentätigkeiten und Direktvermarktung eine Frist bis zum 16. April dieses Jahres zu setzen.

In diesem Zusammenhang liegt mir auch das Verlangen vor, eine Kurzdebatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Im Hinblick auf die Diskussion über den Dringlichen Antrag wird die Kurzdebatte im Anschluss an die Beratungen zum Dringlichen Antrag stattfinden und darauf die Abstimmung folgen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

In der Präsidialsitzung wurde Konsens darüber erzielt, dass wir heute eine Tagesblockzeit von 7 "Wiener Stunden" festlegen, aus der sich folgende Redezeiten ergeben würden: SPÖ 137 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 102 Minuten sowie Grüne 81 Minuten.


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Für die Zeit bis 13 Uhr werden zusätzlich folgende Redezeitvereinbarungen getroffen: Je eine Wortmeldung pro Fraktion von 12 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion von 8 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion von 6 Minuten und eine letzte Diskussionsrunde von allen vier Fraktionen, deren Dauer dadurch festgesetzt wird, dass der Präsident die verbleibende Redezeit auf vier gleich große Teile aufteilen wird.

In diesem Zeitraum ist auch vorgesehen, dass es zwei Wortmeldungen von Regierungsmitgliedern mit je 15 Minuten gibt, die aber vor der letzten Rednerrunde stattfinden.

Weiters ist vereinbart nicht mehr als eine tatsächliche Berichtigung pro Fraktion.

Über diesen Vorschlag hat das Hohe Haus zu befinden.

Ich frage daher, ob es Einwendungen gibt. – Das ist nicht der Fall. Damit ist es so beschlossen.

1. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren Veto gegen Temelín (1065 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Er hat das Wort für 12 Minuten. – Bitte.

10.05

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): So erfreulich es ist, dass wir hier die Möglichkeit haben, über Initiativen, in denen die Bevölkerung durch große Teilnahme ihre Meinung zum Ausdruck gebracht hat, zu sprechen, so muss man doch kritisieren, dass die Bereitschaft, sich mit einem weiteren wichtigen Volksbegehren, nämlich mit dem Sozialstaats-Volksbegehren, das vom 3. bis 10. April stattfindet, auseinander zu setzen, weit geringer ist (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt reden wir über Temelín!) und auch die entsprechende Resonanz in der Öffentlichkeit eine bessere sein könnte. Jene Fragen, die beim Sozialstaats-Volksbegehren behandelt sind, sind wirklich existenziell und wichtig für die Österreicherinnen und Österreicher. Das soll man einmal sehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Über 915 000 Österreicherinnen und Österreicher haben dieses Volksgehren der FPÖ unterschrieben. Die Zielsetzung, das Veto gegen den Beitritt Tschechiens damit zu verbinden, dass man glaubt, man könne dadurch mehr Sicherheit für das Atomkraftwerk Temelín erzielen oder gar erreichen, dass dieses Atomkraftwerk nicht in Betrieb genommen wird, war natürlich von Haus aus ein Irrtum und eine Rosstäuscherei und sonst gar nichts. Selbst die Betreiber dieses Volksbegehrens haben gewusst, wie sinnlos diese Orientierung des Volksbegehrens in Wahrheit ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es werden viele der Zuseherinnen und Zuseher vielleicht nicht einmal mehr genau wissen, wie eigentlich der Ablauf war und ab wann die Regierungsparteien eigentlich damit begonnen haben, die Sicherheitsfrage rund um dieses Atomkraftwerk gar nicht mehr ernst zu nehmen.

Das hat schon im vorigen Jahr begonnen, und zwar haben Khol und Westenthaler in einem gemeinsamen Entschließungsantrag – diesen Entschließungsantrag haben sie auf Grund ihrer Mehrheit hier auch durchgesetzt – schon begonnen, sich davon zu verabschieden, von der tschechischen Verhandlungsseite, von der tschechischen Atombehörde einzufordern, dass sie eine seriöse Durchrechnung bei Nicht-Inbetriebnahme dieses Störreaktors Temelín vorlegt. Schon damals wurde in dem Entschließungsantrag, der mir hier vorliegt und den Sie sehr gut kennen, weil Sie ihn ja eingebracht haben, auf einen wesentlichen Punkt des so genannten Melker Prozesses verzichtet. Das war der Prozess, wo alle Parteien im Interesse Österreichs versucht haben, gemeinsame Schritte zu setzen, um als Verhandlungsseite gegenüber Tsche


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chien ein Optimum an Sicherheit herauszuholen. Darauf wurde in diesem Entschließungsantrag bereits verzichtet. – Das war der erste Sündenfall.

Der zweite Sündenfall war das Übereinkommen – wobei die Bezeichnung "Übereinkommen" bereits eine Übertreibung ist – zwischen Bundeskanzler Schüssel und Ministerpräsidentem Zeman in Brüssel. Die Inszenierung dieses Übereinkommens war ja fast so, wie wenn Wolfgang Schüssel der Meinung wäre, er wäre jetzt Leopold Figl II. und die Reblaus hätte um Mitternacht den Durchbruch bei diesen Gesprächen geschafft. – Das war ein Irrtum! (Zwischenruf der Abg. Wochesländer. )  – Sie von der FPÖ sollten da etwas zurückhaltend sein, denn da weiß man nicht sicher, ob Sie ein Doppelspiel betrieben haben oder ob Sie in dieser Frage einfach über den Tisch gezogen wurden; das ist noch offen. Das müssen Sie den 915 000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern noch erklären.

Aber Sie werden noch mehr erklären müssen, denn im Anhang des Schüssel-Zeman-Abkommens kommen sechs Punkte vor. Ein Punkt betrifft die Rohrleitung auf 28,8 Meter Höhe. Der zweite Punkt betrifft die Sicherheitsventile. Das sind zwei ganz heikle Punkte, die die Sicherheit dieses Atomkraftwerkes betreffen, wo Schüssel zugestimmt hat, dass das letztlich die tschechische Atombehörde selbst zu bestimmen hat. Und da ist dieser berühmte Passus enthalten: "wenn notwendig".

Das heißt, nur wenn die der Meinung sind, dass es Sicherheitsmängel gibt, obwohl schon von einer EU-Arbeitsgruppe und von andern Expertengruppen festgestellt wurde, dass es Sicherheitsmängel gibt, dann sind auch nur sie dafür zuständig, wenn notwendig, diese zu beheben. Ministerpräsident Zeman war der Meinung, dafür werde man maximal 40 Millionen Schilling benötigen.

Schüssel hat damals gemeint, 4 Milliarden Schilling wären notwendig, damit Temelín einigermaßen einen Sicherheitsstandard bekommen kann, sofern man glaubt, dass Temelín überhaupt jemals sicher sein wird können.

Dann kommen die Punkte 3, 4, 5. Da haben nämlich Schüssel und Zeman überhaupt nichts ausgemacht. Da hat man nur gesagt, dass es da ohnehin internationale Richtlinien gebe. In Punkt 6 im Anhang des Schüssel-Zeman-Abkommens, der die Erdbebensicherheit betrifft, steht lapidar, es werde einen Workshop geben. Also man wird sich auf die Wiese vor Temelín setzen und warten, bis die Erde ein bisschen bebt oder sich bewegt, und das dann analysieren. – Das war letztlich das Übereinkommen. Das war Sündenfall Nummer 2.

Dann kam Sündenfall Nummer 3: Bevor der EU-Rat von Laeken stattfand und bevor letztlich das berühmte Energiekapitel, das darüber entscheidet, ob jetzt Temelín der tschechischen Behörde endgültig überlassen wird und wir letztlich kein Problem in Bezug auf den Abschluss des Energiekapitels mehr sehen, abgeschlossen wurde, haben wir gemeint, man sollte die Frau Außenministerin mit einem Beschluss des Hauptausschusses verpflichten, dass sie dem Abschluss des Energiekapitels nicht zustimmt. Doch es kamen wieder Khol und Westenthaler mit einer Initiative, die unfassbar ist. Im Hauptausschuss haben Sie einen Scheinbindungsbeschluss fassen lassen. Sie haben – anders formuliert – gesagt: Die Frau Ministerin soll sich dort in der Sitzung zu Wort melden und sagen, wir haben in Österreich einen Entschließungsantrag beschlossen, und wenn wir es für notwendig erachten, werde ich mich als Außenministerin wieder irgendwann zu Wort melden. – Das hat keine Rechtswirksamkeit!

Sie hätte dort sagen müssen: Wir wollen nicht, dass das Energiekapitel jetzt schon abgeschlossen wird. Das hat übrigens mit Veto gar nichts zu tun, denn das Verkehrskapitel war zu jenem Zeitpunkt auch noch nicht abgeschlossen, und es hat auch niemand gesagt, dass das etwas mit Veto zu tun hat. – Das war Sündenfall Nummer 3.

Diese drei Sündenfälle waren alle vor dem Volksbegehren. Das heißt, eigentlich müsste man Klubobmann Khol, der immer sehr bibelfest ist, einmal in Anlehnung an ein Bibelzitat ins Stammbuch schreiben: Ehe die erste Österreicherin, ehe der erste Österreicher dieses Anti-Temelín-Volksbegehren unterschrieben hat, werden die beiden Regierungsparteien die


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Unterzeichner bereits verraten haben. – Das ist die Wahrheit Ihrer Sündenfälle und Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Doch dann kam Sündenfall Nummer 4, eben der Europäische Rat von Laeken, wo die Frau Ministerin nur ein bisschen mit der Hand gewunken, irgendeine Wortmeldung abgegeben und letztlich zugestimmt hat, dass das Energiekapitel mit Tschechien abgeschlossen wurde. Das kann man auch nicht mehr aufmachen, denn da müssten alle Mitgliedsländer der Europäischen Union dafür sein, es müsste eine ganz fundamentale Veränderung gegeben sein, es müsste Tschechien zustimmen, auch die ÖVP müsste da in der Regierung zustimmen, falls beide dann überhaupt noch in der Regierung sind, aber immerhin, das ist die Voraussetzung.

Laeken: Was ist der Passus, den Sie in Laeken beim EU-Rat eingebracht haben? – Da steht: Der Europäische Rat sagt zu, in der Union auch weiterhin ein hohes Maß an Nuklearsicherheit zu gewährleisten. Er betont mit Nachdruck, dass Schutz und Sicherheit von Kernkraftwerken überwacht werden müssen. Er bittet um die regelmäßige Vorlage von Berichten der Atomenergieexperten der Mitgliedstaaten, die in engem Kontakt mit der Kommission bleiben werden. – Zitatende.

Das ist null, absolut null, was Sie da in Laeken durchgesetzt haben! Das hätten Sie gar nicht reinzuschreiben brauchen, denn das macht man ohnehin schon seit Jahren, dass man die Atomkraftwerke ein bisschen beobachtet und sonst nichts macht und sich nicht einmal auf einen gemeinsamen Sicherheitsbegriff einigen kann.

Und da kommt Sündenfall Nummer 5: Was hat denn diese Regierung getan, damit es einen europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie gibt? Was hat diese Regierung dafür getan? – Sie hätte die Mitgliedsländer der Europäischen Union besuchen müssen, sofern sie empfangen worden wäre; da gebe ich zu, das kann vielleicht unterschiedlich gewesen sein. Vielleicht hätten die einen oder anderen gar nicht Interesse daran gehabt, weil sie eben Probleme mit der Konstellation dieser Regierung hatten. Aber: Was haben Sie getan? Das wahre Ziel muss ja sein, dass es einen europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie gibt. Und da, muss ich sagen, sind Sie säumig! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie hätten anregen können – wir Sozialdemokraten haben das gefordert –, dass es eine Konferenz aller Mitgliedsländer der Europäischen Union plus jenen, die beitreten wollen, gibt. Sie hätten anregen können, dass vor allem jene zu dieser Konferenz kommen, die schon aus der Atomenergie ausgestiegen sind. Es sind ja nur mehr einige wenige Länder, die allerdings hartnäckig – das gebe ich zu –, wie Frankreich, auch Spanien und Großbritannien, an dieser Atomenergiepolitik festhalten.

Und jetzt kommen Sie, die Sie ständig sagen, Sie wollen eigentlich ohnehin aus der Atomenergie raus, Sie, die Sie ununterbrochen herumrennen und den Tag gar nicht erwarten können, bis der bayerische Ministerpräsident Stoiber endlich deutscher Bundeskanzler wird. (Abg. Dr. Fekter: Ja, sehr gut!) Sie, die Sie das so bejubeln, müssten zur Kenntnis nehmen, dass Stoiber gesagt hat, das Erste, was er machen werde, sei, den Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland rückgängig zu machen. Ein gesundes Bündnis haben Sie da, ein gesundes Bündnis! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) – Ein Doppelspiel.

Und was haben Sie getan, seit das Volksbegehren unterzeichnet wurde? – Nichts haben Sie getan, absolut nichts! Verlorene Monate!

Was haben Sie beim EU-Rat in Barcelona getan, um den Ausstieg aus der Atomenergie in Europa herbeizuführen? – Nichts haben Sie getan, nichts! Es war eine Täuschung! Die 915 000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie von der Regierung getäuscht wurden, dass sie von den Betreibern des Volksbegehrens getäuscht wurden, und das ist bitter. Ich muss Ihnen sagen: Das werden sich die 915 000 merken! Und wenn es einen Anwalt für die 915 000 gibt, die in Wahrheit ein Signal setzen wollten, und zwar weit über Temelín hinaus, nämlich für den europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie, dann


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werden das wir sein. Sie werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass genau wir diejenigen sind, die das tun werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Einen letzten Punkt noch: Mich hat immer gestört, dass man immer nur über ein tschechisches Atomkraftwerk geredet hat. Es gibt auch andere Atomkraftwerke, über die man hätte reden müssen, bei denen die Sicherheitsfrage aktuell ist. Und ich habe immer die Vermutung, da ist auch eine antitschechische Komponente dabei. Ich gebe zu, manche Wortmeldungen aus Prag waren mehr als entbehrlich, keine Frage, vor allem von Herrn Zeman. (Abg. Ing. Westenthaler: Ihr Genosse! Genosse Zeman!)

Aber dieses Anti-Tschechische habe ich auch gestern vernommen, als Sie plötzlich bei der Abfangjäger-Debatte von den "Zeman-Jets" gesprochen haben, die über Österreich kurven, so quasi die "bösen Prager Wespen", die uns alle stechen wollen. Das war Ihre Antwort darauf. Damit haben Sie sich dekuvriert und dargestellt, worum es Ihnen wirklich geht. Und da muss ich sagen, Herr Klubobmann Westenthaler: Das ist unsauber! So kann man an diese Frage nicht herangehen, das ist unanständig! Es geht hier um die Sicherheit – und um nichts anderes! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.17

Antrag gemäß § 87 Abs. 1 GOG

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir ein Vier-Parteien-Antrag vor, der am Ende dieser Debatte abzustimmen sein wird und der folgenden Inhalt hat:

Antrag

(gemäß § 87 Abs. 1 GOG)

der Abgeordneten Dr. Cap, Ing. Westenthaler, Dr. Khol, Dr. Van der Bellen auf Wahl eines Besonderen Ausschusses gemäß § 87 Abs. 1 GOG

Die unterzeichneten Abgeordneten beantragen in der Ersten Lesung des Volksbegehrens "Veto gegen Temelin" (1065 der Beilagen), zur Vorberatung dieses Volksbegehrens nach § 87 Abs. 1 GOG einen Besonderen Ausschuß einzusetzen, der aus 25 Mitgliedern und ebenso vielen Ersatzmitgliedern bestehen soll.

*****

Die Aufteilung der Mitglieder auf die einzelnen Fraktionen erfolgt nach dem d’Hondt’schen System und ergibt 9 : 7 : 7 : 2.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. – Bitte. (Abg. Edler: Hojac! – Abg. Ing. Westenthaler  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Koffer! – Abg. Dr. Mertel: Der hat zu Edler "Koffer" gesagt, Herr Präsident!)

10.18

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Cap, Sie haben heute hier jede Menge an Beschimpfungen geliefert, Sie haben anderen Abgeordneten vorgeworfen, sie seien unanständig. Wissen Sie, was unanständig ist? – Ihre unseriöse Vorgangsweise in Fragen der Atompolitik, denn die Österreicherinnen und Österreicher wissen ganz genau, welche Kraft in diesem Land unter den Parteien immer die Nummer eins für Atomkraft war: nämlich Ihre SPÖ. Wenn es in der Vergangenheit nach Ihnen gegangen wäre, dann hätten wir jetzt in diesem Land mit Zwentendorf ein laufendes Atomkraftwerk, und dafür könnten sich heute die Österreicherinnen und Österreicher bei Ihnen bedanken.


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Es ist schäbig, es ist unanständig, wenn Sie sich heute als Anti-Atomkämpfer hier zum Rednerpult stellen (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), aber hier die Atomlobby in Ihren Reihen sitzt und Sie Zwentendorf aufsperren wollten, Herr Kollege Cap!

Sie stellen sich am Beginn der parlamentarischen Behandlung des Volksbegehrens, das von rund 915 000 Unterzeichnern unterstützt worden ist, hier her und führen aus: Das Volksbegehren ist sinnlos! und wischen es vom Tisch. Es ist sinnlos, sagen Sie. – Wie kommen Sie eigentlich dazu, diese 915 000 Unterschriften von vornherein als sinnlos zu bezeichnen? Von vornherein wollen Sie es hier im Parlament gar nicht behandeln. Sie sagen, diese Unterzeichner sind Ihnen Wurscht, obwohl ein großer Teil der Unterschriften von Sozialdemokraten stammt. Jene, die unterzeichnet haben, werden sich sehr, sehr genau merken, dass Sie gesagt haben, es sei sinnlos, das Volksbegehren hier überhaupt zu behandeln. Das werden sich die Sozialdemokraten, die unterzeichnet haben, merken.

Wir haben da eine völlig andere Position. Wir geben die Garantie ab, dass dieses Volksbegehren nicht nur hier im Hohen Haus mit hoher Priorität behandelt wird. Sie selbst stimmen ja der Einsetzung eines besonderen Ausschusses zu, dem noch dazu Kollege Wittmann vorsitzen wird. Es wird hier eine ordentliche Behandlung erfahren, und nicht nur das, es wird auch kein Abrücken, auch nicht um einen Millimeter, der Freiheitlichen Partei von ihrer Linie geben. Wir sagen: Wir geben so lange keine Ruhe, bis Temelín zugesperrt ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Im Gegensatz zu Ihrem Zickzackkurs wird sich daran nichts ändern.

Aber, Herr Kollege Cap, Sie haben sich heute hier defensiv, passiv, kontraproduktiv verhalten. Und dann stellen Sie sich noch hier her und führen Ihren Genossen Zeman aus der Tschechei – er ist Ihr Genosse, ein Sozialist erster Stunde – als Zeugen für irgendwelche Aussagen in der Atomkraft an.

Nach der Beschimpfung Zemans unserer Landsleute sudetendeutscher Herkunft als fünfte Kolonne Hitlers, die eigentlich alle hätten umgebracht werden sollen, nach dieser entsetzlichen Beschimpfung und Beleidigung der Österreicherinnen und Österreicher und nach seinen Aussagen auch zur Atomkraft und zu ganz Österreich sage ich Ihnen eines: Zeman gibt es für uns nicht mehr, der ist für uns gestorben. Und wir sind froh, wenn er bei der nächsten Wahl abgewählt wird. Wir hoffen darauf, Herr Kollege Cap. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie sind aber auch nicht auf dem letzten Stand. Ich erwarte mir von einem Klubobmann, dass er, wenn er eine Rede im Parlament hält, auf dem letzten, aktuellen Stand ist. Wenn Sie behaupten, die Bayern und Herr Stoiber seien sozusagen für den Ausstieg vom Ausstieg, das heißt für die Rückkehr zur Atomkraft, dann, muss ich sagen, haben Sie die Diskussion nicht verfolgt. Und hier sage ich Ihnen: Das ist auch einer der großen Erfolge der 915 000 Unterzeichner, dass diese Diskussion noch stärker europäisiert worden ist.

Sie werden die Schlagzeile in der "Kronen Zeitung" unmittelbar nach dem Unterzeichnen des Volksbegehrens auch gelesen haben: "Auch Bayern jetzt gegen Temelín". Am 20. Feber wurde in der bayerischen Landesregierung – ich habe die Unterlagen hier – beschlossen, die Stilllegung des AKW Temelín wegen der zahlreichen Pannen zu fordern. Weil es als unsicher gilt, deswegen fordert die bayerische Landesregierung die Stilllegung Temelíns. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)  – Es ist auch ein Erfolg der 915 000 Unterzeichner, dass jetzt auch Bayern und viele andere die Stilllegung Temelíns fordern. Das ist ein Erfolg. Dazu gratulieren wir.

Meine Damen und Herren! 915 000 Österreicherinnen und Österreicher haben unterschrieben. Das ist ein überwältigender Erfolg, es handelt sich um das dritterfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte der Zweiten Republik überhaupt. Ich möchte diese Gelegenheit auch einmal nutzen, allen, die unterzeichnet haben, für ihr Engagement, für ihren Einsatz zu danken, denn sie werden sehr, sehr viel erreichen. Sie haben viel erreicht, und sie werden auch noch viel erreichen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Es erfolgte auch ein Umschwenken der aktiven Anti-Temelín-Bewegung, die mit Parteipolitik überhaupt nichts zu tun hat, und dabei bleibt es auch. Es haben schließlich 13 000 Österreicherinnen und Österreicher dieses Volksbegehren eingeleitet, das die Freiheitlichen initiiert haben. Aber eingeleitet wurde es von der Bevölkerung. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig. ) Und deswegen haben sich auch, Frau Kollegin Glawischnig, Antiatombewegungen jenseits jeglicher Partei für dieses Volksbegehren ausgesprochen.

Ich erinnere: In der Eintragungswoche selbst, am 18. Jänner, hat etwa Herr Josef Pühringer, Sprecher der oberösterreichischen "Plattform gegen Atomgefahr", das Volksbegehren unterschrieben und aufgefordert, es ihm gleich zu tun, weil es wichtig ist.

Oder: Die Umweltorganisationen Greenpeace und Global 2000, Frau Kollegin Glawischnig, haben gesagt: Wir verstehen alle, die unterschreiben. Wir verstehen sie. Wir verstehen die Anliegen. Jawohl, es ist gut, dass sich die Menschen beteiligen und gegen diesen Atommeiler engagieren! – Das heißt, es ist in diesem Fall Überparteilichkeit gegeben. Auch Ihre ureigensten Organisationen, wo auch sehr viele Grüne aktiv sind, haben dieses Volksbegehren unterstützt und sind letztlich auch auf diesen Zug aufgesprungen. Das ist gut, das ist ein guter Erfolg.

Wir werden jetzt hier im Hohen Haus eine wichtige Rolle übernehmen. Wir werden nämlich jetzt im Hohen Haus der politische Anwalt dieser Unterzeichner sein und als Anwalt garantieren, dass das Versprechen eingehalten wird, alles dagegen zu tun, dass Temelín am Netz bleibt, alles dafür zu tun, dass Temelín sehr bald der Geschichte angehört und keine Bedrohung für Österreich mehr darstellt, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Deshalb auch der Ausschuss, der Besondere Ausschuss. Es wird dieses Volksbegehren nicht in irgendeinem Unterausschuss schubladisiert, sondern es kommt ein Besonderer Ausschuss, den Sie schon wieder kritisieren und als "Begräbnis erster Klasse" bezeichnen. Das ist auch interessant: Ein Sozialdemokrat, Herr Wittmann, hat den Ausschussvorsitz, und Sie kritisieren das schon wieder, obwohl es ein Besonderer Ausschuss ist. Das ist doch etwas Gutes.

Setzen wir uns doch zusammen und versuchen wir, in diesem Ausschuss eine geeignete Grundlage zu schaffen, mit der wir dann nach Prag fahren können, auf der wir mit einer neuen Regierung in Prag, in Tschechien weiter verhandeln können, nicht mit Zeman, damit wir dieser Regierung klarmachen können, dass dieses Atomkraftwerk nicht nur lebensgefährlich und lebensbedrohend ist, sondern dass es auch ein wirtschaftlicher Unfug ist, weil die Aufrechterhaltung des Betriebes in Temelín wesentlich mehr kostet als der Ausstieg. Es wird die Aufgabe des Ausschusses sein, das zu beweisen, diese Grundlage dann nach Prag zu führen und für das Abschalten Temelíns zu sorgen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das werden wir auch entsprechend umsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Gaßner: Brüssel!)

Auch international hat dieses Volksbegehren sehr großes Echo gefunden:

"Frankfurter Rundschau", 22. Jänner: "FPÖ-Erfolg bei Volksbegehren – Mehr als 900 000 Österreicher legen ,Veto gegen Temelin‘ ein."

"Stuttgarter Zeitung", 22. Jänner: "Die FPÖ hat mit ihrem Volksbegehren gegen das Atomkraftwerk Temelin einen Erfolg erzielt. Mehr als 915 000 Österreicher, mithin 15,5 Prozent der Wahlberechtigten, haben der Regierung praktisch den Auftrag erteilt, einem EU-Beitritt Tschechiens erst zuzustimmen, wenn das umstrittene Kraftwerk stillgelegt ist."

Das geht bis hin zur "Financial Times Deutschland", die dieses Volksbegehren ebenfalls sehr positiv kommentiert und gemeint hat, dass es ein Erfolg ist.

Sie können diesen Erfolg nicht absprechen. Und deswegen war ich am Anfang irritiert, dass Sie ein solch erfolgreiches Volksbegehren als sinnlos bezeichnet und in Wirklichkeit den Unterzeichnern hier vom Rednerpult aus eine Ohrfeige gegeben haben. Das ist kein guter Stil. Das ist demokratiepolitisch schlecht, das ist für das Parlament schlecht und das ist auch schlecht für


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Ihre Wähler, die das Volksbegehren unterzeichnet haben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir dürfen jetzt nicht nachlassen. Wir fordern eine umfassende Befassung des Ausschusses auch mit den Materien. Wir wollen in vier Bereichen Ergebnisse erzielen, nämlich im technischen Bereich. Wir wollen hier die Problembereiche noch einmal thematisieren, uns im Ausschuss vor allem die Störfallanalysen ganz genau ansehen, weil bis heute nicht ganz klar ist, was uns die Tschechen überhaupt alles übermitteln und was nicht. Wir wollen den ökonomischen Bereich kontrollieren, das heißt, die Situation auf dem europäischen Strommarkt, mögliche Allianzen auch auf internationaler Ebene, die uns stärker machen, den umweltrelevanten Bereich. Wir wollen auch noch einmal die UVP-Prüfung thematisieren. Der vierte und wichtigste Bereich ist letztlich, Alternativen zu finden. Und da sind wir nicht der Meinung der Grünen, dass österreichisches Steuergeld jetzt auch noch in diesen Atomreaktor geschüttet werden soll. Nein! Kein einziger österreichischer Steuerschilling wird dort hineinfließen.

Wenn jemand die Verantwortung dafür trägt, dass ein unsicheres Atomkraftwerk zugesperrt wird, bevor Tschechien zur Europäischen Union kommt, dann ist es die Europäische Union. Wir werden auch auf europäischer Ebene, im Europaparlament, überall – und da werden wir Allianzen auch mit Ihnen suchen – thematisieren, dass wir selbstverständlich auf europäischer Ebene eine Alternative zu Temelín, ein Ausstiegsszenario suchen und vor allem die von uns immer wieder geforderte Nullvariante anstreben. Wir lassen nicht locker, das ist das erklärte Ziel, wir wollen die Nullvariante, und die muss das Hauptthema im kommenden besonderen Ausschuss auch in diesem Hohen Haus sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Volksbegehren war erfolgreich, die Gefahr ist noch geblieben. Das ist auch das, was uns stört. Und wer in den Eintragungslokalen mit den Menschen, mit den Familien, die mit ihren Kindern dorthin gekommen sind, gesprochen hat, konnte erkennen, dass sich eigentlich ein Satz quer durch die Meinungen der Unterzeichner, die hingegangen sind, durchgezogen hat. Der meistgehörte Satz in der Eintragungswoche war: Ich bin hingegangen und habe für meine Kinder, für die nächste Generation unterschrieben.

Das ist unser Auftrag und zugleich unsere Motivation: Für unsere Kinder, für unsere nächste Generation, für unsere Nachfolger, für die, die jetzt noch sehr jung sind und sich auch vor Atomkraftwerken fürchten, für die wollen wir eine atomkraftfreie Zukunft gestalten. Das ist unser Auftrag. Und wir laden Sie alle ein mitzumachen. Machen Sie konstruktiv mit! Schauen wir, dass wir in diesem Ausschuss eine Lösung zustande bringen und dass wir Prag davon überzeugen, dass es ein Irrweg ist, dieses Atomkraftwerk aufrechtzuerhalten. Tun wir es im Auftrag der nächsten Generation! Tun wir es im Auftrag unserer Kinder, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es wurde von mir ein Ordnungsruf für einen Ausdruck verlangt, den ich aber leider nicht gehört habe. Ich werde mir das Stenographische Protokoll beschaffen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Die Redezeit beträgt 12 Minuten. – Bitte.

10.30

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bekannt, dass wir von der Volkspartei immer gegen die Nutzung der Kernkraft in Kernkraftwerken eingetreten sind (Abg. Dr. Moser: Wann und wo bitte?), es ist aber auch bekannt, dass wir dieses Volksbegehren, das von 915 000 Österreichern unterstützt wurde, nicht unterschreiben wollten und nicht unterstützt haben, weil wir nicht der Meinung sind, dass ein Veto für die Sicherheit Österreichs wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir bleiben bei dieser Haltung, denn es kann nicht falsch sein, was vor dem Volksbegehren richtig war. Wir sind an der Sicherheit Österreichs maximal interessiert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Daher nehmen wir, Herr Kollege Cap, die Ängste der 915 000 Menschen, die unterschrieben haben, und das, was Peter Westenthaler gesagt hat und was ich auch gehört habe – die Leute haben gesagt: Ich unterschreibe, weil ich Angst habe! –, sehr ernst. Deswegen wollen wir einen Sonderausschuss einrichten, deswegen wollen wir die Zeit, die wir haben, nützen, um den Ängsten gerecht zu werden und die Sicherheit unserer Landsleute mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Unabhängig von aller Polemik müssen wir doch eines sagen: Wir waren doch bisher mit dem Vier-Parteien-Konsens gegen Temelín, der bis vor einem halben Jahr gehalten hat, sehr erfolgreich. Ich habe den Traum, Herr Kollege Cap – von den Grünen ist der Klubobmann nicht da – und Herr Kollege Westenthaler, dass wir in diesem Ausschuss, den wir jetzt einrichten, die Zeit nützen, um wieder zu einem Vier-Parteien-Konsens betreffend die Sicherheit unserer Landsleute zu kommen, dass wir über parteipolitische Interessen und über polemische Dinge, über Rechthaberei und Juristerei hinwegsteigen und alles tun, damit unsere Landsleute sicher schlafen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Was waren die Elemente dieser sehr erfolgreichen Politik? – Meine Damen und Herren! Als wir angefangen haben, gegen Temelín aufzutreten, waren wir allein, und als wir angefangen haben, gegen Temelín aufzutreten, haben wir nichts in der Hand gehabt – keinen Vertrag, keine Vereinbarung, keine Zusage. Wir hatten die Angst vieler Menschen gerade in Oberösterreich und Niederösterreich im Rucksack, und damit sind wir losgezogen. Heute haben wir einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag, mit dem sich die Tschechen verpflichtet haben, jene 21 Sicherheitsmängel abzustellen, die von einer internationalen Expertengruppe unter österreichischer Beteiligung festgestellt wurden und die abgearbeitet und behoben werden müssen. Deren Behebung muss also vor Abschluss des EU-Vertrages eingeleitet werden. Das wissen die Tschechen, und das ist etwas, worüber wir Konsens haben können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Österreich ist kernkraftfrei. – Das ist unser erstes Ziel, an dem wir unverbrüchlich festhalten.

Unser zweites Ziel – auch darüber gab es Konsens – ist: Wir wollen den europäischen Ausstieg aus der Kernenergie. Auch da haben wir Fortschritte gemacht. Beim Gipfel von Laeken ist das zum ersten Mal in einem Gipfel-Dokument verankert worden.

Unser drittes Ziel ist: Wir wollen für die vielen Hunderte Kraftwerke, die in Europa verteilt sind – wobei Temelín sicherlich im oberen Drittel hinsichtlich der Technik liegt und nicht zu den Schrottreaktoren des Ostens zählt –, verbindliche Sicherheitsstandards, die von Europa überwacht und eingehalten werden und die für alle gleich gelten. Das ist das nächste Ziel. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig: Wir hätten gerne den Ausstieg! Das ist besser, oder?)

Auch mit dem Brüsseler Vertrag, der von Wilhelm Molterer vorbereitet, von Wolfgang Schüssel mit einem tschechischen Politiker, den ich hier gar nicht namentlich ansprechen möchte, ausgehandelt, von der gesamten Bundesregierung gutgeheißen und ratifiziert wurde und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht ist, haben wir den ersten Schritt zur Europäisierung der Sicherheitsfragen von Kernkraftwerken erfolgreich hinter uns gebracht. Seien wir doch stolz auf diesen österreichischen Weg! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das vierte Element des Konsenses war immer: Jedes Land ist frei in der Wahl seiner Energieträger. Wir Österreicher lassen uns nicht dazu zwingen – von niemandem –, Kernenergie auf unserem Staatsgebiet zu erzeugen. Das war immer Konsens, an dem halten wir fest. Wenn aber auch wir niemand anderen zwingen können, dann wollen wir zumindest erreichen – auch das haben wir mit dem Brüsseler Vertrag erreicht –, dass dieses Kernkraftwerk Temelín dem höchsten Stand der Technik entspricht und dass die international aufgezeigten Sicherheitsmängel behoben werden. Auch das haben wir erreicht. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wenn nach Klärung noch vieler offener Fragen, nach Klärung vieler Voraussetzungen ein Beitrittsvertrag mit vielen unserer Nachbarländer im Jahre 2003 oder 2004 vorliegt und wenn dann im Anhang, im EU-Primärrecht diese Sicherheitsvereinbarung zwischen Österreich und Tschechien völkerrechtlich verankert und somit vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbar ist, dann haben wir viel mehr erreicht, als kühnste Optimisten erwartet haben, und ich glaube, wir sollten stolz darauf sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang möchte ich einen Klammerausdruck anbringen: Genauso ist es uns bei den so genannten Beneš-Dekreten gegangen. Auch diesbezüglich haben wir allein gekämpft. Zuerst haben wir in der Regierungsübereinkunft festgehalten, dass wir das Unrecht der Vertreibung und Enteignung von Hunderttausenden österreichischen Mährern, also österreichischen Angehörigen damals der Tschechischen Republik, beenden wollen und dass festgehalten werden muss, dass es totes Unrecht bleiben muss und dass die Tschechen für die Zukunft die Anwendung dieser Dinge ausschließen. – Keine Bewegung hat es gegeben, wir waren allein.

Mittlerweile ist uns genau das Gleiche gelungen wie bei Temelín: Es ist zu einer internationalen Frage geworden. Das Europäische Parlament steht an unserer Seite, Kommissar Verheugen steht an unserer Seite, und ich bin überzeugt davon, dass es uns auch gelingen wird, bevor noch dieser EU-Vertrag abgeschlossen wird, diese Schwierigkeiten, die es noch gibt, auszuräumen. Ich möchte nicht sagen, dass das morgen bevorsteht, aber diese Zeit wird genützt werden, und dann wird auch die Frage der Beneš-Dekrete als totes Unrecht erledigt sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Daher, meine Damen und Herren, nehmen wir die Anliegen der 915 000 Österreicherinnen und Österreicher, die das Volksbegehren unterschrieben haben, sehr ernst. Ihre Ängste sind unser Auftrag zur Handlung. Sie können sicher sein, dass wir in diesem Ausschuss ernsthaft (Abg. Huber: Sie hätten vorher handeln müssen!), sorgsam und ohne Polemik alles tun werden, um die Ziele, die ich skizziert habe, zu erreichen.

Ich bitte Herrn Bundesminister Molterer, der zusammen mit Bundesminister Scheibner über diese Sicherheitsvereinbarung mit Tschechien wacht, in seiner Stellungnahme darauf einzugehen, wie weit dieser Brüsseler Vertrag schon abgearbeitet ist und was alles geschehen ist, damit Sie, Herr Kollege Cap, sehen, dass diese 21 Sicherheitsmängel, die international festgestellt wurden, auch international kontrolliert behoben werden. Das ist wichtig, diese Zeit nützen wir.

Wir werden den Ausschuss, der sich mit dem Volksbegehren befasst, dazu verwenden, die Abarbeitung des Brüsseler Vertrages, die Umsetzung des Brüsseler Vertrages zu kontrollieren, um zu diskutieren und auch die notwendige Information zu geben. Wir werden Experten einladen, wir werden die Vertreter dieses Volksbegehrens in den Ausschuss einladen.

Unsere Zielsetzung ist ganz klar: Im Rahmen der Gespräche mit einer neuen tschechischen Regierung, die hoffentlich vernünftiger und entgegenkommender ist als die derzeitige Regierung, werden wir im Sinne der Energiepartnerschaft, die im Brüsseler Vertrag festgehalten ist, über alle Fragen reden.

Ich habe schon gesagt: Ein Politiker muss immer wieder versuchen, seine Ziele zu erreichen. Ein Ziel Österreichs ist der europaweite Ausstieg aus der Kernenergie. Ein Ziel Österreichs ist es, europäische Sicherheitsstandards zu erreichen. Und ein Ziel Österreichs ist es, dieses Kraftwerk nach dem höchsten Stand der Technik zu gestalten, Informationen zu haben und, wenn es geht, auch über die Nullvariante zu reden.

All das werden wir tun, all das nehmen wir uns vor. Und am Ende des Weges stehen hoffentlich viele Hunderttausend Österreicher und sagen: Unsere Ängste sind nicht mehr begründet, die Bundesregierung, alle Parteien haben alles getan, um uns Sicherheit zu gewährleisten. Dieses Versprechen möchte ich namens der Volkspartei allen Österreicherinnen und Österreichern geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.41


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Edlinger zu Wort gemeldet. Ich bitte, den zu berichtigenden Sachverhalt und den tatsächlichen Sachverhalt darzustellen.

10.42

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Klubobmann Khol behauptete vor wenigen Minuten, die ÖVP sei immer gegen die Atomkraft gewesen. – Das ist unrichtig! Ich berichtige dies tatsächlich und stelle Folgendes fest:

Erstens haben die ÖVP-Landeshauptleute von Niederösterreich und der Steiermark seinerzeit um den Standort, der dann in Zwentendorf situiert wurde, öffentlich gestritten.

Zweitens haben sich maßgebliche Wirtschaftsfunktionäre der ÖVP massiv für Zwentendorf eingesetzt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und drittens hat in den späten sechziger Jahren die ÖVP im Wiener Gemeinderat einen Antrag gestellt, ein Atomkraftwerk in Wien-Donaustadt zu errichten.

Ein bisschen mehr Wahrhaftigkeit ist gefragt, Herr Khol! (Beifall bei der SPÖ.)

10.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir haben immer das Gleiche: Die tatsächliche Berichtigung ist okay, aber der persönliche "Schlenker" gehört nicht mehr dazu. Außerdem hat jetzt Kollege Khol das Recht auf eine persönliche Erwiderung auf Grund des letzten Satzes der tatsächlichen Berichtigung. – Bitte, Herr Abgeordneter Khol. (Abg. Ing. Scheuch  – in Richtung des Abg. Edlinger –: Danke, Rudi! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

10.43

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Abgeordneter Edlinger! Ich darf Sie daran erinnern, dass die Österreichische Volkspartei gegen Zwentendorf aufgetreten ist. Wir haben gegen Bundeskanzler Kreisky, der Zwentendorf haben wollte ... (Abg. Schieder: Das ist nichts Persönliches!)  – Nein, es geht um die Wahrhaftigkeit, es geht um die Wahrhaftigkeit! (Abg. Nürnberger: Was ist, Herr Präsident?!) Mir wurde vorgeworfen, ich sei nicht wahrhaftig, wenn ich sage (Abg. Leikam: Das stimmt doch nicht!), die Österreichische Volkspartei war stets gegen die Kernenergie. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben gegen Zwentendorf gestimmt, wir sind immer gegen Temelín aufgetreten, und so wird es auch bleiben, lieber Schulden-Rudi! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Marizzi: Das ist unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

10.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Da das Hohe Haus diese Debatte mit einer gewissen Emotion führt, stelle ich fest, dass die Bemerkung "lieber Schulden-Rudi" genauso unnötig war wie der letzte Satz des Abgeordneten Edlinger. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Schweitzer: Er hat aber nicht seine Wahrhaftigkeit eingebüßt!)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

10.45

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Minister auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich möchte zu dieser letzten Aufregung zwei kurze Sätze sagen. Ich glaube, es ist den Leuten komplett Wurscht, wer für und gegen Zwentendorf war. Wenn Sie sich mit diesem Gefühl, dieser Emotion, die Sie jetzt an den Tag legen, nur ansatzweise für die Gegenwart und die Zukunft einsetzen würden, dann wäre, so glaube ich, der Antiatombewegung in Österreich mehr gedient als mit dieser Geschichtsforschung. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Wirklich! Ich gebe dir Recht!)

Nun zu meinen beiden Vorrednern, Herrn Klubobmann Khol und Herrn Klubobmann Westenthaler: Ich kann diese Siegesstimmung und diese Euphorie nicht nachvollziehen, und ich


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98. Sitzung / Seite 42

glaube, dass ich mit vielen Leuten, sowohl solchen, die das Volksbegehren unterschrieben haben, als auch solchen, die es nicht unterschrieben haben, aber trotzdem gegen Atomkraft und gegen Temelín sind, eine herbe Enttäuschung, was die letzten Monate und Ihr Engagement betrifft, teile.

Schauen wir uns einmal an, was in den letzten Wochen, in den beiden Monaten geschehen ist, seit das Volksbegehren nicht mehr aufliegt. Mittlerweile haben wir die 30. Panne im Kraftwerk erlebt, die 29. Panne am 7. Februar war die schwerste in der Geschichte des Kraftwerkes. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Es ist erstmals auch der Primärkreislauf betroffen gewesen, die Notkühlung musste aktiviert werden. Doch zu diesem recht ernsten Zeitpunkt hat es nicht einmal von Seiten der Freiheitlichen oder auch der ÖVP irgendeinen Protest gegeben. "Lautes Schweigen" sowohl von Herrn Klubobmann Westenthaler als auch von Vizekanzlerin Riess-Passer zu diesem schweren Störfall war die Reaktion.

Wenn Sie sagen: Wir geben so lange keine Ruhe, bis Temelín stillgelegt ist!, dann muss ich sagen, dass Sie die letzten zwei Monate sehr brav Ruhe gegeben haben, obwohl es noch nicht stillgelegt worden ist. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Achatz: Was haben Sie gemacht? Haben Sie das Volksbegehren unterschrieben? – Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Block 1 ist nach diesen schweren Störfällen wieder abgeschaltet worden. Wir bewegen uns Schritt für Schritt hin zum Vollbetrieb. Es gibt bislang überhaupt keine minimalen Verbesserungen. (Abg. Achatz: Wo sind Ihre Aktivitäten?) Das Schlimmste ist aber, dass der zweite Block, also 1 000 Megawatt zusätzlich, mittlerweile auch mit Brennstäben beladen worden ist. Das sind 95 Tonnen radioaktives Material! (Abg. Dr. Ofner: Wir haben Sie nicht abgehalten, zu unterschreiben!) Auch zu diesem Zeitpunkt hat es keine einzige Reaktion von den Freiheitlichen oder der Österreichischen Volkspartei gegeben. (Abg. Dr. Ofner: Was ist mit den Grünen?) Es gab keinen einzigen Mucks, nur "lautes Schweigen".

Herr Westenthaler! Sie geben angeblich so lange keine Ruhe, aber auch da haben Sie Ruhe gegeben, was für mich sehr überraschend ist.

Auf politischer Ebene in Tschechien – ich weiß nicht, wer von Ihnen das mitverfolgt – hat das Volksbegehren die Situation massiv verschärft. Die tschechischen Atomgegner haben uns ausrichten lassen: Auf solch eine Hilfe hätten wir tatsächlich verzichten können! Dieses Volksbegehren wird als Haider-Petition in den tschechischen Medien wahrgenommen, also nicht als überparteiliche Initiative, sondern als Haider-Petition gesehen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dazu haben Sie beigetragen!) Der Schlagabtausch zwischen Zeman und dem Kärntner Landeshauptmann hat noch zusätzlich dazu beigetragen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist Ihnen zu verdanken!), dass sich die Situation so verschärft hat, dass wir von vernünftigen Ausstiegsverhandlungen so weit wie noch nie entfernt sind. Das liegt in Ihrer Verantwortung, und dafür sollten Sie auch einmal die Verantwortung übernehmen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Was machen wir jetzt miteinander?)

Was ist in Österreich seither, also unmittelbar nach dem Volksbegehren geschehen? – Ich habe mir das jetzt noch einmal angeschaut, ich schaue mir das immer sehr präzise an, insbesondere die Ankündigungen, die es in diesem Zusammenhang gegeben hat.

Herr Klubobmann Westenthaler meinte: Das ist ein riesiger Erfolg für die direkte Demokratie. Wir werden der Anwalt sein. – Was haben Sie in den letzten zwei Monaten hinsichtlich der Anti-Atompolitik eigentlich gemacht? (Abg. Dr. Ofner: Was habt ihr gemacht?) Was haben Sie gemacht? (Abg. Ing. Westenthaler: Verstehen Sie nicht, dass man die Wahl in Tschechien abwarten muss?! Mit wem wollen Sie sprechen? Mit Zeman oder mit wem?)

Weiters: Durchbruch für eine neue Antiatombewegung, es muss Neuverhandlungen geben. Da werden Verhandlungen in Richtung Nullvariante notwendig sein, das heißt: Schließung von Temelín. Das kann Österreich nicht allein machen, da muss die EU helfen und so weiter und so fort.


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Sie sagen das unaufhörlich. Sie sagen das, aber auf der Tatenseite steht eine Nullbilanz. Block 2 geht in Betrieb, das Risiko verdoppelt sich, das Engagement der Bundesregierung sinkt gegen null. Mir ist es also völlig unverständlich, wie Sie hier einen Siegestaumel und Sicherheit verkünden können. Der so genannte Kampf der Freiheitlichen Partei gegen Temelín ist etwas, was sich ausschließlich in den Medien, ausschließlich in den Schlagzeilen abspielt (Abg. Dr. Partik-Pablé: Mehr als ihr kämpft!), aber auf der realen Ebene, bei der Lösung dieses Problems sind wir keinen einzigen Millimeter weitergekommen. Im Gegenteil, Sie haben die Situation massiv verschlimmert. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Böhacker: Sie sind keinen Millimeter weitergekommen!)

Die Vizekanzlerin, die heute gar nicht mehr anwesend ist, die das Problem sichtlich auch schon schubladisiert hat, hat betont, wie wichtig es sei, finanzielle Alternativen zu erarbeiten. Sie werde nach Tschechien reisen. Jetzt würde mich Folgendes interessieren: Die Frau Vizekanzlerin ist heute nicht hier, aber trotzdem möchte ich wissen: Welche konkreten Maßnahmen haben Sie denn bisher gesetzt? Wann werden Sie denn nach Tschechien reisen? (Abg. Dr. Khol: Nach der Wahl, hat sie gesagt!) Welche Schritte haben Sie schon gesetzt, um die Ausstiegsverhandlungen vorzubereiten?

Wie stellen Sie sich denn das vor, Herr Westenthaler? Sollen wir im Ausschuss sitzen und ein Ausstiegsangebot vorbereiten? Sollen wir das aus dem Budget des Parlaments bestreiten? Sollen vielleicht die Abgeordneten zusammenlegen? Wie stellen Sie sich Außenpolitik vor? Wie stellen Sie sich diplomatische Verhandlungen vor? Glauben Sie, dass man jetzt monatelang warten kann, bis vielleicht eine andere tschechische Regierung im Amt ist, und dann fährt man mit einem Koffer voll Geld hin? – Ich weiß nicht, wie Sie sich Außenpolitik vorstellen, aber so kann es nicht funktionieren! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Ofner: Frau Kollegin! Haben Sie unterschrieben? – Abg. Achatz: Haben Sie das Volksbegehren unterschrieben?)

Mich würde auch interessieren: Wie soll denn dieses Ausstiegsangebot ausschauen? Wie schaffen Sie es denn, endlich Verbündete auf europäischer Ebene zu finden, nachdem wir dort mittlerweile atompolitisch aus vielerlei Gründen nicht mehr ernst genommen werden?

Der Herr Bundeskanzler hat auch große Ankündigungen getroffen. Er ist heute auch nicht hier, also hat auch er das Problem schon schubladisiert.

Es hat einen interessanten Vorstoß von Wirtschaftskammerpräsidenten Leitl gegeben, der gemeint hat, man möge Ausstiegsverhandlungen führen und da auf bestimmte Wohnbauförderdarlehen Oberösterreichs und Niederösterreichs zurückgreifen. Es seien Mittel vorhanden, und man möge einmal beginnen, einen Ausstiegsfonds für die Modernisierung des Energiesystems, der Umweltstandards in Tschechien zu starten. – Das ist ein meiner Meinung nach sehr vernünftiger Vorschlag, der aber brüsk zurückgewiesen wurde. Sowohl Bundesminister Grasser als auch der Herr Bundeskanzler haben gemeint, das sei ein schlechter Vorschlag, sie hätten all diese Versuche schon gemacht, es wurden schon Angebote unterbreitet.

Auch da würde mich interessieren: Welche konkreten Verhandlungen, Herr Bundeskanzler, haben Sie schon geführt, dass Sie diesen Vorschlag von Herrn Leitl so vom Tisch wischen? – Das ist doch ein guter Vorschlag. Das ist etwas Konstruktives. Warum wird das vom Tisch gewischt? – Das ist unverständlich. (Beifall bei den Grünen.)

Wie soll das weitergehen? – Wir werden jetzt einen Sonderausschuss haben. Herr Klubobmann Khol hat gesagt: Es werden jetzt Monate verstreichen, bis wir zu Vier-Parteien-Einigungen kommen werden. (Abg. Dr. Khol: Ich hoffe!) Herr Westenthaler hat gesagt, er möchte die Nullvariante, die Ausstiegsoption im Ausschuss durchsetzen. Ich glaube, das ist völlig überflüssig. Ich glaube, wir sind uns ziemlich einig beziehungsweise sind wir uns diesbezüglich zumindest einig. (Abg. Mag. Schweitzer: Wer ist wir?) Wir wollen einen Ausstieg. Wir wollen, dass es mit Tschechien zu einer Lösung kommt, die das Abschalten von Temelín bedeutet. (Abg. Ing. Westenthaler: Mit einem Blend-a-med-Lächeln kriegen Sie das Kernkraftwerk auch nicht weg!)


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Ich frage mich, warum wir jetzt monatelang in einem Ausschuss in Österreich sitzen, wieder die Medien mit Streitereien füllen, statt irgendetwas Vernünftiges an der außenpolitischen Front zu machen. (Abg. Ing. Westenthaler: Mit wem? Mit Zeman? Wollen Sie mit Zeman diskutieren?)

Ich frage Sie weiters: Warum werden nicht bereits jetzt konkrete Initiativen gesetzt? Warum muss der Ausschuss Ausstiegsangebote durchrechnen, warum machen wir das nicht gleich? Warum können wir nicht sofort Experten beauftragen, das vorzubereiten? (Abg. Dr. Martin Graf: So funktioniert die parlamentarische Demokratie!) Warum können wir nicht sofort mit europäischen Ländern Koalitionen eingehen, um die Europäische Ausstiegskonferenz vorzubereiten? (Abg. Ing. Westenthaler: Was haben Sie gegen das Parlament? Dann müssen Sie gegen jeden Ausschuss sein!) – Ich habe überhaupt nichts gegen das Parlament, ich verstehe nur Ihre Verschleppungstaktik nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Ich kann Sie nur so verstehen, Herr Westenthaler: Sie wollen das Volksbegehren weiterhin parteipolitisch instrumentalisieren. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind gegen jeden Ausschuss! Das ist antidemokratisch!) Sie wollen das jetzt einmal in den Kühlschrank legen und dann, wenn Sie im Herbst Ihre Anti-Osterweiterungskampagne starten, wollen Sie es wieder hernehmen, damit Sie wieder ein Streitthema haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Blend-a-med-Lächeln!) Das ist der nächste Missbrauch eines umweltpolitischen Themas für eine Anti-EU-Erweiterungskampagne der FPÖ. – Das ist die einzige Erklärung. (Beifall bei den Grünen.) Wieso machen Sie nicht gleich irgendetwas Vernünftiges? – Ich verstehe das nicht. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie schauen alt aus! Sie schauen sehr alt aus!)

Nun zu weiteren Vorschlägen. (Abg. Ing. Westenthaler: Trotz Blend-a-med-Grinsens schauen Sie sehr alt aus!) Ich möchte das jetzt wieder ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Westenthaler! Ich bitte Sie: "Blend-a-med-Grinsen" kann man doch einer Rednerin nicht vorwerfen! (Abg. Ing. Westenthaler: Das wird in der Werbung auch verwendet! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Nein. Bitte, denken Sie in Ruhe darüber nach, ob das ein angemessener Ton ist! (Abg. Ing. Westenthaler: Das wird in der Werbung positiv verwendet!)

Bitte, Frau Abgeordnete Glawischnig, setzen Sie fort!

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (fortsetzend): Das ist öfters der Fall, dass Herr Kollege Westenthaler sexistische, frauenfeindliche (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen) und unglaubliche Äußerungen von sich gibt. Ja, es ist so. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Die Blend-a-med-Werbung ist sexistisch!) – Sie haben schon ganz andere Sachen zu mir gesagt.

Kommen wir zum Thema zurück, das Ihnen unangenehm sein dürfte. (Abg. Dr. Krüger: Auch Klima hat ein Blend-a-med-Lächeln!)

Wir haben ein großes Paket, ein Temelín-Volksbegehren-Umsetzungspaket vorbereitet, das drei Stoßrichtungen hat. Erstens geht es um die Frage der Neuverhandlungen mit Tschechien. Man muss dazusagen: Die Voraussetzungen dafür sind wirklich extrem schlecht. Die Tschechen stehen natürlich auf dem Standpunkt: Wir haben einen gültigen Vertrag, den die Freiheitlichen und die ÖVP mit der Tschechischen Republik betreffend Sicherheitsaufrüstungen – was auch immer das dann sein wird – geschlossen haben. Von Ausstieg war nicht mehr die Rede!

Es wird also sehr schwierig sein, Neuverhandlungen zu führen. Wir möchten das trotzdem versuchen. Damit muss aber sofort begonnen werden, man darf nicht weitere Monate verstreichen lassen.

Es stehen weiters sehr viele Entscheidungen auf europäischer Ebene an. Eine davon möchte ich herausgreifen, weil Sie in der Vergangenheit ziemlich nachlässig waren, wenn es um atompolitische Weichenstellungen gegangen ist. – Wir haben dem Euratom-Forschungsprogramm zugestimmt. In den nächsten Wochen steht auf der Tagesordnung: Kredite aufstocken, weitere


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98. Sitzung / Seite 45

Gelder für den Neubau von AKWs in Osteuropa. – Herr Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat aber die Möglichkeit, diesbezüglich ein Veto einzulegen.

Ich möchte haben, dass garantiert ist (Abg. Dr. Ofner: Veto-Politik, die liebt ihr ja so sehr!), dass Österreich nicht nur dann, wenn es um Temelín geht, sondern bei der gesamten europäischen Atompolitik eine konsistente Linie vertritt, weil uns sonst einfach niemand mehr ernst nimmt. Das ist auch in unserem Paket enthalten.

Drittens: Man muss auch vor der eigenen Türe kehren, Herr Westenthaler! Ich halte es für untragbar, dass die Atomstromimporte steigen, dass ausländische Atomkonzerne, wie in Kärnten zum Beispiel, die Kelag aufkaufen. Wir brauchen eine ökologische Steuerreform, die Atomstrom deutlich benachteiligt. Es ist unglaublich, dass damit noch jemand in Österreich ein Geschäft macht. Wir haben diesbezüglich auch einige Hausaufgaben im eigenen Land zu erledigen. Ich würde mich freuen, wenn Sie darüber einmal etwas sagen oder zumindest unseren Vorschlägen folgen würden.

Was mich besonders betrübt, ist, wie in Österreich in der Vergangenheit mit Volksbegehren umgegangen wurde. Ich erwähne nur das Gentechnik-Volksbegehren, das Tierschutz-Volksbegehren und das Frauen-Volksbegehren.

Wir haben nach Ostern das fünfjährige Jubiläum dieser Volksbegehren, und sie alle sind nicht umgesetzt worden. Da gelten keine Ausreden, Herr Schweitzer, dass das nicht während Ihrer Regierungszeit war, sondern ich erwarte mir, dass man das, wenn man die direkte Demokratie schon so hochhält, nicht nur bei den eigenen macht, bei den selbstinszenierten Volksbegehren, sondern auch bei denen, die tatsächlich von den Bürgerinnen und Bürgern in Österreich eingebracht wurden und nicht Millionen von Steuergeld, Parteifördergeld gekostet haben, sondern mit eigenen Beiträgen zu einem Erfolg geführt worden sind. Eine Aussage zum Tierschutz- oder zum Gentechnik-Volksbegehren würde ich mir einmal wünschen. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Letztes: Als jemand, der seit zehn Jahren Anti-Atomarbeit macht, kann ich nur sagen: Wir waren noch nie so weit von einem Erfolg entfernt wie jetzt. (Abg. Ing. Westenthaler: Ihr habt Temelín verschlafen!) Sie haben dieses Problem mit Ihrer Art, Ihrem so genannten Kampf gegen ein grenznahes Atomkraftwerk so massiv verschärft, dass das Einzige, was jetzt verbleibt, die Hoffnung auf einen Neuanfang ist, dass man die Anti-Atompolitik und die Außenpolitik in Österreich vielleicht auf neue Beine stellen kann.

Durch die Art, wie Sie heute gesprochen haben, wurde diese Hoffnung auch wieder zerschlagen, aber vielleicht können die Wählerinnen und Wähler dann beim nächsten Wahltag entscheiden, wie sie die Atompolitik gestaltet haben wollen. (Beifall bei den Grünen.)

10.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte, Herr Minister.

10.57

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Diese Bundesregierung nimmt die Sorgen und Ängste aller Österreicherinnen und Österreicher wahr. Wir nehmen diese Sorgen und Ängste ernst, unabhängig davon, ob jemand das Volksbegehren unterschrieben hat oder nicht. Unsere Aufgabe ist es, dass wir für die Menschen in Österreich zwei große Ziele erreichen, meine Damen und Herren, zwei Ziele, die sich diese Bundesregierung gesetzt hat: Einerseits wollen wir den europaweiten Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie, andererseits wollen wir die maximale Sicherheit für die Menschen in Österreich, aber nicht nur in Österreich, sondern auch darüber hinaus, erreichen. – Das sind unsere Ziele, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Sonntagsrede!)

Ich gehe davon aus, dass diese Ziele von der überwiegenden Mehrheit der Menschen in unserem Land geteilt werden, und ich gehe auch davon aus, dass die politischen Kräfte in diesem Land diese Ziele gemeinsam mit der österreichischen Bundesregierung haben.


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98. Sitzung / Seite 46

Meine Damen und Herren! Diese Bundesregierung hat mit ihrer Politik, diese beiden Ziele zu erreichen, mehr erreicht als jede andere Regierung vorher. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben dieses Thema zum europäischen Thema gemacht. Ich appelliere an die Sozialdemokratie: Machen Sie Ihren Einfluss bei Ihrem Kollegen Tony Blair geltend, machen Sie Ihren Einfluss beim französischen Ministerpräsidenten Jospin geltend (Abg. Oberhaidinger: Wer ist in der Regierung?), machen Sie Ihren Einfluss etwa bei Bundeskanzler Schröder geltend, für unseren Kampf gegen Temelín aktiv zu sein (Zwischenruf des Abg. Parnigoni ) und nicht darauf zu warten, was Österreich erreicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich appelliere auch an die Grünen: Machen Sie Ihren Einfluss geltend beispielsweise in Frankreich, wo es grüne Umweltminister gibt, die in der Frage Anti-Temelín kein einziges Mal ihre Stimme erhoben haben, die in der Frage Atomausstieg in Europa kein einziges Mal die Stimme erhoben haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Treten wir gemeinsam für diese Ziele ein, weil sie ein gemeinsames Anliegen für unser Österreich sind!

Wo stehen wir, meine Damen und Herren? – Wir haben auf europäischer Ebene mehr erreicht als jede Regierung zuvor. Erstens: Wir haben erreicht, dass die Frage nukleare Sicherheit Thema und Gegenstand der Erweiterungsverhandlungen ist. Das war eine österreichische Initiative, die Erfolg gehabt hat. Auf dieser österreichischen Initiative beruhen einerseits die konkreten Schließungspläne für die wirklich kritischen Reaktoren – Sie kennen sie: Ignalina, Kosloduj und Bohunice –, und andererseits ist es ein Erfolg dieser österreichischen Initiative, dass sich eine gemeinsame europäische Gruppe mit den Sicherheitsstandards in allen Kernkraftwerken der Kandidatenländer beschäftigt und für alle Kandidatenländer Auflagen im Sicherheitsthema verankert hat. Weiters ist es ein Erfolg dieser Initiative, dass auf europäischer Ebene das erste Mal offensiv über die Schaffung einheitlicher europäischer Standards im Bereich der nuklearen Sicherheit auf möglichst hohem Niveau verhandelt wird. Das, meine Damen und Herren, ist ein Erfolg dieser Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir unterstützen auch die Schließungspläne ganz massiv: Österreich hat beispielsweise je 1,5 Millionen € für die Schließungsfonds von Kosloduj, Ignalina und Bohunice investiert. Österreich investiert beispielsweise zwei Mal je 2,5 Millionen € für die Ummantelung des Unglücksreaktors von Tschernobyl. Wir tun etwas ganz konkret für die Sicherheit auf unserem Kontinent, meine Damen und Herren!

Auf Basis dessen, was dieses Hohe Haus als Auftrag an die Bundesregierung formuliert hat, haben wir die Verhandlungen mit der Tschechischen Republik zum Thema Temelín geführt. Und ich kann Ihnen sagen, dass wir den Auftrag dieses Hohen Hauses auf Punkt und Beistrich erfüllt haben. Ich meine, dass das Ergebnis, das wir in Brüssel erreicht haben, in der Frage der Sicherheitsbedenken der Österreicherinnen und Österreicher, in der Frage der Bedenken der Österreicherinnen und Österreicher hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung einen substantiellen Fortschritt und einen substantiellen Erfolg darstellt.

Was haben wir denn in Brüssel erreicht? (Abg. Dr. Cap: Nix!) Das Nuklear-Informationsübereinkommen zwischen Tschechien und Österreich wird weiter ausgebaut. Die Energie-Partnerschaft für erneuerbare Energien und Öko-Effizienz im Energiebereich wird gestärkt. Von den sieben zentralen Sicherheitspunkten müssen alle verbindlich umgesetzt werden und jene, die für den Betrieb relevant sind, bereits vor der kommerziellen Inbetriebnahme verwirklicht sein. Die 21 UVP-Punkte müssen umgesetzt werden. Wir haben erreicht, dass dieses Ergebnis völkerrechtlich verbindlich wird. Ich erinnere daran, dass dieses Ergebnis bereits vergangenes Jahr, am 28. Dezember, im Bundesgesetzblatt verlautbart wurde. Wir haben weiters erreicht, meine Damen und Herren, dass dieses Ergebnis im Falle der Mitgliedschaft Tschechiens in der Euro


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98. Sitzung / Seite 47

päischen Union beim Europäischen Gerichtshof eingeklagt werden kann, weil es Teil der Beitrittsakte wird.

Wir haben daher im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher gehandelt und mit diesem Übereinkommen wichtigste Ergebnisse umgesetzt. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Apropos: Sie haben in der Diskussion gefragt: Was ist in der Zwischenzeit geschehen? – Wir haben, wie vereinbart, die Road-Map – das heißt den Zeitplan der Umsetzung – mit den Tschechen endverhandelt. Ich danke auch Kollegen Scheibner, dass wir diese Arbeit gemeinsam im Detail erledigen konnten. Ich habe die Klubobmänner aller vier Parlamentsparteien informiert, auch über diesen Zeitplan.

Wir sind mitten in den Verhandlungen über den Ausbau des Nuklear-Informationsübereinkommens. Wichtige Fragen etwa im Zusammenhang mit schweren Unfällen befinden sich bereits in der konkreten Umsetzung. Wir haben selbstverständlich gehandelt, wenn es um die Bearbeitung von Störfällen geht. Wir haben die Zusicherung der spanischen Präsidentschaft, dass im Rat von Sevilla über die Frage der Umsetzung der europäischen Sicherheits-Arbeitsgruppen berichtet wird. Wir haben die Zusicherung der Kommission und der spanischen Präsidentschaft, dass eine Vollständigkeitsüberprüfung in Bezug auf all das, was uns die Kandidatenländer bisher an Informationen zur Verfügung gestellt haben, gemacht wird.

Wir sind dabei, meine Damen und Herren, die Energie-Partnerschaft konkret umzusetzen, haben gemeinsam mit den tschechischen Behörden eine Reihe von Projekten in Arbeit, etwa die Umstellung auf erneuerbare Energieträger. Wir arbeiten an dieser Umsetzung und gehen davon aus, dass die tschechische Seite diese Vereinbarung umsetzt, und behalten uns vor – so, wie uns das österreichische Parlament beauftragt hat –, dass wir selbstverständlich auf das Energiekapitel zurückkommen werden, sollten sich die tschechischen Behörden nicht an diese Vereinbarungen halten. – Das ist unsere konkrete Zusage, die wir auch verankert haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben das nicht nur im Bereich der Beschlüsse dieses Parlaments fixiert, sondern wir haben das auch fixiert in den Beschlüssen der österreichischen Bundesregierung. In diesen Beschlüssen heißt es, dass wir im Rahmen der Energie-Partnerschaft die Nullvariante anstreben. In diesen Beschlüssen heißt es, dass wir auf das Energiekapitel zurückkommen, sollte sich die tschechische Seite nicht an diese Vereinbarung halten, und in diesen Beschlüssen heißt es, dass wir im Sinne dieser Gesamtstrategie "europaweiter Ausstieg" natürlich jede Chance nutzen werden, diese Frage mit einer neuen tschechischen Regierung selbstverständlich auch wieder zu erörtern.

Hier haben wir eine sehr klare Strategie, und die Österreicherinnen und Österreicher können sich darauf verlassen, dass diese Bundesregierung alles tut, um die beiden Zielsetzungen – europaweiter Ausstieg auf der einen Seite und maximale Sicherheit auf der anderen Seite – zu verwirklichen. Was wir erwarten – und das sage ich im Interesse der Menschen dieses Landes –, ist, dass alle Parteien, auch die Oppositionsparteien, an diesem konstruktiven Kurs der Bundesregierung mitarbeiten. Das wäre eine wirkliche Hilfe für die Durchsetzung unserer Interessen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Sima. – Bitte.

11.07

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Wenn Sie sich jetzt wirklich hierher stellen und sagen, diese Regierung habe in der Anti-Atompolitik mehr erreicht als alle anderen zuvor, dann muss ich Sie schon fragen: Glauben Sie wirklich, dass die Menschen nicht merken, dass es einen Stillstand in der Anti-Atompolitik gibt, dass überhaupt nichts weitergeht? (Abg. Mag. Mühlbachler: Dem treten Sie ja bei!) Glauben Sie wirklich, dass die Menschen das angesichts des Temelín-Debakels, das Sie in den letzten


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Monaten hier abgeliefert haben, das in einem massiven Streit zwischen den beiden Regierungsparteien gipfelte, nicht merken? (Abg. Dr. Pumberger: Sie schließen von sich auf andere!)

Sie haben Temelín auf EU-Ebene durch den Abschluss des Energiekapitels vollinhaltlich akzeptiert, ohne Wenn und Aber! Und ich halte es für skandalös, dass Sie sich jetzt hierher stellen und das als großen Erfolg verkaufen wollen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es sind jetzt zwei Monate seit dem Abschluss des Temelín-Volksbegehrens vergangen – rund 900 000 Menschen haben es unterschrieben, wohl auch in der Hoffnung, noch etwas gegen dieses AKW unternehmen zu können, noch irgendetwas bewirken zu können –, und ich glaube, es ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, eine erste Bilanz zu ziehen, und die fällt leider sehr ernüchternd aus.

Was ist denn seit dem Ende des Volksbegehrens geschehen, Herr Kollege Westenthaler? – Überhaupt nichts ist geschehen, gar nichts! Die Freiheitlichen haben in der Causa Temelín absolut nichts unternommen, Temelín ist nicht um einen Millimeter sicherer geworden! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Geh bitte, das glaubt Ihnen aber wirklich niemand!) Ich spreche hier nicht von einem Veto gegen Temelín, und ich bin froh darüber, dass Sie anscheinend jetzt auch selbst erkannt haben, dass ein Veto gegen Temelín nichts bringt, dass ein Veto Temelín nicht sicherer macht, denn heute habe ich das Wort "Veto" von Ihnen überhaupt nicht mehr gehört.

Aber angesichts der vielen, vielen Versprechungen, die Sie der österreichischen Bevölkerung gemacht haben, halte ich Ihre Untätigkeit wirklich für skandalös! Es ist einfach skandalös, dass Sie hier Versprechungen machen, die Sie nicht einmal im Ansatz einzulösen bereit sind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dolinschek: Skandalös ist Ihre Wortmeldung, Frau Kollegin!)

Heute in der Früh schon wieder – ich habe es ja im "Morgenjournal" gehört –: Peter Westenthaler verspricht der österreichischen Bevölkerung, in einem bis eineinhalb Jahren werde Temelín vom Netz sein. – Bitte, das ist doch völlig unrealistisch! (Abg. Ing. Westenthaler: Sie müssen zuhören, was ich gesagt habe! Ausstiegsszenario, habe ich gesagt!)

Hören Sie doch endlich auf, der österreichischen Bevölkerung hier Sand in die Augen zu streuen! Ich kann es nur wiederholen: Glauben Sie, dass die Leute so blöd sind, dass sie nicht merken, dass Sie nichts tun, und dass sie nicht merken, ... (Abg. Ing. Westenthaler: Sie müssen zuhören! Haare zur Seite, Ohren freilegen und zuhören! Sie müssen mich richtig zitieren!) – Herr Kollege Westenthaler! Ich bin in der Lage, zuzuhören – Sie offensichtlich nicht, weil Sie ständig dazwischenreden! (Beifall bei der SPÖ.)

Das wirklich Schlimme und für mich als Anti-Atomkämpferin wirklich sehr Beunruhigende ist, dass genau das Gegenteil passiert. (Abg. Ing. Westenthaler: Anti-Atomschläferin, aber nicht -kämpferin! – Abg. Dr. Ofner: Haben Sie dagegen unterschrieben?) In wenigen Tagen wird der zweite Block des AKW Temelín ans Netz gehen, und das betrübt mich persönlich sehr. (Abg. Ing. Westenthaler: Und was tun Sie dagegen?) Ich habe nämlich auch Kinder, Herr Kollege Westenthaler, und es betrübt mich persönlich sehr, dass der zweite Block von Temelín wegen Ihrer verfehlten Anti-Atompolitik ans Netz geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Besonders ärgerlich ist: Dieser Block 2 weist genau die gleichen eklatanten Sicherheitsmängel auf wie Block 1 – ganz genau die gleichen. Und warum? Weil Sie in den Verhandlungen vergessen haben, auf Block 2 überhaupt einzugehen. Es ist einfach darauf vergessen worden. Da hätte man noch viel ändern können, da hätte man noch vieles zum Besseren bewegen können. Aber die Bundesregierung hat in den Verhandlungen in Brüssel einfach vergessen, auf Block 2 gesondert einzugehen. Dieser geht jetzt ans Netz – mit genau den gleichen Fehlern wie Block 1. Und das haben Sie zu verantworten! (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Die FPÖ hat zu "verantworten", dass Block 2 ans Netz geht!)

Sie haben es in zwei Monaten nicht geschafft, nur eine einzige Maßnahme auf den Tisch zu legen, nur eine Konsequenz, die Sie aus dem Volksbegehren gezogen haben. Ich fordere Sie auf, Herr Schweitzer – Sie kommen ja nach mir zu Wort –: Sagen Sie mir bitte eine konkrete


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Maßnahme, die Sie jetzt gesetzt haben, nur eine einzige! (Abg. Mag. Schweitzer: Sage ich Ihnen!) Ich bin ja schon bescheiden; vorher wollte ich noch drei wissen, jetzt reicht mir schon eine. Aber nicht einmal die eine werden Sie mir nennen können – bis auf den Sonderausschuss. (Abg. Ing. Westenthaler: Diese Überheblichkeit wird noch bestraft werden! Das werden Sie sehen, denn so überheblich, wie Sie sind! Hochmut kommt vor dem Fall!)

Herr Kollege Westenthaler, mir Überheblichkeit von Ihrer Seite vorzuwerfen ist fast schon lächerlich, wirklich wahr! Gerade Sie! Kehren Sie vor Ihrer eigenen Haustür! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sehr überheblich!)

Sie haben dieses Volksbegehren sofort in der Schublade verschwinden lassen, nachdem Sie es vorher als großen Triumph gefeiert haben, und das wundert mich angesichts der Geschichte, die dahinter steckt, auch nicht: Zuerst haben Sie als Regierungspartei auf EU-Ebene in Brüssel Temelín mit allen Konsequenzen akzeptiert. Sie haben das Energiekapitel abgeschlossen und damit den letzten wirklichen Trumpf, den wir gegen Temelín noch in der Hand hatten, aus der Hand gegeben. Und dann machen Sie einen Monat später gegen die von Ihnen selbst mitgetragene Entscheidung ein Volksbegehren. Also das Wort "Doppelspiel" ist noch der höflichste Ausdruck, der mir zu diesem Thema einfällt. Quasi ein Volksbegehren-Veto gegen die eigene Politik – noch absurder geht es überhaupt nicht! Da wundert es mich nicht, dass es keine konkreten Ergebnisse in der Sachpolitik gegen Temelín gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben heute auch versucht, den Sonderausschuss, der jetzt eingerichtet wird, als großen Wurf zu verkaufen, als die große Perspektive in der Temelín-Politik. Ich sage Ihnen, wir sind gerne bereit, dort mitzuarbeiten, das ist überhaupt keine Frage (Abg. Wochesländer: Hätten Sie unterschrieben!), aber wenn Sie sonst keine konkreten Taten setzen, wenn es keine Ausstiegsangebote gibt, wenn es keine Verbündeten auf EU-Ebene gibt, dann wird auch der beste Sonderausschuss nichts nützen. Dann werden wir dort sitzen und uns gegenseitig erklären, dass wir alle gegen Temelín sind, aber es wird im konkreten Kampf gegen das AKW nichts nützen.

Was haben Sie sonst noch an Lösungen anzubieten? Die Menschen wollen endlich Taten sehen, anstatt immer nur Worte von Ihnen zu hören. Endlich Taten statt Worte! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das stimmt: von Ihnen! Sie haben das Thema verschlafen, das ist die Wahrheit!)

Das ist wirklich überfällig, ich sage nur: Stichwort Euratom, das ist mir ein besonderes Anliegen. Wie wir alle wissen, finanzieren die österreichischen Steuerzahler derzeit mit ihrem Steuergeld östliche Atomkraftwerke. Das ist etwas, was ich absolut nicht möchte, und ich fordere ... (Bundesminister Mag. Molterer: Die Sicherheit!)  – Nein, nicht nur die Sicherheit, Herr Kollege Molterer! Ich sage nur: Tschernobyl-Ersatzreaktoren K2/R4. Das alles wird auch mit Euratom-Geld finanziert.

Mir ist es wirklich ein Herzensanliegen, dass Österreich hier endlich eine Initiative startet, und ich lade Sie ein: Arbeiten Sie mit, dass Euratom nicht mehr finanziert wird durch österreichische Steuergelder, dass Euratom nicht mehr die Vormachtstellung der Atomenergie auf EU-Ebene sichert! Das wäre ein wichtiger Schritt für die Zukunft in Europa, für den europaweiten Atomausstieg. Setzen Sie endlich konkrete Taten, auch für unsere Kinder, Herr Westenthaler! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das Thema verschlafen – und die Rede auch! – Abg. Wochesländer: Zuerst schlafen Sie, und dann !)

11.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

11.14

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Sima, Sie haben mich aufgefordert, nur eine konkrete Initiative zu nennen, die wir unternommen haben. Ich kann Ihnen sogar mehrere konkrete Initiativen nennen, und zwar von mir ausgegangen, schon in


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einer Zeit, als noch ein Herr Klima und eine Frau Kollegin Prammer, die jetzt wahrscheinlich ganz bewusst den Saal verlässt, die Verantwortung für die österreichische Anti-AKW-Politik getragen haben.

Temelín gibt es ja nicht erst seit Februar 2000, sondern schon seit längerer Zeit, und jetzt frage ich: Was hat denn die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung unter Klima und Prammer getan, um irgendetwas gegen das AKW Temelín zu erreichen? – Unter dem Strich war es nichts, Kollege Cap! Du hast heute bewusst vermieden, das zu beleuchten. Die Ära Prammer/Klima hast du bewusst nicht beleuchtet.

In dieser Zeit haben wir es aus der Opposition heraus, ich als Vorsitzender des Umweltausschusses, zustande gebracht, dass es mehrfach Treffen zwischen österreichischen und tschechischen Parlamentariern gegeben hat, dass es zu Zusammenkünften mit dem tschechischen Umweltminister, mit dem tschechischen Außenminister gekommen ist, bei denen dieses Thema besprochen wurde. Das Ergebnis war leider Gottes nicht zufriedenstellend. Das Ergebnis wurde erst besser, als die heutige Regierung die Geschäfte in Österreich übernommen hat. Es hat noch nie so viel Fortschritte in dieser Frage gegeben, wie Kollege Molterer bereits ausgeführt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Diese Bundesregierung hat etwas weitergebracht – bei weitem nicht genug, das ist schon klar!

Unser Ziel muss es sein, dass das AKW Temelín stillgelegt wird, dass es endgültig auf dem AKW-Schrotthaufen landet. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und dazu wird es einer gemeinsamen Anstrengung bedürfen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es tut mir schon Leid, dass Sie mit der guten Tradition, die wir noch gehabt haben, als wir in der Opposition waren – wir haben alles mitzutragen versucht, was Sinn gemacht hat –, nämlich der guten Tradition, hier einen gemeinsamen Weg zu gehen, gebrochen haben, Frau Kollegin Prammer, als Sie in die Opposition gekommen sind. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig sowie Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist das, was mir als überzeugtem Anti-AKW-Kämpfer Leid tut: Sie stellen sich nicht mehr hinter das Anliegen dieses Volksbegehrens und weigern sich, all das mitzutragen, was nützt. Das sollten Sie aber. Wir geben Ihnen mit dem Sonderausschuss, der jetzt eingerichtet wird, eine neue Chance, sich wieder dort einzufinden, wo es notwendig ist, wenn es um die Sache geht: auf einem gemeinsamen Weg gegen Temelín! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Kollegin Glawischnig, ich sage Ihnen eines: Diesen gemeinsamen Weg können wir in diesem Sonderausschuss vorbereiten. Wir können anhand der 30 Störfälle, die es bis jetzt in etwa gegeben hat, nachweisen, dass dieses Kraftwerk nie sicher sein wird, dass die Sicherheitsbestimmungen, die auf europäischer Ebene eingefordert werden, von Temelín nicht erfüllt werden können. Das ist das Erste, was wir tun können. Wir können in diesem Sonderausschuss auch klar feststellen, dass es keine wirtschaftliche Zukunft für dieses Kraftwerk gibt, dass es selbst für Tschechien aus rein wirtschaftlichen Gründen keinen Sinn macht, dieses Kraftwerk zu betreiben, weil auf einem liberalisierten Strommarkt in der Europäischen Union der in Temelín produzierte Strom viel zu teuer ist und nicht an den Kunden gebracht werden kann.

All das können wir in diesem Sonderausschuss mit Experten erarbeiten, und wenn es – Frau Kollegin Glawischnig, da muss ich Sie an etwas erinnern – in Tschechien eine neue Regierung gibt, können wir mit diesen Argumenten, die wir im Sonderausschuss gemeinsam mit Experten erarbeitet haben, nach Tschechien fahren und mit der neuen Regierung über eine Stilllegung verhandeln. Das ist genau das, was Sie seinerzeit auch gefordert haben, nämlich nach der Wahl in Tschechien weiterzuverhandeln. Und das werfen Sie uns jetzt vor, wenn unsere Vizekanzlerin sagt, sie wird es tun! Sie wird nach der Wahl in Tschechien versuchen, anhand der Ergebnisse, die wir hier im Sonderausschuss hoffentlich gemeinsam mit Ihnen erarbeiten werden, mit einer neuen tschechischen Regierung eine gemeinsame Lösung zu finden.

Ich ersuche Sie heute ganz höflich und dringlich: Arbeiten Sie mit, im Interesse der Unterzeichner dieses Volksbegehrens! Immerhin waren es 915 000, 15 Prozent aller Wahlberechtigten.


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Das ist ein Auftrag nicht nur an eine Partei, das ist ein Auftrag an die gesamte österreichische Politik! Und ich ersuche Sie: Nehmen Sie diesen Auftrag genauso ernst, wie wir Freiheitliche es tun! Die Unterzeichner des Volksbegehrens haben es sich verdient! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Sonderausschuss bietet uns wirklich viele Möglichkeiten, und wir werden sie auch optimal nützen können, wenn Sie bereit sind, an diesem Sonderausschuss konstruktiv mitzuarbeiten. Dass wir die Bereitschaft zeigen, diesen Sonderausschuss nicht nur ernst zu nehmen, sondern auch die Opposition so weit als möglich einzubinden, zeigt allein die Tatsache, dass unser Kollege Ex-Staatssekretär Wittmann den Vorsitz bekommt. Das ist ein großer Vertrauensvorschuss und vielleicht auch ein Signal in Richtung SPÖ, sich wieder auf diesem gemeinsamen Weg gegen Temelín einzufinden, damit wir auch auf internationaler Ebene – das ist genau das, was Kollege Cap haben möchte – erfolgreich sein können.

Frau Kollegin Sima! Ich war bereits in Bayern, habe bereits Vorgespräche mit der bayerischen Landesregierung, mit Vertretern des bayerischen Landtages geführt, weil sich die bayerische Landesregierung auch gegen Temelín ausgesprochen hat. Das ist ein erster Schritt, dieses Thema auf internationale Ebene zu bringen, weil wir natürlich gemeinsam auf europäischer Ebene mehr erreichen können, wenn ... (Zwischenruf des Abg. Eder. )

Die Bayern sind klar und deutlich gegen eine Inbetriebnahme von Temelín! Das wurde in einem Regierungsbeschluss eindeutig zum Ausdruck gebracht. Auch der bayerische Landtag spricht sich eindeutig dagegen aus.

Helfen Sie uns, das zu realisieren, was Kollege Cap haben möchte: auf internationaler Ebene eine Gemeinschaft zu bilden, die gegen Temelín auftritt, die in Europa so viel Gewicht hat, dass wir unserem Ziel der Schließung Temelín einen Schritt näher kommen. Aber torpedieren Sie nicht schon die Ansätze hier in diesem Haus! Das ist das, was sich die Unterzeichner des Volksbegehrens von Ihnen nicht wünschen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Immerhin waren es 25 Prozent SPÖ-Parteigänger, die dieses Volksbegehren unterzeichnet haben. Das sollten Sie bei aller parteipolitischen Gegnerschaft nicht vergessen! Hier geht es um Österreich, hier geht es um die Sicherheit unserer Zukunft! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf. (Abg. Ing. Westenthaler: Nur für das Protokoll: Temelín-Debatte – und die grünen Bankreihen sind leer! Das zeigt, wie "ernst" die Grünen den Kampf gegen die Atomkraft nehmen!)

11.22

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist bekannt, dass die ÖVP sehr konsequent und bereits in einem sehr frühen Stadium der Diskussionen um die Kernenergie die Nutzung dieser Energieform strikt abgelehnt hat, weil es die absolute und restlose Sicherheit von Atomkraftwerken nicht gibt. Wir stehen damit auf der Seite der großen und überwiegenden Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher und natürlich auch auf der Seite der 915 000 UnterzeichnerInnen des Volksbegehrens. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir betrachten dieses Volksbegehren, diese Unterschriften, aber darüber hinaus auch die Stimmung in der Bevölkerung zu diesem Thema einerseits als Auftrag, dafür zu sorgen, dass die Österreicherinnen und Österreicher in ihrer Sicherheit und ihrem Bedürfnis nach Sicherheit von Temelín nicht bedroht werden, andererseits aber auch als Auftrag, dass wir alles dazu tun müssen, dass wir die Bedrohung Atomkraftwerke generell aus Europa verbannen können.

Alle Parteien in diesem Hohen Hause bringen zum Ausdruck, dass sie in dieselbe Richtung, dass sie am selben Ziel mitwirken wollen. Nur, wie verläuft denn bitte die Debatte zu diesem


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Thema? – Die SPÖ, unser früherer Koalitionspartner, spricht in einem sehr polemischen Stil nur von Versäumnissen dieser Regierung, von Rückschritten. Bitte, es waren in der letzten Regierung vier Jahre lang Herr Bundeskanzler Klima und Frau Ministerin Prammer für das Thema Anti-Atompolitik zuständig. Da war Stillstand gegeben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es war noch keine österreichische Bundesregierung so weit wie diese erst zwei Jahre im Amt befindliche ÖVP/FPÖ-Regierung! Das sei Ihnen einmal gesagt, Frau Kollegin Sima! Das, was Sie hier zu diesem Thema von sich geben, ist so etwas von lächerlich und unglaubwürdig! Unterlassen Sie es bitte endgültig, in diesem Ton, in dieser unglaubwürdigen Art zu diesem Thema zu sprechen! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Was sind denn die Fakten? – Alle Länder in Europa sind in der Wahl ihrer Energieträger frei. Wir haben keine rechtliche Möglichkeit, diesen Ländern vorzuschreiben, mit welchen Energieträgern sie ihren Energiebedarf decken. Umso beachtlicher ist es, dass es unserem Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und unserem Umweltminister Willi Molterer gelungen ist, in Melk einen Prozess in Gang zu setzen, in Brüssel einen Vertrag zu unterzeichnen, diesen Vertrag sogar im Energiekapitel des Beitrittsvertrages mit Tschechien zu verankern und damit eine einklagbare Rechtssituation für die Sicherheit unserer Bevölkerung zu schaffen – und das alles in wenigen Monaten der Zuständigkeit dieser ÖVP/FPÖ-Regierung, nachdem vorher vier Jahre lang unter SPÖ-Zuständigkeit nichts weitergegangen ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es ist darüber hinaus ein großer Erfolg, dass es uns gelungen ist, europaweit eine Diskussion über die Sicherheit von Atomkraftwerken, über Sicherheitsstandards von Atomkraftwerken und in weiterer Folge über einen europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie in Gang zu bringen. Das ist auch Ihnen vorher unter Ihrer Zuständigkeit nicht im Ansatz gelungen, meine Damen und Herren von der SPÖ!

In diesem Licht ist auch der Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union zu sehen. Ein Nichtbeitritt von Tschechien macht Temelín nicht nur nicht sicherer, im Gegenteil: Er entbindet Tschechien auch von der Verpflichtung zur Umsetzung dieser nun im Beitrittsvertrag mit Tschechien zu verankernden Verpflichtungen zur Schaffung von Sicherheit in Temelín. Ein Nichtbeitritt von Tschechien macht Temelín nicht sicher! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Marizzi: Uns müssen Sie das nicht sagen! Sagen Sie das der FPÖ!)

Meine Damen und Herren! Im Volksbegehren werden auch eine weitere Diskussion und das Bemühen um eine so genannte Nullvariante gefordert. Es ist ein Erfolg innerhalb der Europäischen Union, dass es für Risikoreaktoren wie Ignalina, Kosloduj und Bohunice inzwischen Schließungsszenarien für diese Kraftwerke gibt und dass für deren Finanzierung ein Schließungsfonds eingerichtet worden ist, in den auch Österreich – der Herr Bundesminister hat es schon erwähnt – bereits eingezahlt hat.

Darüber hinaus bemüht sich Österreich im Rahmen einer Energie-Partnerschaft, gerade mit Tschechien Alternativen für ein Kraftwerk wie Temelín aufzubauen. In weiterer Folge bemühen wir uns darum, Schließungsszenarien für alle AKW in Europa zustande zu bringen, und ich sage Ihnen, die einzig dafür geeignete Plattform, so etwas zu realisieren, ist die Europäische Union.

Meine Damen und Herren! Die Österreichische Volkspartei nimmt die Sorgen der Österreicherinnen und Österreicher und damit auch der 915 000 Unterzeichner, aber darüber hinaus auch aller anderen Besorgten sehr ernst.

Wir haben erreicht, dass Temelín in seiner Sicherheit nachgerüstet werden muss, und wir werden die Einhaltung dieses Vertrages auf Punkt und Beistrich überwachen und einfordern. Wir haben erreicht, dass über europäische Sicherheitsstandards von AKW diskutiert wird und solche sehr bald auch Realität werden.


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Wir werden nicht nachlassen in unserem Bemühen, gesamteuropäisch einen Ausstieg aus dieser unseligen Energieform zu erreichen, und wir werden auch mit der neuen Regierung von Tschechien neuerlich Gespräche und Verhandlungen aufnehmen. Wir haben uns für einen konsequenten, aber realitätsbezogenen Weg entschieden, die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung sicherzustellen. Wir lehnen jedoch populistisches Geschrei und Effekthascherei, wie sie manche in diesem Hohen Haus bei diesem so sensiblen Thema ständig betreiben, ab. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte noch einmal alle Parteien in diesem Hohen Haus, vor allem jene, die sich in jüngster Zeit schon mehrfach von diesem Vier-Parteien-Konsens, den wir früher immer hatten, verabschiedet haben – und das sind die Oppositionsparteien –, dringend einladen, in diesem neuen Ausschuss, den wir einsetzen werden und der die Gelegenheit geben wird, dieses so sensible und wichtige Thema für die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung seriös abzuhandeln, konstruktiv und nicht nur als Fundamental-Opposition mitzuwirken. Nur dann können wir für die Sicherheit unserer Bevölkerung wirklich einen entscheidenden Schritt weiterkommen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

11.30

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich nehme zur Kenntnis, dass mein Vorredner von der ÖVP hier in aller Schärfe mit dem freiheitlichen Populismus abgerechnet hat. (Beifall bei den Grünen.) Es dürfte sich wieder einmal um das Löschblatt handeln, das gerade nicht mehr zwischen ÖVP und FPÖ hineinpasst. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist auch das Problem unserer Anti-AKW-Politik: Die Grünen und die SPÖ haben niemals den Anti-AKW-Konsens aufgekündigt, sondern das war Ihr Streit, Ihre Uneinigkeit in der Koalition, Ihr freiheitliches Volksbegehren, das Sie zuerst gegen den Koalitionspartner gerichtet haben. So weit sind wir, dass eine Regierungspartei gegen die politische Verantwortung der anderen Regierungspartei ein Volksbegehren startet und dann von der Opposition verlangt, dieses Volksbegehren zu unterstützen.

Meine Damen und Herren! Das war keine gute Idee, und das Löschblatt, das nicht zwischen Sie beide passt, hat inzwischen etwa die Dicke des Beitrittsvertrags zur Europäischen Union und trennt Ihre beiden Parteien zutiefst. Ich habe ja nach wie vor die Hoffnung, dass die ÖVP eine Europapartei ist, aber warten wir die nächsten Monate ab. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. )

Es gibt einen wunderbaren Vorschlag von Westenthaler und Schweitzer: Wir mögen mit ihnen als Partner in die europäischen Hauptstädte gehen und dort über einen AKW-Ausstieg verhandeln. Meine Damen und Herren! Wissen Sie nicht, was dann geschieht? – Alle rennen davon! (Rufe bei den Freiheitlichen: Wenn Pilz kommt!) Alle rennen davon, wenn Freiheitliche auftauchen! (Abg. Wochesländer: Hätten Sie gern!) Niemand in Europa will mit Freiheitlichen reden. Wenn wir in Europa etwas erreichen wollen, dann nur innerhalb des Khol’schen "Verfassungsbogens" der europäisch gesinnten Parteien, die dort auch etwas zu sagen haben. Ich hoffe, dass die ÖVP in diesen Europabogen zurückkehrt. (Abg. Neudeck: Pilz’ Märchen!)

Wie sollen wir mit Menschen, mit Politikern, mit Parteien, mit Regierungen verhandeln, die beleidigt und beschimpft worden sind? Meine Damen und Herren von der Volkspartei, denn da kann man sich nicht mehr an die Freiheitliche Partei wenden! Die freiheitliche Methode, jemandem erst ins Gesicht zu spucken und dann zu sagen: Gehen wir miteinander etwas trinken!, das kann doch nicht die Art des Dialoges mit den Nachbarstaaten sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Sie müssen sich nicht wundern, wenn die Vertreter der Tschechischen Republik mit Ihnen nicht mehr etwas trinken gehen. Wenn man jemanden anspuckt, dann hat das auch Folgen.


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Wir brauchen gute Nachbarn, wir brauchen Partner. Es ist ein katastrophaler Zustand: Österreich müsste heute zum Beispiel Euratom verhindern, es müsste die 2 Milliarden € für osteuropäische AKWs verhindern, es müsste den Transitvertrag neu und stark verhandeln, jeder potenzielle Partner und jeder ehemalige Freund von uns in Brüssel und Straßburg aber sagt: Nein, mit einer Regierungspartei FPÖ können wir nicht eure Partner, können wir nicht eure Freunde sein! – Wie sollen wir unsere dringendsten ökologischen Anliegen in Brüssel durchsetzen, wenn wir alle Freunde und Partner verloren haben? – Das ist die eine Seite.

Das Zweite ist die Frage der Demokratie. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich sage es ganz offen: Egal, um welches Anliegen es sich dabei handelt – das war kein Volksbegehren, das war ein Begehren von zwei Parteien, von der Freiheitlichen Partei und der "Krone"-Partei! Reden wir einmal darüber, wie die "Kronen Zeitung" ihre Macht missbraucht hat, wie sie als Partei aufgetreten ist. Mir ist egal, ob das im Zusammenhang mit Temelín oder mit Abfangjägern geschieht, ich will nicht, dass marktbeherrschende Zeitungen in dieser Republik ihre Macht missbrauchen und als Partei auftreten! Ich will, dass Volksbegehren Volksbegehren bleiben, und ich will, dass Volksbegehren nicht von Parteien oder Zeitungen ausgehen, sondern aus der Mitte der österreichischen Bevölkerung kommen. Es gibt ein Volksbegehren, das zeigt, wie Volksbegehren ausschauen können, und das ist das Sozialstaats-Volksbegehren. Das ist ein echtes Volksbegehren, da steckt keine Partei dahinter. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Na geh, das ist ein Schmäh!)

Von 3. bis 10. April haben alle Menschen in dieser Republik die Möglichkeit, zu sagen: Nein, wir wollen nicht, dass unsere Steuergelder für Abfangjäger missbraucht werden (Abg. Wochesländer: Das ist nicht Thema!), wir wollen, dass unsere Steuergelder in soziale Sicherheit und in Bildung investiert werden! (Abg. Achatz: Reden Sie zur Sache!)  – Das ist ein echtes Volksbegehren (Abg. Wochesländer: Temelín steht auf der Tagesordnung!), und das Ergebnis dieses Volksbegehrens wird zeigen, ob die Menschen in Österreich das Instrument Volksbegehren wirklich ernst nehmen.

Das Temelín-Volksbegehren hat nur gezeigt, was Freiheitliche Partei und "Krone"-Partei gemeinsam mobilisieren können. Das soll man ernst nehmen, denn obwohl hier ein Instrument der direkten Demokratie missbraucht worden ist, geht es um echte und ernst zu nehmende Ängste in der österreichischen Bevölkerung. (Abg. Wochesländer: Die Sie ihnen versuchen einzureden!) Aber diesmal, beim Sozialstaats-Volksbegehren, geht es um eine große soziale und demokratiepolitische Chance. (Abg. Wochesländer: Das gehört nicht zur Sache!) Da geht es um die Chance, dem Sozialabbau in dieser Republik, dieser Kultur der Kälte, dieser Kultur der Benachteiligung, dieser Kultur des Wegschauens, wenn es jemandem schlecht geht, dieser falschen Kultur etwas Positives entgegenzusetzen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Zur Sache! Zur Sache! – Abg. Wochesländer: Sie sind beim falschen Tagesordnungspunkt!)

Es kann sein, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, dass auch weiterhin Instrumente der direkten Demokratie missbraucht werden. Es kann auch sein, dass Sie dort, wo es vernünftig ist, etwa bei einer Volksabstimmung über Abfangjäger, Ihre Zustimmung verweigern (Abg. Böhacker: Wer sagt denn das?), dass Sie, die "Apostel" der direkten Demokratie, sagen: Wir fürchten uns; wir fürchten uns, vor das österreichische Volk zu treten! Wir wollen keine Abstimmung! (Abg. Böhacker: Sagen Sie nicht immer die Unwahrheit!)

Aber es wird zwei Termine geben. Der erste Termin ist die Eintragungswoche des Sozialstaats-Volksbegehrens. Dann werden wir sehen, ob ein echtes Volksbegehren trotz Berichterstattungsboykotts seitens des ORF eine echte Chance in Österreich hat. Und der zweite Termin, der nächste Zahltag, meine Damen und Herren, ist der Wahltag. Dann werden Ihnen die Wählerinnen und Wähler alle Volksbegehren, die Sie missbraucht haben, alle Initiativen der Menschen dieser Republik, die Sie ignoriert haben, in Rechnung stellen. Wahltag ist Zahltag, und ich freue mich darauf! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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11.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank zu Wort gemeldet hat sich Herr Minister Scheibner. – Bitte.

11.37

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Pilz, ich habe mich jetzt schon etwas gewundert über einige Aussagen, die Sie in Ihrer Rede getroffen haben, vor allem was die Qualität von Volksbegehren als Instrument der direkten Demokratie anlangt. Ich glaube, es sollte für niemanden von uns, die wir Repräsentanten des öffentlichen Österreich sind, auch nicht für einen Volksvertreter, zulässig sein, dass er für sich selbst beurteilt, was ein rechtmäßiges, was ein echtes Volksbegehren ist und was nicht.

Es gibt klare Vorgaben in unserer Rechtsordnung, wie ein Volksbegehren, ein Instrument der direkten Demokratie, einzuleiten und abzuhalten ist. Egal, von wem es unterstützt wird, egal, wie viele Proponenten die Einleitung unterstützt haben: Jedes Volksbegehren, jedes Instrument der direkten Demokratie, das diese Kriterien erfüllt, ist ein echtes Volksbegehren, ist ein echtes Instrument der Demokratie, und das haben wir zu respektieren und nicht abzuqualifizieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Unterschreiben Sie?) – Das kommt darauf an, ob man mit den Inhalten konform geht.

Die österreichische Bundesregierung wird, Herr Abgeordneter Cap, ihrer Verantwortung nachkommen – so wie in den letzten zwei Jahren –, sie wird für den Sozialstaat Österreich eintreten (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist eine gefährliche Drohung!), aber auch die Sicherheitsstandards, die wir brauchen, entsprechend umsetzen. Das unterscheidet uns im Vergleich mit der Opposition. Ich bedauere, dass wir in diesen Bereichen keinen Konsens erzielen können.

Meine Damen und Herren! Dieses Volksbegehren ist kein freiheitliches Volksbegehren gewesen. Wir missbrauchen diese Initiative von 16 000 Österreichern, die zur Einleitung dieses Volksbegehrens geführt hat, nicht! Es haben 915 000 Österreicher von – wenn man den Meinungsumfragen glaubt – allen Lagern in diesem Land unterzeichnet und unterschrieben, und ich glaube, dass der heutige Beschluss auf Einsetzung eines eigenen Ausschusses ein taugliches Instrument dafür ist, das Anliegen dieser 915 000 Österreicher entsprechend zu unterstützen und auch in die Realität umzusetzen.

Meine Damen und Herren! Von allen bisherigen Rednern heute ist die Sicherheit angesprochen worden. In der Tat, es geht bei unserer Arbeit, bei unserem Kampf gegen die Atomenergie in erster Linie um die Sicherheit. Das muss man auch all jenen vor Augen führen, die sich aus rein wirtschaftlichen Gründen – es gibt ja eine ganze Reihe von Lobbyisten in ganz Europa – nach wie vor für diese Kernenergie, für Atomkraftwerke einsetzen.

Auch das Kraftwerk Temelín ist ja nicht in erster Linie deswegen gebaut worden, weil anderenfalls die Energieversorgung der tschechischen Bevölkerung gefährdet gewesen wäre. Wir wissen, dass die Erlöse aus diesem Kraftwerk zu 100 Prozent wirtschaftlichen Belangen dienen, dass dieser Strom in erster Linie in den Export geht. Es waren rein wirtschaftliche Interessen, die für dieses Kernkraftwerk ins Spiel gebracht worden sind. Wir haben dem die Sicherheitsinteressen entgegenzusetzen, nicht nur jene der österreichischen Bevölkerung, aber natürlich in erster Linie, sondern auch die Sicherheitsinteressen der gesamten europäischen Bevölkerung.

Es gibt kein Kraftwerk, das haben wir wohl zur Kenntnis nehmen müssen, das zu 100 Prozent sicher ist. Ein zu 100 Prozent sicheres Kernkraftwerk ist nur eines, das nicht ans Netz geht, das abgeschaltet wird. Und das muss in erster Linie unser Ziel sein – in ganz Europa, auch in Tschechien mit dem Kraftwerk Temelín. Wir müssen Ausstiegsszenarien entwickeln und diese auch durchsetzen. Das muss unser aller Ziel sein, und ich hoffe doch, dass wir in diesem Bereich einen Konsens erringen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben, davon war auch mein Ressort betroffen, vor etwas mehr als einem Jahr in Oberösterreich gemeinsam mit den Zivilschutzorganisationen eine Übung abgehalten für den Fall, dass in einem grenznahen Kernkraftwerk ein massiver Unfall passiert. Diese Übung ist im Großen und Ganzen sehr erfolgreich verlaufen für jenen Bereich, den wir abdecken können. Aber unter dem Strich muss man leider sagen, dass es für den Fall – der ist ja nicht wegzureden, der ist ja realistisch, spätestens nach Tschernobyl –, dass sich wirklich ein Super-GAU in


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einem grenznahen Kraftwerk ereignet, in Wahrheit keinen Schutz für die Bevölkerung gibt, keinen Schutz geben kann, weil Hunderttausende, ja Millionen Österreicher in den grenznahen Regionen davon betroffen wären. Der einzige Schutz, den wir anbieten können, ist, alles zu tun, dass dieses Kraftwerk nicht in Betrieb geht oder es zumindest ein realistisches Ausstiegsszenarium gibt. Das ist unsere Verantwortung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Sima sagt, es gebe einen Stillstand in der Anti-Atompolitik. Ich weiß nicht, auf wen sie das bezieht. (Abg. Mag. Sima: Auf Sie!) Auf die österreichische Bundesregierung kann das nicht gemünzt sein, denn wir verhandeln seit vielen Monaten sehr aktiv mit unseren Partnern in der EU, und niemand, Herr Kollege Pilz, läuft vor freiheitlichen Regierungsmitgliedern davon. Ich lade Sie gerne ein, mich auf einigen Reisen zu begleiten, um zu sehen, wie ernst die Österreicher genommen werden, wie gerne sie eingeladen werden und wie wichtig genau diese Vermittlungs- und Verhandlungsposition in derartigen Krisenszenarien ist, Herr Abgeordneter Pilz. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir würden uns erhoffen, dass auch Sie uns unterstützen und nicht durch eine derartige Polemik wie eben vorhin versuchen, Stimmung dagegen zu machen.

Wir haben uns in der Bundesregierung dieser Verantwortung auf zwei Ebenen gestellt. Das eine ist der Bereich der Sicherheitsstandards, denn natürlich müssen wir auch für den Fall, dass es uns nicht gelingt, diese Ausstiegsszenarien zu verhandeln, zumindest eine optimale Sicherheitsgarantie entwickeln. Diese haben wir gemeinsam entwickelt, und wir werden auch kontrollieren, dass diese Standards eingehalten werden. Aber noch wichtiger ist es, nach den Wahlen in Tschechien mit der neuen Regierung – wir sehen ja, dass es momentan sehr schwierig ist, in diese Wahlkampfpolemik mit sachlichen Argumenten einzugreifen – auch über eine Nullvariante, über ein Ausstiegsszenario zu verhandeln.

Es wurde kritisiert, dass wir das Thema Atomkraft mit den Beitrittsverhandlungen verbinden. Meine Damen und Herren! Wir sollten uns zumindest in dieser Frage mit Ihnen eigentlich in guter Koalition befinden, denn das war doch auch immer Ihre Linie, Frau Abgeordnete Sima. Haben Sie schon vergessen, dass Sie es gewesen sind, die im August 1999 – ich hoffe, Frau Abgeordnete Sima, Sie nehmen nicht nur in Wahlkämpfen eine klare Position ein – mit dem damaligen Kanzler Klima vor der Organisation "Mütter gegen Atomgefahr" aufgetreten ist, dass Kanzler Klima den "Müttern gegen Atomgefahr" versprochen hat: Kein EU-Beitritt mit AKW Temelín!? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Jetzt wollen sie nichts mehr davon wissen!)

Meine Damen und Herren! Stimmt das, was Sie den Österreichern vor der Nationalratswahl 1999 gesagt haben, jetzt noch oder nicht? Das ist Ihr Erklärungsbedarf, wir haben eine klare Haltung! Wir wollen selbstverständlich auch während der Beitrittsverhandlungen auf diese Karte zurückgreifen können. Das ist doch eine gute, eine wichtige Verhandlungsposition für Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das ist nicht gegen Tschechien gerichtet, das ist nicht gegen die Erweiterung der Europäischen Union gerichtet – ganz im Gegenteil. Das haben wir auch klar gesagt, und das geht aus allen Anträgen und Beschlüssen eindeutig hervor. Wir stehen zu dem wichtigen Projekt der Erweiterung der Europäischen Union, und wir hoffen, dass möglichst alle Beitrittskandidaten die Kriterien für diese Erweiterung erfüllen, aber diese Kriterien müssen auch wirklich eingehalten werden. Das ist ein gutes Argument, denn die bilateralen Verhandlungen in den letzten zwölf Jahren haben weder bei der Atomenergie viel gebracht noch bei den Beneš-Dekreten. Das ist jetzt vielleicht unsere letzte Chance, eine gute Verhandlungsposition einzunehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich kann nur hoffen, dass der österreichische Nationalrat wieder zu diesem Konsens zurückfindet, der ja schon einmal bestanden hat: Es hat einmal All-Parteien-Anträge gegeben, die wir als Bundesregierung auch bei unseren Verhandlungen sehr gut verwenden konnten, die uns und letztlich den Österreichern, der gemeinsamen österreichischen Position den Rücken gestärkt haben. Das brauchen wir: Eine Stimme, eine klare Stimme für die Sicherheit in Österreich, und das kann nur eine Stimme für den Ausstieg aus der Atomenergie sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.46


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte.

11.47

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist etwas eigenartig: Auf der Regierungsbank sitzen die Minister Scheibner und Molterer, aber es fehlt – zumindest mir – die Frau Vizekanzlerin, denn bis vor kurzem waren der Ausstieg aus der Atomenergie und die Schließung des AKW Temelín bei den Freiheitlichen noch "Chefsache". Ich weiß nicht, weshalb jetzt auf einmal der Verteidigungsminister hier ist. (Bundesminister Scheibner: Weil es um die Sicherheitsstandards geht, Herr Kollege!) Ich hoffe, dass nichts Bedrohliches ins Spiel gebracht wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Einige Richtigstellungen zur viel beschworenen Einigkeit bei den Entschließungsanträgen, die wir zum Thema Atomenergie, Ausstieg aus der Atomenergie im Hohen Hause beschlossen haben: Wir haben bis November 2001 insgesamt 37 Anträge beschlossen, sieben davon wurden von den Freiheitlichen mitgetragen. Es war – Kollege Schweitzer ist nicht mehr im Saal, er hat seine Pflichtübung absolviert – immer sehr schwierig, die Freiheitlichen mit ins Boot zu bekommen, weil sie immer besonders stark und hartnäckig für die Veto-Keule eingetreten sind. (Abg. Achatz: Für die Interessen der Österreicher aufgetreten sind!)

Das sind die Fakten betreffend die viel beschworene Einigkeit in diesem Hohen Hause. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: "Das Boot ist voll", hieß es seitens der SPÖ!)

Meine Damen und Herren! Mein Vorredner Kollege Kopf hat festgestellt, dass in Zeiten der gemeinsamen Regierung Rot-Schwarz nichts weitergegangen sei. Ich muss ihn daran erinnern, dass Klima, insbesondere aber auch Bundesministerin Prammer gerade in der Zeit unseres EU-Vorsitzes sehr intensiv für den Ausstieg aus der Kernenergie eingetreten sind, damals viele entscheidende Weichenstellungen zustande gebracht haben. Wir hatten im Hohen Haus nur immer das Problem, dass Kollege Kopf im Grunde genommen der verlängerte Arm des Außenministeriums war, und Schüssel hat immer gesagt: Nur ja nicht laut auftreten, bitte, haltet euch zurück! All das, was wir klar formuliert hatten, wurde in Diplomatendeutsch umformuliert, sonst hätte es die ÖVP nicht mitgetragen. (Abg. Achatz: Sie haben es sich gefallen lassen!)  – Das zur Erinnerung, Kollege Kopf.

Meine Damen und Herren! Weil in Bezug auf dieses freiheitliche Volksbegehren immer von einem so genannten überparteilichen Volksbegehren gesprochen wird: Schauen wir uns doch an, wer die Einbringer, die Vertreter sind.

Bevollmächtigter: Dr. Hans Achatz, von Beruf Richter wird hier angeführt; Landesobmann der Freiheitlichen Partei in Oberösterreich und Landesrat seit mehr als zehn Jahren steht nicht dabei. (Abg. Achatz: Das ist sein Beruf!) Richter, ganz verschämt – ein Beruf, den er seit langem nicht mehr ausübt.

Der zweite prominente Einbringer der Freiheitlichen: Mag. Hilmar Kabas, Beruf: Beamter  – ist ja nichts Schlechtes –; Landesobmann der Freiheitlichen in Wien und Landtagsabgeordneter, aber das wird verschwiegen, um dem Ganzen einen überparteilichen Anstrich zu geben.

Lediglich Ernest Windholz hat sich dazu bekannt, dass er in Niederösterreich Landesrat ist. Bei allen anderen ist die politische Betätigung unter den Tisch gefallen.

Im Gegensatz dazu ein paar Worte zum Sozialstaats-Volksbegehren, meine Damen und Herren! Hier finden Sie niemanden, der sich hinter irgendwelchen Titeln verschanzen müsste, die Einbringer, die Mitglieder dieser Plattform sind tatsächlich überparteilich. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Natürlich wird dieses Sozialstaats-Volksbegehren von der Sozialdemokratischen Partei unterstützt werden, meine Damen und Herren! Glauben Sie wirklich, dass wir tatenlos dabei zu


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sehen, wie einige Kräfte in dieser Republik leichtfertig die Fenster des sozialen Gebäudes, das von unseren Vorfahren mit viel Mühe, viel Schweiß, vielen Entbehrungen errichtet wurde, einfach einschlagen? Wir werden dabei nicht zusehen und werden daher dieses Sozialstaats-Volksbegehren unterstützen – egal, ob es Ihnen gefällt oder nicht! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) In diesem Zusammenhang kann man nicht von Vereinnahmung sprechen, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Nun zurück zum Volksbegehren der Freiheitlichen. Wir haben es Ihnen im vergangenen Jahr gesagt, als wir über den Entschließungsantrag verhandelt haben: Formulieren wir diesen Antrag doch konkreter, stellen wir konkrete Forderungen in diesem Antrag auf! – Nein, Sie waren dafür, das Ganze etwas verwaschen zu formulieren.

Meine Damen und Herren! Ich zitiere einen prominenten Zeugen, die Oberösterreicher in diesem Haus kennen ihn: Radko Pavlovec, Atombeauftragter in Oberösterreich. Ich sage Ihnen, was er zu Ihrem Antrag gesagt hat – ich zitiere –:

Ich habe für konkretere Formulierungen plädiert. Der Antrag geht in die richtige Richtung, lässt aber vieles offen. Die Formulierungen beim Punkt Sicherheit sind nicht sehr konkret und lassen es dem Betreiber offen, irgendwelche Lösungen in einem unbestimmten Zeitrahmen zu realisieren. Ein weiteres Problem sei der völlige Verzicht auf eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung. Die 21 Punkte seien von tschechischer Seite eine Augenauswischerei, die Änderungen seien großteils belanglos. – So viel dazu.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (das Glockenzeichen gebend): Den Schlusssatz, bitte!

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Ich bin sehr dafür, dass Konkretes geschieht, ich unterstütze viele dieser Maßnahmen, aber bitte machen wir uns nichts vor! Bekennen wir uns klar und deutlich zu dem, was unser gemeinsames Anliegen ist, nämlich zu einem europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Achatz. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Wenn noch ein paar solche auftreten, dann gute Nacht, Volksbegehren!)

11.53

Abgeordnete Anna Elisabeth Achatz (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Oberhaidinger, jetzt haben Sie sich aber ordentlich in das Knie geschossen! Sie haben sich darüber beschwert, dass das Volksbegehren von Achatz, Windholz und Kabas initiiert worden ist. Jetzt müssen Sie aber auch erklären, wie 30 Prozent der Unterzeichner des angeblich freiheitlichen Volksbegehrens SPÖ-Wähler sein können. Das müssen Sie jetzt erklären. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das sind alles Kabas-Fans!) Sind das alles Kabas- oder Achatz-Fans? Da haben Sie jetzt wirklich Erklärungsbedarf, Herr Kollege Oberhaidinger.

Das war ebenso blamabel wie die Kritik daran, dass die Regierungsparteien jetzt einen so genannten Sonderausschuss zu Temelín einrichten. – Herr Kollege Oberhaidinger! Sie hätten zehn Jahre lang Zeit gehabt, einen Sonderausschuss einzuberufen. Sie haben aber überhaupt nichts getan! (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig. )  – Frau Kollegin Glawischnig, die Grünen – das ist in Ihrer heutigen Rede ganz klar zum Ausdruck gekommen – möchten jetzt auf den erfolgreichen Volksbegehrens-Zug aufspringen. (Abg. Ing. Westenthaler: Der ist abgefahren!) Der ist abgefahren, erfolgreich abgefahren, Sie haben den richtigen Zeitpunkt verschlafen, Frau Kollegin Glawischnig – aus und vorbei! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig. ) Jetzt sind rund 900 000 Unterschriften da, und jetzt hätten Sie halt auch gerne etwas davon. Diese Sache haben Sie verschlafen.

900 000 Unterschriften sind eine Verpflichtung für die Politik, und zwar für uns alle hier im Nationalrat. Hätte die SPÖ in Sachen Temelín nicht ständig geschlafen, wäre dieses Volksbe


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gehren ja überhaupt nicht erforderlich gewesen. Jahrelang waren Sie untätig, Frau Kollegin Prammer, ja regelrechte Scheinverhandlungen haben Sie geführt. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. ) Frau Prammer, nennen Sie mir bitte ein einziges Verhandlungsergebnis in Sachen Temelín! Ein einziges, Frau Kollegin, hätte ich gerne! Wo, wann, wie haben Sie die Position Österreichs in Sachen Temelín mit der tschechischen Regierung verhandelt?

Ich unterstelle Ihnen von der SPÖ auch, dass Sie aus politischen Gründen ja überhaupt kein Interesse daran haben, Verhandlungen erfolgreich abzuführen. Wenn die Sozialisten unter sich sind, dann ist halt die Ideologie wichtiger. Die Ideologie geht vor die Interessen der Österreicher und vor deren Gesundheit. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wenn dem nicht so wäre, Frau Kollegin Prammer, dann hätten Sie ein positives Verhandlungsergebnis vorweisen müssen – dieses fehlt aber.

Dieses Volksbegehren war einzig und allein eine Notbremse. 914 000 Menschen haben sich deklariert, haben sich der Mühe unterzogen, sind zum Gemeindeamt gegangen und haben ihre Unterschrift geleistet. Aber es ist jetzt auch an der Zeit, dass sich Tschechien bewegt. Mit der bisher geübten Überheblichkeit und Arroganz von Seiten Tschechiens muss Schluss sein! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Mag. Tancsits. )

30 Pannen, 30 Störfälle, rechtfertigen dieses Volksbegehren. Und 30 Störfälle rechtfertigen auch ein Veto. 30 Störfälle und 914 000 Unterschriften verpflichten uns alle zu handeln. Es gibt einfach keinen Schutz vor Strahlen. Linz, der Zentralraum Linz müsste bei einem Störfall in Temelín evakuiert werden. Es schützt auch kein Parteibuch vor den Strahlen, Herr Kollege Oberhaidinger. Es gibt einfach kein sicheres AKW, außer ein stillgelegtes, und daran werden wir hoffentlich alle zusammen arbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Bitte.

11.58

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Edlinger – er ist jetzt nicht im Saal – hat gemeint, über die Wahrhaftigkeit eine tatsächliche Berichtigung anbringen zu müssen. Vielleicht lassen wir ein bisschen Revue passieren. Ich glaube, es bringt überhaupt nichts, vor allem nichts für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher, jetzt darüber zu streiten, wer wann für oder gegen die Kernenergie war, denn da fällt mir Bruno Kreisky ein, der Zwentendorf erzwingen wollte.

Tatsache ist, meine Damen und Herren, dass es spätestens nach dem Unfall in Tschernobyl in allen österreichischen Parteien Konsens darüber gab, dass die Kernenergie nicht nur für Österreich keine Energieform ist, sondern dass es unser Ziel sein muss, diese Kernenergie auch europaweit und weltweit zu eliminieren. Daher, meine Damen und Herren, ist es gelungen – und das war ein überaus trauriger Anlass, von dem auch Österreich und vor allem die österreichische Landwirtschaft, die österreichischen Konsumenten betroffen waren –, auch in diesem Haus in Fragen der Anti-Atompolitik immer wieder einen Konsens herbeizuführen und gemeinsam gegen Europa zu kämpfen.

Es bringt auch gar nichts, zu sagen, wer mehr und wer weniger erreicht hat. Ich habe als damalige Umweltministerin bei den Verhandlungen zur Europäischen Union intensiv erleben müssen, wie unglaublich unbewusst Europa in dieser Frage war.

Als die Diskussion um die Kernkraftwerke rund um Österreich – Mochovce, Bohunice und Temelín – akut war, gab es viele Kollegen, ja auch Umweltminister aus der Europäischen Union, die nicht einmal gewusst haben, wo diese Kernkraftwerke überhaupt stehen.

Daher, meine Damen und Herren, sollten wir uns alle darüber im Klaren sein, dass es ganz, ganz notwendig ist, diesbezüglich auch Bewusstseinsbildung in der Europäischen Union zu betreiben. Deshalb bin ich auch Bundesminister Willi Molterer und Herrn Bundeskanzler Schüssel


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dankbar dafür, dass es ihnen gelungen ist, in der Europäischen Union erstmals diese Frage zu einer europäischen Frage zu machen und die Einhaltung von Sicherheitsstandards einzufordern. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Das glaubt Ihnen nicht einmal die eigene Fraktion ...!)

Meine Damen und Herren! Die Sorgen der Österreicherinnen und Österreicher sind ernst zu nehmen, Sorgen, die Mütter um ihre Kinder haben. "Mütter gegen Atomgefahren" leisten da seit mehr als 20 Jahren immer wieder intensive Aufklärungsarbeit. Wir von den Regierungsparteien nehmen diese Sorgen gleichfalls sehr ernst und tun daher alles nur erdenklich Mögliche, um auch diesbezüglich größtmögliche Sicherheit für die Österreicherinnen und Österreicher zu erreichen.

Mehr Sicherheit ist mit einem Veto in der EU nicht erreichbar – das als Antwort auf die Frage der Kollegin Glawischnig von den Grünen. Für meine Partei ist vollkommen klar, dass ein solches Veto Temelín um nichts sicherer machen würde. Ganz im Gegenteil! (Abg. Dr. Gusenbauer: Was sagt der Westenthaler dazu? – Abg. Ing. Westenthaler: Da sind wir anderer Meinung!)

Es ist notwendig, mit der tschechischen Regierung – egal, welche es nach den Wahlen im Juni sein wird – zu verhandeln und von ihr all das, was Willi Molterer und Wolfgang Schüssel gelungen ist, im "Melker Prozess" zu erreichen, auf Punkt und Beistrich einzufordern. – Und das, meine Damen und Herren, werden wir tun!

Aus diesem Grund ist es auch gut, dass mit jenem Ausschuss, der jetzt eingesetzt wird, ein Instrumentarium gegeben ist, mit dem sichergestellt wird, dass wir laufend Maßnahmen diskutieren – und ich darf Sie alle sehr herzlich einladen, in diesem Ausschuss konstruktiv mitzuarbeiten. (Abg. Dr. Cap: Doktor Görg auch?)

Herr Kollege Oberhaidinger, Sie haben Ihre Ausführungen hier "natürlich" auch dazu benutzt, um auf das "unabhängige Sozialstaat-Volksbegehren" einzugehen, wie Sie sagten. (Abg. Dr. Cap: Bernhard Görg! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich wollte das eigentlich nicht tun, sondern nur sagen, wer die Unterzeichner sind: Johanna Dohnal, Ferdinand Lacina, Helmut Zilk und so weiter. (Abg. Dr. Mertel: Selektive Wahrnehmung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben auch gar nichts gegen dieses Volksbegehren, meine Damen und Herren von der SPÖ, aber: Das, was Sie verlangen, nämlich die Verankerung des Sozialstaates in der Verfassung, ist doch lediglich eine symbolische Handlung. Sie wissen doch selbst, dass alle Sozialgesetze in Österreich einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden können. (Abg. Dr. Cap: Das Problem heißt Görg ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Unsere Antwort ist gelebte Sozialpolitik. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Wir reden nicht darüber, sondern handeln danach! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Neuerliche ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich weiß, dass Ihnen das wehtut – und führe daher nur kurz an: Kinderbetreuungsgeld für alle, und zwar über 30 Monate lang; "Abfertigung neu", ein Meilenstein in der Sozialpolitik (Abg. Dr. Mertel: Ambulanzgebühren! Pensionskürzungen! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ); Angleichung von Arbeitern und Angestellten, meine Damen und Herren von der SPÖ, etwas, was Sie 30 Jahre lang nicht geschafft beziehungsweise vernachlässigt haben. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist gelebte Sozialpolitik, meine Damen und Herren von der SPÖ! Und das werden wir den Österreicherinnen und Österreichern auch in den nächsten 18 Monaten hier in diesem Hause beweisen! – Aber ich weiß, dass das Ihnen von der SPÖ wehtut. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: War das jetzt die Nachfolgerede für Görg? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

12.04


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte. (Abg. Dr. Cap  – in Richtung der Abg. Rauch-Kallat –: Denken Sie oft an Görg?)

12.04

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Minister! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie! Frau Kollegin Rauch-Kallat, keine Frage: Diesen Konsens in Sicherheitsfragen können Sie von uns haben, allerdings: Ein Nein zum Stillstand der Sicherheitspolitik, zum Stillstand, nachdem das Temelín-Volksbegehren immerhin mit 914 000 Unterschriften hier im Parlament eingereicht wurde, ein Nein zu diesem Stillstand in der europäischen Anti-Atompolitik, ein Nein zu diesem Stillstand in einer Ausstiegshilfe Österreichs, ein Nein zu dieser Stillstandspolitik, was Initiativen des Parlaments anlangt! Da können wir nicht mitgehen! Diese Linie können wir nicht mittragen!

Dazu haben wir Grünen eine eigene, eine konstruktive, eine offensive Linie, die mehreres umfasst – und darauf kommt es uns an! (Beifall bei den Grünen.)

Was unsere Linie betrifft, darf ich auch noch kurz auf den von Ihnen zitierten "Melker Prozess" eingehen: Ja, es gibt dieses Übereinkommen, das Problem liegt allerdings darin, dass Herr Bundesminister Molterer ein Energieprotokoll unterzeichnet hat, bei dem von den sieben wichtigen Sicherheitspunkten des "Melker Übereinkommens" lediglich zwei berücksichtigt wurden. (Bundesminister Mag. Molterer: Das ist falsch! Alle sieben!) Eine solche Sicherheitspolitik können wir nicht im Konsens mittragen; das ist wohl klar! (Beifall bei den Grünen. – Bundesminister Mag. Molterer: Alle sieben wurden berücksichtigt ...!)

Nein, Herr Bundesminister, das stimmt wirklich nicht, dass es alle sieben sind! Sie können das doch selber nachlesen. Schauen Sie sich doch das "Melker Übereinkommen" an! Und schauen Sie sich auch das Energieprotokoll an – denn dann können Sie ganz klar erkennen, dass da Welten dazwischen liegen und Ihr "Erfolg" leider nur ein Minimal- Erfolg ist, wenn man das überhaupt als solchen bezeichnen kann.

Noch ein Wort zu dem, was Sie von den Regierungsparteien uns immer wieder als Sicherheitspolitik vorzugaukeln versuchen. Dieses Volksbegehren, Herr Kollege Westenthaler, ist von Ihnen, und zwar völlig überflüssigerweise, nach der Unterzeichnung der Energieprotokolle vom Zaun gebrochen und durchgeführt worden – zu einem Zeitpunkt, als es schon längst zu spät war! (Abg. Ing. Westenthaler: Sie wollen doch nicht sagen, dass 900 000 Unterschriften "überflüssig" sind?)

Dieses Volksbegehren ist der Ausdruck der Befürchtungen und der Ängste gerade auch der Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher. Aber das war im Jänner – und unterzeichnet haben Sie im Dezember!

Beteiligt waren die Frau Außenministerin, der Herr Bundeskanzler, ebenso Herr Bundesminister Molterer. Da war auch im "Dunstkreis" die Frau Vizekanzlerin informiert – ich sage bewusst: "im Dunstkreis". Damals hätten Sie wirklich Farbe bekennen können. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber das Volksbegehren ist ein halbes Jahr vorher eingeleitet worden! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Damals hätten Sie sagen können: Dieses Energieprotokoll wird erst dann unterzeichnet, wenn nachverhandelt wird, wenn wirklich alle und darüber hinaus noch mehr Sicherheitsvorkehrungen, als im "Melker Prozess" beurkundet sind, tatsächlich erfüllt werden! – Aber da haben Sie klein beigegeben! Da sind Sie von den Regierungsparteien den ÖsterreicherInnen eine Anti-Atompolitik schuldig geblieben – und dann haben Sie sich auf den Weg des billigen Populismus dieses Volksbegehrens begeben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Was habt ihr denn getan?! Nicht einmal unterschrieben!)


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Auf eine Bemerkung meiner Kollegin Achatz aus Oberösterreich zurückkommend. Frau Kollegin, bei allem Respekt vor Ihrer Freizeit, aber: Sie persönlich habe ich nie bei den ÖsterreicherInnen, die mit Besorgnis an der Grenze demonstrierten, gesehen! – Heute aber sagten Sie hier, das sei ein "überparteiliches Volksbegehren" gewesen, ein Volksbegehren, bei dem ein Namenskollege von Ihnen, Frau Kollegin Achatz, ein Hauptproponent dieses Volksbegehrens ist (Abg. Dr. Mertel: Das ist ihr Namengeber! – Rufe bei der SPÖ: Das ist ihr Mann!), eines Volksbegehrens, das in keiner Weise überparteilich ist, sondern das Sie von der FPÖ dazu zu nutzen versucht haben, Ressentiments zu schüren, Ängste im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung zu schüren sowie Ihre Politik der Polarisierung voranzutreiben – nicht aber dazu, Sicherheitsfaktoren in den Vordergrund zu rücken oder offensiv nach Ausstiegsszenarien zu suchen.

Meine Damen und Herren! Zum Schluss lassen Sie mich noch einmal auf die konstruktive, offensive, inhaltliche und substantielle grüne Politik im Anti-Atombereich zu sprechen kommen. Wir Grünen haben in Brüssel im EU-Parlament, und zwar gerade durch Einsatz unseres Rudi Anschober, bewirkt, dass es einen einstimmigen Beschluss für eine Ausstiegskonferenz gab. Das Europäische Parlament hat sich einhellig dafür ausgesprochen, dass es eine Ausstiegskonferenz, dass es einen neuen Atomkurs in Europa geben soll. – Wir verlangen daher, dass auch Sie hier diesen Beschluss des Europäischen Parlaments akzeptieren und diesen umsetzen helfen.

Wir in Oberösterreich haben im Zusammenhang mit einer solchen Ausstiegskonferenz, einer Ausstiegshilfe, die ein konkretes Mittel darstellen und Geld bewegen soll, ein Proponentenkomitee gegründet. Und der prominenteste Vertreter – bis jetzt! – ist Ihr ÖVP-Mitglied Herr Dr. Leitl. Den Ansichten Dr. Leitls kann ich sehr wohl zustimmen, wenn er meint, ein solcher Ausstieg aus AKWs darf uns auch etwas kosten können, wenn eben unsere Sicherheit auf dem Spiel steht.

Deshalb, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: Orientieren Sie sich doch bitte an dieser konstruktiven Politik, an dieser Politik einer Ausstiegskonferenz, einer Ausstiegshilfe und eines gesamteuropäischen Konzeptes, um innerhalb von zehn bis 15 Jahren diese gefährliche Energieform insgesamt – sei es in Tschechien oder auch in Bayern oder in Slowenien – endgültig der Vergangenheit angehören zu lassen. (Beifall bei den Grünen.)

Eine solche Politik sind Sie von den Regierungsparteien uns bis jetzt jedoch schuldig geblieben. Deshalb ersuche ich Sie hier jetzt zum letzten Mal: Helfen Sie uns bei diesem Ausstieg – und verlassen Sie diese Politik des Stillstands, denn das schadet den Menschen und stellt ein Risiko in Bezug auf die Sicherheit dar! (Beifall bei den Grünen.)

12.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.10

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Moser hat hier vom Rednerpult aus behauptet, das Volksbegehren und somit die 915 000 Unterschriften seien überflüssig gewesen, weil es zu spät, nämlich erst nach dem Dezember des Jahres 2001 eingeleitet worden sei. (Rufe bei den Grünen: Das hat sie nicht gesagt!)

Diese Behauptung ist unrichtig, denn das Volksbegehren gegen Temelín wurde bereits im Sommer 2001 mittels 10 000 Unterschriften aus der Bevölkerung eingeleitet – so viele Unterschriften braucht man nämlich für die Einleitung eines Volksbegehrens.

Ich füge hinzu: Ich finde es traurig, dass Sie von den Grünen über 900 000 Unterzeichner als überflüssig betrachten! – Aber das ist typisch grün! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Eine tatsächliche Polemik war das! – Rufe bei


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den Grünen: Der Westenthaler hat überhaupt noch nie eine tatsächliche Berichtigung gemacht! Der wird das nie lernen!)

12.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. – Bitte.

12.11

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Meine Herren Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Es geht immer wieder um dieselbe Frage: Da liegt ein Volksbegehren mit mehr als 900 000 Unterschriften vor, und diese Unterschriften sind – niemand von uns bestreitet das – ernst zu nehmen. Das Bedauerliche ist jedoch, dass die Mehrzahl dieser 900 000 Unterschriften deshalb gegeben wurde, weil diese Menschen Sicherheit wollen – nicht aber deshalb, weil so der Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union verhindert werden soll. (Abg. Mag. Kukacka: Was hat denn Prammer in ihrer Ministerzeit gegen Temelín getan?)

Ihnen, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, ist vorzuwerfen, dass Sie hier wirklich billige Polemik betrieben haben – und noch dazu bei einem solch ernsten Thema und auch angesichts der vielen Unterschriften, die ernst zu nehmen sind. (Abg. Neudeck: Das ist Kaffeesud-Lesen ...!)

Genauso ernst wird jede einzelne Unterschrift zu nehmen sein, die zwischen dem 3. und 10. April, und zwar beim Sozialstaat-Volksbegehren, geleistet werden wird, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist schon interessant, diese doch sehr eigenartige Diskussion hier mitzuverfolgen: Spricht hier jemand von der ÖVP, gibt es Schweigen bei den Freiheitlichen, und spricht ein Freiheitlicher, gibt es betretenes Schweigen bei der ÖVP. (Abg. Rauch-Kallat: Wir hören zu! – Abg. Ing. Westenthaler: Wenn Sie reden, schweigen bei Ihnen alle betreten! Bei Ihnen schweigen alle!) – Applaus wäre vielleicht doch manches Mal zwischen Regierungspartnern angesagt, zwischen Regierungspartnern, die ja angeblich so gut miteinander auskommen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Betretenes Schweigen bei der SPÖ ...! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Sie machen sich lustig über dieses Thema (Ruf: Nein, über Sie!)  – und auch das ist ein Zeichen, das Sie setzen, auch in Bezug auf die vielen Unterschriften, die hiezu geleistet wurden.

Meine Damen und Herren! Es geht darum, wie wir in Zukunft Anti-Atompolitik betreiben, und zwar sowohl hier in Österreich als auch auf europäischer Ebene. Und da muss ich Ihnen vorwerfen, dass Sie von ÖVP und FPÖ in den beiden vergangenen Jahren immer nur dann etwas getan haben, wenn Feuer am Dach war beziehungsweise die Medien und/oder die Oppositionsparteien öffentlich Druck gemacht haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf Sie von den Regierungsparteien daran erinnern: Es gibt ein Konzept, und dafür ist mit der Arbeit 1996 begonnen worden, nämlich mit der Initiative, den Euratom-Vertrag auf europäischer Ebene zu ändern. – Seit Ihrem Regierungsantritt habe ich allerdings nichts mehr davon gehört. (Abg. Rauch-Kallat: Schlecht informiert! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Bei der nächsten Regierungskonferenz auf europäischer Ebene, nämlich im Jahre 2004, wird es die nächste Chance geben, diesen Euratom-Vertrag zumindest in einen Sicherheitsvertrag umzuwandeln, und es wird auch die Möglichkeit dazu geben, dort den definitiven Einstieg aus dem Ausstieg zu beschließen. Nur sozusagen hereinfallen wird uns das Ganze sicherlich nicht! Dazu bedarf es intensiver Vorverhandlungen, intensiver Vorgespräche, und zwar nicht nur eines Ministers, sondern aller Regierungsmitglieder – und das bei eben allen nur erdenklichen Möglichkeiten im Kontakt zu ihren Kolleginnen und Kollegen im europäischen Ausland.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Ich habe hier zwei Papiere (die Rednerin hält zwei Schriftstücke in die Höhe): Das eine stammt vom 22. Juni 1999; das andere trägt das Datum 30. Juni 1999. Und darin kann man nachlesen, was damals bei diesem Aktionspro


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gramm der Bundesregierung, der Regierung zwischen SPÖ und ÖVP, grundsätzlich, und zwar zwischen mir und dem Herrn Bundeskanzler, den Landeshauptleuten Pröll, Pühringer, Häupl und den Umweltorganisationen – Bartenstein saß damals auch an diesem Tisch – ausverhandelt wurde. 22. Juni 1999: wirklich fortschrittliche Ansätze sind in diesem Papier zu erkennen. – Das aber (die Rednerin hält das zweite Schriftstück in die Höhe) durfte beschlossen werden, nachdem Schüssel das Papier gelesen hatte! – Das ist die "Anti-Atompolitik" der ÖVP! Und so haben Sie von der ÖVP ja auch heute hier wieder agiert! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erinnere Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, daran, dass Ihre Partei damals den Energieminister, den Umweltminister und ebenso den Außenminister stellte, die allesamt sehr wenig bis gar nichts getan haben, ja ganz im Gegenteil: Überall dort, wo es Konsens mit der Opposition, mit den NGOs gegeben hat, wurde das von Ihnen im Nachhinein wieder zu konterkarieren versucht. Ihre Politik ist nicht ernst zu nehmen!

In diesem Sonderausschuss werden wir aber noch ausreichend Gelegenheit haben, darüber zu reden. (Beifall bei der SPÖ.)

12.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte.

12.16

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Es ist immer wieder interessant, Kollegin Prammer zu hören – und es ist auch immer wieder interessant, Kollegin Prammer an ihre früheren Funktionen zu erinnern. Sie, Frau Kollegin Prammer, waren doch einmal Mitglied einer Bundesregierung, und da hatten Sie einen Chef, Kanzler Klima, der der Bevölkerung im Wahlkampf doch etwas versprochen hat (Abg. Ing. Westenthaler: Das weiß sie nicht mehr!): kein EU-Beitritt Tschechiens mit dem AKW Temelín!, so das Versprechen Klimas.

Ich nehme an, Sie, Frau Kollegin Prammer, sind damals konform gegangen mit dieser Forderung Ihres Bundeskanzlers. (Abg. Mag. Prammer  – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Das ist das Papier, das Schüssel mitparaphiert hat ...!) Umgesetzt haben Sie jedoch überhaupt nichts! Und Sie von der SPÖ tragen nicht einmal mehr das mit, was die Bevölkerung von uns fordert beziehungsweise wünscht.

Ich darf Sie, Frau Kollegin Prammer, weiters daran erinnern, dass Sie auch einmal Frauenministerin gewesen sind, und da gab es ja auch ein Frauen-Volksbegehren. Sie, Frau Kollegin Prammer, sind, würde ich einmal sagen, eine der erfolglosesten Politikerinnen aller Zeiten in der Zweiten Republik überhaupt. (Zwischenrufe der Abg. Huber. )

Sie, Frau Kollegin Prammer, haben immer nur Sonntagsreden gehalten – nie jedoch irgendeine Umsetzung zustande gebracht! (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie Gegenrufe bei den Freiheitlichen.) So gesehen ist klar: Sie verfallen daher jetzt sozusagen in einen Umsetzungsneid dieser Bundesregierung gegenüber – und das tut Ihnen in Wirklichkeit weh, geben Sie es doch zu! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Edler: Letzte Rede!)

Plötzlich sind da Volksbegehren-Diffamierer unterwegs, und alle sind auf der linken Seite dieses Hauses zu finden. Weiters sind die Atompolitik-Kurslosen unterwegs: ebenso auf der linken Seite dieses Hauses zu finden; weiters die Donnerstagsdemonstrations-Befürworter! Alle sind sie im gleichen Lager: die Sozialstaat-Volksbegehrer, die Wehrmachtsausstellungs-Befürworter, die Menschenrechts-Relevierer und so weiter! – Bei Grün und Rot ist es doch immer dasselbe! (Abg. Edler: Dass Sie abgelöst werden, ist eh Zeit! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Auf der anderen Seite hier im Hohen Hause, auf Seiten von FPÖ und ÖVP, wird jedoch eine konstruktive und menschengerechte Atompolitik betrieben! Und das ist eben der Unterschied! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Einen solchen Kurs fahren wir von den Regierungsparteien, und die Bevölkerung kann ganz deutlich erkennen, wie im Gegensatz dazu dieser Kurs auf der linken Seite dieses Hauses wirklich ausschaut. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Sie von der linken Seite dieses Hauses haben mehr als vier Jahrzehnte lang den real-existierenden Sozialismus unterstützt, haben nichts unternommen, um der Bevölkerung vor Ort zu helfen! Sie von der linken Seite dieses Hauses haben niemals Optionen für die Bevölkerung erkannt – sondern immer nur solche für die in diesen Ländern herrschende Nomenklatura! Sie sind schlichtweg entlarvt!

Sie von der linken Seite dieses Hauses sind erfolglos in Ihrem Kurs! – Der Kurswechsel hier in Österreich, aber auch sonst in Europa, hat daher der Bevölkerung – und nicht nur der Bevölkerung Österreichs! – gut getan! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Atmen nicht vergessen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist immer dieselbe Vorgangsweise, die Sie von der linken Seite dieses Hauses pflegen: gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung, aber für die Interessen ausländischer Regierungen! Das ist Ihr Motto, und da wurden Sie schon entlarvt! Sie vergessen, wem Sie als Volksvertreter verpflichtet sind, nämlich in erster Linie der österreichischen Bevölkerung, jenen Menschen, die Sie hier her gewählt haben. Vergessen Sie das doch nicht! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist bei Ihnen immer dasselbe – egal, ob bei der Vertriebenen-Politik oder anderswo: Sie von der SPÖ fahren immer einen Zickzackkurs, wenn Sie sagen: Menschenrechtsverletzung: ja gibt es, Konsequenzen: nein! Ebenso ist es die Atompolitik, wo Sie von der SPÖ einen Zickzackkurs fahren, wenn Sie sagen: atomfreies Europa: ja, Konsequenz: nein! Es ist bei Ihnen immer das gleiche Schema!

Nehmen Sie doch als Volksvertreter zur Kenntnis, dass Sie für die Interessen Österreichs einzutreten und ein Anwalt der österreichischen Bevölkerung zu sein haben – nicht aber ein Lobbyist oder Anwalt anderer Beitrittskandidaten!

Kein EU-Beitritt ohne Wenn und Aber – das, so meine ich, ist doch ganz natürlich. Wir sollten in dieser Frage endlich zu einem geschlossenen Kurs kommen. Sie von der linken Seite dieses Hauses suchen einen solchen ja immer nur dann, wenn es um Ihre eigenen Interessen geht!

In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, Herr Kollege Cap, wie es beispielsweise war, als seitens gewisser tschechischer Kreise Bürgermeister Zilk als "Spion" diffamiert wurde! Da haben wir von der Opposition Sie unterstützt; da gab es immer ein gemeinsames Auftreten nach außen.

Wir haben gezeigt, dass wir hier im Hohen Haus immer mit einer gemeinsamen Außenpolitik in Vertriebenen-, aber auch in Atomfragen mitgegangen sind. – Sie von der linken Seite dieses Hauses haben einen solchen Beweis jedoch noch nicht erbracht, stellen Sie sich doch stets auf die Seite anderer, aber niemals auf die Seite der österreichischen Bevölkerung! Und darauf wird die Bevölkerung Österreichs sicherlich entsprechend reagieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mühlbachler. – Bitte.

12.20

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 32,5 Prozent der Stimmberechtigten haben im Bezirk Freistadt das Volksbegehren "Veto gegen Temelín" unterschrieben. Der Bezirk Freistadt liegt damit österreichweit an der Spitze der Beteiligung. Das darf nicht verwundern, liegt doch unser Bezirk direkt an der Grenze und dem Betriebsstandort des AKW Temelín am nächsten.

Allein die letzten drei Meldungen über die Abschaltung des ersten Reaktorblocks im Testbetrieb sind Grund genug, um in der Bevölkerung rund um Temelín – und dazu gehört selbstverständlich auch die Bevölkerung des Mühlviertels – tiefstes Misstrauen gegenüber ständigen Sicher


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heitszusicherungen seitens des Betreibers und des Staatlichen Amts für Kernsicherheit zu schüren.

Am 11. Jänner 2002 gab es den 28. Störfall, die Stromversorgung für die Turbinenkühlung fiel aus. Am 14. Jänner 2002 erneute Sofortabschaltung, 29. Störfall, Verharmlosung laufender Pannen. Am 7. Februar 2002 gab es den 30. Störfall, automatische Sofortabschaltung. Probleme im Nuklearbereich vertuscht, liest man in den Medien.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts derartiger Meldungen darf doch nicht erwartet werden, dass die betroffene Bevölkerung ruhig bleibt! Noch dazu, wenn von tschechischen Regierungsmitgliedern – ich meine damit den Industrieminister Miroslav Gregr – ein Atomunfall als so unwahrscheinlich hingestellt wird wie ein Kometeneinschlag auf den Hradschin.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und wenn jetzt, in den letzten Märztagen, noch der zweite Reaktorblock mit Atombrennstäben aufgefüllt wird, dann kann man verstehen, dass die Bevölkerung besorgt und zutiefst beunruhigt ist.

Dennoch, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, es hätte vieles in andere Bahnen gelenkt werden können, hätten sich die Kanzler früherer Regierungen der Auseinandersetzung um Temelín so intensiv und strukturiert gewidmet, wie dies Bundeskanzler Dr. Schüssel und Umweltminister Mag. Molterer getan haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Gradwohl: Geh, plausch nicht! Das glaubst du doch selber nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gerade den sozialdemokratischen Abgeordneten einiges in Erinnerung rufen. (Abg. Edler: Was hat Schüssel gemacht?)

Am 14. Oktober 1998 schrieb "Die Presse" über eine Pressekonferenz der damaligen Ministerin Mag. Prammer: Atomlager Dukovany – Tschechen lenken ein, und es wurde der Bevölkerung vorgegaukelt, die Tschechen wollen jetzt auch über Bio-Energie nachdenken.

Am 21. März 1999 verstieg sich Frau Kollegin Glawischnig von den Grünen dazu, dass sie in eine Seilschaft mit dem deutschen Bundesminister Trittin treten würde. – Ich habe davon in der Zeit, als es heiß hergegangen ist, als es um die Inbetriebnahme von Temelín und um diese Entscheidung gegangen ist, nichts verspürt.

Frau Ministerin Prammer hat damals die österreichischen Bevölkerung wissen lassen, dass sich in Prag die Bedenken gegen Temelín mehrten, und mich wundert es nicht, dass damals nicht nur sie als Ministerin so getan hat, als gäbe es Seilschaften innerhalb der Sozialisten auf internationaler Ebene, als zöge etwa Deutschland im Kampf gegen die Atomkraftwerke mit, im besonderen gegen Temelín, interessanterweise – da muss es irgendeine Achse geben – sind auch "Global 2000" und "Greenpeace" in diese Lobhudelei über all das, was bereits erreicht worden sei, eingefallen. (Abg. Gradwohl: Können Sie sagen, was Sie dazu beigetragen haben? Einen einzigen Satz!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und erst dann (Abg. Gradwohl: Ein Satz nur über die Maßnahmen, die ihr international vorgetragen habt!), erst dann brach es wie eine Keule über Österreich herein: Am 14. Mai 1999 titelte eine Zeitung: Österreich empört über das Ja zu Temelín. (Abg. Gradwohl und Abg. Leikam: Ein Satz!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Abstimmung ist damals elf zu acht ausgegangen. Es hätte wahrscheinlich nicht sehr viel gefehlt, und man hätte die tschechische Regierung beeinflussen können. Wie eure Einstellung der Bevölkerung gegenüber ist, das möchte ich am Beispiel eines Zwischenrufes des Waldviertler SPÖ-Abgeordneten Parnigoni demonstrieren.

Heute hat Herr Bundesminister Molterer dazu aufgerufen, die Sozialdemokraten mögen doch ihre Beziehungen zu Jospin, zu Tony Blair oder zu Schröder nutzen. – Herr Abgeordneter Parnigoni hat das mit dem Zwischenruf quittiert: "Das ist eure Hacken!"


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn das euer Vertretungsanspruch gegenüber der österreichischen Bevölkerung zu Temelín ist, dann habt ihr diesen Anspruch schon lange verloren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Huber. )

Ich nehme die Bevölkerung ernst, die das Volksbegehren bei uns unterschrieben hat, und ich versuche auch, die Bevölkerung zu vertreten, aber nicht in der Art und Weise und so leichtfertig, wie das die Sozialdemokraten tun. Mein Anspruch auf Vertretung wird auch dann bleiben, wenn es eng wird! (Beifall bei der ÖVP.)

12.27

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte.

12.27

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Landwirtschaftsminister! Herr Verteidigungsminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte das Temelín-Volksbegehren ein wenig im Kontext der direkt-demokratischen Instrumente der letzten Jahre und auch der Vorhaben des so genannten Demokratiepakets beleuchten.

Es ist vor allem von Rednerinnen und Rednern der Freiheitlichen Partei betont worden, dass die Art der Einleitung keinen Unterschied mache. – Ja, das stimmt insofern, als natürlich die parlamentarische Behandlung für jedes Volksbegehren, das die erforderliche Hürde schafft, eine gleiche, eine faire, eine korrekte sein muss. Es stimmt aber nicht, was die Beurteilung der politischen Motive anlangt, die hinter dem Volksbegehren stehen. Und diese Motive, die nichts mit der Art der Behandlung des Volksbegehrens und dem – unter Anführungszeichen – "Wert" der über 900 000 Unterschriften zu tun haben, waren durchaus mehr als fragwürdig.

Dass da eine Haltung mitgeschwungen ist, die sich generell gegen die EU-Erweiterung richtet, eine Haltung, die insbesondere auch Ressentiments gegenüber Tschechien transportiert, das haben ja auch viele Vertreterinnen und Vertreter der ÖVP festgehalten.

Und der Umgang der Medien mit einem Volksbegehren ist auch nicht der gleiche, je nachdem, ob es de facto ein von einer Partei initiiertes, ein Parteivolksbegehren, oder ein Volksbegehren von unten, von der Basis ist. Niemals hätte etwa das Sozialstaats-Volksbegehren die gleiche Medienaufmerksamkeit erlangen können wie dieses Temelín-Volksbegehren, weil die Medien ja auch wussten, dass da Konflikte zwischen ÖVP und FPÖ oder vielleicht auch innerhalb der ÖVP mitschwingen. Es war eben spannend, zu sehen, wie die Koalition damit umgeht.

Ich denke dennoch, dass gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Verpflichtung hat, über jedes ordnungsgemäß eingeleitete Volksbegehren, also etwa jetzt über das Sozialstaat-Volksbegehren Anfang April, gleichermaßen zu berichten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Die Motive, die da mitgeschwungen sind, waren durchaus anti-tschechische Ressentiments, und die Medienöffentlichkeit hat den Koalitionsstreit beobachtet. Und dazu kommt natürlich die Haltung der ÖVP, die auch nicht so eindeutig war wie das, was Herr Dr. Khol heute hier gesagt hat – und was ich Ihnen auch glaube, Herr Dr. Khol, und was ich auch von Herrn Minister Molterer annehme –, nämlich dass Sie mit Veto-Drohungen nichts am Hut haben, dass auch Sie sie für kontraproduktiv halten.

Aber ich erinnere Sie schon daran, dass es etwa Niederösterreichs Landeshauptmann Pröll war, der von der Veto-Karte im Ärmel gesprochen hat. Also solche Töne sind schon auch gekommen, und einmal mehr hat das so quasi den innenpolitischen Zündstoff dieses Volksbegehrens erhöht.

Jetzt komme ich zu der Frage betreffend den Umgang mit Volksbegehren. Und da geht sehr wohl mein massiver Vorwurf an beide Koalitionsparteien, dass insgesamt die Ansätze der direkten Demokratie nicht ermutigt werden, wenn Volksbegehren zwar erfolgreich über die Bühne gehen, aber dann – egal, ob das das Frauen-Volksbegehren, das Tierschutz-Volksbegehren,


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das Gentechnik-Volksbegehren oder jetzt das Temelín-Volksbegehren ist – in die Schublade wandern.

Dafür haben Sie beide Mitverantwortung, und auch für eine halbherzige Anti-Atompolitik. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Ausverkauf von österreichischen Energiegesellschaften an Atomriesen, ich erinnere an die halbherzigen Euratom-Verhandlungen und an das Fehlen einer seriösen Ausstiegsoption zu Temelín, das Fehlen eines diesbezüglichen Angebotes an Tschechien. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Aber restlos merkwürdig wird die Haltung der Koalition, wenn Sie jetzt sagen: Wir wollen eine verpflichtende Volksabstimmung über alle erfolgreichen Volksbegehren. – Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ: Welche geheimen Mächte hindern Sie daran, eine Volksabstimmung anzuberaumen?

Herr Dr. Khol! Wir haben gestern schon darüber diskutiert – ich erinnere Sie an den Artikel 43 der Bundesverfassung –: Sie können jeden Gesetzestext mit einem einfachen Mehrheitsbeschluss der Bundesbevölkerung zur Entscheidung vorlegen. Ich verstehe persönlich wirklich nicht, warum Sie, gerade wenn es Meinungsunterschiede in der Koalition gibt, etwa in Fragen Tierschutz, nicht die Bevölkerung fragen, wenn damit jede Partei ohne Gesichtsverlust eben dann aus diesem Konflikt aussteigen und der Bevölkerung die Entscheidung überantworten könnte. (Beifall bei den Grünen.)

Das heißt, wenn Sie es wollen, dann können Sie es, und ich fordere Sie daher auf: "Hic Rhodus, hic salta!" Wir brauchen uns nicht selbst mit irgendwelchen Verfassungsnormen zu fesseln, die uns dann zwingen, auch ein vielleicht außenpolitisch nicht durchsetzbares Volksbegehren zur Volksabstimmung zu machen, sondern wenn wir das wollen, dann können wir das mit jedem Gesetzentwurf tun, im Übrigen auch mit einem Bundesgesetz über die Formen der umfassenden Landesverteidigung und damit de facto über die Beschaffung von Abfangjägern.

Ich glaube, wenn wir einmal so weit kommen, dass wir sagen: In Fragen, die innenpolitisch heftig umstritten sind, in Fragen, bei denen vielleicht auch die Regierungsparteien verschiedener Meinung sind, dort soll die Bevölkerung entscheiden können, aber (Abg. Ing. Westenthaler: Redezeit! Herr Präsident!) das letzte Wort hat das Parlament, indem es eben die Bevölkerung befragt!, dann, so glaube ich, würde die direkte Demokratie in Österreich wieder einen Aufwind erleben und dann könnten wir uns so peinliche Spektakel wie die Schubladisierung des Temelín-Volksbegehrens ersparen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Die Fernsehübertragungszeit läuft bis 13 Uhr. Wir haben in der Präsidiale eine genaue Redezeit pro Fraktion vereinbart.

Ich teile daher für die letzte Runde die Redezeit wie folgt auf: Sozialdemokratische und freiheitliche Fraktion: je 7 Minuten, ÖVP: 6 Minuten, grüne Fraktion: 5 Minuten. (Abg. Dr. Khol: Warum nicht gleichmäßig, Herr Präsident? – Abg. Rauch-Kallat: Gleichmäßig!)

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

12.35

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten werden uns natürlich an diese Regelung halten.

915 000 Stimmen sind ein Votum, das ernst zu nehmen ist, und die österreichische Bevölkerung hat es sich verdient, dass ihre Teilnahme an diesem Volksbegehren auch einen Niederschlag in der Politik findet.

Nur die Damen und Herren der FPÖ haben bis jetzt überhaupt nichts getan, um irgendeinen Verhandlungsschritt in Richtung Tschechien zu setzen. Weder die Frau Vizekanzler noch einer


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der FPÖ-Verantwortlichen hat irgendeinen Schritt gesetzt, um in Verhandlungen einzutreten oder dieses Problem ernsthaft weiterzutreiben.

Das Volksbegehren war vorbei, die Regierung hat ein jämmerliches Schauspiel abgeliefert, in dem es zuerst geheißen hat, Neuwahlen, und dann doch nicht Neuwahlen. Ich erinnere daran: Im Zuge dieses Schauspiels hat Herr Westenthaler behauptet: Wir werden genau die Formulierung des Volksbegehrens im Parlament zur namentlichen Abstimmung bringen, alles andere wäre eine Vertragsbruch.

Meine Damen und Herren! Wenn man sich den Wortlaut dieses Volksbegehrens ansieht, dann stellt man fest, dass verfassungsmäßig die Tschechische Republik nur dann der EU beitreten kann, wenn die Stilllegung auch tatsächlich erfolgt ist. – Mit diesem Veto und mit dieser Drohung machen Sie Temelín nicht sicherer! Wenn die Tschechische Republik der EU nicht beitreten kann, dann wird Temelín kommen, und wir haben keine Sicherheitsstandards (Abg. Mag. Schweitzer: Das glauben Sie!) und keine Diskussion über den Ausstieg aus der Atomenergie.

Das heißt, Sie machen diese Angelegenheit nicht sicherer. (Abg. Ing. Westenthaler: Abwarten!) Herr Bundesminister Molterer hat im Zuge dieser Auseinandersetzung gesagt, dieses Volksbegehren ist schädlich, und ich schließe mich dieser Meinung an. (Abg. Ing. Westenthaler: Und Sie wollen Ausschussvorsitzender sein? Das muss man ändern!) Sie haben dann Frau Rauch-Kallat ... (Abg. Ing. Westenthaler: Das muss man sich überlegen!)

Gerade Sie, Herr Westenthaler, haben dann über Frau Rauch-Kallat in einem Artikel im "NEWS" vom 10. Jänner 2002 gemeint – weil sie erklärt hat, dass sich die Funktionäre der ÖVP an diesem Volksbegehren nicht beteiligen sollen –: Die ÖVP-Funktionärsinformation gegen das Volksbegehren sei bloß das Machwerk einer wildgewordenen Frau Rauch-Kallat. – Zitatende.

Das hat sich Frau Abgeordnete Rauch-Kallat nicht verdient. Ich arbeite mir ihr auf einer sachlichen Ebene sehr gut zusammen. Ich frage mich, wieso Sie, Herr Westenthaler, dazu kommen, Ihre Koalitionspartnerin so zu beschimpfen. Dieses Volksbegehren wird nicht besser, und Sie stellen es immer als Volksbegehren der Regierung hin. – Es ist kein Volksbegehren der Regierung. Es ist ein Volksbegehren, das ausschließlich von der Freiheitlichen Partei getragen wurde.

Sie führen jetzt einen Eiertanz auf, weil Sie nicht wissen, wie Sie aus diesem Volksbegehren herauskommen sollen, weil Sie sich darauf festgelegt haben (Abg. Ing. Westenthaler: Der Ausschussvorsitzende bezeichnet das Thema als "schädlich", das ist wirklich das Allerbeste! Den wählen wir nicht!), dass Sie nur dann einem EU-Beitritt der Tschechischen Republik zustimmen, wenn sie dieses Kraftwerk stilllegt. Aber Herr Khol hat Ihnen die Antwort gegeben. Er hat ganz eindeutig gesagt: Dieses Volksbegehren wird nicht verfassungsmäßig umgesetzt, weil das nicht unterschriebene Regierungspolitik ist.

Die Problematik des Ausschusses ... (Abg. Ing. Westenthaler: Seit wann ist das schädlich?)  – Lesen Sie dazu das "FORMAT" vom 21. Jänner 2002! Das ist Ihr Problem. Sie kommen innerhalb der Koalition auf keinen grünen Zweig. Wir von der Opposition sind bereit, hier mitzuwirken. Wir sind bereit, konstruktive Vorschläge aufzunehmen, aber ein Veto ist kein konstruktiver Vorschlag. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich frage mich, wie Sie das innerhalb der Koalition klären wollen. Wir werden unseren Beitrag leisten, aber Sie sind meilenweit von einer Lösung entfernt. Die einen wollen unbedingt ein Veto, und die anderen stellen klar: kein Veto. – Ich bin auf der Seite des Ministers Molterer, der dieses Volksbegehren als "schädlich" bezeichnet hat.

Ich glaube auch, dass es richtig ist, wenn man diese Ansicht teilt. Ich meine nicht, dass es ein Veto gegen einen EU-Beitritt der Tschechischen Republik geben wird, weil damit die Frage Temelín nicht gelöst wird. Temelín wäre dann nur in der schlimmsten Form gegeben, nämlich ohne Sicherheitsstandards und ohne eine Diskussion über den Ausstieg aus der Atomenergie.


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Ich glaube, erst wenn Vernunft einkehrt, wird man auch wieder konstruktive Vorschläge einbringen können. Aber wichtig ist, dass sich auch die Koalition in dieser Frage einigt, dass die Koalition nicht gegeneinander, sondern miteinander werkt.

Herr Abgeordneter Khol, eines noch zu dieser Behauptung und zur Wahrhaftigkeit: Mir liegt eine Meldung vom 2. Juli 1969 vor, bei dem der damalige Minister, der Ihrer Fraktion angehört hat, erklärt hat: Nun sind die Würfel endgültig gefallen, die Inbetriebnahme des ersten österreichischen Kernkraftwerkes ist für 1975/76 geplant. – Das war ÖVP-Politik: Befürwortung der Atomenergie! (Abg. Rauch-Kallat: Mein Gott! Damals war Kreisky Bundeskanzler und hat das umgesetzt!)

In einer Meldung vom 2. Februar 1969 hieß es: Landeshauptmann Maurer sagt: Selbstverständlich großer Erfolg! Wir sind damit einverstanden, dass das neue Kraftwerk seinen Standort in Niederösterreich hat. – Zitatende.

Und zur Schuldenpolitik – was Sie dem ehemaligen Minister Edlinger vorgeworfen haben –: Eines möchte ich festhalten: Die meisten Schulden wurden mit Zustimmung des jetzigen Bundeskanzlers Schüssel aufgenommen, und er war einer jener Minister, die die höchste Verschuldungsquote dieses Landes zustande gebracht haben. (Abg. Rauch-Kallat: Er war nie Finanzminister, Herr Kollege! – Abg. Schwarzenberger: Glauben Sie das selbst?)

Ich denke, wir werden in diesem Ausschuss zu konstruktiven Punkten finden müssen. Wir werden unseren Beitrag dazu leisten, wir werden objektiv an die Sache herangehen, aber ein Veto kann nicht das Maß aller Dinge sein. (Beifall bei der SPÖ.)

12.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. (Rufe bei den Grünen: Das ist die Zweite! – Gegenrufe bei der ÖVP.)  – Er hatte noch keine.

Herr Abgeordneter Dr. Khol, Sie sind am Wort.

12.42

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Ich berichtige meinen Vorredner im Hinblick auf die Behauptung, die ÖVP habe nicht immer eine Anti-Atompolitik verfolgt.

Ich stelle den richtigen Sachverhalt dar: Ab dem Moment, ab dem es um Zwentendorf ging, sind wir alle gegen Zwentendorf aufgetreten. Ich selbst, der ich damals sogar erwogen habe, ob ich nicht für die Atomkraft eintreten soll, habe gegen die Atomkraft Stellung bezogen, so wie die gesamte Österreichische Volkspartei gegen die Atomkraft Stellung bezogen hat.

Eine weitere tatsächliche Berichtigung im Rahmen dieser tatsächlichen Berichtigung: Nicht Wolfgang Schüssel war Finanzminister, sondern es war Rudolf Edlinger, den ich daher zu Recht in meiner letzten Erwiderung als "Schulden-Rudi" bezeichnet habe. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Die Redezeit beträgt 7 Minuten. – Bitte.

12.43

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Es war schon bezeichnend, wie sich Herr Kollege Wittmann der Öffentlichkeit präsentiert hat – Herr Kollege Wittmann, der immerhin der Vorsitzende des Sonderausschusses, der das Thema Temelín zum Inhalt hat (Abg. Ing. Westenthaler: Hätte sein sollen!), hätte sein sollen.

Der Ausschussvorsitzende stellt sich hierher und bezeichnet die Ausschussthematik als schändlich, und zwar nicht nur ein Mal, er hat das hier in aller Öffentlichkeit mehrmals wiederholt. – Ich frage mich, Herr Kollege Wittmann, ob Sie tatsächlich dafür geeignet sind – ich


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persönlich bin der Meinung, Sie sind es nicht –, diesen Ausschuss zu leiten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist auch bezeichnend, wie die Grünen mit diesem Thema umgehen, wie sie mit 915 000 Unterschriften umgehen. Kollegin Moser bezeichnete diese Unterschriften als überflüssig. (Abg. Dr. Moser: Tatsächliche Berichtigung!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Moser! Sie als Oberösterreicherin wissen ja, dass in Oberösterreich 236 000 Unterschriften zusammengekommen sind. Sie haben diese Unterschriften als überflüssig bezeichnet. Das zeigt einmal mehr auf, wie Sie sich um die Anliegen, um die berechtigten Sorgen der Österreicherinnen und Österreicher tatsächlich annehmen und kümmern.

Wissen Sie, Frau Kollegin Prammer – sie hat leider Gottes den Saal verlassen ... (Abg. Mag. Prammer betritt soeben den Sitzungssaal. – Rufe: Da ist sie! Sie ist wieder da!) – Sie ist da. Ich bin auch sehr froh, dass Sie wieder da sind, Frau Kollegin Prammer.

Ich weiß ja, Frau Kollegin, Sie hören es nicht gerne: Sie haben von der Initiative gesprochen, die 1995 gesetzt wurde, um den Euratom-Vertrag zu ändern. – Hier, in diesem Hause, waren das Herr Generalsekretär Schweitzer und ich, die einen Antrag zur Änderung des Euratom-Vertrages initiiert haben, damit künftig auf europäischer Ebene nicht der Bau und Ausbau von Kernkraftwerken weiter gefördert wird, sondern damit die Zielsetzung von Euratom die Schließung dieser Kernkraftwerke ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Prammer: Das ist nicht wahr!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde hier aber nicht die Sündenfälle aufzählen, die in einer früheren Legislaturperiode stattgefunden haben. Ich werde sie nicht durchnummerieren, wie Kollege Cap es getan hat, der Sündenfall eins, zwei, drei, vier und fünf aufgezählt hat, fünf vermeintliche Sündenfälle.

Kollege Cap empfindet auch die Tatsache, dass einerseits auf europäischer Ebene verhandelt wird – was natürlich der Umweltminister beziehungsweise die Außenministerin und die Vizekanzlerin tun – und dass andererseits gleichzeitig eine Volksbefragung stattfindet, als Widerspruch. – Ich kann Ihnen sagen, es wäre vieles auf europäischer Ebene nicht thematisiert worden, wenn es dieses Volksbegehren nicht gegeben hätte! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ihr Versuch, Herr Kollege Cap, dieses Volksbegehren als Parteivolksbegehren abzustempeln, wird nicht gelingen. Dasselbe versuchen auch die Grünen, aber es ist ja ohnedies kein Unterschied mehr zwischen Rot und Grün zu erkennen. Sie beide sind die "vereinte Linke", die aus Prinzip dagegen ist und ihre Prinzipien von früher in wesentlichen Fragen geändert hat. Sie, meine Damen und Herren von Rot und Grün, wollen aus einem rot-weiß-roten Volksbegehren (Zwischenrufe der Abgeordneten Parnigoni und Schwemlein ) ein Parteivolksbegehren machen. Dazu kann ich nur sagen: Fragen Sie Ihre Wähler, die Anhänger oder bisherigen Anhänger Ihrer Partei, warum sie das Volksbegehren unterschrieben haben! Es waren Gott sei Dank, muss ich sagen, jede Menge sozialdemokratischer Wähler dabei, die dieses Volksbegehren ebenfalls unterzeichnet haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Schauen Sie: Sie haben dieses Volksbegehren benutzt, um wirklich ... (Abg. Schwemlein: Und was machen Sie daraus? – Abg. Parnigoni: Sie haben es benutzt! Sie haben die Menschen getäuscht!)

Wir haben es nicht benutzt. Wir fühlen uns verantwortlich, dem Sicherheitsbedürfnis der österreichischen Bevölkerung gerecht zu werden. Auf dem Altar des Primitiv-Populismus haben Sie alle Ihre Prinzipien aus früheren Zeiten – oder zumindest jene, die Sie vorgegeben haben – geopfert.

Wessen Zuständigkeit war das in der letzten Legislaturperiode? – Die Zuständigkeit von Ministerin außer Dienst Prammer einerseits; und der Fall Mochovce beziehungsweise die Anti-Atom


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politik insgesamt wurde von Viktor Klima, also vom damaligen Bundeskanzler zur Chefsache erklärt.

Was ist passiert? Was ist bei Mochovce passiert? – Da hieß es, es muss in Betrieb gehen, damit Bohunice geschlossen wird. Aber der Betrieb von Bohunice wurde stattdessen verlängert! Das war Ihr "Erfolg", auf den Sie zurückblicken können.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben in dieser Frage immer eine sehr eigentümliche Positionierung eingenommen. Ich habe es noch im Ohr, wie oft in den vergangenen Jahren – also auch in jener Zeit, als Sie Regierungsverantwortung hatten – davon gesprochen wurde, dass im Zusammenhang mit Temelín natürlich keinerlei Möglichkeiten bestehen. Man darf in Ihren Augen das Thema Temelín und die Problematik um diese Hybrid-Anlage nicht einmal ansprechen, weil es ja selbstverständlich Sache der Tschechen ist, wie und aus welchen Energie-Ressourcen, mit welchen Energiequellen sie ihre Energieversorgung sicherstellen. Das heißt, Sie meinen, das ist eine nationalstaatliche Angelegenheit.

Ich sage Ihnen: Im Falle des Kernkraftwerkes Temelín ist es keine nationalstaatliche Angelegenheit. Da betrifft es in ausgeprägtem Maße die österreichische Bevölkerung, die bei einem Störfall, im Falle von Problemen mit diesem Kernkraftwerk unmittelbar davon betroffen wäre.

Ich muss Ihnen sagen, ich empfinde es schlichtweg als Brüskierung, wenn auch noch daran gedacht wird, ein Atommüll-Endlager direkt an der österreichischen Grenze zu errichten. Ich fände es besser, es würde im tschechischen Zentralraum platziert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Moser zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.50

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat zweimal behauptet, ich hätte gesagt, die Unterschriften seien überflüssig. (Abg. Ing. Westenthaler: Das haben Sie gesagt!)

Das entspricht nicht den Tatsachen, deshalb berichtige ich (Abg. Ing. Westenthaler: Gut, dass alle mitgehört haben!): Ich habe gesagt – Herr Kollege Westenthaler, bitte passen Sie auf! –: Die Durchführung des Volksbegehrens ist nach dem Abschluss des Energiekapitels, wo praktisch ... (Abg. Ing. Westenthaler: Die Einleitung, haben Sie gesagt!)  – Nein, die Durchführung des Volksbegehrens! Das Volksbegehren, bitte, wenn Sie es ganz genau wissen wollen, ist nach Abschluss des Energiekapitels, zum Zeitpunkt, als praktisch die Beitrittserfordernisse bereits durchverhandelt sind, nach dieser Unterschriftenfrist im Dezember, im Jänner schon überflüssig. Das habe ich gesagt. (Beifall bei den Grünen.)

12.51

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

12.51

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Über die Vergangenheit kann man endlos lange reden. Man kann aber auch aus gewissen Fehlentwicklungen lernen. Aufgabe und erklärtes Ziel dieser Bundesregierung ist es, an die Zukunft zu denken und für die Zukunft zu arbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es wurde heute schon mehrmals die Frage gestellt, wie ernst dieses Temelín-Volksbegehren genommen wird. Da können wir stolz darauf hinweisen, dass die Mitteilung darüber am Montag ins Hohe Haus eingebracht wurde und heute bereits behandelt wird. Eine so prompte Erledigung hat es bis heute noch in keiner anderen Angelegenheit gegeben. Ich denke, dass das hervorgehoben werden soll und muss.


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Wir werden darüber hinaus einen Sonderausschuss einsetzen, in dem wir uns mit den inhaltlichen und realen Fragen dieses Volksbegehrens und der Atompolitik ernsthaft beschäftigen werden.

Grundsätzlich: Energiepolitik ist nationale Hoheit. Kernenergie geht jedoch auf Grund der Gefahren, die damit verbunden sind, darüber hinaus. Die gefährlichen Folgen von Kernenergie kennen keine Staatsgrenzen. Wer das nicht einsehen will, der denke an Tschernobyl, daran, was Tschernobyl für Europa, für uns alle war: eine Katastrophe, ein Unheil!

Es geht nun darum, dieser Gefahr engagiert entgegenzutreten. Das ist das Ziel unserer Arbeit, und da bringen wir uns ein. Die Antwort auf die Frage: Was hat einen höheren Stellenwert – die Energiebedarfsdeckung oder die Sicherheit?, ist für uns immer klar gewesen. Sicherheit hat oberste Priorität, denn alles andere hat keinen Wert mehr, wenn die Sicherheit nicht entsprechend gewährleistet ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Da heute in den Debattenbeiträgen mehrmals gesagt wurde, dass in der österreichischen Atompolitik eigentlich nicht viel gelaufen sei, fordere ich Sie auf: Bitte nehmen Sie dieses Bundesgesetzblatt als Ergebnis des "Melker Prozesses", als Ergebnis der Verhandlungen im Rahmen des "Melker Prozesses" vom 29. November! Darin ist alles klar dokumentiert, und ich denke, dass es wirklich angezeigt ist, dass wir unserem Herrn Bundeskanzler, Dr. Wolfgang Schüssel, und dem zuständigen Ressortminister Mag. Wilhelm Molterer höchste Anerkennung und Wertschätzung aussprechen. (Abg. Dr. Khol: Und dem Scheibner!) Dieses Ergebnis ist nämlich ganz entscheidend und war nur dadurch möglich, weil auch der Regierungspartner in allen Fragen vernünftig mitgearbeitet und mitgedacht hat. – Eine Anerkennung, die heute auch ausgesprochen werden muss. Herr Minister Scheibner, das gilt auch für Sie. (Beifall bei der ÖVP.)

Temelín soll auf europäisches Sicherheitsniveau gebracht werden; keine Frage. Die Frage ist: Ist eine Beitrittsverweigerung besser? – Eine Beitrittsverweigerung hätte zur Folge, dass zwar der Prozess des Beitritts nicht laufen würde, Temelín aber als permanente Gefahr bestehen bleiben würde und dann völlig unkontrolliert wäre. Das wäre in Wirklichkeit die Gefahr, und diesen leichtfertigen, fatalen Weg gehen wir nicht! Wir gehen hier einen sehr verantwortungsbewussten und klaren Weg, weil es uns um die Sicherheit dieses Landes und seiner Menschen geht. (Beifall bei der ÖVP.)

Die 21 Auflagen aus der tschechischen Umweltverträglichkeitsprüfung wurden umgesetzt. Dazu gibt es ein gemeinsames Monitoring durch die tschechischen und österreichischen Behörden. Ich denke aber, dass nicht nur die Überwachung durch diese beide Staaten, sondern auch von EU-Seite erfolgt und dass dadurch die Europäische Union auch in Zukunft in besonderer Weise gefordert ist. Sie wird sich mit allen ihren Ressourcen und Möglichkeiten und politischen Instrumenten in dieser Frage einzubringen haben. Daran geht kein Weg vorbei!

Das Besondere an dieser Vereinbarung ist auch, dass dieses Abkommen nicht nur auf Temelín heute bezogen ist, sondern auch auf künftige Betreiber. Ich meine, dass so ein Verhandlungsergebnis wirklich als ruhmreich und großartig bezeichnet werden kann und auch die Garantie in sich birgt, dass wir hier auch klare Sicherheitsstandards erreichen können. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Das wesentliche Ergebnis der Verhandlungen ist aber in einem Drei-Stufen-Plan festgelegt:

Erstens: Unsichere Kraftwerke wie Bohunice, Temelín und andere müssen geschlossen werden. Das wurde zugesagt.

Zweitens: Es muss europäische Sicherheitsstandards geben, auch gemeinsame UVP-Vorgaben, wie sie nun auch für Temelín gelten.

Drittens: Und es muss ein europaweiter Ausstieg aus der Atomenergie angestrebt werden. Alternative Formen der Energiegewinnung sind gefordert und gefragt.

Abschließend möchte ich Ihnen sagen, was mich bedrückt: Dass wir in dieser Sache allein ...


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn
(das Glockenzeichen gebend): Den Schlusssatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Karl Donabauer (fortsetzend): Holen Sie sich die Freunde der Sozialdemokratie und der Grünen europaweit zusammen und helfen Sie uns dabei, dass wir im Interesse Österreichs und seiner Bürger unser Ziel erreichen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. Ich erteile es ihm.

12.57

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier im Haus! Sehr geehrte Fernsehzuseher! (Abg. Auer: Opa und Oma schauen auch zu!) Wir haben heute hier eine Debatte geführt, die in einem Punkt klar zeigt, dass diese Bundesregierung die österreichische Bevölkerung im Stich lässt, meine Damen und Herren, ganz klar im Stich lässt! (Beifall bei den Grünen.)

Kollege Donabauer! Gar nichts ist ruhmreich an Ihrer Politik! Es ist überhaupt nichts ruhmreich, wenn man einerseits das Energiekapitel schließt – mit den Stimmen der FPÖ – und dann ein Volksbegehren durchführt. Daran ist nichts ruhmreich, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.) Und es ist nicht ruhmreich, wenn eine Ministerin Forstinger ein Euratom-Forschungsprogramm unterschreibt, womit 1,23 Millionen € für Nuklearforschung eingesetzt werden – davon 30 Millionen an österreichischen Steuergeldern, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Schweitzer: Ihr wiederholt den Unsinn dauernd! Warum wiederholst du den Unsinn dauernd?)

Das ist Ihre Politik, da können wir nicht mitgehen. Wir glauben, dass wir die besseren Vorschläge haben. Wir haben konstruktive Vorschläge gemacht, aber Sie sind auf unsere Vorschläge bisher nicht eingegangen. Was haben Sie in den letzten zwei Jahren für ein atomkraftfreies Mitteleuropa getan? Was haben Sie geleistet, Kollege Schweitzer? (Abg. Mag. Schweitzer: Das hab’ ich ja gesagt, aber du hast nicht aufgepasst!)  – Sie haben nichts geleistet. Sie haben ein Veto-Volksbegehren durchgeführt, statt Verhandlungen mit Tschechien zu führen, statt weiter Verhandlungen zu führen. (Abg. Mag. Schweitzer: Mit wem war die Glawischnig mit? Mit wem ist die Glawischnig mitgefahren? Die Glawischnig war auch in meiner Delegation!)

Meine Damen und Herren! Sie haben zugelassen, dass Atomstrom nach Österreich importiert wird, dass mehr Atomstrom nach Österreich importiert wird als bisher. Sie haben weiters keinen Temelín-Ausstiegsfonds initiiert. Wir Grünen sind der Auffassung, dass das die große Chance ist. Wir brauchen dazu 300 Millionen €. Das sind gerade 15 Prozent der Anschaffungskosten für die Abfangjäger, meine Damen und Herren, und die würden reichen, um ein wirklich gutes, konsequentes Angebot an Tschechien machen zu können, um hier ein Ausstiegskonzept zu entwickeln, damit die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung gewährleistet ist. (Beifall bei den Grünen.)

Das wollen wir Grünen, das werden wir Grünen umsetzen, und wir wissen auch, dass die österreichische Bevölkerung uns in diesen Bemühungen massiv unterstützen wird. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.59

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte.

12.59

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Monate, nachdem mehr als 900 000 Österreicherinnen


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und Österreicher gegen das tschechische AKW Temelín unterschrieben haben, befassen wir uns heute mit diesem Thema. Neugierig bin ich aber darauf, wie die Regierung mit dieser knapp 1 Million an Unterschriften umgeht.

Ich gebe zu, dass sowohl das Ergebnis als auch die Sorgen der Bevölkerung sehr ernst genommen werden müssen. Ich möchte aber davor warnen, dass diese Unterschriften als Propaganda gegen die EU-Osterweiterung missbraucht werden.

Unser Ziel muss es in Zukunft sein, europaweit den gänzlichen Ausstieg aus der Atomenergie zu forcieren. Andererseits wissen wir jedoch auch, dass das Zeitalter der fossilen Brennstoffe langsam, aber sicher zu Ende geht. Alternativen Energieträgern wie der Windenergie, dem Sonnenlicht und der Biomasse gehört die Zukunft. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

In der EU soll der Anteil der erneuerbaren Energie im Gesamtverbrauch bis 2010 von 6 Prozent auf 12 Prozent erhöht werden. Vor allem der Kraft des Windes wird besonderes Augenmerk zugewandt. Diesbezüglich hat das Burgenland bereits eine Vorreiterrolle inne: Windparks wie Zurndorf und seit kurzem auch Mönchhof tragen dazu bei, dass Energie aus Wind gewonnen wird.

Auch europaweit tut sich einiges: Die sturmgepeitschten Nordküsten werden für große Windkraftwerke ausgenützt. Norddeutschland, Island, Dänemark und Großbritannien versorgen bereits viele Millionen Haushalte mit Strom aus Windrädern und Wasserkraft. Daher muss die Zielvorgabe sein, natürliche Ressourcen mehr auszubauen und zu nützen, den gänzlichen Ausstieg aus der Atomenergie zu forcieren, nicht auszugrenzen, sondern gemeinsame Lösungen zu finden in unser aller Interesse und im Interesse unserer Kinder und Enkelkinder.

Auch in deren Interesse darf ich von dieser Stelle aus die Bevölkerung aufrufen, das Sozialstaat-Volksbegehren vom 3. bis zum 10. April zu unterstützen, um zu gewährleisten, dass das soziale Netz nicht aus den Fugen gerät. (Beifall bei der SPÖ.)

13.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte.

13.03

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die internationale Vereinigung von Ärzten gegen Atomenergie erklärt, Atomkraftwerke setzen bereits im Normalbetrieb radioaktive Materialien frei, und das heißt, durch dieses Freisetzen stellen sie eine erhebliche Gesundheitsgefährdung dar.

Es gibt weltweit kein Konzept, Atommüll sicher zu entsorgen. Das radioaktive Erbe der Atomenergie wird die Gesundheit der Menschen für Millionen von Jahren bedrohen, und ein schwerer Atomunfall lässt eine angemessene medizinische Versorgung nicht zu. Das heißt, vielen Menschen würde ganz einfach bei einem Atomunfall nicht geholfen werden können.

Vor rund einem Monat gab es den letzten schweren Defekt in Temelín. Zum 30. Mal wurde das Kernkraftwerk stillgelegt, und tags darauf hat man den Reaktor 2 mit Uranbrennstäben ausgestattet, obwohl internationale Experten dagegen protestiert haben. Wahrlich ein Akt von "Gottvertrauen"!

Risikostudien stellen immer wieder fest, dass ein Temelín-Unfall die Größenordnung von Tschernobyl erreichen kann. Das heißt, im Falle eines Unfalles müssten unvorstellbar viel mehr Menschen evakuiert werden als bisher vorgesehen, und diese Evakuierung müsste nicht nur in einem Umkreis von 50 Kilometern, sondern bei negativer Windrichtung in einem Umkreis bis zu 200 Kilometern erfolgen und in drei bis fünf Stunden vorgenommen werden. Linz ist 97,2 Kilometer von Temelín entfernt, Wien 187 Kilometer. Es ist also praktisch unmöglich, die Evakuierung in diesem Zeitraum durchzuführen.


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In der Ukraine, meine Damen und Herren, erkranken jährlich noch immer 650 Kinder an Leukämie. Die Zahl der Schilddrüsenkarzinome bei Kindern ist um das Dreißigfache gestiegen, und die Schätzung der Todesfälle durch Spätfolgen geht bis jetzt in die Hunderttausende. Über Missbildungen über Generationen hinweg verschweigt sich die Presse. Von Ärzten vor Ort gibt es grauenvolle Tatsachenberichte.

In Österreich, meine Damen und Herren, haben knapp 1 Million Menschen das Anti-Temelín-Volksbegehren unterschrieben. Das ist ein klarer Auftrag für eine atomenergiefreie Zukunft für uns und unsere Kinder an alle österreichischen Parteien!

Die Bayerische Staatsregierung hat am 20. Februar in einem Regierungsbeschluss ebenfalls die Stilllegung von Temelín gefordert. Die niederländische Zeitung "De Volkskrant" und die französische Zeitung "Libération" werten das Volksbegehren als einen Sieg und thematisieren die Angst der Österreicher mit Verständnis. Es ist nun durch dieses Volksbegehren gelungen: Temelín wird europäisiert, die europäische Zielsetzung heißt nun "Ausstieg aus der Atomenergie".

Das Thema Temelín kommt mit dieser Ersten Lesung des Volksbegehrens im Parlament keineswegs von der politischen Tagesordnung, auch wenn es der Opposition nicht passt, sondern es wird in einem eigenen Sonderausschuss weiter beraten und erfährt keine politische Endlagerung wie das Frauen-Volksbegehren und das Gen-Volksbegehren der SPÖ. Ziel des Ausschusses ist es, eine erneute und wirklich unermüdliche Diskussion und Prüfung der Nullvariante, des Ausstieges aus der Atomenergie, weiter zu betreiben.

Es ist ein klarer politischer Auftrag der Bevölkerung, noch einmal mit Tschechien zu verhandeln, dann, wenn nach erfolgten Wahlen mit einer neuen Regierung Verhandlungen wieder möglich sind. Österreich – und das kam ganz klar zum Ausdruck – will keine Inbetriebnahme Temelíns!

Meine Damen und Herren! Eine französische Zeitung schreibt: Das atomare Restrisiko ist jenes Risiko, das uns jeden Tag den Rest geben kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Wittmann zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, ich gehe davon aus, dass Ihnen die diesbezüglichen Bestimmungen der Geschäftsordnung bekannt sind.

13.07

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Abgeordneter Hofmann hat behauptet, ich hätte behauptet, dass das Volksbegehren schändlich sei. – Das ist unrichtig.

Ich habe Herrn Bundesminister Molterer zitiert, der behauptet hat, dass das Volksbegehren nicht konstruktiv, ja schädlich sei. Und mein Ausdruck "schädlich" hat sich auf die Veto-Drohung in diesem Volksbegehren bezogen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte. (Bundesminister Mag. Molterer: Der zweite Mühlviertler! – Abg. Mag. Gaßner  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Jawohl, Herr Bundesminister, der zweite Mühlviertler!)

13.07

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Was hat das Fernsehen mit Temelín zu tun? – Sehr viel, denn in dem Augenblick, da die Übertragung zu Ende ist (Ruf bei den Freiheitlichen: ... sind alle draußen!), sind zwar nicht alle draußen, aber ein Großteil der Damen und Herren Abgeordneten ist weg. (Abg. Dr. Ofner: Machst du aber eh keinen Unterschied zwischen den Fraktionen?) Damit zeigen Sie sehr deutlich, was Sie mit den Ängsten der Menschen, mit den Ängsten der Menschen in der Grenzregion und mit diesem Thema Temelín am Hut haben. (Abg. Ing. Fallent: Wo ist denn die SPÖ?)


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Ein Wort noch zur Wahrhaftigkeit des Herrn Klubobmannes Khol. Er hat hier behauptet, dass die ÖVP immer gegen Zwentendorf war. Ich erinnere jetzt an die Wahrhaftigkeit des Herrn Khol, indem ich aus dem "Express" vom 2. Juli 1969 zitiere. Da hat es geheißen: Die Würfel sind nun endgültig gefallen. Die Inbetriebnahme des ersten österreichischen Kernkraftwerkes in Niederösterreich ist für 1975/1976 geplant. Dies erklärte Bundesminister für Verkehr und verstaatlichte Unternehmen Dr. Weiß im Ministerrat. (Abg. Mag. Kukacka: Haben Sie kein jüngeres Zitat gefunden? Das ist ja schon 100 Jahre alt!)

Lesen Sie das Ministerratsprotokoll, Herr Kollege, dann wissen Sie, wie die ÖVP zu Zwentendorf gestanden ist. Sie hat es beschlossen, dieses Zwentendorf. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Was hat Kreisky gemacht? Behaupten Sie, dass Kreisky auch dagegen war?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um nicht verdächtigt zu werden, dass ich hier Parteipolitik betreibe, möchte ich aus einem Brief an die oberösterreichischen Bürgermeister und Vizebürgermeister der ÖVP im Zusammenhang mit Temelín, mit all diesen Sicherheitsbestimmungen und mit all diesen Verhandlungen zitieren.

In diesem Schreiben heißt es: "Sehr geehrter Herr Bürgermeister/Vizebürgermeister! Lieber Freund!" – Wahrscheinlich gibt es dort keine Frauen. – "Die ÖVP Oberösterreich steht seit Beginn an der Spitze der Anti-Atombewegung in unserem Land." – Ja, sie steht so an der Spitze, dass sie jetzt sogar der Anti-Temelín-Bewegung das Geld kürzt und sich nicht darum kümmert, dass es immer noch Anzeigen gegen Demonstranten gibt, Anzeigen, die noch nicht zurückgelegt wurden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Mag. Kukacka: Wir sind noch immer für den Rechtsstaat!)

Und dann heißt es weiter in diesem Schreiben: "Jetzt haben Bundeskanzler Schüssel und Umweltminister Molterer bei Verhandlungen erreicht, dass konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit noch vor der kommerziellen Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes durchgeführt werden."

Herr Bundesminister! Die "kommerzielle Inbetriebnahme" interessiert die Mühlviertler, die Menschen in der Grenzregion nicht. Er strahlt! Der Meiler strahlt bereits, und jede Woche haben wir Zwischenfälle, und nächste Woche geht der zweite Block in Betrieb. Das ist die Tatsache, und das fürchten die Leute! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wochesländer: Und da sperrt ihr euch noch immer gegen alles?) – Zu Ihnen komme ich schon noch!

Aber jetzt zu Ihnen, meine Damen und Herren von der ÖVP. Es heißt in diesem Brief weiter: "Ein Veto gegen den EU-Beitritt Tschechiens, wie es jetzt im Volksbegehren der FPÖ gefordert wird", schreibt Schüssel – schreibt Schüssel! –, "bringt uns in puncto Sicherheit keinen Schritt weiter." – Da gebe ich ihm Recht, das bringt uns überhaupt nicht weiter.

Es heißt dann weiter: "Darüber hinaus verliert Österreich mit der Veto-Drohung Verbündete ..." – Auch das stimmt.

Dann heißt es – ganz interessant! –: "Die FPÖ versucht mit diesem heiklen Thema politisches Kleingeld zu verdienen." – Sie, sagt der Herr Bundeskanzler, und es heißt weiter, es wird "mit den Ängsten der Menschen gespielt. Das ist nicht seriös."

Da meint er Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ. (Abg. Dr. Ofner: Noch immer hab’ ich meinen Namen nicht gehört! Ich heiße Harald Ofner! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)  – Unterschrieben: Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Landeshauptmann Pühringer.

Die Tschechen haben ein leichtes Spiel bei den Verhandlungen. Sie wissen ganz genau, dass die Regierungskoalition zerstritten ist (Abg. Dr. Pumberger: Dann bist du aufgewacht!), dass diese in dieser Frage keine einheitliche Meinung hat, und das alles wird auf dem Rücken derer ausgetragen, die sich wirklich vor Temelín fürchten, weil sie in der Todeszone leben. (Abg. Mag. Mühlbachler: Es geht um Temelín!) Deine Bürger, Herr Kollege Mühlbachler, die


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98. Sitzung / Seite 78

Menschen in Freistadt, haben wirklich Angst, und die kommen sich – entschuldigen Sie den Ausdruck – "verscheißert" vor bei dieser Temelín-Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

13.


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98. Sitzung / Seite 79

13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. (Abg. Wochesländer  – in Richtung SPÖ –: Ein Arzt, nicht ...!)

13.13

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Bundesminister! Hohes Haus! Die Erinnerung an 1986, Tschernobyl, und an die nunmehr 30 Störfälle beim Temelín-Kraftwerk – das war der Grund dafür, dass 914 973 Menschen – besorgte Menschen! – dieses rot-weiß-rote Volksbegehren unterschrieben haben. Sie haben für eine sichere Zukunft unterschrieben und gegen die ständige Bedrohung durch einen Schrottreaktor. Das war der Grund: Weil die Leute Angst gehabt haben und immer noch haben, dass mit diesem Schrottreaktor etwas passieren könnte.

Gerade als Gesundheitspolitiker und Arzt muss ich ganz besonders darauf hinweisen, dass Atomkraft niemals sicher sein kann und dass auch bei intakten Atomkraftwerken im Normalbetrieb laufend Radioaktivität freigesetzt wird. Studien haben wiederholt ergeben, dass in der Umgebung von im Normalbetrieb befindlichen Atomkraftwerken um etwa 20 Prozent mehr Leukämie-Fälle auftreten. Bei einem Super-GAU, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt es keinen Schutz. Da gibt es kaum eine Therapie, da gibt es keine Heilung verstrahlter Menschen. Die Mediziner stehen hilflos daneben und müssen zuschauen, wie die Menschen zu Schaden kommen und die Umwelt auf Jahrtausende zerstört und verstrahlt ist.

Die Mütter haben Angst um ihre Kinder, und deswegen haben sie unterschrieben. Und sie hatten auch Angst vor der Nationalratswahl, bei der Plattform "Mütter gegen Atomgefahr". Klima, der Bundeskanzler der SPÖ, ist vor der Nationalratswahl darauf eingestiegen und hat den Müttern versprochen: Kein EU-Beitritt mit dem Atomkraftwerk Temelín!

Dann haben wir das Volksbegehren gestartet, und breiteste Schichten der Bevölkerung haben es mitgetragen. Es war ein rot-weiß-rotes Volksbegehren, das von Menschen aus allen politischen Lagern unterzeichnet wurde. Etwa 30 Prozent der Unterzeichnenden, schätzt man, kamen aus der SPÖ. Daher finde ich es nicht richtig, wenn Sie sich von der Verantwortung verabschieden, so wie es die Grünen tun.

Frau Abgeordnete Moser sagt überhaupt: Das Volksbegehren war überflüssig. (Abg. Dr. Moser: Geh, passen S’ auf!) Sie haben es bei der tatsächlichen Berichtigung bestätigt. Und Ihre Kollegin, die EU-Abgeordnete Echerer, sagte am 13. November vergangenen Jahres: Ich traue mich das kaum zu sagen: Die Sache ist gelaufen. – Und gibt den Kampf auf, genauso wie Moser und Van der Bellen und Petrovic und viele andere Grüne. (Abg. Dr. Moser: Da haben Sie aber gar nicht aufgepasst!) Sie haben den Kampf schon längst aufgegeben! Wir Freiheitlichen, meine Damen und Herren, geben keine Ruhe, bis das Temelín-Kraftwerk zugesperrt ist! Die Nullvariante muss umgesetzt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitlichen als Initiatoren des Volksbegehrens fühlen uns den 915 000 Unterzeichnenden verpflichtet, und daher freuen wir uns, dass es nun einen Erfolg gibt, dass dieser Sonderausschuss eingerichtet wird, dass wir die Möglichkeit haben, mit Experten die Fragen zu diskutieren und die Nullvariante zu überprüfen und anzustreben, und dass wir nach der Wahl in Tschechien Neuverhandlungen mit der tschechischen Regierung aufnehmen.

Zwei Ziele müssen wir erreichen: zum einen die Nullvariante Temelín – Temelín muss Zwentendorf werden –, und zweitens den europaweiten Ausstieg aus der Kernenergie. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reheis. – Bitte.

13.17

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus – oder das, was noch da ist! (Einige Abgeordneten-Bänke sind leer.) Ja, über 915 000 Menschen – das hat auch Kollege Pumberger bestätigt – haben das von der FPÖ initiierte Anti-Temelín-Volksbegehren unterzeichnet. (Abg. Dr. Jarolim: Missbrauchsopfer sind sie!) Über 900 000 Menschen haben in gutem Glauben erwartet, dass sich diese Bundesregierung, ausgestattet mit diesem Ergebnis, dieser hohen Beteiligung am Volksbegehren, mit aller Kraft für die Sorgen und Ängste der Österreicher einsetzen wird. – Mitnichten, meine Damen und Herren: Blau und Blau-Schwarz haben nach diesem Volksbegehren ihre Politik der Untätigkeit fortgesetzt und die Menschen in die Irre geführt, über 915 000 Menschen im Stich gelassen und verraten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, es ist schon richtig, Herr Kollege, es haben auch Sozialdemokraten dieses Volksbegehren unterschrieben. Aber das waren Sozialdemokraten bisher nicht gewöhnt: dass ihre Unterschriften missbraucht werden! Diese Unterschriften werden Sie nie mehr bekommen, Herr Kollege, denn Sozialdemokraten lassen sich nicht missbrauchen! Einmal in die Irre geführt ist zum letzten Mal in die Irre geführt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Die haben Sie hängenlassen!)

Große Reden, Herr Kollege, wurden seitens der FPÖ-Funktionäre geschwungen, und es wurde mit der Veto-Keule gedroht und den Österreicherinnen und Österreichern alles versprochen – und geschehen ist nichts! Nur leere Versprechungen! Seit diesem Volksbegehren ist nichts passiert, weder von den Volksbegehrensinitiatoren der FPÖ noch vom Regierungspartner, der ÖVP. Auch bei Temelín gilt: Wie versprochen, so gebrochen!

Es ist Ihnen gelungen, meine Damen und Herren, die Menschen für das Volksbegehren zu mobilisieren. Aber was haben Sie mit den Unterschriften gemacht? (Abg. Dr. Ofner: Wart ein bisschen!) Sie haben die Österreicherinnen und Österreicher alleine gelassen. Sie haben ihr Vertrauen missbraucht, und Sie haben die Menschen enttäuscht. Es gab seit dem Temelín-Volksbegehren – und das ist nachweisbar – keine Aktivitäten der Bundesregierung oder der FPÖ mit Tschechien, keine Aktivitäten auf europäischer Ebene. Nichts ist passiert! Temelín ist dieser Bundesregierung anscheinend kein dringliches Anliegen mehr. Dafür werden in Temelín inzwischen Fakten geschaffen, und das heißt: die volle Beladung mit 163 Brennstäben mit insgesamt 95 Tonnen Gewicht. (Abg. Mag. Kukacka: Das haben wir schon alles gehört!) Der zweite Reaktorblock im Atomkraftwerk ist betriebsbereit, meine Damen und Herren.

Selbst ein von der Bundesregierung in Auftrag gegebener Sicherheitsbericht zum AKW Temelín bestätigt, dass wegen schwerwiegender Sicherheitsmängel nach europäischer Genehmigungspraxis weder Block 1 noch Block 2 mit Brennstäben beladen werden darf. (Abg. Dr. Ofner: Was habt ihr dagegen gemacht?) Im August 2002, Herr Kollege, soll Temelín 2, der zweite Reaktorblock, in den kommerziellen Betrieb gehen. (Abg. Dr. Ofner: Was habt ihr gemacht?) Es sollte nicht heißen: "Was habt ihr gemacht"?, Herr Kollege, sondern die Frage sollte lauten: Was haben Sie gemacht?, denn seit zwei Jahren sind Sie an der Regierung. Das ist die Frage, die zu stellen ist! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Die Leute habt ihr verraten!)

Blau-Schwarz schweigt, Herr Kollege! Das Temelín-Volksbegehren ist vorbei, es ist Geschichte – und die Initiatorin dieses Volksbegehrens, die FPÖ, sie schweigt!

Ich frage Sie: Was ist Ihnen die Sicherheit der Bevölkerung wirklich wert? Sagen Sie uns, was wer in dieser Angelegenheit noch wird unternehmen können! (Abg. Dr. Ofner: Ihr nichts! Das ist mir klar!) Da stellt sich aber auch die Frage: Wer wird Ihnen noch glauben, meine Damen und Herren? (Abg. Dr. Ofner: Ihr macht nichts!)

Sie waren nicht nur untätig, Sie stimmen auch noch zu. Frau Außenminister Ferrero-Waldner hat keinen Vorbehalt gegen das Energiekapitel der EU vorgebracht, nein, sie hat auch diesem Kapitel vorbehaltlos zugestimmt.


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98. Sitzung / Seite 80

Meine Damen und Herren! Die Bevölkerung ist enttäuscht. Sie haben auch das letzte Quäntchen Vertrauen verspielt. Über 915 000 Menschen haben Sie im wahrsten Sinn des Wortes mit ihren Sorgen sitzen gelassen. (Abg. Dr. Ofner: Neid ist dein Laster!) Es ist unverantwortlich, unredlich und unanständig, der Bevölkerung Aktivitäten vorzutäuschen, während in Wirklichkeit nichts geschieht.

Hingegen ist die Position der SPÖ klar: Wir sagen ja zu mehr Sicherheit bei Kernkraftwerken, wir sagen ja zu einem europaweiten Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Atomenergie, und wir sagen ja zur Erweiterung der EU – aber wir sagen nein zur Veto-Politik der FPÖ. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Etwas tun und nicht nur sagen!)

13.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Fallent. – Bitte.

13.22

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Kollege Reheis, das AKW Temelín wird seit 1989 gebaut, und ich glaube, Sie haben vergessen, dass Sie 30 Jahre lang in Österreich regiert haben. Sie hätten also schon früher etwas dagegen tun können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube, dass Sie auch vergessen haben, dass es in Tschechien Ihre sozialistischen Freunde waren, die dieses Kraftwerk gebaut haben, und wir erwarten uns von Ihnen, dass Sie auf Ihre Freunde in Tschechien einwirken. Sie sollten das jetzt nicht nur von uns fordern, zumal Sie das seit 15 Jahren selber hätten tun können, es aber leider verabsäumt haben. (Abg. Parnigoni: Aber Sie sind an der Regierung! Schlafen Sie in der Regierung?)

Außerdem haben Sie uns außer Schulden, Privilegienwirtschaft, 1 Million Menschen am Rande der Armut, davon 400 000 in Armut, einer überbordenden Bürokratie, Doppelgleisigkeiten und Zwängen nichts hinterlassen, und das haben wir aufzuräumen. Wir sagen Ihnen: Dieses Volksbegehren ist der richtige Weg! (Abg. Parnigoni: Sie bringen nichts zusammen!)

Dieses Volksbegehren ist der richtige Weg! Unser Weg gegen Temelín ist der richtige Weg!

Zum Temelín-Volksbegehren selbst: 15 Prozent der Österreicher haben dieses Volksbegehren unterschrieben: 22,5 Prozent der Oberösterreicher, 25 Prozent der Bevölkerung meines Bezirkes und 41 Prozent der Bevölkerung meiner Heimatgemeinde Laussa. Wissen Sie, warum 41 Prozent der Einwohner meiner Heimatgemeinde unterschrieben haben? – Weil wir in Laussa eine Umweltmustergemeinde sind. Wir setzen uns seit 20 Jahren mit erneuerbarer Energie auseinander und haben ein besonderes Bewusstsein in diesem Bereich entwickelt. (Abg. Parnigoni: Die werden von Ihrer Politik besonders enttäuscht sein!) Somit kennen wir die Sorgen und die Bedrohungen in diesem Zusammenhang. Wir werden dann bei der Kyoto-Debatte noch einmal auf meine Heimatgemeinde zu sprechen kommen.

Meine Damen und Herren! Es tut mir Leid, und ich habe Sorge (Abg. Parnigoni: Das haben wir auch!), dass das AKW Temelín immer noch in Betrieb ist. Es tut mir Leid, und ich habe Sorge, dass es immer noch keine europäischen Sicherheitsstandards gibt, die eine hohe Sicherheit gewährleisten. Es tut mir auch Leid, dass Amerika und Teile Europas immer noch auf die Nutzung von Atomenergie setzen. Und es tut mir Leid, dass wir immer noch keine Kostenwahrheit bei Energieträgern haben, weil es aus diesem Grund nicht möglich ist, dass die Konsumenten die richtigen Weichen stellen, denn es bestimmt eben letztendlich noch immer der billigste Preis den Konsum. Aber das Temelín-Volksbegehren, das von 16 000 Menschen, die Sorge um die Gesundheit haben, eingeleitet wurde, war der richtige Weg, war ein wichtiger Weg.

Wir sagen ja zum Leben und nein zu Temelín, und ich glaube, dass das die Österreicher einsehen.


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Mein Ziel und das Ziel der Freiheitlichen ist es, die Schließung des AKW Temelín zu erreichen, in der Übergangsphase EU-weite Standards zu ermöglichen, langfristig und mittelfristig den Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie europaweit und weltweit zu schaffen und den Umstieg auf erneuerbare Energie einzuleiten und letztendlich auch umzusetzen und nicht nur davon zu reden. (Abg. Mag. Gaßner: Warum stimmen Sie dann dem Energiekapitel zu?)

Ich muss Ihnen aber auch sagen, dass ich, weil ich Demokrat bin, anerkenne, dass es dafür noch keine Mehrheiten – auch in diesem Hohen Haus nicht – gibt. Ich werde mich aber stets bemühen, über Parteigrenzen hinweg Verbündete zu finden, über Parteigrenzen hinweg jenes Bewusstsein zu schaffen, das notwendig ist, um mehrheitsfähig zu werden. Der Ausschuss, der am heutigen Tag gebildet wird, ist in der Lage – davon bin ich überzeugt –, dieses Ziel zu erreichen.

Höflich und mit Sorge richte ich die Bitte an alle Abgeordneten hier im Hohen Haus: Stellen Sie die Schließung des AKW Temelín vor die Sicherheitsstandards, die in Wirklichkeit ja nicht erreicht werden können! Stellen Sie die Schließung des AKW Temelín in letzter Konsequenz – und ich sage es ganz bewusst: in letzter Konsequenz! – vor den Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union, denn nur ein stillgelegtes AKW ist ein sicheres AKW, und nur eine erweiterte Union in Frieden ist eine Union, die Bestand hat und nachhaltig ist!

Ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, bin in erster Linie meinen Kindern, meiner Familie, meiner Heimatgemeinde, meinem Bezirk, meinem Bundesland Oberösterreich und dem Staat Österreich verpflichtet.

Bemühen wir uns in diesem Sonderausschuss, gemeinsam unserer Verpflichtung gerecht zu werden und eine vernunft- und lösungsorientierte Politik mit Herz und Verstand zu machen! Geben wir uns eine Chance, und helfen Sie mir, meiner Verantwortung gerecht zu werden! Wir haben keine Zeit zu verlieren. Das AKW Temelín stellt ein russisches Roulette dar, denn keiner von uns weiß, welche Folgen der nächste Störfall haben wird. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Weinmeier. – Bitte.

13.27

Abgeordneter Ing. Wilhelm Weinmeier (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich hat mit diesem Temelín-Volksbegehren ein zweites Mal nach der Volksabstimmung gegen Zwentendorf ein sehr kräftiges Signal für den Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie gesetzt und – etwas, das noch viel wichtiger ist – auch ein sehr kräftiges Signal allgemein gegen die weltweite Nutzung der Kernenergie ausgesandt.

Diese 900 000 Unterschriften der Unterzeichner dieses Volksbegehrens, denen ich hier Dank für ihren Mut und ihr Engagement sagen möchte (Beifall bei den Freiheitlichen – Abg. Parnigoni: Bedauern Sie lieber diese 900 000!), sind in Wirklichkeit ein Hilferuf der Bevölkerung gegen die Bedrohung durch den Pannen-Reaktor Temelín bei unseren tschechischen Nachbarn. Dieser Hilferuf ist aber offenbar der Opposition egal, und dieser Hilferuf ist offenbar auch unseren tschechischen Nachbarn, sprich: den Betreibern dieses AKW und den Mitgliedern der tschechischen Regierung, egal, und dieser Hilferuf war bisher leider auch der EU egal.

Der Umgang der EU mit der Angst der Bürger und der Umgang Tschechiens mit der berechtigten Angst seiner Nachbarn ist tatsächlich beschämend. Wenn das die europäische Wertegemeinschaft ist, dann muss man sie tatsächlich in Frage stellen.

Ich habe gestern in der Zeitung eine Aussage von Seiten der tschechischen Botschaft gelesen, und ich möchte dem tschechischen Botschafter, der selbst zugegeben hat, dass es ihm unangenehm ist, in das österreichische Parlament zu kommen, und der gemeint hat, es gebe keine relevante Gruppe, Folgendes ausrichten: Es gibt eine sehr große relevante Gruppe in Österreich und auch eine in ganz Europa, die sich um diese Bedrohungspolitik der tschechischen


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Regierung Sorgen machen. Aber hierin gibt es offenbar eine Parallele zu der Art und Weise, wie man in Tschechien mit den Menschenrechten umgeht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie ernst man die Anti-Temelín-Politik der Opposition nehmen kann, möchte ich an zwei Beispielen festmachen. Wer hat uns diese Situation eingebrockt? Wer hat uns in diese Situation gebracht? Niemand geringerer als der EU-Erweiterungskommissar Verheugen hat es selbst vor einigen Monaten in einem Interview gesagt. Verheugen erklärte, "dass die damalige österreichische Regierung unter Kanzler Klima" – man höre! – "bis Ende 1997 die Chance gehabt hätte, Temelín auf die Liste der weg zu verhandelnden, weil nicht nachrüstbaren AKWs zu setzen, wie es bei Ignalina, Kozloduj und Bohunice geschah. Diese Frist habe Österreich jedoch versäumt."

So viel zur Verantwortung der sozialdemokratischen Opposition, die sie offenbar verdrängt und vergisst. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Böhacker: Hört! Hört!)

Ein zweites Beispiel für die Kompetenz der sozialdemokratischen Antiatompolitik: Es gibt eine schriftliche Anfrage der SPÖ, 3353/J, vom 31. Jänner dieses Jahres betreffend die Aufhebung des Atomstromimportverbots aus Drittländern nach Österreich, und in dieser Anfrage wird die Frage gestellt:

"Halten Sie die Aufhebung des Stromimportverbots aus der Slowakei, Ungarn, Slowenien und Polen angesichts des Zustandes der Atomanlagen in diesen Ländern für gerechtfertigt?"

Ich möchte der Antwort des Ministers nicht vorgreifen, ich werde aber der Frau Kollegin Sima, die diese Anfrage gestellt hat, gerne antworten: Ich halte die Gefahr, die von polnischen Atomkraftwerken ausgeht, für sehr, sehr gering, denn es gibt nämlich in Polen gar keine Atomkraftwerke. – So viel zur Kompetenz der SPÖ in der Anti-Atompolitik. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Achatz: Peinlich!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Mit dieser Kompetenz und mit dieser Vorstellung, die Sie hier heute geliefert haben, sind Sie in der Anti-Atompolitik unglaubwürdig! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Graf. – Bitte.

13.31

Abgeordneter Ing. Herbert L. Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Hohes Haus! Wenn ich jetzt in Richtung Sozialdemokratie schaue, dann möchte ich sagen: Es gibt auch in Ihren Reihen Ingenieure, die sich mit Turbinentechnik beschäftigen, sie werden es auch erklären können, was passiert, wenn die oberkritischen Schwingungen, wie sie bei der Turbine in Temelín gegeben sind, nicht wegzubekommen sind. Sie sind nicht wegzubekommen, weil es gleichsam wie bei einem Autorad, das nicht ausgewuchtet ist, einfach keine Möglichkeit gibt, diese Schwingungen in diesem Bereich wegzubekommen.

Wenn man sich dazu dann auch noch die Tatsache vor Augen hält, dass das Fundament dieser Turbine zu klein geraten ist, dann man sich ausmalen, was passieren wird. Ich befürchte, dass uns die Entwicklung einholen wird, und zwar viel früher, als uns lieb ist. Es werden schwere Turbinenschäden auftreten, sprich: es wird die Turbine zerreißen, und dann müsste das Kühlsystem einsetzen – ein Kühlsystem, das neben einer Dampfleitung verlegt worden ist. Das sind die großen Fehler, die auch die österreichischen Wissenschafter aufgelistet haben. – Was wird dann passieren, wenn zusätzlich der Kühlkreislauf beschädigt wird? Dann haben wir genau das, dessen wir in einem Monat, am 26. April, als traurigen Anlass wieder gedenken können, nämlich Tschernobyl. Wir alle wissen noch, wie das damals verlaufen ist.

Ich würde Ihnen daher raten, diese Bedenken, die hier heute zum Teil schon geäußert worden sind, wirklich ernst zu nehmen. Auch Sie sollten das tun, Herr Dr. Wittmann, der Sie gesagt haben, dies sei kein Volksbegehren der Regierung, sondern ein Volksbegehren der Freiheit


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lichen Partei. Ich sagen Ihnen, Herr Abgeordneter Wittmann: Es ist ein Volksbegehren von 914 973 besorgten Bürgern, die sich Gedanken gemacht haben, die genau fühlen, was los ist! Und dem ist Respekt entgegenzubringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn hier ein Redner herauskommt und sagt: Ich habe ein Protokoll aus dem Jahre 1969 gefunden, damals hat der ÖVP-Landeshauptmann Maurer Folgendes gesagt, und wenn der nächste Redner herauskommt und sagt: Ich habe ein Protokoll aus dem Jahre 1954 gefunden, damals hat der "Klub der Weisen" in Rom das und das gesagt!, dann muss ich sagen: Ich glaube, das Wichtige ist das, was auch der Abgeordnete Donabauer gesagt hat, nämlich: Wir müssen aus der Entwicklung lernen! Bitte nehmen Sie sich auch ein Beispiel an Herrn Präsidenten Fischer! Er hat gesagt: Ja, ich war früher für die Atomkraft, aber jetzt habe ich eingesehen, dass das der falsche Weg ist, und ich weiß, dass wir da Handlungsbedarf haben!

Das ist der richtige Weg, und der erfordert die Unterstützung von uns allen, insbesondere auch von Ihnen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte abschließend schon noch eines erwähnen: Es hat Ihr Klubobmann Dr. Cap in seiner Rede rhetorisch sehr gut "Sündenfälle", wie er sie genannt hat, aufbereitet. Fünf "Sündenfälle", die angeblich vorhanden sein sollen, hat er genannt. Mir hat der wichtigste gefehlt, nämlich der sechste "Sündenfall": dass Sie in der Vergangenheit verabsäumt haben, etwas dagegen zu machen. Und das ist unser Problem jetzt, und das sehen auch die 914 973 Bürger so, die das Temelín-Volksbegehren unterzeichnet haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Zierler. – Bitte.

13.35

Abgeordnete Theresia Zierler (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesminister! Hohes Haus! Über das Temelín-Volksbegehren wurde jetzt viele Stunden diskutiert. Von den Oppositionsparteien wird dieses Volksbegehren als "peinliches Debakel" bezeichnet, man sagt, die Unterschriften seien überflüssig.

Wenn ich das so höre, dann denke ich mir: Es ist nicht Österreich als Sozialstaat in Gefahr, wie Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen, versuchen, es den Bürgern in Österreich weiszumachen, wie Sie versuchen, die Bürger in Österreich zu verunsichern, sondern die Demokratie ist in Österreich in Gefahr, und darüber mache ich mir Sorgen. Demokratie heißt für Sie offenbar, das Volk nur dann mitbestimmen lassen zu wollen, wenn es genau auf Ihrer parteipolitischen Linie ist und wenn das Volk ganz genau das sagt, was Sie hören möchten. Das, meine Damen und Herren von der Opposition, ist für mich ein rot-grünes Schreckensszenario! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Reheis. )

Herr Kollege Reheis! Ich habe Ihnen zugehört, und irgendwie hatte ich den Eindruck, dass Sie unter Realitätsverlust leiden. Ich weiß nicht, wie ich es sonst bezeichnen könnte. Denn: Sie sprechen da von Volksbegehren der SPÖ. Haben Sie vergessen, welche Ergebnisse Ihre Volksbegehren gehabt haben? Was haben Sie damit gemacht? Was ist beispielsweise mit dem Frauen-Volksbegehren geschehen? (Abg. Parnigoni: Sie verhindern ja alles! Sie tun ja nichts für Frauen!)

Nun wende ich mich in einer ganz aktuellen Sache an die ÖGB-Funktionäre: Da gab es eine Urabstimmung, die um Abermillionen Schilling an Werbekosten initiiert und durchgeführt wurde, wobei man nicht einmal gewusst hat, worüber man eigentlich hat abstimmen lassen. – Um Mitbestimmung ist es da ganz bestimmt nicht gegangen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ. – Beifall bei den Freiheitlichen.)

Folgendes muss ich schon auch sagen: Haben Sie eigentlich wirklich schon total vergessen, was in Tschernobyl passiert ist? (Abg. Parnigoni: Keine Aktivitäten der FPÖ!) Man sagt immer: Na ja, Tschernobyl! – Wissen Sie eigentlich, was da wirklich passiert ist? Wissen Sie, dass wir hier von Menschen reden? Wissen Sie, dass nach 16 Jahren Tschernobyl immer noch Millionen


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von Menschen in dieser Region internationale Hilfe brauchen, dass dort viele Menschen in einem Zustand der chronischen Abhängigkeit leben?

Vielleicht hören Sie sich das einmal an! (Heiterkeit der Abg. Dr. Mertel. ) Das ist nicht zum Lachen, Frau Kollegin, sondern das ist erschütternd! Darum geht es uns!

Heute noch gibt es Schlagzeilen über die Folgen dessen, was in Tschernobyl damals passiert ist. So heißt es zum Beispiel: vermehrtes Auftreten von Schilddrüsenkrebs, und zwar vorwiegend bei Kindern. – Vielleicht können Sie sich das einmal vergegenwärtigen! – Oder: Genmutationen bei Kindern, die Tschernobyl-Opfer sind. Und so weiter und so fort.

Vielleicht schauen Sie sich einmal den diesbezüglichen Bericht von Greenpeace an! Da steht zum Beispiel: Ein Zehntel der für Aufräumarbeiten eingesetzten 300 000 Liquidatoren sind gestorben, 50 000 sind invalid.

Wir sprechen von Menschen! Wir sprechen von Langzeitfolgen! Wir sprechen von Folgen, die wir heute und jetzt nicht abschätzen können! (Abg. Parnigoni: Was tun Sie gegen Temelín!)

Was tun wir dagegen? – Das ist ganz klar und deutlich: Wir stellen uns auf die Füße und geben uns nicht zufrieden mit Verhandlungen, die nicht in unserem Sinn gelaufen sind, bei denen es keine Lösung gegeben hat! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Was tun Sie?)

Wir bekennen uns klar und deutlich zu unserer Meinung. Wir haben den Mut, zu sagen, was wir wollen, und wir stehen dazu und wir treten auch dafür ein. Das, meine Damen und Herren von der Opposition, tun wir! Was aber haben Sie in 30 Jahren getan? – Nichts! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

13.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

13.39

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Ich glaube, dass es in einigen wichtigen staatspolitischen Themen eine gemeinsame Grundhaltung von Opposition und Regierung geben sollte. Die Themen Temelín und Anti-Atompolitik sollten ein solches gemeinsames nationales Anliegen sein, sie sollten nicht für parteipolitische Profilierung missbraucht werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich bedauere deshalb die Haltung der Opposition in dieser Frage, und ich hoffe noch immer inständig auf Umkehr der beiden Fraktionen der Opposition. Wir müssen gemeinsam auf einen europäischen Bewusstwerdungsprozess setzen, und wir müssen uns vor allem auch eingestehen, dass wir, die österreichischen Politiker und Politikerinnen, die Schließung der Atomkraftwerke nicht alleine erzwingen können – auch nicht jene des AKW Temelín, und zwar schon gar nicht wenige Wochen vor der tschechischen Nationalratswahl.

Meine Damen und Herren! Die Volkspartei hat dieses Volksbegehren zwar nicht unterstützt (Abg. Dr. Moser: Aber geduldet!), allerdings hat sie respektiert, dass 15 Prozent der österreichischen Bevölkerung dieses Volksbegehren unterschrieben haben. Das ist ein Faktum! Das ist eine hohe Zahl, und das respektieren wir selbstverständlich auch. Und diesen Respekt vor diesem Volksbegehren und vor den Bürgern, die es unterschrieben haben, werden wir auch beweisen. Wir werden mit diesem Volksbegehren respektvoll umgehen.

Meine Damen und Herren! Wir verstehen die Motive all jener, die dieses Volksbegehren unterschrieben haben (Abg. Parnigoni: Wir verstehen das auch!), auch wenn wir nicht alle diese Motive auch teilen.

Meine Damen und Herren! Umfragen zeigen, dass ein Großteil der österreichischen Bevölkerung den Verhandlungskurs der Regierung in dieser Causa unterstützt. 67 Prozent der Bevölke


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rung haben bestätigt, dass es richtig war und ist, auf Verhandlungen zu setzen. Ein Großteil der Bevölkerung ist auch der Meinung, dass uns Boykotte mehr Schaden zufügen würden, als sie Erfolge brächten. Eine Verschärfung der Sprache und des Kurses, und zwar gerade jetzt, wenige Wochen vor der tschechischen Nationalratswahl, wäre kontraproduktiv.

Meine Damen und Herren! Nach den Wahlen wird auch bei den Verhandlungen ein neues Kapitel aufgeschlagen werden. Es ist also dieses Thema für uns noch lange nicht erledigt.

Meine Damen und Herren! Wir wollen niemanden erpressen. Wir versuchen, auf höchstmögliche Sicherheit zu drängen. Dieses Recht haben wir als Nachbarn. Das Nachbarschaftsrecht ist eine uralte Tradition. Deshalb sage ich, gerade auch als Oberösterreicher: Auch die tschechischen Bürger und die tschechische Regierung müssen verstehen, dass wir als Nachbarn Absicherungen und Sicherheitsgarantien fordern, wenn 50 Kilometer vor der Grenze Österreichs ein Kernkraftwerk hingesetzt wird.

Meine Damen und Herren! Diese Sicherheit können wir und müssen wir einfordern. Natürlich gibt es die Autonomie der Länder bei der Entscheidung über ihre Energieversorgung, aber diese Autonomie hat dort Grenzen, wo auch Nachbarn direkt bedroht sind. Deshalb werden wir in dieser Frage nicht locker lassen!

Meine Damen und Herren! Es muss aber auch die Frage gestellt werden: Wäre es nicht auch Sache der Grünen und der Sozialdemokraten gewesen, da mehr europäische Solidarität einzufordern, etwa Solidarität vom deutschen Außenminister und vom deutschen Umweltminister? Ich stelle die Frage: Ist denn das AKW Temelín nur für Österreich und nicht auch für die Bundesrepublik Deutschland gefährlich? Warum haben eigentlich die Grünen in der Bundesrepublik und ihr Umweltminister und ihr Außenminister nichts getan und das Energiekapitel für die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen? Wo war denn da die internationale Solidarität von Rot-Grün, von der Sie sonst immer sprechen?

Ihre sozialdemokratischen Freunde in Europa sind doch alles beinharte Atombefürworter, meine Damen und Herren! Im von der Labour Party geführten Großbritannien unter Tony Blair ist noch immer die Wiederaufbereitungsanlage Sellafield in Betrieb, obwohl ständig von Umweltgruppen und von Greenpeace dagegen angegangen wird.

Meine Damen und Herren! Das sozialdemokratische Frankreich hat eine rot-grüne Bundesregierung, es ist der größte Hersteller von Nuklearenergie in Europa.

Meine Damen und Herren! Wo war denn die rot-grüne Bundesregierung Schröder/Fischer, als es darum ging, Österreich auf europäischer Ebene in dieser Frage zu unterstützen?

Meine Damen und Herren! Da könnten Sie Solidarität walten lassen! Da könnten Sie einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der österreichischen Interessen leisten, anstatt nur simple Oppositionsrhetorik und parteipolitische Polemik abzuliefern! Das wäre ein Gebot der Stunde! Da könnten Sie sich für Österreich verdient machen, meine Damen und Herren von der Opposition! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Es liegt mir der Antrag vor, zur Vorberatung des Volksbegehrens "Veto gegen Temelín" in 1065 der Beilagen einen besonderen Ausschuss zu wählen, der 25 Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder umfassen soll.

Gemäß § 32 Abs. 1 der Geschäftsordnung nehme ich die Wahl dieses Ausschusses sofort vor.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.


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Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des hiermit gewählten Ausschusses werden auf die Klubs im Verhältnis der Zahl der ihnen angehörenden Abgeordneten nach den im § 30 der Geschäftsordnung festgelegten Grundsätzen verteilt. Demgemäß entfallen auf die sozialdemokratische Parlamentsfraktion 9 Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder, auf den Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs 7 Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder, auf den Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei 7 Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder und auf den Grünen Klub 2 Mitglieder und 2 Ersatzmitglieder.

Die Klubs haben die auf sie entfallenden Mitglieder beziehungsweise Ersatzmitglieder des Ausschusses namhaft zu machen. Diese gelten damit gemäß § 32 Abs. 1 der Geschäftsordnung als gewählt.

Die Namen dieser Abgeordneten werden im Stenographischen Protokoll angeführt werden. (s. S. 186.)

2. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (987 der Beilagen): Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen samt Anlagen (1060 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Sima. – Bitte.

13.47

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zunächst einmal das Positive: Heute ist mit Sicherheit ein historischer Tag, denn es erfolgt die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls. Das ist ein historischer Akt, über den ich mich sehr freue, nicht zuletzt aus dem Grund, weil Österreich damit auch eine rechtlich bindende Verpflichtung eingeht, das Kyoto-Ziel wirklich umzusetzen.

Aber – und jetzt kommen einige ziemlich große "Aber", wie Sie sich wahrscheinlich vorstellen können, Herr Bundesminister – mit der Ratifizierung allein ist es schlicht und einfach nicht getan, damit werden wir dem Weltklima nicht helfen. Österreich ist in diesem Bereich von der Rolle des Musterschülers nun zu einem Klimaschutz-Nachzügler geworden.

Wie Sie wissen, stiegen die Emissionen in den letzten Jahren. Seit 1990 sind die Treibhausgasemissionen um 3 Prozent gestiegen. Im Sektor Verkehr ist es besonders krass, da haben wir von 1990 bis 2000 eine Emissionssteigerung um satte 35 Prozent zu verzeichnen. Das heißt, dass das, was wir im Kyoto-Protokoll zugesagt haben, nämlich eine 13-prozentige Reduktion von Emissionen, tatsächlich schon viel höher sein sollte, es spielt sich schon in einem Bereich von 20 Prozent ab.

Meine Damen und Herren! Österreich hat da sehr viel nachzuholen. (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist richtig!) Ich bin froh, dass du mir da Recht gibst, Kollege Schweitzer. – Das Bedauerliche ist, dass bis heute keine bindende Klimastrategie auf dem Tisch liegt. Genau das ist das Problem! (Abg. Mag. Schweitzer: O ja! Aber ja!) Nein, nein! Es gibt keine beschlossene Klimastrategie, auch wenn du das vielleicht gerne hättest. Es obliegt ja der Regierung, da endlich etwas auszuarbeiten. (Abg. Mag. Schweitzer: Das Kyoto-Forum hat eine super Vorarbeit geleistet!)

Es gibt Vorlagen, die seit Monaten, um nicht zu sagen seit Jahren, wie ein Pingpongball zwischen dem Finanzministerium und dem Umweltministerium hin- und hergeschoben werden, aber es gibt keine Klimastrategie. Das heißt, dass Österreich, obwohl wir heute das Kyoto-Protokoll ratifizieren, noch immer nicht weiß, wie wir dieses unser Klimaziel eigentlich wirklich erreichen wollen. Das halte ich für ein sehr großes Problem!


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98. Sitzung / Seite 87

Es gibt auch keine gesicherte Finanzierung. Nur zur Erinnerung: Das Umweltressort hat ja selbst einige Entwürfe für eine Klimastrategie ausgearbeitet und auf den Tisch gelegt. Der selbst errechnete Finanzierungsbedarf sind 90 Millionen € als Anreizfinanzierung. Selbst die Summe – sie wurde vom Umweltressort ausgerechnet –, die man bräuchte, um diese Klimaschutzmaßnahmen umsetzen zu können ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim in Richtung der Regierungsbank, an welcher Abg. Dr. Khol steht und mit Bundesminister Mag. Molterer spricht.)

Entschuldigen Sie, Herr Kollege Khol, vielleicht könnten Sie Ihr Gespräch später fortsetzen! (Abg. Dr. Khol begibt sich zu seinem Sitzplatz.) Danke.

Selbst die vom Umweltressort errechneten Finanzmittel, die man bräuchte, um das österreichische Klimaschutzziel zu erreichen, gibt es nicht. Es besteht auch keine Aussicht darauf, dass es sie in Zeiten des Sparbudgets geben wird. Daher meine Frage an Sie, Herr Bundesminister: Wann gibt es diese Klimastrategie? Wann gibt es die finanziellen Mittel, um das österreichische Klimaschutzziel auch wirklich erreichen zu können? Ich glaube, dass es dringend notwendig wäre, da aktiv zu werden.

Von Seiten der Bundesländer gibt es zur Klimastrategie hauptsächlich negative Stellungnahmen. Ich glaube, es war eine versäumte Chance, dass man diesbezüglich nicht im Rahmen des Finanzausgleichs wirklich bindende Maßnahmen – nicht nur Optionen, Möglichkeiten, Kann-Bestimmungen, sondern wirklich auch bindende Maßnahmen – festgeschrieben hat.

Ich finde es auch schade, dass in Österreich Klimaschutz immer so ein bisschen als ein sehr lästiges Anhängsel betrachtet wird, vor allem wenn man bedenkt, dass laut einer Studie des Wifo bei hundertprozentiger Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen in Österreich 25 000 neue Arbeitsplätze in der Baubranche geschaffen werden könnten – Stichwort: thermische Althaussanierung –, also in einer Branche, die ohnehin sehr schwere Zeiten vor sich hat.

Hier wären einfach Initiativen gefragt. Stattdessen setzt man, so habe ich das Gefühl, immer mehr auf flexible Mechanismen. Das ist der Eindruck, dessen ich mich nicht mehr erwehren kann. Eines muss uns schon klar sein: Je später wir die Klimaschutzmaßnahmen treffen, desto teurer wird es werden; und je mehr flexible Mechanismen wir einsetzen, desto teurer wird es werden und desto weniger Wertschöpfung werden wir auch in Österreich haben.

Deshalb meine Frage an Sie: Wann legen Sie die Klimastrategie vor? Wann wird es eine Finanzierung geben? Können Sie uns sagen, wie hoch der Anteil der flexiblen Mechanismen an unseren eigenen Klimaschutzmaßnahmen in Österreich tatsächlich sein wird?

Wann wird es Voraussetzungen für ein Monitoring geben – denn es ist natürlich auch wichtig, dass wir wirklich gut überprüfen können, was wir eigentlich im Klimaschutzbereich erreichen beziehungsweise nicht erreichen? Und wann wird es auch gesetzliche Grundlagen für strukturelle Maßnahmen im Verkehrsbereich geben? Der gerade vorgelegte Gesamtverkehrsplan ist ja nicht wirklich ein Schritt in die richtige Richtung, weil hier wieder genau der Straßenbau bevorzugt und der Bahnausbau hintangestellt wird.

Wann wird es all diese Dinge geben, damit wir nach der Ratifizierung des Protokolls im Klimaschutzbereich glaubwürdig endlich wirklich einen positiven Schritt machen können? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

13.52

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist tatsächlich richtig, dass sich Österreich, so wie auch alle anderen Mitglieder der Europäischen Union, in Kyoto verpflichtet hat, ein großes Ziel zu erreichen, und dass wir über einen langen Zeitraum dieses Ziel zwar auf dem Papier stehen gehabt


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haben, aber die Bemühungen, dieses Ziel auch zu erreichen, sich doch in Grenzen gehalten haben.

Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass Österreich jetzt unter dieser Bundesregierung erkannt hat, dass es ungeachtet seiner Größe einen eigenen Beitrag zu leisten hat, und dass dieser im Regierungsübereinkommen aus dem Jahr 2000 auch seinen Niederschlag gefunden hat. In diesem Regierungsübereinkommen wurde ausdrücklich die nationale Klimastrategie festgelegt, und insbesondere hat man auch Wert darauf gelegt, dass es für die erneuerbare Energie eine eigene Förderstrategie geben muss.

Herr Bundesminister! Ich glaube, es wird für uns von größter Bedeutung sein, dass wir sehr rasch darauf drängen, dass die Förderung erneuerbarer Energie in Hinkunft auf nationaler Ebene geregelt wird, weil es hier doch äußerst unterschiedliche Fördermaßnahmen gibt. Es gibt das eine oder andere Bundesland, wo das, was jetzt an Förderungen zum Einsatz kommt, durchaus bemerkenswert ist, aber es gibt auch andere Bundesländer, wo sich die Fördermaßnahmen in engen Grenzen halten und wirklich weit unter dem liegen, was notwendig wäre, um einige Schritte weiterzukommen. Wenn es Bundesländer gibt, die die erneuerbare Energie mit weniger als 1 S pro Kilowattstunde fördern, so ist diese Fördermaßnahme meiner Ansicht nach eine viel zu geringe. Es kann damit nicht das erreicht werden, was wir alle wollen, nämlich dass erneuerbare Energie in Zukunft wirklich konkurrenzfähig wird.

Frau Kollegin Sima, diese Bundesregierung ... – Frau Kollegin Sima? (Abg. Mag. Sima ist nicht im Saal.)  – Das kann es doch nicht geben! Herr Kollege Oberhaidinger, du hast bei mir so sehr kritisiert, dass ich in einer wichtigen Debatte kurzfristig den Raum verlassen habe; ich bin sofort wieder zurückgekehrt. Umso überraschter bin ich jetzt, dass ich die Kollegin Sima, die hier ihre Kritik ablädt und dann verschwindet, jetzt nicht mehr bei der Debatte finde! (Zwischenrufe der Abgeordneten Oberhaidinger und Dr. Glawischnig. )

Ich wollte ihr gerade erklären, dass diese Bundesregierung im Bereich Raumwärme ganz deutliche Schwerpunkte gesetzt hat und auch weiterhin setzen wird. Die thermische Althaussanierung ist ein besonderes Anliegen dieser Bundesregierung. (Abg. Dr. Glawischnig: Da hat der Finanzminister Grasser verhindert, dass es da eine Begünstigung gibt!) Hier wird verstärkt auch auf den Einsatz erneuerbarer Energieträger Wert gelegt, hier wird auf den Ausbau der Fernwärmeversorgung Wert gelegt. Es passiert hier vieles, um diese Ziele zu erreichen; ich weiß, dass noch viel mehr notwendig ist. Wir haben uns bemüht, mit der Novellierung des ElWOGs im Bereich des Elektrizitätssektors einen Schritt weiterzukommen, und auch im Verkehrsbereich werden jetzt die ersten konkreten Maßnahmen gesetzt, zum Beispiel mit der Einführung einer Kilometermaut für den Schwerverkehr. All das war unter einer anderen Bundesregierung noch nicht möglich.

Die Bemerkung, dass mit dem Generalverkehrsplan auf den falschen Verkehrsträger gesetzt wird, kann ich so nicht stehen lassen. Gerade dieser Generalverkehrsplan hat ja den Ausbau der Schiene als ganz großen Schwerpunkt zum Inhalt. Das wird mir ja auch Kollege Oberhaidinger als einer, der insbesondere die Westbahnstrecke gut kennt, bestätigen. Hier ist doch gerade der vierspurige Ausbau im Gange, und das soll ein wesentlicher Beitrag im Verkehrssektor zur Erreichung des Kyoto-Ziels sein.

Diese Bundesregierung bemüht sich im Rahmen der Möglichkeiten schon sehr, das hoch gesteckte Ziel zu erreichen, wiewohl es relativ schwierig ist, weil wir in Form einer sehr hohen Staatsverschuldung eine Bürde übernommen haben, die mitzutragen ist, wenn es gilt, solch hoch gesteckte Ziele zu erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Das ist schon eine alte Walze! – Abg. Böhacker: Aber sie stimmt!)

13.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hornek. – Bitte.

13.57

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Seit mehreren Jahrzehnten weist die Wissenschaft auf die weltweite


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explosionsartige Vermehrung der Treibhausgase in der Atmosphäre hin sowie – damit verbunden – auf den Anstieg der Erdtemperatur und den Klimawandel. Dies bedeutet, dass die Polkappen abschmelzen und dass es dadurch weltweit zu großen Schwierigkeiten in Bezug auf die Küstenregionen kommen kann. In den letzten Tagen informierten die Medien darüber, dass US-Militärsatelliten in der Antarktis eine riesige abgebrochene Eisscholle mit einer Fläche von mehr als 5 500 Quadratkilometern – zweimal so groß wie das Bundesland Vorarlberg! – gesichtet haben. Der Klimawandel wäre daran schuld, behaupten amerikanische Wissenschafter. Sie gehen davon aus, dass in Zukunft mehrere Eisschollen dieser Dimension abbrechen könnten.

Amerikanische Satelliten haben das also festgestellt, und amerikanische Wissenschafter behaupten das. Das ist insofern interessant, als gerade die amerikanische Politik unter George Bush ihrer ursprünglichen Verpflichtung, die Treibhausgase in den Vereinigten Staaten um 7 Prozent zu reduzieren, nicht nachkommen will und sich hier ausgeklinkt hat.

Unter diesem Blickwinkel ist die Ratifikation des Kyoto-Protokolls zu sehen. Mit der Ratifikation des Kyoto-Protokolls, welche Österreich als drittes Land europaweit vornimmt, wird Umweltgeschichte geschrieben: Es ist dies das erste völkerrechtlich verbindliche und mit Sanktionen versehene UNO-Abkommen in der Umweltpolitik. Das Protokoll sieht eine Gesamtreduktion der Emission von sechs Treibhausgasen durch die Industriestaaten um zumindest 5 Prozent im Zeitraum 2008 bis 2012 gegenüber den Werten 1990 bis 1995 vor.

Zu dieser Gesamtreduktion tragen die Industriestaaten nach einem differenzierten Verpflichtungsschlüssel bei. Die EU als Ganzes muss eine Reduktion von mindestens 8 Prozent erbringen, wobei auf Österreich ein Anteil von 13 Prozent entfällt. Dies stellt ein hohes Reduktionsziel dar – und zwar deshalb, weil Österreich im internationalen Vergleich bereits heute sehr niedrige Emissionsquoten aufweist –, ein ambitioniertes Ziel, bei dem die Umsetzung heimischer Maßnahmen absolute Priorität hat. Um dieses Ziel zu erreichen, ist umfassende Meinungs- und Bewusstseinsbildung notwendig, um jenen heute bereits zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zum Durchbruch zu verhelfen.

Ich darf im Folgenden auf einige bisher umgesetzte beziehungsweise beschlossene Maßnahmen verweisen.

Erstens: das Abfallwirtschaftsgesetz mit dem abfallwirtschaftlichen Grundsatz "Vermeiden vor Verwerten vor Entsorgen".

Zweitens: Förderungsschwerpunkt Klimaschutz im Rahmen der Umweltförderung des Bundes.

Drittens: Die Biomasseförderung beträgt für das Jahr 2002 483 Millionen Schilling.

Viertens: Verbesserung der wärmebezogenen Standards der Länder für Gebäude.

Fünftens: Förderprogramme der Länder für energiesparende Maßnahmen im Wohnungsneubau und in der Sanierung, zum Beispiel Energieausweis, Energiekennzahlen, Förderung ökologischer Baustoffe.

Sechstens: Förderschwerpunkt der Länder für den Umweltverbund, insbesondere zugunsten des öffentlichen Personennahverkehrs.

Siebentens: Das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz mit dem Zielwert von 4 Prozent Ökostrom-Anteil bis zum Jahr 2007.

Achtens: Umsetzung der EU-Richtlinie hinsichtlich der Kennzeichnung von neuen PKWs in Bezug auf die CO2-Emission und so weiter.

Trotz dieser umfassenden Maßnahmen muss nüchtern festgestellt werden, dass die Emission der sechs relevanten Treibhausgase in Österreich um 2,6 Prozent gestiegen ist. Aus diesem Grunde wurde ein Expertenpapier ausgearbeitet und, darauf fußend, eine klare Klimastrategie entwickelt. Es ist dies ein Mix aus ordnungspolitischen Maßnahmen, förderungspolitischen


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Maßnahmen und freiwilligen Vereinbarungen. Es muss klar und deutlich festgehalten werden, dass die wichtigsten Energieeinsparpotentiale im Bereich Raumwärme und Verkehr liegen.

Wenn wir wollen, dass die Welt im Gleichgewicht bleibt, muss das Gewicht verlagert werden, und zwar hin zu Maßnahmen, die als ordnungspolitische Maßnahmen zu bezeichnen sind: verbesserte Bauvorschriften aus ökologischer und energetischer Sicht, somit Förderung nach der Energiekennzahl, Umstellung von Heizungsanlagen von fossilen Energieträgern auf erneuerbare, vermehrter Einsatz von Solarenergie und Windenergie, weitere Anpassungen im Rahmen des ElWOG, Umsetzung der Deponieverordnungen und so weiter.

Der zweite Punkt sind die förderungspolitischen Maßnahmen. Hier muss es eine Umschichtung zugunsten ökologischen Bauens und vor allem Sanierens im Althausbereich geben, das unseren Gewerbetreibenden zugute kommt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Ing. Fallent. )

Bei der Wohnbauförderung ist eine massive Aufstockung der Umweltförderung des Bundes und der Biomasseförderung unumgänglich.

Drittens: Fiskalische Maßnahmen im Zuge der Steuerreform, Optimierung im Hinblick auf das Kyoto-Ziel, zum Beispiel reduzierte Steuersätze für Dämmstoffe und erneuerbare Energieträger.

All diese Kyoto-relevanten Maßnahmen bringen laut einer Wifo-Studie zusätzlich 25 000 Arbeitsplätze für Österreich – Arbeitsplätze, die speziell dem ländlichen Raum zugute kommen.

Geschätzte Damen und Herren! Gemeinsam ist dieses ambitionierte Ziel, das wir heute im Zuge der Ratifizierung festlegen, erreichbar. Und ich bin überzeugt davon, unter der Führung unseres Bundesministers Willi Molterer schaffen wir das auch! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Ich erteile es ihr.

14.04

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Umweltminister! Meine Damen und Herren! Österreich ist nicht das dritte, Herr Kollege Hornek, sondern das fünfte europäische Land und das 51. Land insgesamt, das Kyoto unterzeichnet hat und hiermit auch ratifiziert. Nach Frankreich, Dänemark, Luxemburg und Portugal sind wir jetzt neben allen anderen EU-Staaten, die die Ratifikation eingeleitet haben, verpflichtet, unsere Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren.

Das, was die österreichische Politik kennzeichnet, ist im Wesentlichen das Stecken von sehr ambitionierten Zielen auf der einen Seite, aber wenig sichtbare Erfolge auf der anderen Seite. Das kennzeichnet die österreichische Klimapolitik im Grunde seit zehn Jahren. (Abg. Auer: Das war bisher!) Es ist aufschlussreicher, sich Zahlen, Statistiken und Emissionsdaten anzuschauen, als im politischen Alltag Programme und Inhalte zu diskutieren. Die Zahlen, die im Moment auf dem Tisch liegen, halten, glaube ich, der österreichischen Klimapolitik einen sehr gnadenlosen Spiegel vor. Da kommen Worte vor wie "Steigerung" beziehungsweise "Stabilisierung auf hohem Niveau"; das Wort "Senkung" kommt in all diesen Statistiken in den letzten zehn Jahren kein einziges Mal vor.

Österreich war so etwas wie die Speerspitze in der ... (Bundesminister Mag. Molterer: Landwirtschaft!)  – Kollege Molterer sagt jetzt von der Regierungsbank aus: Landwirtschaft. – Das ist genau einer jener Bereiche, hinsichtlich deren ich sehr kritisch bin, was diese plötzliche Reduktion betrifft, wenn man sich auf der anderen Seite die Zunahme der Massentierhaltungen anschaut. Vielleicht kann man da die Datenbasis noch einmal überprüfen. (Abg. Auer: In Österreich von Massentierhaltung zu reden ist eine Träumerei!)

Aber zurück zu meinem Thema von vorhin: Österreich war Anfang der neunziger Jahre so etwas wie die Speerspitze des internationalen Klimaschutzes, und es ist jetzt zum Nachzügler


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bei den Umsetzungsmaßnahmen geworden. Die Europäische Kommission hat uns deshalb bereits kritisiert: In ihrem letzten Bericht stellt sie fest, dass Länder wie Österreich, Irland, Spanien oder Portugal – man beachte die Kollegen, die da mit uns genannt werden – noch beträchtliche Anstrengungen unternehmen müssen, um ihre Ziele zu erreichen.

Zu den Zahlen: Während im europäischen Raum die Emissionen des Baskets von allen sechs Treibhausgasen im EU-Durchschnitt um 4 Prozent gesunken sind, sind sie im selben Zeitraum in Österreich um 2,6 Prozent gestiegen.

Noch dramatischer ist es, was die reinen CO2-Emissionen betrifft. Hier hat es EU-weit eine Senkung um 1,6 Prozent gegeben und bei uns eine Zunahme um 5,9 Prozent. (Abg. Hornek: Es ist immer die Frage, von wo weg und von wo hinunter!) Das bedeutet, dass wir vom ursprünglichen Reduktionsziel von minus 13 Prozent mittlerweile auf einem Zielwert von minus 19 Prozent angelangt sind. Ich glaube nicht, dass das eine sehr positive Bilanz ist.

Ich honoriere es, dass von allen hier im Hause vertretenen Parteien, zumindest verbal, die Wichtigkeit von Althaussanierung, von erneuerbaren Energieträgern, die Wichtigkeit von guten Rahmenbedingungen für Ökostrom immer wieder beschworen werden. Das, was ich aber nicht honoriere, ist, wenn dann auf der anderen Seite keine Taten gesetzt werden.

Wenn Sie, Herr Kollege Schweitzer, jetzt die Althaussanierung ansprechen, dann muss ich Ihnen auch den Spiegel vorhalten (Abg. Mag. Schweitzer: Ja?): Wir haben gestern beim Konjunkturbelebungsgesetz eine steuerliche Begünstigung für Neubauten im Einkommensteuergesetz beschlossen, nicht aber für die Althaussanierung. Soviel ich weiß, ist das rein auf den Widerstand des Finanzministers Grasser – der meiner Meinung nach der ÖVP zuzurechnen ist (Abg. Hornek: Das ist neu! Aber das macht nichts! – Abg. Auer: Den nehmen wir!)  – zurückzuführen. Ich finde es extrem schade, dass man sich immer in diesen verbalen Beteuerungen ergeht. Ich glaube, wir brauchen diese ständigen Schönredereien nicht. Mich interessieren wirklich nur die nackten Taten und die Maßnahmen, die dann auch wirklich gesetzt werden. (Beifall bei den Grünen.)

Warum hat man die Chance nicht ergriffen? Sie selbst reden immer von der integrierten Politik. Die integrierte Politik hört aber im Umweltausschuss auf! (Abg. Mag. Schweitzer: Wieso ist jetzt der Grasser bei der ÖVP?) – Finanzminister Grasser hat es verhindert, dass wir im Bereich Althaussanierung befristet für die nächsten zwei Jahre diese steuerliche Begünstigung einführen. Das hätte, zugegebenermaßen, einen Steuerausfall gebracht; aber wenn wir die Klimaziele nicht erreichen, dann haben wir auch ein Problem, dann wird uns das auch etwas kosten. Vielleicht können Sie diesbezüglich noch einmal mit ihm reden. Es wäre gut, wenn das noch in irgendeiner Weise repariert werden würde. (Abg. Hornek: Frau Kollegin, ich habe das klar gesagt!)

Damit bin ich bei den Gründen dafür, dass das in den letzten zehn Jahren so schlecht funktioniert hat. Es fand diesbezüglich schon auch immer eine politische Auseinandersetzung zwischen dem Umweltressort und dem Finanzressort statt. Das Umweltressort hat meiner Meinung nach eine gute Klimastrategie erarbeitet, die mittlerweile seit eineinhalb Jahren verhandelt wird und nicht zum Abschluss kommt.

Der Ministerratsvortrag, den Herr Minister Molterer und Herr Minister Grasser gemeinsam zustande gebracht haben, war dann schon sehr abgeschwächt. So wesentliche Fragen wie die Ökologisierung des Steuersystems sind von Seiten des Finanzressorts wieder rausgestrichen worden, auch die ganze heikle Frage Verkehr. Man wird aber wahrscheinlich harte Maßnahmen brauchen, um diese Steigerung um 30 Prozent, die es in den letzten zehn Jahren gegeben hat, in irgendeiner Weise in den Griff zu bekommen.

Den Finanzminister beeindrucken sichtlich diese Zahlen nicht, denn der Umweltminister steht immer noch mit leeren Händen da, und auf die Frage im Ausschuss: Wie sieht es mit der Finanzierung der Klimastrategie aus?, hat es bis jetzt eigentlich noch keine konkrete Antwort gegeben. (Abg. Ing. Fallent: Aber Sie sitzen in Deutschland in der Regierung!)  – Ich habe Sie jetzt


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nicht verstanden, aber Sie können dann gerne weiterreden. (Abg. Ing. Fallent: Sie sitzen in Deutschland in der Regierung!)

Die Deutschen haben ein recht gutes Klimaschutzprogramm und sind auch eines der wenigen EU-Länder, die gewaltige Emissionsreduktionen geschafft haben. (Abg. Hornek: Aber emittieren ein Vielfaches von Österreich!)

Zum Abschluss: Ich glaube, dass wir uns ein paar härtere Maßnahmen im Bereich Klimaschutz durchaus zutrauen sollten und dass wir als Nationalrat auch ein klares Signal an den Finanzminister geben müssen, dass wir eine budgetäre Priorität einfach verlangen und haben wollen. Wir können nicht hier einen völkerrechtlichen Vertrag ratifizieren und dann die Grundlagen und die finanziellen Möglichkeiten dafür nicht haben.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend österreichische Klimaschutzoffensive nach der Ratifikation des Kyoto-Protokolls

"Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die zur Umsetzung der österreichischen Klimaschutzmaßnahmen zusätzlich nötigen Mittel für Anreizfinanzierungen im Ausmaß von 90 Mio. Euro ab dem Budget 2003 jährlich festzuschreiben." – Dagegen ist, glaube ich, nichts einzuwenden.

"2. Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat so rasch als möglich eine zwischen Bund und Ländern akkordierte österreichische Klimastrategie vorzulegen." – Ich glaube, das wollen wir alle, da es nun schon seit eineinhalb Jahren auf die lange Bank geschoben wird.

"3. Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle künftigen Gesetzesvorhaben auf Relevanz hinsichtlich der Erreichung des im Kyoto-Protokoll festgeschriebenen nationalen Zieles zur Reduktion der Treibhausgase zu prüfen." – Das würde bedeuten, dass solche Dinge wie gestern dann nicht mehr passieren können.

"4. Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft wird aufgefordert, Maßnahmen zu setzen, um die Qualität der Emissionsdaten bezüglich der österreichischen Treibhausgasbilanz zu verbessern, dabei insbesondere auch um Temperatur- und Produktionseinflüsse kompensierte Daten zu erarbeiten, alle Emissionsdaten dem Nationalrat gemeinsam mit dem Energiebericht in Form eines jährlichen Berichtes vorzulegen, sowie die Öffentlichkeit laufend über alle nationalen Emissionsdaten und dem UN-Klimasekretariat übermittelte Berichte zu informieren."

Warum? – Ich glaube, es ist extrem relevant, zu unterscheiden: Hat es einen warmen Winter gegeben? Wie schaut es mit dem Wirtschaftswachstum aus?, um eine echte Aussage zu bekommen. Diese so genannten kompensierten Emissionsdaten sind extrem relevant, nur wird bei uns leider so nicht gerechnet.

"5. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die Vergabe von Fördermitteln im Bereich der Wohnbauförderung an die Erfüllung ambitionierter energetischer Standards gebunden wird." – Das ist nicht erklärungsbedürftig, und darüber besteht, so glaube ich, ein Konsens aller Parteien.

"6. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die Umsetzung der EU-Richtlinie über einen verpflichtenden Energieausweis für Gebäude so rasch als möglich erfolgt." – Ich glaube, über die Umsetzung von EU-Richtlinien braucht man auch nicht zu diskutieren.


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"7. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die im Generalverkehrsplan für die kommenden Jahre vorgesehene Offensive im Autobahnbau, insbesondere in Richtung MOEL, zu überdenken und stattdessen einen Investitionsschwerpunkt auf klimaverträglichere Verkehrsträger wie die Schiene zu legen." – Darüber könnte man jetzt streiten, aber ich denke, das ist eigentlich auch im Sinne eines Konsenses aller vier Parteien.

"8. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Problematik der unzureichenden und enorm komplexen Finanzierung des Öffentlichen Personenverkehrs durch zügige entsprechende Änderungen in Rechtsrahmen und Budgetierung zu lösen."

*****

Das war jetzt ein konstruktiver Beitrag. Ich denke, es war kein einziger Punkt dabei, von dem Sie von vornherein sagen können, dass er wirklich ein inhaltliches Problem darstellt. Im Wesentlichen baut dieser Entschließungsantrag auf dem verbalen Konsens auf, der seit Jahren herrscht. Ich hoffe daher und gehe davon aus, dass Sie diesem Antrag auch zustimmen werden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene und eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in ausreichendem sachlichem Zusammenhang und damit auch mit zur Verhandlung sowie in weiterer Folge zur Abstimmung.

Als Nächster spricht Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte.

14.13

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Sie wissen, dass ich selten mit pathetischen oder superlativen Worten aufwarte, aber ich meine tatsächlich, dass wir sagen können, dass wir mit Kyoto und der Ratifizierung von Kyoto Umweltgeschichte in dem Sinne schreiben, dass es das erste Mal ein globales Übereinkommen zur Erhaltung unserer Umwelt gibt, das nicht nur als Deklaration auf dem Papier steht, sondern das einen verbindlichen Rechtsrahmen hat und auch klare Sanktionsmechanismen beinhaltet. Ich meine, dass dieses Kyoto-Protokoll daher Vorbild auch für zukünftige Umweltlösungen, die wir auf globaler Ebene anzustreben haben, sein kann.

Die Europäische Union hat in der Frage Kyoto immer im Spitzenfeld agiert und gehandelt, und ich würde sagen, dass es der Europäischen Union und unserer Hartnäckigkeit zu verdanken ist, dass wir es nach der Konvention von Rio jetzt letztendlich mit einem rechtsverbindlichen Protokoll zu tun haben.

Es gibt auch einige Bereiche, wo Österreich federführend gewesen ist, und ich meine, dass wir stolz darauf sein können, dass wir etwa erreicht haben, dass die Nuklearenergie nicht auf die flexiblen Instrumente respektive auf die Zielerreichung angerechnet wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das ist wichtig, meine Damen und Herren, weil wir damit ein Signal dafür gesetzt haben, dass wir in der Atomenergie – damit knüpfen wir jetzt an die vorige Debatte an – keine nachhaltige Form der Energienutzung sehen.

Wo stehen wir? – International ist die Einschätzung, dass deutlich mehr als die erforderlichen 55 Staaten dieses Protokoll ratifizieren werden, absolut realistisch. Ich mache Sie allerdings darauf aufmerksam, dass wir mit Sorge die Ratifizierung durch die "Big Players" verfolgen, weil neben der Zahl von 55 Staaten auch die "Unterschrift von 55 Prozent der Emissionen" – unter Anführungszeichen – notwendig ist, damit das Protokoll in Kraft tritt.

Wir haben inzwischen eine klare Zusage von Japan, dass Japan ratifizieren wird. Offen ist – und daran hängt viel! –, wie weit Russland die Ratifikation vorantreiben wird, weil klar ist, dass wir Russland brauchen, wenn wir dieses 55-Prozent-Ziel erreichen wollen. Es gibt daher inten


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sive Gespräche zwischen der Europäischen Union und Russland. Das war auch Gegenstand unserer Verhandlungen in Brüssel, wo die Europäische Union sehr klar signalisiert hat: Europa wird ratifizieren, und wir werden unseren Beitrag spätestens für Johannesburg fertig gestellt haben und dort präsentieren können.

Mit äußerster Sorge verfolgen wir, verfolge ich die Diskussion in den Vereinigten Staaten. Das, was hier von der Bush-Administration vorgelegt wird, halte ich – das sage ich Ihnen sehr offen – für verantwortungslos, wenn es um den Zusammenhang mit dem globalen Kampf gegen den Klimawandel geht. Damit Sie eine Vorstellung haben, meine Damen und Herren: Alle anderen Staaten könnten die Reduktionsverpflichtung umgesetzt haben; würde der neue Vorschlag von Bush in Amerika umgesetzt, dann würden sich die USA ein Recht auf Steigerung der Emissionen herausholen, das quantitativ höher wäre als die Summe aller anderen Reduktionen! Warum? – Weil die Vereinigten Staaten global der mit Abstand größte Emittent von CO2 respektive einem der sechs klimaschutzrelevanten Substanzen sind.

Wo stehen wir in Österreich? – Erstens: Ich halte es für positiv, dass wir in der Zwischenzeit eine breite Diskussion über die Frage Kyoto, dessen Umsetzung und Klimaschutz haben. Ich sage Ihnen auch ganz ehrlich, dass ich manchmal froh wäre, wenn diese Diskussion nicht ausschließlich und exklusiv im Zusammenhang mit dem Umweltminister oder im Umweltausschuss geführt würde, weil das Anliegen von Kyoto und dessen Umsetzung ein breites ist, das keinen politischen Bereich außer Acht lässt. Kyoto heißt, umfassend aktiv zu sein, wenn wir das Ziel erreichen wollen.

Zweitens: Ich stelle nach wie vor fest, dass oft ein Missverständnis dahin gehend herrscht, dass die Umsetzung von Kyoto langfristig negative Folgen für den Wirtschaftsstandort hätte. Das Gegenteil ist der Fall: Jenes Land – davon bin ich fest überzeugt –, das erfolgreich im Klimaschutz ist, tätigt gleichzeitig langfristig eine Investition in den Wirtschaftsstandort. Wer das bezweifelt, dem möchte ich es mit einem kleinen praktischen Beispiel plausibilisieren.

Wir sind vergangene Woche mit dem bayrischen Landwirtschaftsminister beisammen gesessen, der erklärt hat, dass 70 Prozent der Förderung, die Bayern für erneuerbare Energien gibt, nach Österreich fließen. Warum? – Weil es österreichische Kesselhersteller sind, die höchste Technologie anbieten – denken Sie nur an die Pellets-Technologie! –, und es daher einen echten Exportschlager gibt, der durch diese innovativen Unternehmen angeregt wird. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Hornegger und Dipl.-Ing. Pirklhuber. )

Wo stehen wir derzeit? – Wir sind derzeit auf Bundesseite auf Beamtenebene fertig mit der Klimastrategie auf Basis der Arbeiten des Kyoto-Forums. Wir haben derzeit die Endverhandlungen mit den Bundesländern, und ich habe mit dem federführenden Landesrat, der das derzeit betreut, Landesrat Sobotka aus Niederösterreich – interessanterweise gleichzeitig für Finanzen und Wohnbau zuständig und auch im Umweltbereich aktiv –, vereinbart, dass wir versuchen, bis Anfang April letztendlich einen Konsens zu erzielen, damit wir in der Folge die politischen Schlussfassungen auf Landesebene bis hin zur Landeshauptleutekonferenz und auf Bundesebene in der Bundesregierung durchführen können.

Natürlich ist es richtig, dass ein Teil davon mit zusätzlichen Mitteln verbunden ist. Ich habe Ihnen gesagt, dass die Budgetverhandlungen für das Jahr 2003 aus meiner Sicht eine Schlüsselfrage beinhalten werden, und das ist die notwendige Finanzierung der Klimaschutzmaßnahmen, weil auch klar gesagt werden muss: Das, was wir in der ersten Verpflichtungsperiode nicht einhalten an Klimaschutz, würden wir pönalisiert in der zweiten Verpflichtungsperiode machen müssen. Es ist daher rein ökonomisch sinnvoll und ökologisch notwendig, die Ziele in der ersten Periode umzusetzen.

Auf Länderebene ist die Frage der Wohnbauförderungsmittel-Umschichtung außer Streit. Die endgültige Höhe und – worauf ich Wert lege – die Qualität des Mitteleinsatzes werden festgelegt, weil mit Färbelungsaktionen kein Beitrag zum Klimaschutz geleistet wird.


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Die dritte Kernfrage, meine Damen und Herren, ist die Weiterentwicklung des Förderungsinstrumentariums. Ein Schritt ist mit der Novelle des Umweltförderungsgesetzes gesetzt worden, die aus meiner Sicht richtig und notwendig war und womit wir uns auch ganz dezidiert auf den Klimaschutz konzentrieren.

Wir werden fiskalische Maßnahmen umsetzen – etwa das Road-Pricing für die LKWs, das ist ja außer Streit –, im Rahmen des Verkehrs ist im Gesamtverkehrswegeplan – Kollege Schweitzer hat darauf hingewiesen – ein Verhältnis von Schiene zu Straße von 2 : 1 vorgesehen, ein Verhältnis, das wir notwendig brauchen, wir werden die EU-Richtlinie zum Einsatz von Biotreibstoffen umsetzen, und ich meine, dass die Kennzeichnungsrichtlinie für die CO2-Emission von Kraftfahrzeugen ebenfalls eine ganz wichtige Maßnahme ist.

Wir haben im Abfallwirtschaftsgesetz die notwendige Weichenstellung vorgenommen, genauso wie bei der Biomasseförderung und bei vielen anderen Bereichen, etwa in der Frage der erneuerbaren Energien.

Ein Wort zum Thema ElWOG. Ich meine, dass das ElWOG weiterentwickelt werden muss, wenn wir die EU-Richtlinie umsetzen wollen, wonach wir bei Treibstoffen einen Anteil von 5,75 Prozent an Biotreibstoffen haben müssen. Hiefür reicht das ElWOG mit den 4 Prozent nicht aus. Da brauchen wir eine höhere Zielverpflichtung, und ich appelliere auch an die Länder, dass wir in diesem Zusammenhang die bundesländerübergreifende Poolung von erneuerbarem Strom stärker in den Mittelpunkt stellen.

Abschließend: Wenn wir Kyoto erfolgreich umsetzen wollen – und wir haben noch ein Stück Weg vor uns, und zwar ein hartes Stück Weg –, dann müssen wir uns dazu bekennen, dass es keinen einzigen Bereich der Politik gibt, wo es nicht einen Beitrag geben muss, der zur Zielerreichung von Kyoto einzufordern ist. Niemand kann sich davon ausnehmen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte. (Abg. Auer: Auch der Georg wird ein Loblied auf den Minister anstimmen! – Abg. Oberhaidinger  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Vielleicht! – Abg. Dietachmayr: Keine zu hohen Erwartungen!)

14.23

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Jakob Auer hat gar nicht so Unrecht, zumindest einmal betreffend den ersten Teil der Aussage des Ministers hinsichtlich der Bedenken, die er im Hinblick auf die Entwicklung in Amerika hat: Diese teile ich. Ich habe das im Zuge einer Umweltdebatte bereits einmal angesprochen. Auch mich stimmt das, was Bush da von sich gegeben hat, sehr, sehr bedenklich, und ich kann nur hoffen, dass das so nicht eintritt oder dass er im Sinne einer gesunden und ordentlichen Umweltpolitik nicht mehr in der Lage ist, seine Ankündigungen in seiner Regierungszeit auch tatsächlich umzusetzen.

Meine Damen und Herren! Wir sollten uns immer vor Augen führen – auch hier bei uns in Österreich –: Wenn wir alle klimawirksamen Gase, die in Österreich emittiert werden, zusammennehmen, so sind dies in etwa 120 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten; Tendenz leider immer noch steigend. Rund die Hälfte davon ist reiner CO2-Anteil, und davon entfallen wieder – und darin bin ich mit meinen Vorrednern einig – ein guter Teil auf die Raumheizung und ein wesentlicher weiterer Teil auf die Mobilität, sprich auf den Verkehr, aber auch die Prozesswärme sollten wir nicht vernachlässigen und nicht unterschätzen. Die Raumheizung hat auch im Klimaschutzbericht der Bundesregierung – er ist schon älteren Datums – einen entsprechenden Spitzenplatz eingenommen.

All die Schlussfolgerungen, die wir daraus ziehen sollten, wie Fern- und Nahwärmeförderung, Solarkollektoren, Biomasse und so weiter, wurden bereits angesprochen, auch vom Bundesminister. Entscheidend auf Länderebene sind auch Bauordnungsfragen, Raumordnungs- und


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Flächenwidmungsbestimmungen. Diese sollten wir in diesem Zusammenhang nicht unterschätzen.

Wenn wir all das zusammennehmen, wäre es denkbar, dass wir etwa die Hälfte der rund 16 Millionen Tonnen, die wir zurzeit noch einsparen müssen, damit einsparen könnten.

Die Bundesregierung und der zuständige Minister haben den Handlungsbedarf in diesem Zusammenhang rechtzeitig erkannt, und es wurde in Form einer Regierungsvorlage die nationale Klimastrategie erarbeitet und in Begutachtung gegeben.

Inhaltlich, so lese ich in der zusammengefassten Stellungnahme des Landes Salzburg – die haben sich dankenswerterweise hingesetzt und die Ergebnisse, die Beschlüsse der Landes-Umweltreferenten-Konferenzen, die mehrmals hintereinander zu dem Thema stattgefunden haben, und auch der Landes-Finanzreferenten-Konferenzen zusammengefasst, und diese Zusammenschau liegt uns, wie gesagt, vor –, inhaltlich wäre diese Stellungnahme ja positiv ausgefallen, von der Finanzierungsseite her ist sie allerdings durchgehend in allen vier Punkten, die hier aufgelistet sind, negativ.

Ich bin daher der Meinung, Herr Bundesminister Molterer, wir sollten gemeinsam – wir wären gerne dazu bereit – den Finanzminister davon überzeugen, dass es sich hier nicht um den Ankauf von Abfangjägern handelt, sondern um eine ganz wesentliche Maßnahme für unsere Umwelt. Er sollte daher zumindest die Ausgaben für die Anreizfinanzierung genehmigen. Es geht dabei um rund 900 Millionen €, die über einen Zeitraum von zehn Jahren geleistet werden sollten, um zum Beispiel im Bereich des Wohnbaus für die Länderebene entsprechende Anreize zu geben.

Meine Damen und Herren! Im Übrigen unterstützt meine Fraktion den Entschließungsantrag der Grünen, den wir inhaltlich für sehr gescheit halten. Wir werden ihn daher mit beschließen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Fallent. – Bitte.

14.27

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle haben es richtig gesagt: Klimaschutz geht uns alle an! Ich glaube daher, dass es eine große Herausforderung ist, unsere hohen Standards auch in Zukunft zu erhalten und angesichts der Entwicklung danach zu trachten, dass auch andere Länder unsere hohen Standards übernehmen, damit wir in Österreich auch in Zukunft wettbewerbsfähig sind und bleiben.

Sehr, sehr wichtig wird es sein, dass wir darauf achten, dass wir in Österreich das Bekenntnis – und dieses legt diese Bundesregierung ab – zum Wirtschaftsstandort Österreich und zu einer kleinstrukturierten, wettbewerbsfähigen Landwirtschaft aufrechterhalten. Sie wissen ja, dass es die ärmsten Länder dieser Welt sind, die wenig für die Umwelt tun können, weil ihnen schlicht und einfach das Geld fehlt. Wir in Österreich haben deshalb dafür zu sorgen, dass wir bewährte Strukturen bewahren und neue Strukturen zukunftsfähig gestalten. Das heißt, dass wir im Bereich der Wirtschaft Technologien zu entwickeln und umzusetzen haben, dass wir Unternehmen eine Chance geben müssen, die positiven Beschäftigungseffekte, die es eben im Bereich der Umwelttechnologien gibt, zu nutzen, die positiven ökologischen Auswirkungen letztendlich auch zu berücksichtigen und eine ökonomische Tragfähigkeit zu gewährleisten. Der bloße Wunsch ohne Machbarkeit ist zu wenig. Aber gemeinsam – dieser Meinung bin ich – können wir unser Ziel erreichen.

Die Herausforderung ist deswegen sehr groß, weil es eben Tatsache ist, dass 20 Prozent der Menschheit 80 Prozent der Ressourcen und Energien dieser Welt verbrauchen, dass wir in einem Jahr so viele fossile Energieträger verbrennen, wie sich in einer Million Jahre gebildet


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haben. Somit gehen wir diesem "Treibhaus", das wir vor Milliarden von Jahren auf unserer Erde hatten, mit einer Geschwindigkeit von 1 : 1 Million wieder entgegen.

Sie können das ja heute in der "Presse" selbst lesen, und Sie haben wahrscheinlich auch diese Bilder gesehen. (Der Redner hält eine Fotokopie in die Höhe.) Es sind dies Fotos, die Sorge bereiten. Ein Foto zeigt die Antarktis im Jänner. Hier ist das Meer noch ohne Eisschollen, 15 Tage später ist diese Bucht gänzlich bedeckt, und einen weiteren Monat später sieht man die Auswirkung dieser Katastrophe der Temperaturerhöhung auf unserer Erde: 3 250 km2 Eis sind abgebrochen und schwimmen nun im Ozean.

Auf der anderen Seite gibt es in derselben Zeitung die Schlagzeile: Windenergie hat ein gutes Image, aber eine schwierige Marktposition und Marktsituation.

Alles ist richtig. Wir sind hier gefordert, die Weichen in Richtung Nachhaltigkeit zu stellen. (Abg. Dr. Glawischnig: Was würden Sie denn vorschlagen, um Windkraft zu begünstigen? Was wäre denn Ihr Vorschlag?) – Einspeisegesetze, Einspeisetarife, Kostenwahrheit von Energieträgern. Das ist es auch, was wir uns wünschen, aber ich sage Ihnen eines: Sie alle wissen ganz genau, das geht nur im Einklang mit der Europäischen Union, mit unseren Mitbewerbern. (Abg. Dr. Glawischnig: Das stimmt überhaupt nicht! Wie kommen Sie darauf, dass wir die einzigen sind? Das gibt es auch in Deutschland und in anderen Staaten! Das ist überhaupt nicht wahr!) Wir müssen sicherstellen, dass wir auch in Österreich in der Lage sind, die Industrie und die Wirtschaft ausreichend wettbewerbsfähig zu erhalten. Aber das Ziel muss es sein, die österreichische Verpflichtung von minus 13 Prozent und europaweit minus 8 Prozent zu erreichen.

Ich sage Ihnen, in Laussa haben wir das geschafft. Wir produzieren die gesamte Energie, also Strom und Wärme, aus erneuerbaren Energieträgern. Bei Strom haben wir sogar einen Überschuss von 100 Prozent.

Der World Energy Globe – das war eine Preisverleihung in Oberösterreich – hat gezeigt, dass eine ganze Provinz in Spanien in der Lage ist, sich zu 100 Prozent aus Windenergie zu versorgen, wofür sie auch den Preis gewonnen hat.

Ich glaube, die Technologien sind vorhanden. Wir haben die Chance, diese auch zu nutzen. Wir werden in nächster Zeit darüber diskutieren, wie wir in Österreich eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln und umsetzen. Ich glaube, Klimaschutz ist Menschenschutz, Klimaschutz ist Zukunftssicherung, Klimaschutz bedeutet Sicherheit, Frieden, Unabhängigkeit und Lebensqualität für gegenwärtige und kommende Generationen.

Ich gehe davon aus, dass wir ausreichend Zeit haben, unser Ziel zu erreichen, aber keine Zeit zu verlieren haben. Wenden wir unser Gesicht also der Sonne zu und lassen wir die Schatten eines fossilen Zeitalters hinter uns! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Moser: Sehr pathetisch!)

14.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte.

14.32

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Klimaschutz geht uns alle an. (Abg. Dr. Glawischnig: Auch den Herrn Finanzminister!) Daher bin ich sehr froh darüber, dass es gelungen ist, bei der heutigen Ratifizierung des Klimaschutzprotokolls von Kyoto Einstimmigkeit zu erwirken. Danke schön, Frau Kollegin.

Der Schutz des globalen Klimas muss uns allen ein gemeinsames Anliegen sein, und wir dürfen uns dabei nicht von parteitaktischen Manövern leiten lassen und uns nicht, Frau Kollegin Glawischnig, gegenseitig Steine in den Weg legen. (Abg. Dr. Glawischnig: Die Steine kommen aus dem Finanzministerium!) Die Reduzierung des Treibhausgases, wie sie das Kyoto-Protokoll vorsieht, muss im Zusammenspiel aller Kräfte, der Politik, der Wirtschaft, der Landwirtschaft,


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des Verkehrswesens, funktionieren. Dazu hat wirklich jeder seinen Teil beizutragen (Abg. Dr. Glawischnig: Auch der Herr Finanzminister! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Müssen Sie dauernd hineinkeifen? Das ist ja entsetzlich, Ihr Hineinkeifen!), damit unsere Enkel und Urenkel nicht an den Folgen unseres unsachgemäßen und schonungslosen Umgangs zu leiden haben, sondern wir ihnen eine lebenswerte und vor allem gesunde Umwelt hinterlassen.

Der internationale Klimaschutzprozess ist in vollem Gange, und es wird sich spätestens Ende August beim UNO-Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg zeigen, ob der Wille von Kyoto auch konkrete Daten hervorgebracht hat. Bedauernswert ist, dass die USA nicht zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls beitragen werden. Europa jedenfalls ist schon jetzt Vorreiter und Motor im Kampf gegen den Klimawandel. Immerhin werden alle 15 EU-Mitgliedstaaten bis spätestens 20. Mai 2002 das Kyoto-Protokoll zur Verringerung der sechs wichtigsten Treibhausgase ratifizieren.

Wie Sie alle wissen, hat die Bundesregierung – hier insbesondere Umweltminister Molterer – schon konkrete Maßnahmen in einem Strategiepapier zusammengefasst, das bis spätestens Juni auch mit den Bundesländern akkordiert sein wird. Die umfassende österreichische Klimaschutzstrategie, bei deren Erstellung auch die Nichtregierungsorganisationen eingebunden waren und sind (Abg. Dr. Glawischnig: Welche denn? Das stimmt doch nicht! Wer war denn eingebunden?), ist der Beweis dafür, dass der Klimaschutz im besonderen Interesse der Regierung ist und dass das Engagement zur Reduktion der Treibhausgase im Konsens und nicht im Parteienhickhack verlaufen kann.

Bund, Länder, Opposition, Wirtschaft und Umweltvereine sind aufgefordert, gemeinsam zu agieren und den positiven Schwung, den wir heute haben, zu nutzen und die notwendigen Klimastrategien umzusetzen (Abg. Dr. Glawischnig: Welche NGOs waren denn eingebunden?)  – Sie wissen genau, dass Global 2000 und die anderen Vereine mitgearbeitet haben (Abg. Dr. Glawischnig: Das stimmt ja nicht! Das stimmt nicht!)  –, denn der Klimawandel ist die größte umweltpolitische Herausforderung dieser Zeit. Umso wichtiger ist es, umfassende Strategien zu entwickeln und umzusetzen, die zu einer echten, spürbaren Reduktion der Treibhausgase führen.

Österreich hat sich im Sinne des Kyoto-Protokolls verpflichtet, seine Emissionen von Treibhausgasen bis zum Jahre 2012 um 13 Prozent gegenüber dem Zeitraum 1990 bis 1995 zu reduzieren. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, denn die Gesamtreduktion für die Europäische Union ist mit 8 Prozent Verringerung festgesetzt, und Österreich ist eben eines jener Länder, die das Erreichen dieser Vorgabe maßgeblich sicherstellen.

Wichtigster Verhandlungspunkt der Gespräche zwischen Bund und Ländern ist momentan noch die Förderung für die thermische Althaussanierung, eine Maßnahme, bei der Oberösterreich eine eindeutige Vorreiterrolle einnimmt. Immerhin geht es dabei um rund 290 Millionen € an Wohnbauförderungsmitteln, die für die thermische Althaussanierung umgeschichtet werden müssen. Um eine Verbesserung der Energieeffizienz zu erreichen, sind diese Maßnahmen jedoch dringend notwendig. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Dr. Glawischnig, Dr. Moser und Dr. Partik-Pablé. )

Neben der Verbesserung der Energieeffizienz möchte ich vor allem noch auf den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien wie etwa der Biomasse aufmerksam machen. Neben dem beachtlichen Umweltbeitrag ist durch die Forcierung der Biomasse auch mit sehr positiven ökonomischen Aspekten zu rechnen – Schaffung und langfristige Absicherung von 20 000 neuen Arbeitsplätzen, zusätzliche Investitionen, sinkende Energieausgaben –, noch dazu wo in Österreich Energieträger in Form von Holz und anderen pflanzlichen Produkten wie Raps regelrecht vor der Haustür zu finden sind.

Die spezielle Förderung der erneuerbaren Energieträger ist unumgänglich und erfährt im Klimastrategiepapier auch die entsprechende besondere Erwähnung. Zudem wurden im Ressortbudget von Minister Molterer rund 35 Millionen € zur Verfügung gestellt. Das ist mehr, als je für die Förderung von erneuerbaren Energieträgern ausgegeben wurde.


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Die Verringerung der CO2-Emissionen im Verkehr und bei den Abfallverwertungsmaßnahmen stellt einen weiteren Aspekt der Umsetzung des Kyoto-Ziels dar. Konkrete verkehrspolitische Maßnahmen sowie die Forcierung von Forschung und Entwicklung in diesem Bereich werden von der Bundesregierung in Angriff genommen.

Zum Abschluss möchte ich aber noch zu den eingangs erwähnten gemeinsamen Zielsetzungen zurückkehren. Der Klimaschutz geht uns alle an. Keiner darf sich mit seinem eigenen Verbrauch ausnehmen. Daher ist die verstärkte Informationstätigkeit über den bewussten Umgang mit Energien notwendig. Energieschonendes Verhalten, das Verständnis dafür muss vom Kind bis zum Greis Alltag werden. Der Kampf gegen den Klimawandel, die Reduzierung der Treibhausgase, somit die Umsetzung des Kyoto-Protokolls mit konkreten innerstaatlichen wie globalen Maßnahmen müssen ein Anliegen aller Menschen sein.

Es ist ein gutes Zeichen, dass zumindest in Österreich niemand daran zweifelt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. (Abg. Dr. Glawischnig  – in Richtung des Abg. Ellmauer –: Die NGOs waren nie eingebunden! – Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung Grüne –: Mit Ihrer Art können Sie den Umweltanliegen wirklich keinen guten Dienst erweisen!)

14.39

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegin Partik-Pablé, Pathos und der gewisse Schwung könnten einen großen gemeinsamen Erfolg bewirken, nämlich endlich in der Himmelpfortgasse Eingang zu finden, Herr Kollege Ellmauer. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Frau Moser, die Kollegin Glawischnig hört nicht einmal Ihnen zu!) Und dass dieses Pathos und dieser gemeinsame Schwung wirklich nur von der Mehrheit mit konkreten Aufträgen an die Himmelpfortgasse verbunden werden können, das liegt ganz eindeutig in Ihrer Hand. Tun Sie etwas, Herr Kollege Ellmauer! Gehen Sie mit unserem Antrag mit! Schauen wir, dass dieser gemeinsame Schwung etwas bewirkt, schauen wir, dass wir die Finanzierung bekommen, schauen wir, dass endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden! Ich bin ganz bei Ihnen. Ich möchte gerne an diesem gemeinsamen Schwungrad drehen. Gerne. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Oberhaidinger und Ellmauer. )

Noch ein Aspekt: Sicher, jeder kann etwas dazu beitragen, und man kehre vor allem vor seiner eigenen Tür, aber ich möchte nicht wissen, wenn ich jetzt vor das Parlament trete, wie viele PKW von Ihnen dort geparkt worden sind. Und weil Sie die Verkehrspolitik angesprochen haben: Gerade von uns, von den so genannten Vertreterinnen und Vertretern des Volkes, wird immer wieder verlangt, dass wir Vorbilder sind. Warum steigen wir nicht auf öffentliche Verkehrsmittel um? Warum gibt es nicht wieder gewisse Jahreskarten, die von der Benützung des eigenen PKW ablenken? Warum verwenden wir nicht wieder das Fahrrad? Dann wäre auch mehr für die Verkehrssicherheit getan, wenn weniger Autos, noch dazu Großhubraumautos, unterwegs wären. (Abg. Edlinger: Das glaube ich nicht! Das hat mit Verkehrssicherheit nichts zu tun, wenn jemand mit dem Fahrrad fährt!) Das nur als kleines Detail. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Kräuter: Ich bin mit dem Zug gekommen!)

Ich glaube Ihnen persönlich, dass Sie mit dem Zug gekommen sind, dass Sie ein Fahrrad haben und dass Sie auch sonst mit dem Schiff am Traunsee unterwegs sind. Keine Frage, persönlich alles okay.

Nun, Herr Minister, zum Generalverkehrsplan. Sie haben auf das Verhältnis hingewiesen, wonach doppelt so viele Investitionen für die Schiene wie für die Straße geplant seien. Sie haben Recht, Herr Minister, aber schauen Sie sich den Zeitrahmen an. Die Schieneninvestitionen sind Investitionen, die bis in die Jahre 2040, 2050 gehen. Die Straßeninvestitionen, vor allem jene, die finanziell gesichert sind, das sind die, die bis in das Jahr 2010 reichen. Und 2013 ist die ominöse Marke, wo die Klimaschutzmaßnahmen auf die Waage gelegt werden und wo es dann um das Pönale geht.


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Deswegen ist der Generalverkehrsplan für mich das beste Beispiel dafür, wie man Anti klimaschutzpolitik betreibt in einem Bereich, wo Maßnahmen am dringendsten notwendig wären und wo sie, wie ich zugebe, für das Einzelverhalten am schwierigsten sind und vielleicht am belastendsten empfunden werden. Aber da, Herr Minister Molterer, bedarf es Ihres politischen Mutes, einmal darauf hinzuweisen, dass jeder persönlich einen Beitrag leisten kann und dass er von der öffentlichen Hand unterstützt wird, sei es durch Zurverfügungstellung besserer öffentlicher Verkehrsmittel oder sei es auch steuerlicher Natur.

Es gibt die Pendlerpauschale als gewissen Ausgleich zwischen denjenigen, die auf dem Land wohnen, und denjenigen, die in der Stadt wohnen. Aber jene, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihrem Arbeitsplatz gelangen, bekommen durch die Pendlerpauschale in Summe weniger als jene, die über die Kilometergeldabrechnung womöglich noch ein Zusatzeinkommen haben. Da gehört einmal ein Gleichgewicht hergestellt und da gehört vor allem auch Klimaschutzpolitik betrieben. (Beifall bei den Grünen.)

Kollege Hornek, der leider gerade den Saal verlässt (Abg. Hornek kehrt wieder um und hält sich lauschend die Hand ans Ohr), hat sehr richtig darauf hingewiesen, dass neben dem Verkehr der zweite Hauptbereich von effizienten Maßnahmen, die wirklich Einsparungseffekte haben, der Althaussanierungsbereich ist. Dazu haben wir gerade in den Ländern die Möglichkeit über die Wohnbaugelder. Konsens reihum, das Problem ist nur, dass die Wohnbaugelder meistens in den Neubau fließen und nur ansatzweise – in Oberösterreich etwa, aber bitte das war eine grüne Initiative von meinem Klubobmann – auch in die Althaussanierung. (Abg. Hornek: Die ÖVP war dabei! – Abg. Oberhaidinger: Das war der Wohnbaureferent der SPÖ!) Aber diese Umpolung, Herr Minister, die Sie angesprochen haben, die sich durch Ihr Verhandlungspaket mit Landesrat Sobotka abzeichnet, brauchen wir äußerst dringend. Und vor allem: Die hätten wir schon machen können.

Denken Sie an den Finanzausgleich 2000. Dort ist in Artikel 3 § 1 Abs. 1 vermerkt, dass zur Finanzierung von Maßnahmen zur Reduktion des Ausstoßes an Treibhausgasen immerhin 24,5 Milliarden Schilling zur Verfügung stehen, aber die Verbindlichkeit ist nicht da. Die Verbindlichkeit fehlt, und darum sage ich: Gemeinsam auf in die Himmelpfortgasse und vor allem auch zu den Landesfinanzreferenten und zu den Wohnbaureferenten, denn bei denen liegt es auch, in welche Richtung diese Mittel verwendet werden!

Wir haben einen dringenden Bedarf, und die Befriedigung dieses Bedarfs hat einen Multieffekt und ist ein so genanntes All-winner-Projekt. Mit diesen Investitionen, mit einer Klimaschutzmilliarde – ich ziehe noch die Schilling als Milliardensumme heran – könnten Sie in jedem Bundesland über fünf Jahre Beschäftigungseffekte haben, die gerade jetzt der Bauwirtschaft nützen. Sie wissen, das größte Beschäftigungspotential liegt im Sanierungsbereich. Sie könnten Klein- und Mittelbetriebe dadurch unterstützen, weil diese am ehesten die Sanierungsmaßnahmen durchführen können.

Sie könnten drittens vor allem Einsparungen bei Energieimporten und damit budgetpolitische und leistungsbilanzmäßige Effekte erzielen. Ebenfalls ein All-winner-Projekt. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Sie könnten die CO2-Reduktion massiv vorantreiben.

Damit hätten Sie eine Palette, die fünftens – und das möchte ich nicht zuletzt anführen – vor allem dem Einzelhaushalt sparen hilft. Es würde dann die Belastung durch die Betriebskosten, sprich Heizkosten, für die einzelnen Personen insgesamt geringer werden.

Das ist ja dieser All-winner-Effekt, das ist der Gesamteffekt, doch Sie setzen keine Initialzündung beziehungsweise verhandeln Sie herum, obwohl 2001 schon Verhandlungen möglich gewesen wären mit ganz, ganz konkret paktierten Sanierungsmilliarden. Da sind Sie massiv in Verzug. Bitte, gehen Sie jetzt endlich mit Nachdruck an die Sache heran, denn wir können ja – und das ist der sechste Grund – ökonomisch und ökologisch massiv ins Geschäft kommen.


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Herr Minister! Sie haben zu Recht das Beispiel mit der oberösterreichischen Industrie zitiert, die Kesselprodukte in Bayern absetzt. Das ist nur ein Beispiel. Ich könnte Ihnen zwei, drei andere, ebenfalls aus Oberösterreich, nennen, wo sich dieser Öko-Wirtschaftscluster ausdehnt und wo er ebenfalls zu einer wirtschaftspolitischen Offensive wird, zu einer Technologieoffensive.

Wie weit das Feld für diese Wirtschaftstechnologieoffensive vor dem Hintergrund der energetischen Effizienz und auch des Klimaschutzes ist, zeigt Ihnen die gesamte Ostöffnungsperspektive, zeigen Ihnen die verschwenderischen Umgangsweisen mit Energie in Tschechien, zeigen Ihnen auch die Energiebilanzen Sloweniens und der Slowakei. Hier haben wir vor der Haustüre einen Exportmarkt für unsere Öko-Energie-Effizienz-Industrie. Und das sollten wir nützen! Wir sollten dieser Industrie möglichst schnell zusätzlich auf die Beine helfen, indem wir durch steuerliche Anreize in Österreich den Markt aufbereiten, damit wir dann jenseits von Österreich den Markt ausdehnen können.

Bitte nehmen Sie das endlich wahr und schauen Sie, dass diese Verhandlungen endlich in die Finalisierungsrunde kommen, und die Finalisierungsrunde heißt Finanzen! Ohne Finanzen brauchen wir gar nicht über den Klimaschutz zu reden. Das nächste Mal möchte ich konkrete Zahlen aus der Himmelpfortgasse. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dobnigg. – Bitte.

14.47

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und werte Kollegen! Hohes Haus! Wie wir wissen, ist durch die Nutzung der fossilen Energiequellen seit Beginn des industriellen Zeitalters die Konzentration des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre um etwa 30 Prozent gestiegen.

Im direkten Bezug dazu sprechen die zahlreichen vorliegenden Forschungsergebnisse namhafter Wissenschafterinnen und Wissenschafter von einem ursächlichen Zusammenhang dieser erhöhten Konzentration mit einer signifikanten Erwärmung der Erdatmosphäre. Man prognostiziert eine Erwärmung um bis zu 5,8 Grad bis Ende dieses Jahrhunderts. Voraussichtliche Folgen dieser Veränderung sind ein Ansteigen des Meeresspiegels, Änderungen in der Niederschlagsmenge und -verteilung, das Abschmelzen der Gletscher, die Migration von Tier- und Pflanzenarten, eine Verschärfung des heute schon bestehenden Süßwassermangels in den heißen Regionen der Erde, eine Häufung von Wetterkatastrophen und damit eine Häufung menschlicher Tragödien, beispielsweise bei Überflutung weiter Landstriche, sowie durch Klimaverschiebungen ausgelöste Wanderbewegungen und damit die Gefahr einer Häufung bewaffneter Konflikte um Siedlungsgebiete.

Das Eintreten dieses Szenarios würde schlussendlich zu unvorhersehbaren Folgen für die gesamte Menschheit, sei es im Bereich der Umwelt, der Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern wie Süßwasser und Lebensmitteln oder der Wirtschaftspolitik, führen. Alle Sektoren des Lebens wären von den negativen Konsequenzen solcher Entwicklungen betroffen.

Wegen des globalen Charakters dieses Problems ist ein koordiniertes internationales Vorgehen unerlässlich. Daher muss auch Österreich seinen Beitrag zur Reduzierung von Treibhausgasen leisten und hat sich in Gemeinschaft mit den anderen Ländern der Europäischen Union zu einem Reduktionsziel von minus 8 Prozent im Zeitraum der Jahre 2008 bis 2012 gegenüber den Werten des Jahres 1990 verpflichtet.

Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungen in den EU-Regionen hat Österreich einer Verringerung um bis zu 13 Prozent gegenüber 1990 zugestimmt. Das ist ein Ziel, das aus heutiger Sicht für Österreich nur sehr schwer erreichbar sein wird. So lagen die CO2-Emissionen im Jahre 1999 um 7 Prozent über jenen von 1990, und sie sind weiter im Ansteigen begriffen. Das heißt, die Treibhausgas-Emissionen müssen, bezogen auf heutiges Niveau, um fast 19 Prozent reduziert werden. Trotzdem fehlt bis heute – Kollegin Ulli Sima hat bereits darauf hingewiesen – ein Beschluss über eine nationale Klimastrategie. Statt konkreter


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Maßnahmen gibt es bisher leider nur vage Absichtserklärungen von Seiten dieser Bundesregierung.

Es zeigt sich insbesondere die Notwendigkeit der sofortigen Einführung der LKW-Maut, um den klimaschädigenden Schwerverkehr möglichst zahlreich von der Straße auf die umweltfreundliche Schiene zu verlagern. Dies ist vor allem auch im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten und die damit verbundene Zunahme des LKW-Verkehrs ein Gebot der Stunde, wenn man bedenkt, dass allein in den letzten zehn Jahren der Straßenverkehr in Österreich um rund 35 Prozent zugenommen hat und alle Prognosen weitere starke Steigerungen voraussagen.

Die Schiene ist weitaus effizienter als alle Straßenbeförderungsmöglichkeiten. Sie ist damit der Weg aus der Schere zwischen ökologisch notwendiger Senkung der Emissionen und ökonomisch notwendiger Erhaltung und Erhöhung der Beförderungsleistung. Das heißt, es muss vermehrt in die ÖBB investiert werden.

Statt auf Klimaschutzmaßnahmen im Inland setzt diese österreichische Bundesregierung jetzt offensichtlich auf die so genannten flexiblen Mechanismen, also auf den Zukauf von Emissionsrechten im Ausland. Nachdem diese Regierung bis heute auf diesem Gebiet eher geschlafen hat, möchte sie mit Geld, das man besser in Österreich investieren könnte, im Ausland den Klima-Krösus spielen.

Damit vergibt diese österreichische Bundesregierung nicht zuletzt die Chance auf Schaffung dringend benötigter heimischer Arbeitsplätze und Belebung unserer heimischen Wirtschaft. Laut Wifo-Studie könnten – und das haben Sie, Herr Bundesminister, in Ihren Aussagen auch bestätigt – bis zu 25 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Trotz derzeit höchster Arbeitslosenquoten wurde diese Chance bisher schmählich vertan.

Es wird aber auch notwendig sein, endlich die Finanzierung des österreichischen Klimaschutzes in Kooperation und nicht, wie derzeit, in Konfrontation mit den Bundesländern sicherzustellen.

Wir von der sozialdemokratischen Fraktion sprechen uns zur Sicherung unseres Lebensraumes Erde klar für die Ratifizierung des vorliegenden Kyoto-Protokolls aus. Wir tragen nämlich Verantwortung für unsere Nachkommen, für unsere Kinder, Enkel und Urenkel. Auch sie haben ein Recht darauf, in einem schönen Land und in einer gesunden Umwelt zu leben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Glawischnig. )

14.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Wenitsch. – Bitte.

14.53

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe natürlich die Nervosität bei den Grünen. Der Temelín-Zug ist ohne sie abgefahren. Die Wähler wissen, was sie von den Grünen in Zukunft zu halten haben. (Abg. Dr. Glawischnig: Wissen Sie, wer alle Wahlen gewonnen hat seit 1999?) Beispiel Deutschland: Ihr Joschka Fischer ist in der Atompolitik mit "gutem" Beispiel für die österreichischen Grünen vorausgegangen. (Abg. Dr. Glawischnig: Wissen Sie, wer alle Wahlen verloren hat seit 1999?) Ihre Nervosität ist mir bewusst, und ich kann sie auch verstehen. (Abg. Dr. Glawischnig: Sie haben eine reduzierte Wahrnehmung!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich und begrüße es, dass sich alle Vorredner hier einhellig zum Klimaschutz und zum Kyoto-Ziel bekannt haben. Frau Kollegin Sima hat darauf hingewiesen, dass es einer gewissen Klimastrategie bedarf, um in Zukunft erfolgreich zu sein. Alle Vorredner haben ihre persönlichen Ideale oder ihre Wünsche in den Vordergrund gestellt, so möchte auch ich es tun. Ich halte mich hier an meinen Vorredner von der sozialdemokratischen Fraktion, Kollegen Dobnigg – er hat ja darauf hingewiesen, dass der Güterverkehr eine unheimlich große Belastung ist –, wenn es darum geht, dem Treibhauseffekt in Zukunft Einhalt zu gebieten.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch Herr Minister Molterer hat darauf hingewiesen: Es bedarf einer gemeinsamen Anstrengung aller Ministerien, aller Abgeordneten, aller Fraktionen, aller Parteien. Wir brauchen europaweit und weltweit Einigkeit, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Hier sind die Verkehrsminister gefordert, hier sind die Landwirtschaftsminister gefordert, hier sind die Umweltminister gefordert, hier sind die Wirtschaftsminister gefordert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es werden in der heutigen Zeit trotz einer drohenden Gefahr wie dem Treibhauseffekt noch immer Güter in der Weise befördert, dass zum Beispiel Agrarprodukte und Lebensmittel nach Österreich oder in den EU-Raum insgesamt gelangen, die von Amerika hierher transportiert werden und bei denen der Verkaufspreis faktisch nicht einmal den Transportpreis abdeckt. Solange wir diesen Fehler nicht beheben, werden wir auch nicht den nötigen Klimaschutz für unsere Erde haben.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen im Güterverkehr einen Kreisverkehr mit Mautstellen statt eines Kreisverkehrs mit Förderstellen. Herr Minister, es ist wirklich unsinnig, dasselbe Produkt von einem Land ins andere zu karren und in jedem Land Förderbeträge und Gelder zu kassieren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dem gehört Einhalt geboten! (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Exportsubventionen abschaffen! In der Landwirtschaft!) Ich glaube, es sind wirklich alle Kräfte in diesem Haus dazu aufgefordert. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Loos. – Bitte.

14.56

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister! Es ist davon gesprochen worden, dass es sich um ein globales Übereinkommen handelt, das sehr wichtig ist, mit verbindlichem Rechtsrahmen und so weiter. Klimaschutz spielt sich aber auf allen Ebenen ab, und darauf möchte ich kurz eingehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist von der Anreizfinanzierung gesprochen worden – es geht nicht um 900 Millionen €, sondern um 90 Millionen €, Herr Abgeordneter Oberhaidinger –, und dazu muss man feststellen, dass sich, was das Umweltförderungsgesetz betrifft, die betriebliche Umweltförderung in den letzten drei Jahren von 30 Millionen € auf 50 Millionen € erhöht hat. Das ist sicher lobenswert, und es ist unserem Bundesminister Molterer zu verdanken. Was aber ebenfalls sehr wichtig ist, ist, dass es im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen mit den Ländern Gespräche gegeben hat – auch darauf wurde heute schon hingewiesen –, dass insbesondere im Rahmen der Wohnbauförderung auch Klimaschutz betrieben werden soll.

Frau Abgeordnete Dr. Moser! Ich habe Ihnen wirklich aufmerksam zugehört und kann Ihnen sagen: Es tut sich hier etwas, glauben Sie mir das! Sie haben Salzburg angeschnitten, es wurde auch Oberösterreich erwähnt. Ich kann Ihnen aus dem Burgenland berichten, dass wir das Wohnbauförderungsgesetz sehr stark auf diese Maßnahmen hin abgestellt haben; sogar schon das Vorblatt dieses Gesetzes, der erste Punkt überhaupt, betrifft die Abstimmung auf Kyoto. Wir haben im Burgenland beispielsweise mit der Wärmedämmung etwas vor. Es geht um verschiedenste Dinge, ich kann sie auf Grund der kurzen Redezeit, die mir zur Verfügung steht, nicht alle aufzählen.

Jedenfalls haben wir im Burgenland vor, dass wir im Rahmen der Wohnbauförderung bei ökologiebezogenen Zuschlägen 20 000 € hergeben. Wir tun das auch schon, das Gesetz ist bereits gültig. Das betrifft zum Beispiel die Ganzhausheizung mittels Kachelofen, und so weiter. Auch den Fernwärmeanschluss mit Biomasse haben wir vorgesehen. Wichtig ist weiters, dass im Burgenland Raumheizungen mit Solareinbindung und Wärmerückgewinnungsanlagen zu 30 Prozent gefördert werden. Wir haben außerdem einiges vor, was die thermische Sanierung im mehrgeschossigen Wohnbau betrifft, und führen das auch in der Praxis durch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Klimaschutz ist wirklich etwas für alle, für alle Parteien, aber auch für alle Ebenen. Es ist wichtig – ich rede jetzt von Österreich –, dass der Bund,


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die Länder und vor allem auch die Gemeinden etwas dazu beitragen; es fehlt mir jetzt wirklich die Zeit, dies näher auszuführen.

Wichtig ist es auch, dass es Abfallsammelstellen gibt, dass die Menschen beim Hausbauen nicht vor dem Haus Styropor verbrennen müssen, sondern dass das gesammelt wird. Das sind zwar punktuelle Dinge, das sind Kleinigkeiten, aber das ist angewandter Klimaschutz. Darauf sollten wir uns verständigen. – Herzlichen Dank, Herr Bundesminister! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche jetzt die Verhandlungen über den laufenden Tagesordnungspunkt.

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Michael Krüger, Matthias Ellmauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Verbesserung des rechtlichen Status von Angehörigen der Exekutive und Zivilpersonen im Rahmen von UN-Missionen (646/A) (E)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 646/A (E) der Abgeordneten Dr. Krüger und Ellmauer.

Da dieser Antrag inzwischen verteilt wurde und allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Seit vielen Jahren unterstützt Österreich friedensstiftende, friedenssichernde und humanitäre Aktionen der Vereinten Nationen. Tausende österreichische Soldaten haben im Rahmen dieser Einsätze eine wichtige Rolle gespielt. In diesen Einsätzen werden in letzter Zeit immer häufiger Angehörige der Exekutive, aber auch Lehrer und andere Beamte eingesetzt.

Der Dienst im Rahmen von UN-Einsätzen ist eine schwierige und gefährliche Aufgabe, die für die betroffenen Personen eine besondere Herausforderung darstellt, weil sie in einer fremden Umgebung, konfrontiert mit unbekannten kulturellen Gegebenheiten, ihren verantwortungsvollen Dienst versehen müssen. In dieser Situation müssen sich die Beamten darauf verlassen können, dass die Rahmenbedingungen ihres Einsatzes in ihrem Interesse klar geregelt sind und sie nicht mit zusätzlichen Gefahren rechnen müssen. So ist es besonders wichtig, dass sie nicht durch Willkür von Behörden bedroht sind, deren Handeln oft nicht einmal den Grundsätzen der Europäischen Menschenrechtskonvention entspricht. Eine solche Absicherung soll und kann nicht bedeuten, dass die Beamten für den Fall eines Fehlverhaltens nicht zur Verantwortung gezogen werden können: sie sind als Österreicher in jedem Fall der österreichischen Gerichtsbarkeit unterworfen und müssen schon auf Grund des strafrechtlichen Offizialprinzips in Österreich auch tatsächlich verfolgt werden.

Soldaten unterstehen auch bei UN-Einsätzen normalerweise weiterhin der Strafgerichtsbarkeit ihres Heimatstaates; dies wird im sogenannten Truppenstatusabkommen (Status of Forces-Agreements) festgelegt; bei Angehörigen der Exekutive sowie bei Zivilpersonen ist dies derzeit nicht der Fall.

Zivilpersonen haben meist nur sogenannte "funktionelle" Immunität, also nur Immunität für Handlungen, die sie in Wahrnehmung ihrer offiziellen Aufgaben gesetzt haben, während Soldaten auch Immunität für alle Handlungen "absolute" Immunität genießen können.

Auf die Immunität von Angehörigen der Exekutive kann der Generalsekretär der Vereinten Nationen ohne Konsultation und Zustimmung des Entsendestaats verzichten, bei Soldaten hingegen entscheidet allein der Entsendestaat über einen allfälligen Verzicht auf die Ausübung seiner Gerichtsbarkeit und eine Unterstellung unter die lokale Gerichtsbarkeit.


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98. Sitzung / Seite 105

Die österreichische Beteiligung an internationalen Friedensoperationen beruht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Wenn der Rechtsschutz und die gesundheitliche Betreuung der österreichischen Teilnehmer an diesen Missionen nicht garantiert wäre, bestünde die Gefahr, dass sich nicht mehr genügend österreichische Freiwillige für derartige internationale Einsätze finden. Damit wäre Österreichs Engagement im Rahmen der Friedensmaßnahmen der Vereinten Nationen ernsthaft gefährdet. Es ist daher notwendig, den im Rahmen von UN-Einsätzen tätigen Österreichern unabhängig von ihrem dienstrechtlichen Status in Österreich volle Immunität zu garantieren. Wenn nämlich auch nur die Möglichkeit der Aufhebung der Immunität durch die Vereinten Nationen besteht, werden von lokalen Behörden ohne eine diesbezügliche Anfrage vorzunehmen, in Verletzung der bestehenden Immunität unzulässige freiheitsbeschränkende Maßnahmen ergriffen, wie der konkrete Fall zeigt:

Am 26. Februar 2002 wurde der österreichische Polizist Martin A. im UNO-Einsatz im Kosovo beschuldigt, beim Verhör eines Kosovo-Albaners, der im Verdacht schwerer Gewalttaten steht, Übergriffe begangen zu haben. Martin A. wurde zuerst am Vormittag des 26. Februar von UNMIK-Polizisten festgenommen, um nur wenige Minuten später wieder freigesetzt zu werden. Er wurde nicht über den Grund dieser kurzfristigen Festnahme unterrichtet, sondern nur instruiert, seinen Aufenthaltsort nicht zu verlassen. Am Abend des 26. Februar wurde vom UNMIK-Polizeikommandanten von Prizren die weitere Festnahme von Martin A. unter Berufung auf Art. 190 des jugoslawischen Strafgesetzbuches verfügt. Nach den einschlägigen Bestimmungen über den rechtlichen Status von UNMIK-Angehörigen (UNMIK Regulation no. 2000/47 vom 18. August 2000 über den Status, die Privilegien und Immunitäten der KFOR und der UNMIK) waren diese Festnahmen unrechtmäßig und damit rechtlich unwirksam, da die Immunität, über die der Beamte Martin A. als UNMIK-Polizist verfügte, zum Zeitpunkt der Festnahme nicht aufgehoben war.

Das Bundesministerium für Inneres ersuchte am 27. Februar um Repatriierung des Polizisten Martin A., wobei seitens Österreich garantiert wurde, dass die Vorwürfe gegen den Beamten geprüft werden, um in Österreich ein entsprechendes strafrechtliches und disziplinarrechtliches Verfahren einzuleiten. Unterdessen verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Beamten rapide, was auch von zwei Ärzten der UNMIK bestätigt wurde. Am Abend des 27. Februar wurde Martin A. in das Feldhospital der KFOR in Suvar-Reka überstellt und am Morgen des 28. Februar wurde Martin A. mitgeteilt, dass er nicht mehr länger unter (dem rechtlich unwirksamen) Arrest stehe. Aufgrund der weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes, der mittlerweile eingetretenen lebensbedrohenden Situation im Kosovo sowie im Hinblick auf die gravierenden Verfahrensmängel der UNMIK gegen den österreichischen Polizisten Martin A. wurde dann auf Ersuchen des Bundesministeriums für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten die unverzügliche Repatriierung des Beamten vorgenommen.

Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten hat in dieser Angelegenheit eine einvernehmliche Vorgangsweise mit den Instanzen der Vereinten Nationen angestrebt und insbesondere die Einsetzung einer unabhängigen UN-Untersuchungskommission verlangt. Mittlerweile wurde dem Generalsekretär der Vereinten Nationen auch eine Sachverhaltsdarstellung über die unrechtmäßige Vorgangsweise der UNMIK-Behörden gegenüber dem österreichischen Beamten Martin A. übermittelt.

Der Fall des österreichischen UN-Polizisten Martin A. hat somit aufgezeigt, dass Angehörige der Exekutive und Zivilpersonen, die im Ausland im Rahmen von UN-Missionen zum Einsatz kommen, aufgrund der für sie geltenden rechtlichen Regelungen der Gefahr ausgesetzt sind, der lokalen Strafgerichtsbarkeit unterworfen zu werden. Das bedeutet, dass Polizisten im internationalen Einsatz jederzeit damit rechnen müssen, lokalen Kräften und Institutionen ausgeliefert zu sein, die durchaus auch in einem Konflikt- oder Spannungsverhältnis zu den internationalen Einheiten stehen können und deren Standards nicht jenen des Entsendelandes entsprechen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden


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Dringlichen Antrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

"1. Der Nationalrat begrüßt die von der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten eingeleiteten Bemühungen, eine Verbesserung des Immunitätsschutzes von Angehörigen der Exekutive im UN-Einsatz zu erreichen und ersucht sie, im Lichte der Erfahrungen des Falls von Martin A. alle erforderlichen Schritte zur Verbesserung der rechtlichen Situation von Angehörigen der Exekutive und von Zivilpersonen durch Angleichung deren immunitätsrechtlicher Stellung an jene von Soldaten im UN-Einsatz zu setzen.

2. Die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten wird ferner ersucht, im Rahmen der Europäischen Union dafür einzutreten, dass ein gemeinsames Abkommen der EU-Staaten mit den Vereinten Nationen zum höchstmöglichen Schutz aller Angehörigen der Exekutive und Zivilpersonen aus EU-Staaten im Rahmen von internationalen UN-Einsätzen getroffen wird.

3. Die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten wird schließlich ersucht, an den Generalsekretär der Vereinten Nationen mit dem dringenden Wunsch Österreichs heranzutreten, eine bis zum Inkrafttreten einer gemeinsamen Regelung für alle EU-Staaten geltende Vereinbarung über die Entsendung österreichischer Einheiten im Rahmen von UN-Missionen zu treffen, mit der der bestmögliche Schutz aller Angehörigen der Exekutive und Zivilpersonen im friedenserhaltenden, friedenssichernden und humanitären Einsatz im Falle des Vorwurfes strafbarer Handlungen garantiert wird."

Die unterfertigten Abgeordneten verlangen, diesen Antrag gemäß §§ 74a Abs. 1 in Verbindung mit 93 Abs. 1 GOG dringlich zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile dem Erstantragsteller, Herrn Abgeordnetem Dr. Krüger, zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort und darf darauf hinweisen, dass die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten darf. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.00

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten! Meine Damen und Herren! Das österreichische Strafrecht ist dem Universalitätsprinzip verpflichtet. Das bedeutet, dass die Republik Österreich gegen jeden, der die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und eine strafbare Handlung begeht, auch einen Strafanspruch erhebt. Dabei ist es vollkommen einerlei, ob die verdächtige Handlung in Österreich oder im Ausland begangen wurde. Wenn etwa – um ein Beispiel zu nennen – ein österreichischer Staatsbürger in Alaska ein Verbrechen begeht, dort eines Verbrechens verdächtig ist, wird die Republik Österreich, obwohl der Tatort nicht in Österreich war, sondern in diesem Fall in den Vereinigten Staaten von Amerika, einen Strafanspruch erheben, sich um eine Auslieferung bemühen und dergleichen mehr. (Abg. Parnigoni: Auch wenn es in Kanada war!)

Dieser Universalitätsanspruch der Republik Österreich kollidiert naturgemäß mit dem Territorialitätsanspruch, nämlich mit dem Tatortprinzip, das auch wir beachten. Wenn ein ausländischer Staatsbürger in Österreich eine strafbare Handlung begeht, so wird er auch in Österreich verfolgt. In den meisten anderen zivilisierten Ländern ist das ebenfalls so. Wenn im Ausland ein österreichischer Staatsbürger eine strafbare Handlung begeht, wird er auch dort verfolgt und voraussichtlich nicht an die Republik Österreich ausgeliefert.

Ich darf ganz allgemein darauf hinweisen, dass österreichische Staatsbürger, wenn der Verdacht besteht, dass sie im Ausland Verbrechen begangen haben, und sie in Verfolgungshandlungen verwickelt sind – wenn sie also durchaus auch unschuldig sein können –, aber auch selbst dann, wenn sie letztlich durch ein ausländisches Strafgericht verurteilt worden sind, als


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österreichische Staatsbürger nach wie vor unter einer gewissen Fürsorge der Republik stehen. Das gilt also auch, wenn sie verurteilt wurden. So hat mir beispielsweise unsere österreichische Botschafterin in Kuba, als ich dort vor etwa einem Jahr einen privaten Aufenthalt hatte, in Havanna berichtet, dass es immer wieder zu ihren vornehmsten Aufgaben zählt, sich auch für österreichische Straftäter einzusetzen, zum Beispiel in Bezug auf Haftbedingungen et cetera. Mit den Haftbedingungen im Ausland steht es wahrlich in sehr vielen Fällen nicht zum Besten, und sie sind oft geeignet, das Leben eines österreichischen Staatsbürgers, der im Ausland verurteilt wurde und dort seine Strafe verbüßt, tatsächlich zu verkürzen.

Ich glaube, es ist eine sehr wichtige Aufgabe des Außenministeriums, der österreichischen Botschafter, der Vertretungen, sich überall dort, wo Österreicher in strafbare Handlungen verwickelt sind oder dieser auch nur verdächtigt werden, dieser Personen anzunehmen. Das möchte ich einleitend sagen zur generellen Fürsorgepflicht, zur generellen Fürsorge des Staates gegenüber österreichischen Staatsbürgern, die verdächtig sind, im Ausland strafbare Handlungen begangen zu haben.

Wenn österreichische Staatsbürger im Zuge von friedensstiftenden und -erhaltenden Operationen im Ausland verdächtig sind, strafbare Handlungen begangen zu haben, so ist zu differenzieren. Wenn es sich um Soldaten handelt, gilt ein entsprechendes Abkommen, ein Statut, das diese Soldaten unter völlige Immunität stellt. Das heißt mit anderen Worten: Egal, ob sie dort die verdächtige strafbare Handlung in Ausübung ihres Berufes oder in der Freizeit verüben, stehen sie uneingeschränkt unter der Immunität, und die Republik Österreich könnte bei einem derartigen Auslandsaufenthalt die Repatriierung fordern, die Ausreise nach Österreich – und nicht die Auslieferung, weil für die fremde Macht nicht einmal die Möglichkeit besteht, in diesem Fall eine Verhaftung vorzunehmen. Es ist dies ein sehr wichtiges und nützliches Privileg, das die Soldaten genießen. Ich bin davon überzeugt, dass es ohne dieses Privileg in den letzten 20, 30 Jahren nicht in diesem Umfang zu friedenserhaltenden Operationen gekommen wäre. (Abg. Parnigoni: Wo ist da die Dringlichkeit?)

Zu differenzieren ist der Fall, dass im Rahmen der friedenserhaltenden Operationen nicht nur Soldaten eingesetzt werden. Die Vorstellung, dass nur Soldaten eingesetzt werden, entspricht dem alten Denken. Das neuere Denken ist in die Zukunft orientiert und besteht etwa darin, dass auch Polizeiaufgaben wahrzunehmen sind – siehe auch die "Petersberger Beschlüsse" –, friedenserhaltende polizeiliche Aufgaben, und dass unter dem Dach der Vereinten Nationen durchaus auch Aufbaumaßnahmen eingeleitet werden, wenn etwa Lehrer, Pädagogen, Ärzte und so weiter entsandt werden.

Der Schutz dieser Personengruppe stellt sich im Vergleich zu jenem der Soldaten ganz anders dar. Sie genießen einen wesentlich geringeren Schutz und eine eingeschränkte Immunität, nämlich nur die berufliche Immunität. Nur wenn sie im Zuge ihrer Berufsausübung eine strafbare Handlung begehen, unterliegen sie der Immunität, wobei es selbstverständlich immer um die Abgrenzung geht: Was ist noch eine berufliche Aufgabe, und was ist keine berufliche Aufgabe mehr?

Aber selbst dann, wenn man bejaht, dass es bei der verdächtigen Handlung um die Erfüllung einer beruflichen Aufgabe geht, können die Vereinten Nationen ungeachtet dessen die Immunität auch aufheben. Meines Erachtens besteht ein ganz grobes Unrecht zwischen den Soldaten auf der einen Seite, die diese Immunität vollkommen zu Recht genießen, und den Nicht-Soldaten auf der anderen Seite, die ebenfalls friedenssichernde Maßnahmen durchführen, wie etwa Polizisten, aber auch Lehrer und dergleichen, die im Wesentlichen ziemlich schutzlos einer fremden Macht ausgeliefert sind.

Herr Kollege Parnigoni! Sie haben den Zwischenruf gemacht: Wo liegt die Dringlichkeit? – Ich kann Ihnen sagen, worin die Dringlichkeit liegt: Es muss das Interesse der Republik Österreich sein, nicht nur für unsere Soldaten im Ausland zu sorgen, sondern auch für diejenigen, die nicht Soldaten sind, wie etwa Polizisten und Lehrer. Genau das ist die Dringlichkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer das nicht erkennt, verschließt die Augen vor den Aufgaben, die Österreich hat. Es ist eine alte Tradition der Republik Österreich, eine jahrzehntelange Tradition, dass man sich trotz der Kleinheit und relativen Bedeutungslosigkeit der Republik Österreich im gesamten Weltgeschehen immer wieder um friedenserhaltende Einsätze höchst verdient gemacht hat. ("Haider"-Rufe bei der SPÖ.)

Ich darf darauf hinweisen, dass die Republik Österreich innerhalb aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union an zweiter Stelle steht, was die Menge der Auslandseinsätze im Rahmen der friedenserhaltenden Operationen betrifft. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich glaube, im Sinne aller zu sprechen, wenn ich davon ausgehe, dass es selbstverständlich auch in Zukunft so sein soll, dass die Republik Österreich durch Entsendung von Soldaten, von Polizeikräften, aber auch von zivilen Kräften im Sinne der Friedenserhaltung in Europa und auf der ganzen Welt tätig sein soll. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Differenzierung, die ich vorgenommen habe, ist bisher weitgehend unbeachtet geblieben. Es bedurfte eines konkreten Anlassfalles, um diese Ungleichbehandlung aufzudecken und gleichzeitig einen legistischen Bedarf zu belegen. Es hat sich ein Vorfall ereignet, dessen sich die Opposition bemächtigt hat, um daraus politisches Kleingeld zu schlagen. Aber ich glaube, dass das jämmerlich in sich zusammengebrochen ist, und das wäre nicht das erste Mal. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Worum hat es sich gehandelt? – Ein österreichischer Polizist war Teilnehmer an einer friedenserhaltenden Operation im Kosovo. Gegen ihn wurde die Beschuldigung erhoben, er hätte sich der Misshandlung eines Kosovo-Albaners schuldig gemacht. Das ist eine Behauptung, die einmal in den Raum gestellt wurde.

Ich nehme an, dass es Konsens in diesem Haus ist, dass für diese Person selbstverständlich die Unschuldsvermutung zu gelten hat. Dass ich das überhaupt betonen muss, führe ich darauf zurück, dass das etwa in der Debatte im Bundesrat nicht selbstverständlich war. Dort hat es tatsächlich einen protokollierten Zwischenruf einer Kollegin von den Sozialdemokraten gegeben, die gesagt hat: "Er hat sich ja etwas zuschulden kommen lassen." – Deshalb erlaube ich mir hier an die Adresse der Sozialdemokratie die selbstverständliche Feststellung, dass die Unschuldsvermutung auch von Seiten der Sozialdemokratie zu gelten hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Damit, dass ich diese Selbstverständlichkeit in Richtung Grüne betone, hat es aber eine ganz andere Bewandtnis. Die grüne Fraktion hat traditionell ein sehr divergierendes Verhältnis zur Unschuldsvermutung. Wenn es um eine ganz bestimmte Klientel geht – etwa um die Horden, die sich vor dem Opernball alljährlich vor der Oper aufstellen und dort mit Pflastersteinen und dergleichen werfen (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Das unterstellen Sie!), oder etwa um die "berühmten" Donnerstags-Demonstranten, die in der Anfangsphase der Bildung dieser Regierung Straßenschlachten geliefert haben –, dann sind alle vollkommen unschuldig. (Abg. Dr. Kräuter: Wann kommen Sie endlich zur Haider-Reise?)

Selbstverständlich gilt auch für grüne Politiker, die in ihrer Sturm-und-Drang-Phase das eine oder andere Vergehen begingen, allemal die Unschuldsvermutung. Selbstverständlich wird von Ihrer Seite auch heute noch die Unschuldsvermutung für einen gewissen Joschka Fischer gelten. Davon bin ich vollkommen überzeugt, meine Damen und Herren von den Grünen, dass Sie auch heute noch die These vertreten, dass nur eine unglückliche Parade eines Polizisten, einem Tormann gleich und zufälligerweise gegen den Stiefelschaft des Herrn Joschka Fischer zu fallen, zu dieser Verletzung geführt hat.

Meine Damen und Herren! Ich denke daher, Sie haben eine sehr differenzierte Ansicht von der Unschuldsvermutung. Aber dann natürlich, wenn es um Polizisten geht, wenn es um jemanden geht, der eine Uniform anhat, ob das ein Soldat oder ein Polizist ist, gilt die Unschuldsvermutung nicht. Ich möchte fast sagen, da gilt aus Ihrer Sicht die Schuldvermutung. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. )  – Was regt sich die SPÖ darüber auf? Von Ihrer Seite gilt ja, wie ich schon


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erwähnt habe, das Prinzip der Unschuldsvermutung, fühlen Sie sich bitte nicht angesprochen! Aber wenn Sie sich angesprochen fühlen, soll es mir auch recht sein.

Doch für die Grünen gilt hier: Wenn jemand eine Uniform anhat, wenn jemand ein Polizist ist, dann gilt einmal die Schuldvermutung. Das ist eben so: Der Polizist und die Uniform sind Ausdruck eines obrigkeitlichen Verhaltens, und da gilt die Schuldvermutung. (Abg. Ing. Westenthaler: Die Grünen wollen ja die Polizei entwaffnen!)

Ich sage das deshalb, weil Sie auch die Bewertung des verdienstvollen Einsatzes unserer Außenministerin für Personen im Ausland, die im Verdacht stehen, strafbare Handlungen begangen zu haben, differenziert sehen. Wenn es um Mitglieder einer "Volxtheater-Karawane" geht, die zufälligerweise mit Keulen bewaffnet sind – natürlich alles nur für darstellende Zwecke, überhaupt keine Frage, es gilt selbstverständlich auch die Unschuldsvermutung –, fordert man einen sofortigen beherzten Einsatz der Außenministerin, die ohnedies schon ununterbrochen tätig war, um eine Verbesserung herbeizuführen, sodass sogar Peter Pilz, glaube ich, den Konsul gelobt hat, der angewiesen wurde, sich dort sofort einzusetzen. Mit Recht haben Sie das gefordert, und es wurde auch gemacht. Dazu bedurfte es nicht Ihrer Aufforderung.

Aber jetzt, da es um einen Polizisten gegangen ist, der im Verdacht steht, eine strafbare Handlung begangen zu haben – eine bloße Vermutung, ein bloßer Verdacht und nichts Erwiesenes –, regen Sie sich plötzlich auf, wenn sich die Frau Bundesministerin, die Beamtenschaft und auch die Botschafter verdienstvoll hinter diese Person stellen!

Ich darf darauf verweisen, dass Sie mittlerweile – und ich nehme an, das ist auch der Grund dafür, dass Sie in letzter Zeit von völlig absurden Rücktrittsaufforderungen abgegangen sind – genau wissen, worum es gegangen ist. Dank des beherzten Einsatzes der Frau Bundesminister, dank des beherzten Einsatzes der österreichischen Diplomatie ist es gelungen, die sofortige Repatriierung dieses Polizisten herbeizuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Seien wir froh, dass das gelungen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! Da ist es um Tod und Leben gegangen. Dieser Mann stand unter akuter Suizidgefahr, er stand unter akuter Bedrohung der Sippe oder der Verwandtschaft des betroffenen Kosovo-Albaners. Hier bestand die Notwendigkeit des sofortigen Handelns. Ich muss sagen, wenn das nicht der Fall gewesen wäre, dann wäre mit Recht Kritik erhoben worden. Die Frau Außenministerin hat das getan, was ihre Pflicht ist, nämlich auch die Interessen dieses Menschen entsprechend im Auge zu behalten!

Ich bin auch sehr froh, dass ein entsprechendes Schreiben von Herrn Dr. Pfanzelter, unser UNO-Botschafter in New York, an Kofi Annan ergangen ist. Wenn man das allerdings uminterpretieren will, dann kann man daraus Kleingeld schlagen, das ist schon klar, und dann verlässt man auch gern einen generellen außenpolitischen Konsenskurs, das ist überhaupt keine Frage. Aber was hat er getan? – Er hat nicht mehr und nicht weniger getan, als den UN-Generalsekretär darauf hinzuweisen, dass dieser Vorfall die Entsendung weiterer ziviler Personen für friedenserhaltende Operationen gefährden könnte. Das ist eine Selbstverständlichkeit!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es Schule machen sollte, dass ein österreichischer Polizist im Ausland, der friedenserhaltende Maßnahmen durchführen soll, dort schutzlos einem Regime und einer Gerichtsbarkeit, die wir nicht kennen und zu der wir meiner Ansicht nach mit Recht in einem eher kritischen Verhältnis stehen, ausgeliefert ist, dann kann ich Ihnen garantieren, dass sich niemand mehr in der Exekutive finden wird, der mittut! (Abg. Dr. Jarolim: Das ist völlig ...!)

Herr Kollege Jarolim, ich sage dir, es wäre eine Selbstverständlichkeit gewesen, dass die Gewerkschaft öffentlicher Dienst, die auch der SPÖ zumindest zum Teil nahe steht (Abg. Gaál: Nicht mehrheitlich!), in einem Rundschreiben sofort dringend von weiteren Einsätzen abgeraten hätte. Daher bin ich sehr froh, dass da auch Klartext gesprochen wurde. Gerade an der Diplomatensprache kritisieren wir bisweilen nicht ganz präzise und konkrete Formulierungen,


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aber hier wurden sie wirklich verwendet, indem gesagt wurde: jeopardize the participation of Austrian people oder so ähnlich. Das heißt, es würde wirklich die Teilnahme der Österreicher gefährden.

Frau Außenministerin! Ich möchte mich auch als Angehöriger des Hohen Hauses ausdrücklich dafür bedanken, dass Sie dieser Fürsorgepflicht vorbildlich nachgekommen sind und dass auch UNO-Botschafter Dr. Pfanzelter dieser Funktion vorbildlich nachgekommen ist. Alles andere hätte tatsächlich den weiteren Einsatz gefährdet.

Ich bin aber auch froh darüber, dass jetzt die SPÖ offensichtlich wieder zurückkehrt, da auch Herr Abgeordneter Schieder, der hoch angesehene und wirklich sehr geschätzte außenpolitische Sprecher der SPÖ, gesagt hat (Heiterkeit bei den Freiheitlichen)  – ich hoffe, ich habe jetzt Ihre weitere Karriere nicht behindert; ich glaube aber nicht –, eigentlich habe die Frau Bundesministerin vollkommen richtig gehandelt, als sie diesen Staatsbürger zurückgeholt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das haben Sie, glaube ich, gesagt, Herr Abgeordneter Schieder! Ich danke Ihnen für diese Klarstellung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Gegenstand des Dringlichen Antrages gelangt die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten zu Wort. Ihre Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Bundesministerin.

15.18

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Die Regierungsparteien haben heute einen Dringlichen Antrag betreffend die Verbesserung des rechtlichen Status von Angehörigen der Exekutive und Zivilpersonen im Rahmen von UN-Missionen eingebracht. Ich hatte die österreichische Vertretung bei den Vereinten Nationen bereits angewiesen, die UNO auf die Notwendigkeit einer Prüfung des unterschiedlichen Rechtsstatus – der heute zur Debatte steht – von Zivil- und von Militärpersonal in solchen Operationen hinzuweisen. Dabei geht es insbesondere um die Stärkung der Rolle der Entsendestaaten im Falle von behaupteten Vergehen von Angehörigen ihrer Kontingente.

Ich begrüße daher außerordentlich diesen Dringlichen Antrag, weil die parlamentarische Unterstützung diesem Vorhaben selbstverständlich zusätzliches Gewicht verleiht. Der Fall dieses österreichischen UNMIK-Polizisten Martin A. im Kosovo, der, wie Sie wissen und wie soeben gesagt wurde, auf Grund von Gefahr im Verzug von Österreich – von mir, nach einem Ersuchen des Innenministers – repatriiert wurde, hat leider sehr deutlich aufgezeigt, dass beim Rechtsschutz für Zivilpersonen, vor allem bei Polizisten, die im Rahmen von internationalen UN-Einsätzen im Ausland zum Einsatz kommen, im Vergleich zu den Militärpersonen klar eine Schlechterstellung besteht.

Wie in dem heutigen Dringlichen Antrag auch zutreffend ausgeführt wurde, wird zum Beispiel für Militärpersonen im so genannten Status of Forces-Agreement in der Regel festgelegt, dass diese weiterhin ausschließlich der Strafgerichtsbarkeit des Entsendestaates unterstehen. Polizisten im internationalen Einsatz aber müssen mangels vergleichbarer Regelungen der örtlichen Strafgerichtsbarkeit unterworfen werden, wobei leider nicht immer garantiert ist, dass diese Strafgerichtsbarkeit allen menschen- und verfahrensrechtlichen Standards entspricht.

Das ist eine echte Ungleichbehandlung von militärischem und zivilem Personal, und im Hinblick auf die oftmals übergreifenden Aufgaben und Funktionen bei friedenserhaltenden Operationen ist das sicher nicht gerechtfertigt.

Ich möchte in diesem Zusammenhang ausdrücklich klarstellen, dass es dabei nicht darum geht, verdächtige Personen der Strafverfolgung zu entziehen, da allfällige Straftaten selbstverständlich von den Behörden der Entsendestaaten zu ahnden sind. Es geht vielmehr darum, dass für jene Österreicherinnen und Österreicher, die als Zivilpersonen auf freiwilliger Basis – und darum geht es ja: auf freiwilliger Basis! – an diesen friedenserhaltenden Operationen der Vereinten


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Nationen teilnehmen, ein gleicher Rechtsschutz, das heißt, ein allen europäischen menschenrechtlichen Standards entsprechendes Strafrechtsverfahren von Österreich ausdrücklich garantiert wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was den Fall dieses UNMIK-Polizisten betrifft, so muss man realistisch sein. Es wird kaum möglich sein, kurzfristig eine formelle Änderung der derzeit bestehenden Regelungen über den rechtlichen Status, die Privilegien und Immunitäten von KFOR- und UNMIK-Angehörigen im Kosovo zu erreichen, da, wie Sie wissen, diese Regelungen auf der Sicherheitsratsresolution 1244/99 beruhen. In diesem Fall wurden jedoch bei der unrechtmäßigen Festnahme des UNMIK-Polizisten Martin A. nicht einmal die bestehenden Immunitätsregeln von den örtlichen UNMIK-Behörden eingehalten. Ich habe das bereits ausgeführt. Ich habe aus diesem Grund die österreichische Vertretung in New York angewiesen, die Vereinten Nationen mit Nachdruck auf diese unrechtmäßige Vorgangsweise der örtlichen UNMIK-Behörden gegenüber dem Immunität genießenden österreichischen Beamten hinzuweisen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Österreich hat nun die UNMIK-Behörden, vor allem aber den internationalen Staatsanwalt im Kosovo aufgefordert, mit den österreichischen Behörden bei den Ermittlungen in diesem Fall zusammenzuarbeiten. Im Hinblick auf die Vorgangsweise der UNMIK-Behörden gegenüber dem österreichischen UNMIK-Polizisten hat Österreich die sofortige Einleitung interner Ermittlungen sowie vor allem rechtlicher und disziplinärer Schritte vor allem gegen die verantwortlichen UNMIK-Vorgesetzten, aber auch die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission mit österreichischer Beteiligung verlangt.

Schließlich hat Österreich eine Evaluierung des unterschiedlichen rechtlichen Status von militärischen und Zivilpersonen bei friedenserhaltenden Operationen der Vereinten Nationen vorgeschlagen. Wir werden uns in diesem Zusammenhang ganz besonders dafür einsetzen, dass die Rolle des Entsendestaates im Falle des Immunitätsverzichts gestärkt wird. Das heißt, dass anders als im Fall des Martin A. ein Immunitätsverzicht durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen nur nach vorheriger Zustimmung oder zumindest Konsultation des Entsendestaates erfolgen kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Forderungen stehen klar in völligem Einklang mit dem am 8. März, also kürzlich, verabschiedeten Bericht des UNO-Sonderausschusses für friedenserhaltende Operationen. Darin heißt es nämlich – ich gebe jetzt eine Arbeitsübersetzung des englischen Textes –:

Der Sonderausschuss unterstreicht noch einmal, dass betroffene Mitgliedstaaten voll befasst und ihnen zeitgerecht Kopien aller internen Erhebungen und Untersuchungen der Vereinten Nationen einschließlich des erzielten Endergebnisses übermittelt werden sollen bezüglich ihr Personal betreffender Vorfälle, wo die Feststellung einer strafrechtlichen Schuld wahrscheinlich ist. – Zitatende.

Bei zukünftigen Friedensmissionen wird es mir daher ein ganz besonderes Anliegen sein, gemeinsam mit unseren Partnern in der Europäischen Union dafür einzutreten, dass der rechtliche Status von Zivilpersonen und Polizisten aus den EU-Staaten im Rahmen von internationalen UN-Einsätzen in einem gemeinsamen Abkommen der EU-Staaten mit den Vereinten Nationen geregelt wird. Einem solchen Abkommen wird im Zusammenhang mit zukünftigen internationalen Einsätzen vor allem der derzeit gerade im Aufbau befindlichen zivilen EU-Polizeitruppe – das sind immerhin große Truppen – eine ganz besondere Bedeutung zukommen, denn eine solche Regelung und ein hinreichender rechtlicher Schutz sind ganz wesentlich dafür – und das wurde ja auch im Brief, den Dr. Pfanzelter geschrieben hat, zum Ausdruck gebracht –, dass sich in Zukunft Österreicherinnen und Österreicher überhaupt noch freiwillig für solche Einsätze melden. Das ist die Grundlage für die vielfach von den Vereinten Nationen anerkannten und gelobten österreichischen Einsätze in Friedensoperationen, für die dem UNO-Generalsekretär vor nicht langer Zeit der Friedensnobelpreis verliehen wurde, in den wir natürlich alle mit eingeschlossen sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ich sage: Die Absicherung österreichischer Freiwilliger ist mir ein wesentliches Anliegen, und das nicht nur im konkreten Fall. Manchmal handelt es sich ja durchaus um nicht ungefährliche Einsätze. Die UNO weiß auch, was sie an Österreich hat, und hat das auch immer wieder betont. So hat zum Beispiel der Untergeneralsekretär für Friedenserhaltende Operationen der Vereinten Nationen, Jean-Marie Guéhenno, im Zuge eines feierlichen Aktes am 14. März 2002, also vor einer Woche, dem österreichischen UNO-Botschafter Dr. Pfanzelter die Dag-Hammarskjöld-Medaille überreicht. Mit dieser Medaille werden jene ausgezeichnet, die im Zuge ihrer Mission für internationalen Frieden und Sicherheit leider ihr Leben lassen mussten. Botschafter Dr. Pfanzelter hat die Medaille stellvertretend für 21 Familien von österreichischen UN-Soldaten, die in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben verloren haben, entgegengenommen, und dabei – das möchte ich ausdrücklich feststellen – hat Guéhenno Österreich im Namen der Vereinten Nationen für den Einsatz der über 50 000 Soldaten und Polizisten, die bereits an friedenserhaltenden Operationen teilgenommen haben, gedankt.

Ein UN-Vertreter, der die österreichische Vertretung in diesem Zusammenhang auf österreichische Pressemeldungen, dass nämlich angeblich die UNO die österreichischen Beiträge zum Peace-keeping nicht schätzen würden, angesprochen hat, hat in einer offiziellen Stellungnahme klar gesagt, und es handelte sich wirklich um einen hochrangigen UN-Vertreter, dass er sich noch einmal auf die Äußerungen des UNO-Generalsekretärs gegenüber Bundesminister Scheibner beziehe, der ja gerade in New York gewesen sei, bei welcher Gelegenheit der Generalsekretär Österreich gegenüber die allerhöchste Wertschätzung für sein langjähriges Engagement im Peace-keeping versichert und die Hoffnung ausgedrückt hat, dass Österreich dies in Zukunft fortsetzen werde. Das heißt, von offizieller Seite ist ganz klar nur höchste Wertschätzung ausgedrückt worden. Das ist übrigens auch etwas, das ich nach meinem Telefonat mit dem Generalsekretär vom 2. März 2002 selbst bestätigen kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte auch noch einmal erwähnen, dass ein weiterer sehr hochrangiger UN-Vertreter das Leak zur "Washington Post" als vollkommen unentschuldbar bezeichnet und für die Konsequenzen seitens der Vereinten Nationen sein tiefstes Bedauern ausgedrückt hat. Er habe – so hat er gesagt – Weisung erteilt, absolute Vertraulichkeit zu gewährleisten, damit es seitens der Vereinten Nationen nicht zu neuerlichen Leaks im Hinblick auf andere Nationen und vor allem Entsenderstaaten kommen würde, denn es sei selbstverständlich im Interesse der Vereinten Nationen, in dieser Frage, aber auch sonst immer zufrieden stellende Lösungen für beide Seiten zu finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war von Anfang an dafür, und das ist auch weiterhin mein Bestreben, dass wir zu einer Lösung kommen, die selbstverständlich beiden Seiten als angemessen erscheint und die dem entspricht, was wir bereits so lange, nämlich seit 40 Einsatzjahren, geleistet haben. Daher werde ich mich weiterhin unbeirrt für österreichische Interessen einsetzen. Und in diesem Sinne sehe ich die Unterstützung durch den heutigen Dringlichen Antrag als sehr dankenswert. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Wie bekannt gilt: keine Fraktion mehr als 25 Minuten, kein Redner mehr als 10 Minuten.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort. Die Uhr ist wunschgemäß auf 9 Minuten gestellt. Maximale Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.31

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Frieden stiften, Frieden schützen, Menschenrechte wahren, das gehört zu den nobelsten Aufgaben der österreichischen Außenpolitik. Dieses ganze Hohe Haus steht hinter diesen Aufgaben – wir begrüßen das! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mehrere zehntausend Militärpersonen haben in freiwilligen Einsätzen diese Aufgaben wahrgenommen. Wir haben gerade gehört, dass 21 von ihnen im Dienste der Völkersolidarität ihr Leben gelassen haben. Alle diese Menschen haben unsere Sympathie, unser Interesse und


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unsere Unterstützung. Meine Damen und Herren! Neben die Militärpersonen sind in letzter Zeit immer mehr Zivilpersonen getreten, denn Friedensstiftung, Friedenserhaltung und Wahrung von Menschenrechten sind heute keine Aufgabe mehr, die nur Soldaten überlassen bleibt. Dankenswerterweise hat sich das System der kollektiven Sicherheit der Vereinten Nationen wesentlich vertieft und ausgebreitet, und dankenswerterweise hat auch die Zusammenarbeit in der Europäischen Union im Rahmen der so genannten Petersberg-Aufgaben dazu geführt, dass immer mehr Zivilpersonen im Dienste der Europäischen Union, im Dienste der Vereinten Nationen, im Dienste der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in verschiedene Länder gehen und dort Schulen betreuen, medizinische Hilfe leisten und – die schwierigste Aufgabe – dort die lokale Polizei ersetzen oder leiten und lenken. Das sind alles Freiwillige. Ich meine, wir sollten ihnen allen einmal für ihren Idealismus und für ihre Arbeit im Dienste von Frieden, Freiheit und Menschenrechten danken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Begründer dieses Dringlichen Antrages, Kollege Dr. Krüger, hat auf den Fall eines österreichischen Sicherheitswachebeamten hingewiesen, der unter schwierigsten Umständen Polizeiaufgaben wahrgenommen hat und von Leuten, die er als Polizist amtsbehandeln musste – wie das so schön im Amtsdeutsch heißt –, angezeigt wurde, und wo es eine Untersuchung gab. Und zu unser aller großem Erstaunen wurden die Amtshandlungen gegen diesen Österreicher von genau jenen durchgeführt, die er vorher selbst kontrolliert, die er vorher selbst überwacht hat. Da ist uns sinnfällig geworden, und das macht die Dringlichkeit dieses Antrages aus, dass unsere vielen Lehrer, Ärzte und Sicherheitswachebeamten, die am Balkan stehen, die im Kosovo stehen, einen Schutz von uns brauchen, weil es ihnen nicht zumutbar ist, genau dort, wo sie im Dienste der UNO oder der Europäischen Union tätig werden, von den örtlichen Behörden unter Strafverfolgung genommen zu werden, von Behörden, die in der Regel – und auch darauf hat Dr. Krüger kurz hingewiesen – die Verfahrensgarantien des Menschenrechtsschutzes, des Artikels 5, des Artikels 6 der Menschenrechtskonvention, nicht einhalten.

Kosovarische Behörden sind nicht an diese Konventionen gebunden. Das sind Gebiete, die eine völlig andere Justiztradition haben. Ich selbst habe dort einmal im Rahmen meiner früheren internationalen Tätigkeit Gefängnisse besucht, und ich denke daher, jeder, auch Kollege Schieder – auch er hat große internationale Erfahrung –, weiß ganz genau, worum es geht. Ich erwarte daher heute, dass das gesamte Hohe Haus diesen Dringlichen Antrag unterstützt, womit wir unserer Außenministerin den Auftrag erteilen, diesen Schutz für Sicherheitswachebeamte, für Lehrerinnen und Lehrer, für Ärzte, Krankenschwestern und medizinisch-technische Assistenten so auszugestalten, dass wir weiterhin sagen können: Wir stehen hinter diesen Menschen, wir schützen diese Menschen! Ich erwarte also auch Ihre Zustimmung, meine Damen und Herren von der Opposition! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Und was ist das für ein Umgang?)

Herr Parnigoni! Wir bitten Sie um Ihre Unterstützung, wenn Sie darauf gewartet haben. – Ich meine aber, dass ich mich vor Ihnen nicht zu verneigen brauche, wenn es darum geht, österreichische Polizisten, österreichische Lehrer und österreichische Ärzte zu schützen. Das ist wohl für jeden hier Verpflichtung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was können wir tun? Im Antrag haben wir das sehr klar dargestellt. Wir müssen den Weg gehen, den auch die Frau Ministerin schon angedeutet hat. Es müsste eine Art Statut für den internationalen Hilfsdienst im Dienste der Vereinten Nationen, im Dienste der Europäischen Union und anderer vergleichbarer internationaler Organisationen geben. Ein solches Statut gibt es bereits für Militärpersonen. Sie haben volle Immunität. Das bedeutet, dass, wenn irgendetwas behauptet wird, wenn irgendetwas vorzuliegen scheint, das dann natürlich in ihrem Heimatland nach dem Standard der Europäischen Menschenrechtskonvention untersucht wird. Es gilt die Unschuldsvermutung, und es wird dann Recht gesprochen. Das müssen wir auch für Sicherheitswachebeamte, für Lehrer und Ärzte erreichen.

Frau Bundesministerin! Ich denke, es war vollkommen richtig, dass unser Botschafter in Ihrem Auftrag in der UNO darauf hingewiesen hat, dass wir, wenn das so weitergeht, keine Freiwilligen mehr finden werden, die idealistisch diesen sehr schweren Dienst für Frieden und Men


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schenrechte in Ländern, in denen es keine der unseren vergleichbare Lebensqualität gibt, durchführen.

Wir brauchen diese Freiwilligen! Freiwillige melden sich nur, wenn wir sie auch schützen. Und daher bitten wir Sie, Frau Bundesministerin, im Rahmen der UNO dafür zu sorgen, dass diesen Menschen eine entsprechende Rechtsstellung garantiert wird, und wir bitten Sie, das auch in der Europäischen Union, die ja auch derartige Aufgaben übernimmt, anzuschneiden. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Wir wissen das Ganze bei Ihnen in guten Händen. Wir wissen, dass es Ihnen die österreichische Öffentlichkeit danken wird, denn wir schauen auf unsere Leute. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

15.38

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ja, es stimmt, ich halte es und wir halten es für richtig, dass in einem solchen Fall eine Heimholung erfolgt und dass auch in ähnlichen Fällen schon Heimholungen erfolgt sind. Nicht die Tatsache, dass die Heimholung erfolgte, wird kritisiert, denn das ist richtig, dass das geschieht, sondern wie sie erfolgte. Die Begleitumstände, die öffentliche Darstellung, die Argumentation waren das Problematische, waren unprofessionell und haben unserem Land nicht geholfen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zunächst möchte ich aber noch auf den Antrag selbst eingehen. Der Dringliche Antrag oder, genauer gesagt, die drei Punkte des Antrages finden in ihrem wesentlichen Kern unsere völlige Zustimmung. Punkt 1 wäre zur Gänze zuzustimmen, wenn nicht dieser Lob-Satz, dieser Blumenstrauß-Satz enthalten wäre. Wenn dieser Halbsatz nicht wäre, dann könnte man Punkt 1 zur Gänze zustimmen. Punkt 2 kann man so zustimmen, wie er ist. Und Punkt 3 ist meiner Meinung nach gerade in der gegebenen Situation des Verhältnisses zu den Vereinten Nationen nicht günstig formuliert. Ich würde sagen, er könnte etwas verbindlicher formuliert dasselbe ausdrücken.

Da Abänderungsanträge in dieser Debatte nicht möglich sind, werden wir einen Entschließungsantrag einbringen – meine Kollegen werden ihn dann einbringen –, der sich wörtlich an Ihren Punkt 1 ohne den Halbsatz, wörtlich an Ihren Punkt 2 und in veränderter Form an Punkt 3 hält. Und wenn es Ihnen wirklich so wichtig ist: Wir sind gerne bereit, das in dieser Form zu beschließen. Sie können diesem Antrag zustimmen, dann haben wir eine gemeinsame Haltung des Hauses, die Sie haben möchten. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens: Es ist richtig, dass es allgemeine Regeln geben sollte, es ist richtig, dass es ein Statut für alle geben sollte und dass Zivilisten nicht schlechter gestellt sein sollten als Soldaten. Das ist im Übrigen, meine Damen und Herren, schon im Jahre 1996 im Ausschuss bei der Beratung des Entsendungsgesetzes und auch bei der Beratung des SOFA von unserer Seite releviert worden. Damals sah das Außenministerium allerdings keinen Handlungsbedarf – wir haben darauf hingewiesen. Es freut uns, wenn Sie es jetzt auch erkennen: Hier besteht tatsächlich Handlungsbedarf.

Was Österreich betrifft, also jene Regelungen, die Österreich selbst mit einer internationalen Organisation oder mit einem Land haben möchte, dürfen Sie jetzt, bitte, nicht den Eindruck erwecken: Durch diesen Fall sind wir darauf aufmerksam geworden, und jetzt handeln wir rasch!

Es ist nicht so, meine Damen und Herren, denn das Entsendungsgesetz, das KSE-BVG, das im Jahre 1996 beraten und im Jahre 1997 beschlossen wurde, sieht im § 5 ganz genau das vor, was Sie jetzt relevieren. Dort heißt es:


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"Die Bundesregierung ist ermächtigt, die Durchführung der Entsendung mit der in Betracht kommenden internationalen Organisation oder dem Empfangsstaat im Rahmen des Völkerrechtes näher zu regeln."

Diese Ermächtigung an die Bundesregierung, die Sie jetzt aus aktuellem Anlass wollen, gibt es bereits seit 1997! Seit 1997 wäre es möglich gewesen, dass der Außenminister in der Regierung einen diesbezüglichen Antrag stellt und in einem Fall etwas regelt. Sie selbst, Frau Bundesminister, hätten seit Februar 2000, als Sie das Amt übernommen haben, solch eine Regelung ansprechen können.

Auch im gegenständlichen Fall hätten Sie bei der Entsendung oder beim Wiederbeschluss das relevieren und in die Regierung bringen können – das ist aber nicht geschehen! Wäre solch eine Regelung erfolgt, wer weiß, was wir uns in diesem Fall erspart hätten.

Also sprechen Sie nicht davon, dass Sie jetzt rasch handeln werden, denn Sie hätten in den vergangenen Jahren rasch handeln sollen, dann wäre uns wahrscheinlich manches erspart geblieben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Cap: Schweres Versäumnis!)

Drittens: In diesem Fall ist sehr viel Porzellan zerschlagen worden zwischen Österreich und Steiner, vielleicht auch zwischen Steiner und Österreich, zwischen den Vereinten Nationen und uns und vice versa. Ich glaube, außenpolitische Notwendigkeit ist es, hier nicht nachzulegen. Man darf nicht, um innenpolitisch stark zu erscheinen, hier weiter außenpolitisches Porzellan zerschlagen. Hier müssen wir Lösungen finden.

Jeder weiß, es hat zwischen Österreich und Steiner – oder umgekehrt – Spannungen gegeben. Aber Sie, Frau Minister, wissen so wie ich – und Sie haben noch weit genauere Berichte von den letzten Tagen als ich – auch: Es ist klar, dass hier Steiner nicht nachgelegt hat, es ist klar, dass ihm hier nichts vorzuwerfen ist. Also sollten wir hier nicht eine Darstellung aufrechterhalten, die ihm gegenüber nicht fair ist.

Auch bei den Vereinten Nationen sollten wir uns bemühen, die Sache zu kalmieren, wieder zu Lösungen zu kommen, in dieser Situation aber nicht nachzulegen.

Eines wird hier noch zu klären sein – vielleicht ist das etwas, an dem man sehen kann, wer Recht hat –: Sie haben im Außenpolitischen Ausschuss gesagt, Steiner habe sich geweigert, den österreichischen Botschafter zu empfangen. Alle sagen jetzt, dass der österreichische Botschafter abgereist ist, bevor er empfangen wurde; er wollte es gar nicht mehr. – Das ist doch eine Sache, die man wirklich klären kann. Sagen Sie uns, wie sich das wirklich verhalten hat.

Sie könnten uns überhaupt mehr sagen, denn dieses Gesetz aus dem Jahre 1997 ermöglicht es Ihnen auch. Es heißt darin nämlich:

"Während der Entsendung hat der Vorgesetzte auf Verlangen der Bundesregierung oder des zuständigen Bundesministers jederzeit die gewünschten Berichte zu erstatten und die verlangten Auskünfte zu erteilen."

Kennen Sie das nicht? Haben Sie sich die Berichte nicht geholt? Warum nicht? Oder haben Sie sie und zeigen sie bloß der Opposition nicht? – Dann ist das aber, bitte, auch nicht in Ordnung. (Abg. Dr. Cap: So ist es!)

Nach diesem Gesetz könnten Sie wissen, was die Vorgesetzten sagen, und hätten uns alle schon informieren können. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und das, meine Damen und Herren, bringt mich zum Schluss. Ich bin kein Freund harter Worte, und ich bin in meiner neuen Funktion noch versöhnlicher geworden, aber: Frau Minister, die Pannen häufen sich! Die Liste der Dinge in der Außenpolitik, die nicht gut für unser Land sind, wird länger. Manche außenpolitischen Schritte und Erklärungen der Regierung sind für die Welt


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wahrlich nicht mehr verständlich. (Abg. Dr. Cap: So ist es!) Wir waren ein verlässlicher Partner, aber manche wissen heute nicht mehr, ob wir noch verlässlich sind.

Man spricht vom breiten Konsens in der Außenpolitik, aber: Sie informieren uns nicht, Sie sagen uns nichts, Sie rühren sich nicht. Sie wollen, dass wir gemeinsam vorgehen, versuchen aber nicht einmal, uns zu informieren. Wenn Sie die Außenpolitik allein haben wollen, dann gehören auch die Fehler und Pannen Ihnen ganz allein! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Die Uhr ist wunschgemäß auf 8 Minuten gestellt. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Die Dringliche ist ja jetzt schon daneben! So früh war sie noch nie daneben!)

15.47

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Dinge nüchterner sehen und pragmatischer darstellen, als dies mein Vorredner Peter Schieder – ich gebe zu, ein ausgesprochener Fachmann auf diesem Sektor – getan hat.

Ich bin am Sonntag von meinem dritten Kosovo-Aufenthalt zurückgekommen. Er war kurz und sehr dienstlich, aber ich habe um eine Information auch in diesem Zusammenhang gar nicht herumkommen können; ich war natürlich auch interessiert in dieser Richtung.

Da du, Peter, die Frage nach dem Wie des Geschehens aufgeworfen hast – du sagst: Grundsätzlich kann man sagen, okay, aber wie ist das geschehen? –, muss ich dazu erwähnen: Die, die sich vor Ort betroffen sehen, sagen, dass es schnell und konsequent erfolgt ist – und das war das einzig Richtige, bevor etwas passiert. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Natürlich ist die akademische Betrachtungsweise, die wir hier an den Tag legen, unserer Position angemessen, aber im Kosovo selbst schaut das alles eben ganz anders und manchmal viel bedrohlicher aus.

Die Österreicher nehmen im Kosovo mit ihrem verstärkten Bataillon, mit unterstellten Schweizern und Slowaken, eine außerordentlich angesehene Position ein. Es gibt eine offiziöse Rangliste hinsichtlich der Akzeptanz der Truppen, der Verbände und ihrer Angehörigen bei der Bevölkerung. Da führen die Österreicher mit großem Abstand die Liste von zirka 25 Nationen an – ich möchte gar nicht erwähnen, wer am Schluss steht. Aber viele, die den Mund weit offen haben, sind im geschlagenen Feld.

Die Österreicher sind akzeptiert, sie sind angesehen, nicht nur im militärischen Bereich, sondern darüber hinaus auch im menschlichen und, was mir wichtig erscheint, in dem der sozialen Komponente.

Nur ein Beispiel zum militärischen Bereich: Es handelt sich bekanntlich beim Kern der Truppe um ein so genanntes gepanzertes Jägerbataillon, also um eine Einheit, die mit dem "Pandur"-Panzerfahrzeug ausgestattet ist. Und diese Einheit weist einen Klarstand, also eine Einsatzfähigkeit von fast immer 100 Prozent auf, sinkt manchmal auf 90 Prozent. Eine ähnlich ausgerüstete deutsche Einheit, die lange im selben Camp war, kommt mit Mühe auf einen Klarstand von etwas über 50 Prozent. Da sieht man schon den Unterschied in der Leistung: organisatorisch, technisch, militärisch, aber auch von der Zuwendung, die dort erbracht wird, her.

Um die Dimension zu veranschaulichen: Dieses Camp, das die Österreicher in Suva Reka sehr durchdacht aufgebaut haben, besteht aus nicht weniger als 800 Containern, Wohn- und Arbeitscontainern, die zum Teil in drei Geschoßen übereinander aufgebaut sind. Das ist imposant, und wem es die politische oder berufliche Möglichkeit einräumt, sich das einmal anzuschauen, der sollte es tun.


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Die Österreicher haben dazu parallel aber auch, ohne in irgendeiner Weise dazu angehalten worden zu sein, eine soziale Komponente aufgebaut, und zwar nicht unkurios, denn der Haupteingang zum Camp ist entsprechend gesichert und mit Sandsäcken und Barrieren et cetera versehen. 100 Meter daneben aber ist ein völlig unbewachtes kleines Türl, über dem "Social Mission" oder etwas Ähnliches steht, und da gehen die Leute hinein, die etwas brauchen – und sie kriegen es. Obwohl es kein Budget dafür gibt, nur Spendenmittel, die aus Österreich kommen, kümmert sich dort ein Major mit einigen Leuten und Dolmetschern um die Leute, die ihn aufsuchen, und hilft in einer erstaunlich großen Zahl der Fälle. Ich habe mich selbst an einer solchen Fahrt beteiligt, es ist sehr berührend, dabei zu sein.

Aber es gibt nicht nur die Soldaten, die durch eine komplette Immunität sehr geschützt sind, sondern es gibt auch andere – das ist schon ausgeführt worden. Es geht konkret um einen Polizisten. Diesem Polizisten soll im Rahmen eines Verhörs die Hand ausgekommen sein. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Er selbst verantwortet sich anders, er sagt, der Festgenommene sei ein Gewalttäter gewesen und er habe sich bemüht, ihn sich vom Leib zu halten. – Beides ist möglich. Ich will aus der Praxis eines alten Strafverteidigers gar nicht von vornherein sagen, wer da Recht haben wird und wer nicht, aber die Mentalität der Leute ist da und dort nicht wirklich vergleichbar. Ich möchte aber ganz bewusst davon absehen, von vornherein Schuldzuweisungen vorzunehmen.

Jedenfalls hätte es damit geendet, dass der Polizist unter dem Vorwurf, etwas angestellt zu haben, in ein kosovarisches Gefängnis eingeliefert worden wäre, und zwar nach meiner Information in dasselbe, in dem sich dieser Zwischenfall ereignet hat. Dann hat es doch Bedenken und Proteste gegeben, und er hätte in ein kosovarisches Irrenhaus kommen sollen.

Ich habe mir das angeschaut, wenn auch nur von außen, und ich glaube den Leuten dort, die gesagt haben: Das ist nicht gegangen, der wäre dort nie lebend herausgekommen.

Dass in derselben Anstalt, in der sich das angeblich abgespielt hat, mit den Akteuren, die vielleicht sogar Betroffene oder dabei waren, das immense Risiko, dass der nicht mehr lebend herauskommt, wie es auch in Haftanstalten in anderen geographischen Gebieten schon vorgekommen ist, bestanden hat, davon muss man ausgehen.

Andere sagen: Den hätten sie umgebracht! Ich kann es nicht nachvollziehen, aber ich glaube es, wenn es mir von jenen Leuten gesagt wird, die es dort erzählen. – Und das geht einfach nicht!

Damit sind wir beim Kern des Anliegens, über das wir hier beraten und alle miteinander eigentlich sehr nüchtern sprechen: Man muss sich zwei Dinge vorstellen – der Kosovo ist auf diesem Sektor exotisch genug –: Es gibt auch eine österreichische Mission in Afghanistan, und es könnte eine in Somalia geben. Irgendwann einmal passiert dort etwas, es kommt ein Verdacht auf, und die betreffende Person kommt in ein afghanisches oder somalisches Gefängnis. Das geht einfach nicht! Es gibt eben Dinge, die man sich einfach nicht ausmalen kann. Das darf nicht sein.

Man stelle es sich personell etwas anders vor: Einem US-Soldaten oder US-Polizisten kommt angeblich einmal die Hand aus, und der wird dort in ein Gefängnis eingeliefert. Das glaubt doch wirklich niemand von uns. Den würden sie wahrscheinlich nicht einmal ausfliegen, da würde nur mit den Achseln gezuckt werden.

Das heißt, wir haben reiche Erfahrung an internationalen Einsätzen in unterschiedlicher Aufgabenstellung, Militär und Nicht-Militär, auch Polizei, in einer beträchtlichen Anzahl von Ländern. Wir waren immer erfolgreich. Der Kosovo stellt eine ganz besonders heikle Mission dar, die, soweit man es beobachten kann, brillant erfüllt wird. Wenn es aber nicht gelingt, auch die Nicht-Soldaten entsprechend nachhaltig und weitgehend abzusichern, dann wird man – das sage ich ganz trocken – den Nicht-Soldaten raten müssen, so lange von derartigen Einsätzen abzusehen, bis die Dinge geklärt sind.


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Ich möchte jetzt gar nicht sagen, wer da früher etwas machen hätte sollen oder etwas nicht machen hätte sollen, das ist im Übrigen egal. Wir reden hier so nüchtern, wie ich es gerne öfter in diesem Haus hätte – dieser Vorwurf trifft alle ein bisschen –, über ein Thema, von dem wir alle wissen, dass es nicht um die Vergangenheit, sondern eher um die Zukunft geht. Ich glaube auch nicht, dass unser Ansehen bei den Vereinten Nationen in irgendeiner Form geschädigt ist, weil sich das österreichische Bataillon, oder um welche Einheit auch immer es sich handelt, überall hervorragend bewährt, überall hohe Akzeptanz erfährt, überall angesehen ist.

Aber man müsste es sonst zunächst einmal auf das Militär beschränken und andere Freiwilligen-Meldungen, wenn es sie geben sollte, nicht entgegennehmen und die zivilen Missionen abbrechen. Es wäre schade, aber man müsste so vorgehen, wenn man sich, so sehe ich es, verantwortungsbewusst verhält. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

15.56

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine Damen und Herren! In seinem kurzen Bericht von Eindrücken vor Ort hat mein Vorredner den Tatbestand geschildert und ihn so umschrieben: Da sei einem Angehörigen der österreichischen Exekutive "die Hand ausgekommen". – Ich hoffe, dass nicht öfter in dieser Art und Weise "die Hand auskommt". (Abg. Dr. Ofner: Herr Kollege Pilz! Bei allem Respekt!) Herr Dr. Ofner, so geht es mit Sicherheit nicht! (Abg. Dr. Khol: So, wie Sie das sagen, geht es nicht! – Abg. Ing. Westenthaler: Das hat er nicht gesagt! Sie verfälschen!)

Wenn der Verdacht besteht, dass jemand in einer unglaublichen Art und Weise erniedrigt und misshandelt worden ist, dann soll man das auch nicht im Plenum des österreichischen Nationalrates verharmlosen, sondern bei den Fakten bleiben. (Abg. Hornek: Kennen Sie die Fakten?) Es ist nichts bewiesen, hier handelt es sich um ein laufendes Verfahren. Es besteht kein Grund zur Vorverurteilung, aber es besteht auch kein Grund zur politischen und sachlichen Verharmlosung. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Zweiten: Selbstverständlich haben die österreichischen Behörden die Aufgabe, die Interessen von österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern im Ausland zu wahren. Das ist eine Selbstverständlichkeit, das kann auch hier nicht zur Diskussion stehen. Ich hätte mir das im Fall "Volxtheater-Karawane" in Genua nicht nur von der Frau Außenministerin gewünscht – jetzt nimmt sie es offensichtlich ernster, und da kann im Grundsatz niemand etwas dagegen haben. Die Frage ist nur, ob das der richtige Weg ist und ob die richtigen Schritte gewählt worden sind.

Hier gibt es ein Problem, das nicht so leicht zu lösen ist, und das Problem lautet: Eine der wichtigsten Aufgaben von UNMIK ist seit 1999 der Aufbau einer unabhängigen Justizverwaltung. Die UNMIK ist sehr viel weiter gekommen, und einer ihrer größten Erfolge ist der Aufbau einer internationalen Staatsanwaltschaft und einer multiethnischen Gerichtsbarkeit.

Man soll sich, bei allen legitimen Versuchen, die Interessen österreichischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zu wahren, immer überlegen, was man vor Ort einem entstehenden Rechtssystem und Gerichtssystem antut. Und das kann nicht nur vor Ort, sondern auch bei den Vereinten Nationen völlig falsch verstanden werden. Ein reines "Österreich zuerst!" ist mit Sicherheit die falsche Antwort auf das Problem, das wir im Kosovo feststellen mussten.

Das wirkliche Problem liegt aber anderswo: Es haben alle Vorrednerinnen und Vorredner Recht, wenn sie sagen: Ja, da besteht Klärungsbedarf gegenüber den Vereinten Nationen, ja, da muss es klarere Regeln geben. Das steht außer Frage. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Regierungsparteien bereits die Lösung in einem Entschließungsantrag vorlegen können, das sollte zuerst einmal verhandelt werden, und hier sollten Standpunkte eingeholt werden. Aber okay, Sie wissen schon, wie es geht – wir noch nicht im Detail. (Abg. Großruck: Das ist der Unterschied!)


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Aber es geht auch noch um etwas Wichtigeres oder zumindest genauso Wichtiges, nämlich um Österreichs Verhältnis zu den Vereinten Nationen.

Herr Abgeordneter Khol! Sie waren heute erstaunlich zurückhaltend. An anderen Orten haben Sie sich anders geäußert, und das ist ein Problem der österreichischen Politik und der österreichischen Diplomatie.

Sie persönlich und Botschafter Pfanzelter haben – wörtlich – das Vorgehen von Stellen der Vereinten Nationen als "Intrige" bezeichnet. Das ist einer der schwersten Vorwürfe, die man erheben kann. Sie sind alle Beweise dafür schuldig geblieben, aber eines ist Ihnen gelungen: gemeinsam mit Botschafter Pfanzelter das Verhältnis zu den Vereinten Nationen in einer nicht einfachen Situation schwerst zu belasten.

Wenn ein bevollmächtigter österreichischer Botschafter an die Führung der Vereinten Nationen schreibt: "Nach Informationen, die der österreichischen Bundesregierung vorliegen, liefern die Umstände, unter denen Herr A. festgenommen und inhaftiert wurde, sowie die erhobenen Vorwürfe ernsthaften Anlass, eine Intrige gegen Herrn A. zu vermuten.", dann frage ich die Vertreterin der Bundesregierung: Welche Informationen liegen Ihnen vor, die eine Intrige von Seiten der Vereinten Nationen vermuten lassen (Abg. Mag. Mühlbachler: Nein, das stimmt ja nicht!) und es notwendig erscheinen lassen, das als Beschuldigung gegenüber der Führung der Vereinten Nationen auf offiziellem diplomatischem Weg vorzubringen? (Abg. Mag. Mühlbachler: Das stimmt ja nicht!)

Und wenn Sie, Frau Bundesministerin, dann vor dem Hauptausschuss berichten – ich zitiere –: "Unsere Vertretung in New York und Botschafter Dr. Pfanzelter handelten in völliger Übereinstimmung mit mir.", dann übernehmen Sie dafür die politische Verantwortung. (Beifall bei den Grünen.)

Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Mir wäre es lieber, wenn Sie für so etwas nicht die politische Verantwortung übernehmen müssten; mir wäre es lieber, wäre ein Brief dieser Art niemals geschrieben worden; mir wäre es lieber, wenn den Vereinten Nationen nicht etwas in dieser Art und Weise unterstellt worden wäre; mir wäre es lieber, wenn Sie endlich einmal einen Porzellanladen ausgelassen hätten, Frau Bundesministerin!

An diesem Punkt müssen wir einmal genauer werden (Abg. Mag. Mühlbachler: Spielen Sie sich nicht so auf! – Abg. Dr. Rasinger: Biedermann! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP): Das, was jetzt auf der Tagesordnung steht, ist die Wiederherstellung des guten Verhältnisses zwischen der österreichischen Bundesregierung und den Vereinten Nationen. Dazu bedarf es keiner Aktionen in der Art, jetzt zu erklären, "Standard"-Berichte über eine tiefe Verstimmung an der Spitze der Vereinten Nationen seien unwahr – sie stimmen und sind sehr glaubwürdig –, sondern es wäre jetzt an der Zeit, dass Sie, Frau Bundesministerin, diese Vorwürfe ernst nehmen (Abg. Hornek: Warum soll man den Unsinn ernst nehmen, den Sie sagen?), Konsequenzen daraus ziehen und klarstellen, dass dieser Brief ein einmaliger Brief bleibt und die Tradition Österreichs, so, wie es immer gegenüber den Vereinten Nationen gehandhabt wurde, in Zukunft wieder aufgenommen und aufrechterhalten wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Mühlbachler: Der moralische Oberlehrer Pilz!)

Es geht da um ein grundsätzliches Problem: Das politische Verhältnis der Regierung gegenüber den Vereinten Nationen hat sich seit der Wende, seit der schwarz-blauen Bundesregierung geändert. Ich verweise nur auf die Ressourcen, die für UN-Einsätze zur Verfügung gestellt werden, zum Beispiel Zypern – das große österreichische Kontingent.

Ich selbst habe es im Hauptausschuss erlebt, wie eine Ministerin erklären musste: Ja, wir ziehen ab, weil wir das Geld für das Eurocorps brauchen, und wir hoffen, dass Rumänen für uns in die Bresche springen werden; wir wissen es nicht einmal. – Sie sind das Risiko eingegangen, dass Zypern nicht fortgesetzt werden kann, und diese Zeichen sind in den Vereinten Nationen angekommen.


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Bei einem Gespräch mit dem Stellvertretenden Generalsekretär der Vereinten Nationen hier im Haus wurde auf eine sehr freundliche und sehr höfliche Art und Weise klargemacht (Zwischenruf des Abg. Großruck ), dass Österreich im Gegensatz zur Vergangenheit nicht mehr zu den wirklichen Pfeilern der Vereinten Nationen gehört, auf die sich diese bei großen humanitären Aktionen verlassen können.

Und darum geht es: Sie weisen den Vereinten Nationen einen völlig anderen Stellenwert zu, als das die Vorgänger-Regierungen in dieser Republik getan haben. (Abg. Mag. Mühlbachler: Das ist absolut falsch!) Das ist ein Abwertungsprozess, den zumindest wir Grüne für eine völlig falsche politische Prioritätensetzung halten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! Die einzige Chance, die jetzt besteht, ist, durch klare, offene und konstruktive Worte gegenüber der Spitze der Vereinten Nationen zu reparieren, was noch zu reparieren ist.

Die Frage, wie mit einer personellen Schwachstelle in der Bundesregierung, einer Ministerin, die immer dann, wenn es kritisch wird (Abg. Hornek: Ein Unsinn, Herr Pilz!), die Nerven, die Übersicht verliert, umgegangen wird, ist eine Frage, die wir nicht an uns, sondern an den Bundeskanzler stellen. (Abg. Schwarzenberger: Das ist das Gegenteil der Wahrheit!)

Frau Außenministerin! Wir werden uns nach Genua, nach der Irak-Reise und nach dem Vorfall Kosovo – UNO nicht noch eine vierte große österreichische Panne und diplomatische Pleite leisten können. (Abg. Mag. Mühlbachler: Gott sei Dank haben Sie nicht die Kraft dazu! – Abg. Hornek: Die einzige Pleite, die es gibt, ist der Pilz!) Wenn es so weit kommt, dann ist es sicherlich am Bundeskanzler oder am Nationalrat, daraus möglicherweise schon fällige Konsequenzen zu ziehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.)

16.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Loos. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.05

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesminister! Ich weiß nicht, ob Kollege Pilz das nicht richtig erfasst hat: Es gibt schon einen kleinen Unterschied, ob man als Demonstrant, als Mitglied der "Volxtheater-Karawane" auftritt – oder ob man friedenserhaltende Maßnahmen im Rahmen der EU setzt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Noch dazu, wenn sich das so abspielt, dass es sich anscheinend um sehr gute Schauspieler gehandelt hat, die alles sehr echt dargestellt haben, wo anscheinend auch die Requisiten so echt waren, dass eben ein Verdacht aufkommen musste, dass hier irgendetwas gegen das Gesetz geschieht. Ich muss aber gleich dazusagen: Die Frau Bundesministerin hat sich in hervorragender Weise auch für diese Menschen eingesetzt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Pilz: Was?)

Als ich Herrn Pilz hier stehen sah, kam es mir in den Sinn – es gibt ja, wie Sie alle wissen, in Deutschland eine rot-grüne Regierung –, mir vorzustellen – stellen auch Sie sich das vor! –, Herr Pilz wäre hier als Außenminister. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Armes Österreich! – Abg. Schwarzenberger: Um Gottes willen!)

Ich denke, es gäbe eine Panne nach der anderen, es wäre eine Panne insgesamt, wenn er hier als Außenminister stünde. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.) Wenn Herr Pilz Österreich nach außen vertreten sollte, dann könnte ich nur sagen: Armes Österreich!

Ich bin als österreichischer Abgeordneter zum Nationalrat, als österreichischer Politiker daher wirklich froh darüber, dass wir eine Außenministerin wie unsere – ich darf das so sagen –


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98. Sitzung / Seite 121

Benita Ferrero-Waldner haben. Diesbezüglich wissen wir auch die Bevölkerung mit großer Mehrheit hinter uns, und das, denke ich, ist das, was viele in der Opposition stört.

Ich habe Verständnis dafür, dass man dann, wenn jemand seine Arbeit wirklich besonders gut macht und nicht der eigenen Partei, nicht der Opposition angehört, einen gewissen Neid entwickelt – und das verspüre ich insbesondere gegenüber unserer Außenministerin. Man merkt in hohem Maße, dass der Neid dann, wenn sie wirklich gute Dinge macht, immer größer wird.

Immer wieder spricht man von Pannen. Also: Welche Pannen hat es in Wirklichkeit gegeben? – Solche, die Sie zu Pannen machen wollten. Es waren keine Pannen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Erinnern wir uns an Ihre erste Oppositionspanne! Ich möchte die Sanktionen hier nicht allzu sehr ausbreiten (Ruf bei der SPÖ: Na geh!), aber wer war es, der im Ausland unser Österreich in ein schiefes Licht gebracht hat? – Sicher nicht die Frau Außenminister! Sie hatte alle Hände voll zu tun (Rufe bei der ÖVP: Der Champagner-Gusi!), um Österreich wieder gut dastehen zu lassen, um Österreich wieder jenen Ruf zu verschaffen, den es in der Welt verdient. Ihr ist das gelungen, und das hat Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, auch nicht gepasst! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe zuerst gesagt: "als österreichischer Abgeordneter zum Nationalrat", ich möchte aber auch als österreichischer Offizier und Soldat zum Ausdruck bringen, wie froh und beruhigt wir sind – ich meine jetzt die Menschen, die dieser Berufsgruppe angehören –, dass wir eine solche Außenministerin haben. Ihr Ziel ist es, sich immer dann, wenn ein Österreicher Gefahr läuft, in irgendeiner Weise ungerecht behandelt zu werden oder zumindest so behandelt zu werden, wie es sich in Österreich nicht gehört, für diesen Menschen einzusetzen. Das hat sie überall getan, wo es notwendig war. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte einige Aussagen, die die Außenministerin im Hauptausschuss gemacht hat, zitieren. Fazit der Außenministerin – jetzt kommt das wörtliche Zitat; ich komme jetzt eben zu diesem Polizisten, der repatriiert wurde –:

"Ein gesundheitlich schwer angeschlagener Österreicher wurde repatriiert. Wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe ist eine Untersuchung auch in Österreich im Gange. Das Innenministerium hat diesbezüglich der UNO volle Kooperation zugesagt. Wir haben unsererseits von der UNO die Einhaltung der bestehenden Richtlinien und Verfahren moniert. Als Außenministerin sehe ich es als meine höchste Pflicht an, die Rechte und das Leben von Österreichern zu schützen." – Zitatende.

Also, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, was haben Sie dagegen? – Sie hat das gut gemacht, und in diesem Fall muss ich ihr dazu wirklich besonders gratulieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weil ich mich an meine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten halten will, möchte ich Ihnen zum Schluss kommend Folgendes sagen: Wir erwarten, dass alle Parteien diesem Dringlichen Antrag zustimmen. Es kann nicht sein, dass Sie von der Opposition dem Antrag aus kleinlichen politischen Gründen nicht zustimmen, denn das Wichtigste ist: Die Betroffenen, und zwar die Exekutivbeamten, die Lehrer und die Ärzte, wollen denselben Schutz haben wie die Soldaten.

Ich glaube, das ist das, was wir heute zusammenbringen sollten, und man sollte nicht kleinlich herumreden. – Danke, Frau Außenminister, für Ihre Tätigkeit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

16.10

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Keine Frage: Die Situation rund um die Heimholung des österreichischen UNO-Polizisten aus dem Kosovo


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98. Sitzung / Seite 122

war eine ganz heikle Angelegenheit. Da Abgeordneter Krüger den nationalen Konsens eingefordert hat, möchte ich, Frau Außenminister, schon darauf hinweisen, dass etwa Abgeordneter Schieder in der Diskussion im Hauptausschuss gemeint hat, er habe es vermisst, dass die Außenministerin nicht wie früher Außenminister Dr. Mock in einer heiklen Situation zum Telefon gegriffen, die anderen Parteien informiert und zumindest die gemeinsame Informationsbasis sichergestellt habe.

Kollege Ofner – er ist jetzt nicht im Saal – hat Nüchternheit in der Debatte eingefordert. Ich meine, es muss doch möglich sein, dass man darauf hinweist, dass die Außenministerin die Möglichkeit gehabt hätte, entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen, die es jetzt schon gibt, zu handeln.

Kollege Loos! Es ist der Wunsch der Regierungsparteien, hier eine gemeinsame Lösung zustande zu bringen. Dann wäre es aber auch angebracht gewesen, mit uns zeitgerecht darüber zu verhandeln und uns auch unsere Überlegungen einbringen zu lassen. Der Vorschlag, den Kollege Schieder gemacht hat, ist ja einer, der von den Regierungsparteien durchaus angenommen werden kann. Ich sehe da für Sie kein Problem. Wenn Ihnen das wirklich am Herzen liegt, wenn Sie hier wirklich Gemeinsamkeit haben wollen, dann haben Sie ja die Möglichkeit, dem Entschließungsantrag, den wir eingebracht haben, zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es mag sein, dass sich der betroffene Polizist etwas zu Schulden kommen hat lassen, es gilt aber die Unschuldsvermutung – das ist keine Frage –, die Frage von Schuld und Unschuld soll ein österreichisches Gericht klären. Das ist auch nicht Angelegenheit des Parlaments. Ich glaube, das ist klargestellt.

Ich bin mit Minister Strasser – und ich bedauere, dass er heute bei dieser Debatte nicht anwesend ist – nicht immer einer Meinung, wenn es um die innere Sicherheit geht, angesichts der Tatsache, dass Gendarmerieposten, Wachzimmer und Kommissariate geschlossen und 3 000 Exekutivbeamte abgebaut werden. (Abg. Mag. Mühlbachler: Schlögl hat mehr zugesperrt!) Darin bin ich nicht seiner Meinung, in keiner Weise! Das wissen Sie auch. Aber ich halte es für richtig, wenn der Innenminister in einer solch schwierigen Situation die Rückholung eines Polizisten veranlasst und damit eine Schutzhandlung für einen österreichischen Staatsbürger gesetzt wird.

Was mich daran allerdings irritiert, ist, dass Bundesminister Strasser bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage im Bundesrat Folgendes erklärt hat:

"In einem solchen Fall ist es üblich, den betreffenden Bediensteten unverzüglich im Einvernehmen mit den Vereinten Nationen zu repatriieren." – Die Vereinten Nationen sagen aber, es sei kein Einvernehmen mit ihnen hergestellt worden. Frau Außenminister! Diesbezüglich würde ich wirklich um Aufklärung bitten, ob der Herr Innenminister dieses Einvernehmen hergestellt hat oder nicht.

Hohes Haus! Des Weiteren möchte ich festhalten, dass es natürlich beunruhigend ist, mit welch diplomatischem Ungeschick die Außenministerin agiert hat. Der Protestbrief des Botschafters, der in Ihrem Auftrag geschrieben worden ist, Frau Außenminister, hat keinesfalls zur sachlichen Klärung dieser heiklen Situation beigetragen. Das haben auch die Medien wahrgenommen.

Ich darf Sie daran erinnern, was etwa Peter Rabl im "Kurier" schrieb: "Der Außenministerin gerät permanenter Pallawatsch zum Regierungsstil."

Oder – wieder Peter Rabl im "Kurier" –: "Ferrero-Waldner lieferte dabei wieder einmal das Bild heilloser Überforderung und Desorientierung."

Andreas Unterberger meinte in der "Presse", es fehle ihr der Mut zum politischen Agieren.

Anneliese Rohrer geht gar davon aus, dass ihre, Ferrero-Waldners, Politik und ihr Vorgehen so weit führen, dass das Land Schaden nehme.


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98. Sitzung / Seite 123

Es war übrigens auch nicht sehr fein und kollegial von Ihnen, Frau Außenminister, den schwarzen Peter dem Innenminister und seinen Beamten zuzuschieben. Ich darf schon darauf verweisen, dass Frau Kittner im "Kurier" unter den Titel "Fettnäpfchen und misslungene Scherze" einen Artikel geschrieben hat. Es hat Proteste gegeben, Ihnen, Frau Außenminister, wurde vorgeworfen, Sie hätten dem Innenministerium die Schuld gegeben, weil Sie angeblich dubiose Informationen bekommen hätten. In einer Pressekonferenz saßen Sie dann neben dem Innenminister und haben sich für den Fehler, den Sie gemacht haben, entschuldigt.

Sehr verehrte Frau Außenminister! Ich meine, da haben Sie in Ihrer Handlungsweise durchaus nicht den richtigen Weg gefunden. Die beleidigenden Drohungen, Österreich werde sich von friedenserhaltenden Operationen zurückziehen, haben uns eine geharnischte und für Österreich peinliche Reaktion der UNO eingebracht, wenn auch das Außenamt diese Drohungen beziehungsweise die entsprechend geharnischte Reaktion heute dementiert hat.

Es ist schon eigenartig. Um 15.08 Uhr kam eine Meldung, wonach der "Standard" feststellt, dass es so sei, dass das Außenministerium diese scharfe Reaktion der UNO dementiert habe. Der "Standard" hält dazu fest, ihm lägen derart verlässliche Informationen über die Reaktionen der UNO vor, dass es keinen Anlass gebe, die Meldung der Donnerstag-Ausgabe in irgendeiner Weise zu modifizieren oder gar zurückzunehmen. Insbesondere sei die UNO der Meinung, dass man auf Österreichs Teilnahme an friedenserhaltenden Maßnahmen überhaupt verzichten könne. Selbst das österreichische Bataillon auf den Golanhöhen könne ersetzt werden.

Ihre außenpolitische Vorgangsweise scheint eine zu sein, die ein österreichschädigendes Verhalten entwickelt. Ich fordere Sie auf, alles zu tun, damit wir das Verhältnis mit der UNO wieder ins rechte Lot bringen können – zum Wohle Österreichs und zum Ansehen unseres Landes. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

16.18

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich ist einem internationalen Bericht zufolge der neunzehntgrößte Truppensteller im Rahmen der Vereinten Nationen und steht damit an zweiter Stelle innerhalb der EU.

Herr Abgeordneter Parnigoni! Ich kann mir nicht sehr gut vorstellen, wie Sie das dem "Standard" entnehmen, dass man so leicht auf einen solchen Truppensteller verzichten kann, der in den letzten Jahren und Jahrzehnten so fleißig Truppenkontingente gestellt hat. Wir brauchen uns davor wirklich nicht zu fürchten! (Abg. Parnigoni: Ich habe nur ein Zitat vorgelesen!)

Sehr geehrte Damen und Herren! 50 000 Österreicher haben zu friedenserhaltenden Maßnahmen beigetragen, sei es im Rahmen des Militärs oder der Exekutive. Sie haben verschiedene Aufgaben zu erfüllen, aber alle sind friedenserhaltender Natur. Die einen – wir haben es heute schon gehört –, nämlich die Militärs, unterliegen der vollen Gerichtsbarkeit des Heimatlandes, während die Exekutivbeamten nur teilweise immun sind und zum Teil der örtlichen Gerichtsbarkeit unterliegen – egal, wie das Rechtssystem in dem jeweiligen Land aussieht. Das ist der wirkliche Knackpunkt in der ganzen Angelegenheit, weil natürlich gerade in den Staaten, in die Friedenstruppen entsendet werden, meistens keine hoch entwickelten Rechtssysteme vorhanden sind.

Dieser Unterschied hat sich jetzt so dramatisch zu einer Unvereinbarkeit entwickelt, dass wir uns eben zu diesem Dringlichen Antrag entschlossen haben. Herr Abgeordneter Schieder meinte, es wäre schon lange an der Zeit gewesen – schon unter der großen Koalition –, in diesem Punkt eine Änderung herbeizuführen. Ich möchte Herrn Abgeordneten Schieder, der jetzt leider nicht im Saal ist, darauf aufmerksam machen, dass er ja in Koalition mit der ÖVP war und damals als Koalitionspartner den ÖVP-Außenminister darauf hätte aufmerksam machen können, dass da ein sehr dringliches Problem vorhanden ist.


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Oder: Er hätte auch Frau Außenministerin Ferrero-Waldner seit Februar darauf aufmerksam machen können, zum Beispiel anlässlich der Entsendung eines Truppenkontingents. – Er hat es nicht getan, sondern übt jetzt nur Kritik. (Zwischenruf des Abg. Dietachmayr. – Er hätte sie doch aufmerksam machen können! Sie wissen ja, sie hat noch sehr viele andere Aufgaben.

Ich bin jedenfalls sehr froh darüber, dass Herr Abgeordneter Schieder wenigstens die Heimholung als positiv bezeichnet hat, denn den Reaktionen der SPÖ während der Rede der Frau Außenministerin hat man ja entnehmen müssen, dass Sie diese ganze Heimholungsaktion überhaupt nur verurteilen. (Abg. Edler: Unterstellen Sie nichts!)  – Ich habe es vermutet, weil Sie so reagiert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.  – Abg. Edlinger: Sie sind eine Psychologin!)

Herr Abgeordneter Schieder ist ja nicht vorbehaltlos hinter dieser Heimholungsaktion gestanden, sondern er hat sich daran gestoßen, wie sie erfolgt ist. Das ist wirklich eine kleinliche Betrachtungsweise! Im Vordergrund muss doch wirklich stehen, dass ein österreichischer Staatsbürger, der sich freiwillig zu einem Friedensdienst entschlossen hat, in eine schwierige Situation geraten ist, heimgeholt wurde und so vor dem fast sicheren Tod bewahrt wurde, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Immerhin ist seine Immunität im Kosovo nicht beachtet worden, er ist 48 Stunden lang ohne Essen und Trinken im Gefängnis gesessen, und er war suizidgefährdet. – Da war es wirklich dringend notwendig, zu handeln.

Herr Abgeordneter Dr. Pilz! Wenn Sie meinen, dass großer Schaden dadurch entstanden sei, dass man der im Kosovo erst im Entstehen begriffenen Staatsanwaltschaft einen Verdächtigen entzogen hat, möchte ich Ihnen dazu nur Folgendes sagen: Es ist schon wichtig, dass sich dort auch eine Staatsanwaltschaft und ein Gerichtssystem entwickeln. Aber mir ist es immer noch lieber, dass ein österreichischer Staatsbürger vor die österreichische Staatsanwaltschaft gestellt wird und das Verfahren hier geführt wird als vor eine im Entstehen begriffene fragwürdige Staatsanwaltschaft im Kosovo. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Pilz! Zu Ihren weiteren Äußerungen. (Abg. Dr. Pilz: Warum ist die fragwürdig?)  – Ich habe nur eine begrenzte Redezeit zur Verfügung und möchte Ihnen noch Folgendes sagen: In Weltuntergangsstimmung haben Sie der Regierung vorgeworfen, das Klima zwischen der UNO und Österreich habe sich verschlechtert. Fürchten Sie sich nur nicht vor der Kritik der UNO! Österreich hat immer alle Aufträge erfüllt, sowohl in der Terrorbekämpfung und in der Friedensüberwachung als auch bei der Bezahlung der Mitgliedsbeiträge. Österreich braucht sich wirklich nicht davor zu fürchten, von der UNO in irgendeiner Weise gerügt zu werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Pilz! Ihre Belehrungen sind wirklich völlig überflüssig. Wissen Sie, was wirklich Unruhe bei der UNO hervorrufen würde? – Wenn man wüsste, dass im österreichischen Nationalrat jemand außenpolitischer und sicherheitspolitischer Sprecher ist, der dafür ist, dass die Macht des Staates aufgelöst, das Bundesheer abgeschafft und die Polizei entwaffnet wird! Das würde die UNO wirklich sehr erschüttern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.  – Abg. Loos: Sehr richtig!) Da würde man wirklich daran zweifeln, ob man es mit aufrechten Demokraten zu tun hätte, aber nicht, weil wir einen österreichischen Staatsbürger heimgeholt haben!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wichtig ist, dass Österreich nach wie vor im Interesse der Festigung des Weltfriedens Beamte entsendet, egal, ob sie vom Militär sind oder von der Exekutive, Lehrer oder Ärzte. Um zu dokumentieren, dass wir den vollen Schutz der österreichischen Staatsbürger gewährleisten wollen, bitte ich Sie, unserem Dringlichen Antrag zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.  – Abg. Edlinger: Das werden wir nicht tun!)


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98. Sitzung / Seite 125

16.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

16.24

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Grüß Gott, Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Ing. Westenthaler: Wieso nur einsprachig heute? Dobar dan!) Zuerst möchte ich ganz kurz etwas zu meinem burgenländischen Kollegen, Herrn Abgeordnetem Loos, sagen. Er ist es zwar nicht allein gewesen, aber in burgenländischer Verbundenheit fühle ich mich besonders dazu aufgefordert:

Lieber Herr Kollege Loos, die Art und Weise, wie man in dieser Debatte um einen Dringlichen Antrag versucht, die Opposition davon zu überzeugen, dass ein gemeinsames Vorgehen des österreichischen Nationalrates sinnvoll ist, ist interessant. Sie möchten einen Beschluss fassen, der es ermöglicht, in vielerlei Aspekten entweder Österreicher, die im Ausland in Probleme geraten – um das ganz allgemein zu sagen –, zu schützen und ihnen zur Seite zu stehen, aber auch gemeinsame Vorgehensweisen im Sinne einer Stützung der österreichischen außenpolitischen Position zu erwirken.

Wenn man in solch einer Debatte jedoch dann sagt, dass dieses Anliegen mit der Frage des Beistands, den österreichische Staatsangehörige – Teilnehmer der so genannten "Volxtheater Karawane" – im Zusammenhang mit ihrer Inhaftierung in Genua erhalten haben, überhaupt nicht zu vergleichen sei, dann kann ich nur sagen: Wie können Sie so naiv sein und glauben, dass die Opposition, die wahrlich nach Gleichbehandlung trachtet, in solch einer Debatte auf Ihren Antrag reflektiert und ihm zustimmt, wenn da im wahrsten Sinne des Wortes Öl ins Feuer gegossen wird? (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner. )

Dieses Trauma der Sanktionen ist nun einmal Tatsache. Herr Kollege Loos hat davon gesprochen, dass diese schwierige Zeit der EU-Sanktionen gegenüber Österreich quasi von der Opposition verursacht worden wäre. (Abg. Loos: Sowieso!) Es gibt einen Adressaten für die, die diese Zeit als schwierig empfunden haben. – Der Adressat hat einen Namen: Er heißt Wolfgang Schüssel! Wolfgang Schüssel ist mit einer FPÖ, die die EU zum damaligen Zeitpunkt für – ich drücke es jetzt ganz sanft aus – "problematisch" hielt, eine Koalition eingegangen. Ja, es gibt Verantwortliche für diese schwierige Zeit, und die sind sehr leicht auszumachen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun komme ich zum heutigen Thema: Auch ich halte die Intention dieses Dringlichen Antrages mit Abstrichen – Herr Kollege Schieder hat ja die Abänderungen, die im Sinne der Opposition notwendig wären, um einen Konsens zu finden, bereits erörtert – für richtig.

Nach den schwierigen Jahren der österreichischen Außenpolitik – wobei die letzten beiden Jahre durch besondere Schwierigkeiten gekennzeichnet waren, in denen Österreich manchmal an den Rand der Bedeutungslosigkeit geraten ist; auf Einzelheiten möchte ich jetzt gar nicht eingehen (Abg. Wenitsch : ... in dieser Republik!)  – ist es nun wirklich notwendig, Handlungen zu setzen, vor allem wenn es um Verbesserungsmöglichkeiten genau in den Bereichen geht, in denen Österreich in der Vergangenheit international eine hohe Reputation genossen hat und auch in der Gegenwart noch genießt und in denen wir als neutrales Land tatsächlich Beiträge leisten, die im Verhältnis zur Größe unseres Landes doch erheblich sind. (Beifall bei den Grünen.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin natürlich gleich hellhörig geworden, als Herr Kollege Ofner davon gesprochen hat, dass in Zukunft nur noch Soldaten bei diesen Missionen tätig sein werden. – Nein! Genau diesen Weg wollen wir verhindern, denn zivile Leistungen, ob von Ärzten, Krankenschwestern, Lehrern oder sogar Demokratieberatern, die es ja in vielen ost- und südosteuropäischen Ländern und jetzt gerade am Balkan – auch aus Österreich – gibt, sind es, die die gute Reputation Österreichs dort aufrechterhalten und in deren Rahmen in friedenschaffenden Tätigkeiten wertvolle Dienste verrichtet werden, die der Reputation dieses Landes und damit auch seiner Außenministerin, die das Land ja vertritt, sehr dienlich sind.

Darum glaube ich, dass die Intention stimmt, wiewohl der Charakter dieses Dringlichen Antrages, warum er gerade heute so dringlich ist und warum das gerade in Form eines Dringlichen Antrages geschehen muss, noch dazu an jenem Tag, an dem die Opposition bekanntermaßen


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andere Themen dringlich diskutieren wollte, mehr als durchsichtig ist. – Mehr Worte möchte ich darüber nicht verlieren. (Abg. Ing. Westenthaler: Wir sind dran! Entschuldigung, Frau Kollegin, es gibt eine Geschäftsordnung!  – Abg. Wenitsch: Sie werden es überleben!)

Eine letzte und in dieser Causa Martin A. wesentliche Bemerkung (Abg. Ing. Westenthaler: Geschäftsordnung! – weitere Zwischenrufe  – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen): Sehr geehrter Herr Klubobmann Westenthaler! Ich werde ein Auge ganz besonders darauf haben, was das Verfahren anlangt, das jetzt bei der Staatsanwaltschaft anhängig ist – ich habe von Vorerhebungen gelesen –, und wie dieses Verfahren in Österreich geführt wird.

Straftaten, wo auch immer sie begangen werden, sind – und das ist jetzt völlig unabhängig von der Immunitätsdiskussion – zu verfolgen, in diesem Fall von österreichischen Behörden. Die Anschuldigungen, die hier erhoben wurden, sind ja wahrlich nicht von der Hand zu weisen! Darum kann es nur in unser aller Interesse sein, dass wir dieses Verfahren, das jetzt in Österreich abgewickelt wird, mit ganz besonderer Sorgfalt beobachten. Die Reputation Österreichs steht damit noch einmal auf dem Prüfstand.

Es wird interessant sein, wie sich die Republik in diesem Verfahren verhält. Frau Bundesministerin! Ich glaube, da spreche ich ganz sicher auch in Ihrem Sinne, und ich harre jetzt schon der Beantwortung der Frage, wie die Informationen lauten, die der österreichischen Bundesregierung über die Intrige, die am Balkan gegenüber Österreich gelaufen sei, zugekommen sind. Herr Abgeordneter Dr. Pilz hat diese Frage schon einmal gestellt, und das ist die wirklich wesentliche Frage, die – damit nicht womöglich alles in eitler Wonne versinkt – die Bedingung für unser gemeinsames Handeln ist. Das, Frau Bundesministerin, können Sie uns nicht schuldig bleiben! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte.

16.32

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder österreichische Staatsbürger kann erwarten, dass die österreichische Bundesregierung seine Interessen wahrnimmt, wenn er im Rahmen eines humanitären und friedensichernden Einsatzes der Vereinten Nationen in einem anderen Land tätig ist.

Der Fall des österreichischen Polizisten Martin A., der im Rahmen des UNO-Einsatzes im Kosovo tätig war, hat eindeutig gezeigt, dass unsere Regierung – und allen voran unsere Außenministerin – auch mögliche Schwierigkeiten in Kauf nimmt, um das Leben eines österreichischen Staatsbürgers zu schützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich danke Frau Außenministerin Ferrero-Waldner ausdrücklich für diese Geste der Menschlichkeit, für ihr Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein.

Heute geht es aber auch darum, aus diesem Fall etwas zu lernen, und zwar konkret, dass es nie wieder vorkommen darf, dass Österreicher, die in einem Krisengebiet in einem anderen Land Frieden schaffen wollen, mit der örtlichen Strafgerichtsbarkeit, die nicht jener des Herkunftslandes entspricht, in Konflikt geraten oder gar durch Behördenwillkür mit freiheitsbeschränkenden Maßnahmen rechnen müssen.

Der Grund des heutigen Dringlichen Antrages liegt darin, dass ausschließlich Soldaten, die im Rahmen der UNO tätig sind, auf Grund des Truppenstatut-Abkommens Immunität genießen. Zivilpersonen wie Exekutivbeamte, Ärzte oder Lehrer, die sich immer häufiger für den friedensichernden und humanitären Einsatz der UNO entscheiden, genießen lediglich funktionelle Immunität. Wie wir gesehen haben, kann dies zu dramatischen Menschenrechtsverletzungen führen. Dieses Problem muss unverzüglich gelöst werden.


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Bei UNO-Einsätzen im Bildungsbereich oder von Exekutivbeamten ist, wie wir gesehen haben, nur verminderter Schutz gegeben. Ich danke daher der Frau Außenministerin dafür, dass sie unverzüglich reagiert hat und eine rechtliche Gleichstellung der Zivilpersonen im UNO-Einsatz mit den UNO-Soldaten einfordert. (Beifall bei der ÖVP.)

Was durch das Truppenstatut-Abkommen für UNO-Soldaten geregelt wird, muss auch für Zivilpersonen gelten, nämlich dass sie alle der Strafgerichtsbarkeit des Heimatlandes unterstehen. Solange die Einhaltung der Menschenrechte in Krisengebieten nicht gewährleistet ist, muss diese absolute Gleichstellung von Soldaten und Zivilisten sowie Exekutivbeamten Standard der UNO-Einsätze sein.

Gerade im Kosovo, aber auch in anderen Krisengebieten, in denen Österreicher friedensichernd im Rahmen der UNO tätig sind, ist keine mit der österreichischen vergleichbare Rechtssicherheit gegeben. Als Menschenrechtssprecher meiner Partei weise ich darauf hin, dass auch die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention in diesen Krisengebieten nicht gegeben ist.

Wir haben es hier mit Ländern zu tun, die noch weit davon entfernt sind, die europäischen Menschenrechtsstandards zu erfüllen beziehungsweise die Menschenrechte einzuhalten. So ist leider die Situation, und unter anderem dienen die UNO-Einsätze ja auch dazu, die Menschenrechtskonvention allmählich auch in diesen Regionen zur Anwendung zu bringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Stellen Sie sich einmal vor, ein Bekannter von Ihnen hat sich für einen solchen Einsatz entschieden – ob als Lehrer, Arzt oder Polizist – und wird auf Grund irgendeines Vorfalls durch örtliche Behördenwillkür im lokalen Gefängnis festgehalten, ohne klare Anklagepunkte, ohne genauere Untersuchung, womöglich gemeinsam mit Verbrechern, die er noch vor einigen Tagen selbst überführt hat.

Glauben Sie wirklich, dass sich auch nur ein Österreicher künftig noch an solchen UNO-Einsätzen freiwillig beteiligen wird? – Ich glaube nicht. Daher ist es so wichtig, dass alle österreichischen Staatsbürger, egal, welchen Beruf oder Status sie zu Hause haben, rechtlich gleichgestellt werden und den Schutz der österreichischen Rechtsstaatlichkeit genießen. Eine Ausweitung des Immunitätsschutzes auch auf Zivilpersonen im UNO-Einsatz ist notwendig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Über 50 000 Österreicher waren in den letzten 40 Jahren im Dienste der UNO tätig. Österreich ist ein angesehener Partner der UNO. Es ist daher auch unser Recht, Anliegen, die den Schutz unserer Landsleute betreffen, einzubringen. Ich bin sicher, dass Frau Außenministerin Ferrero-Waldner mit dem Anliegen Österreichs für eine Übergangslösung beim Generalsekretär der Vereinten Nationen Erfolg haben wird.

In dieser Übergangslösung müssen alle im UNO-Einsatz befindlichen Exekutivbeamten und Zivilpersonen absoluten Immunitätsschutz erhalten – denselben wie UNO-Soldaten. Es ist aber auch wichtig, im Rahmen der Europäischen Union gemeinsame Lösungen mit den Vereinten Nationen zu finden. Die rechtliche Verbesserung der Situation für Angehörige der Exekutive und Zivilpersonen muss auch den anderen europäischen Staaten ein Anliegen sein; davon bin ich zutiefst überzeugt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Unsere Außenministerin hat im Sinne der Menschlichkeit und Loyalität mit ihren Landsleuten gehandelt. Sie hat aber auch eine zukunftsweisende Entscheidung getroffen. Mit der Forderung nach einer Angleichung der immunitätsrechtlichen Stellung an jene von Soldaten im UNO-Einsatz ist Österreich Vorbild für Verbesserungen im Sinne der Menschenrechte, und Frau Außenministerin Ferrero-Waldner ist unsere Repräsentantin, die sich für den Schutz der österreichischen Staatsbürger voll einsetzt.

Ich danke ihr besonders dafür, ersuche sie, sich weiterhin so zu verhalten, und da heute Frühlingsbeginn ist, darf ich ihr einen kleinen Blumenstock überreichen. – Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Ellmauer überreicht der auf der


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Regierungsbank sitzenden Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner einen Blumenstock, für den sich diese bedankt.)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

16.38

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Die bisherige Debatte hat gezeigt, dass das Anliegen, den Schutz von Österreichern, die sich an friedenserhaltenden Maßnahmen beteiligen, zu verbessern, ein konsensuelles Anliegen in diesem Haus ist. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass an sich die Rückholung von Österreichern, die im Ausland in Schwierigkeiten geraten sind, grundsätzlich akzeptiert und für in Ordnung gehalten wird.

Trotzdem denke ich, dass man bezüglich des Anlassfalles hier im Hohen Haus auch differenzierte Einschätzungen diskutieren muss. Zum einen geht es um die Vorwürfe, die gegenüber diesem Polizisten geäußert werden. Es ist selbstverständlich, dass es in dieser Debatte zwar keine Vorverurteilungen geben kann, aber auch keine Freisprüche. Die Vorwürfe, die gegen diesen Polizisten vorgebracht werden, sind sehr schwerwiegend. Von wegen, es sei ihm nur die Hand ausgekommen! Es geht um viel schwerwiegendere Vorwürfe, aber auch das Hand-Auskommen wäre selbstverständlich nicht zu dulden.

Darüber hinaus geht es vor allem auch um die Frage, wie diese Rückholung vorgenommen wurde. Frau Kollegin Partik-Pablé! Selbstverständlich muss man immer wieder auch über das Wie reden. Über das Wie zu reden ist in einem Rechtsstaat nicht kleinlich. Das Wie ist das Um und Auf in einem Rechtsstaat, und es muss möglich sein, die Dinge korrekt zu handhaben und sich gleichzeitig verbindlich darum zu kümmern, Leuten das Leben zu retten.

Von wegen, es wurde vorbildlich die Fürsorgepflicht wahrgenommen, wie Kollege Krüger gemeint hat. – Es wurde nicht das übliche Einvernehmen mit den Vereinten Nationen hergestellt, sondern es wurde eine Vorgangsweise gewählt, die von den Vereinten Nationen als Fluchthilfe interpretiert werden musste.

Leider müssen wir konstatieren, dass es sich hier wieder um eine Panne in der österreichischen Außenpolitik handelt. Das tut uns Leid, denn das internationale Ansehen unseres Landes ist uns allen ein Anliegen.

Ich möchte jetzt an dieser Stelle folgenden Antrag meiner Fraktion einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung des rechtlichen Status von Angehörigen der Exekutive und von Zivilpersonen im Rahmen von UN-Missionen

*****

Dieser Antrag, den wir hier einbringen, deckt sich, sehr verehrte Damen und Herren, im Kern Punkt für Punkt mit den Anliegen, die Sie in Ihrem Dringlichen Antrag eingebracht haben. Es gibt zwei Änderungen, die aber das Anliegen nicht tangieren.

Im ersten Punkt verzichten wir darauf, der Frau Bundesministerin Blumen zu streuen. (Abg. Mag. Kukacka: Keine Frauensolidarität! – Abg. Schwarzenberger: Seien Sie doch auch charmant!) Sie werden das nach den Diskussionen darüber, wie das vorgenommen wurde, wie hier gehandelt wurde, und auf Grund der Tatsache, dass da dem österreichischen Ansehen wieder Schaden zugefügt wurde, verstehen. Ich denke, da es Ihnen um die Sache geht, werden Sie uns diesen Schritt entgegenkommen können und sich auf den Kern des Anliegens mit uns verständigen können. Es wird Ihnen leicht möglich sein, unserem Antrag zuzustimmen.

Im zweiten Punkt des Antrags sind wir völlig deckungsgleich, und im dritten Punkt haben wir eine Formulierung gewählt, wo ich auch denke, dass das Ihren Intentionen völlig entsprechen muss, eine Formulierung, die sicherstellt, dass es nicht darum geht, dass der österreichische


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98. Sitzung / Seite 129

Nationalrat hier eine Sonderregelung für Österreich einfordert, sondern dass es dem österreichischen Nationalrat selbstverständlich darum gehen muss, eine generelle Regelung hier einzufordern und zu bewirken. Ich denke, dass es Ihnen auch in diesem Punkt nicht schwer fallen wird, diesem Antrag zuzustimmen.

Dazu, dass es da Pannen gegeben hat, möchte ich Ihnen einen Kommentar aus der heutigen Ausgabe des "Standard" zitieren, in dem festgehalten wird, dass eines jedenfalls gelungen ist: "die mutwillige Beschädigung der Reputation Österreichs", denn die Irak-Reise hat ja bekanntlich auch für eine Verstimmung der Vereinten Nationen gesorgt.

"Haider und Ferrero-Waldner haben die Geduld der UN-Diplomaten offensichtlich über Gebühr strapaziert. Schon ein seltsames Paar, das da durch den Porzellanladen trampelt."

Dem, meine Damen und Herren, ist nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.43


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98. Sitzung / Seite 130

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Kuntzl vorgetragen hat und der vom Abgeordneten Peter Schieder als Erstunterzeichner eingebracht wurde, steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung des rechtlichen Status von Angehörigen der Exekutive und von Zivilpersonen im Rahmen von UN-Missionen, eingebracht im Rahmen der Debatte anlässlich des Dringlichen Antrages 646/A der Abgeordneten Dr. Krüger und Ellmauer

Im Hinblick auf den vorliegenden Dringlichen Antrag der Abgeordneten Dr. Krüger und Ellmauer befürworten die unterzeichneten Abgeordneten alle Schritte, den rechtlichen Status von Angehörigen der Exekutive und von Zivilpersonen im Rahmen von UN-Missionen zu verbessern.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Der Nationalrat fordert die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf, eine Verbesserung des Immunitätsschutzes von Angehörigen der Exekutive im UN-Einsatz zu erreichen und ersucht sie, im Lichte der Erfahrungen des Falls von Martin A. alle erforderlichen Schritte zur Verbesserung der rechtlichen Situation von Angehörigen der Exekutive und von Zivilpersonen durch Angleichung deren immunitätsrechtlicher Stellung an jene von Soldaten im UN-Einsatz zu setzen.

2. Die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten wird aufgefordert, im Rahmen der Europäischen Union dafür einzutreten, dass ein gemeinsames Abkommen der EU-Staaten mit den Vereinten Nationen zum höchstmöglichen Schutz aller Angehörigen der Exekutive und von Zivilpersonen aus EU-Staaten im Rahmen von internationalen UN-Einsätzen getroffen wird.

3. Die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten wird aufgefordert, dem Hauptausschuss des Nationalrates unverzüglich über alle gesetzten Schritte zu berichten, insbesondere auch darüber, wie bis zum Inkrafttreten einer gemeinsamen Regelung für alle EU-Staaten der bestmögliche Schutz aller Angehörigen der Exekutive und von Zivilpersonen in friedenserhaltenden, friedenssichernden und humanitären Einsätzen im Falle des Vorwurfs strafbarer Handlungen gewährleistet wird.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt die Frau Bundesministerin. Redezeit aller Redner in dieser Debatte maximal 10 Minuten. – Bitte, Frau Ministerin.

16.43

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Gott sei Dank schaut die Realität der österreichischen Außenpolitik wesentlich besser aus, als man sie hier beschreiben will und als manche Zeitungen schreiben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube, die inhaltlichen Erfolge, und zwar sowohl in der UNO, in der Europäischen Union als auch in der OSZE, sagen ganz klar, dass Österreich ein sehr anerkanntes Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft ist – offensichtlich nur nicht für die Opposition.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ist denn von einer Außenministerin zu erwarten? (Abg. Dr. Cap: Wieso kein Applaus?) – Herr Cap! Hören Sie bitte zu!

Was ist denn zu erwarten? – In solch einem Fall ist klar zu erwarten, dass sich eine Außenministerin zuerst um das Leben eines Österreichers kümmert, dann kann sie allenfalls informieren, aber das Wichtigste war, bei Gefahr im Verzug zu handeln (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), und das habe ich gemacht. Wenn Sie mir deshalb mangelnde Krisenfestigkeit vorwerfen, dann muss ich mich schon sehr fragen. Das finde ich eigentlich lächerlich.

Nummer 2: Wie sieht es aus mit Herrn Steiner? – Herr Steiner hat sich geweigert, unseren Botschafter Porias zu empfangen, und hat gesagt, er sei nur bereit, den wesentlich jüngeren und damit auch unter Botschafter Porias stehenden Leiter der Außenstelle Priština zu empfangen, und zwar bevor die Repatriierung stattgefunden hat – ein schwerer Fehler von Herrn Steiner.

Botschafter Porias hatte am nächsten Tag einen Termin, und zwar bei der Nummer 3 der UNMIK, den er absagte, um seine Verstimmung deutlich zu machen. Bitte verwechseln Sie also nicht den ersten Besuch mit dem zweiten! Es ging um den ersten, und den haben wir immer thematisiert.

Steiner hat diese Angelegenheit in einem Gespräch mit dem Leiter der Außenstelle Priština dann später als Missverständnis – als Missverständnis! – bezeichnet. Ich muss sagen, ich habe kein Interesse daran, dieses angebliche Missverständnis hochzuspielen, und ich gehe in diesem Sinne zur Tagesordnung über. (Abg. Dr. Cap: Was war wirklich?) – Genau das, was ich Ihnen gesagt habe. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur nächsten Frage hinsichtlich der Möglichkeit, eine Sonderregelung schon früher zu verlangen. Ich kann sagen, es wäre sehr unrealistisch, eine nur für Österreich geltende Sonderregelung für den Status von UN-Personal verlangen zu wollen. Deshalb bemühen wir uns anlässlich dieses Falles, eine generelle Änderung herbeizuführen. Ich habe Ihnen vorhin gesagt, dass das nicht von heute auf morgen gehen wird. Das wird natürlich vieler Anstrengungen und Verhandlungen bedürfen, aber ich bin zuversichtlich, dass es im Endeffekt möglich ist. Es gäbe zwar eine Möglichkeit, nur eine Vereinbarung mit dem UNO-Generalsekretär zu treffen, aber das wäre keine Vereinbarung im Sinne des KSE-BVG, das wäre also kein Regierungsübereinkommen.

Das Dritte, die Sache mit Zypern. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das habe ich selbst sehr gut vorbereitet, nachdem mich das Landesverteidigungsministerium davon informiert hat, dass es nicht möglich ist, überall weiterhin Truppen zu stellen. Ich habe den Außenminister Zyperns, den Außenminister Griechenlands, den Außenminister der Türkei und den UNO-Generalsekretär selbst informiert, und zwar ein halbes Jahr, bevor dieser Abzug stattgefunden hat. Ich kann Ihnen sagen, ich habe nur eines bekommen: großes Lob für die österreichischen Truppen und für die österreichische Haltung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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98. Sitzung / Seite 131

Ich möchte Ihnen noch etwas sagen: Wenn im "Standard" von irgendwelchen Informationen geredet wird, wo sich niemand traut, auch nur den Namen zu erwähnen, dann kann ich Ihnen nur eines entgegenhalten: Für die Organisation sprechen nur der UNO-Generalsekretär, sein Spokesman und natürlich seine hohen Beamten. Diese haben uns ganz im Gegensatz zu dem, was heute offensichtlich in der Zeitung steht, absolutes Vertrauen ausgesprochen und der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass Österreich in Zukunft eher mehr Truppen als bisher stellen wird. Das war die offizielle Äußerung, und nicht irgendeine inoffizielle, die nicht einmal belegt werden kann.

Ich danke in diesem Sinne und sage noch einmal, ich glaube, ich habe das getan, was in dieser Sache zu tun war, und werde jetzt auch weiter – und ich danke für die Unterstützung – in diese Sondervereinbarung hineingehen. – Danke, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Was war das?)

16.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reindl. – Bitte.

16.48

Abgeordneter Hermann Reindl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Österreich hat sich in den letzten Jahrzehnten große Verdienste im Zusammenhang mit Friedensmissionen in aller Welt erworben. Das wird immer wieder international anerkannt und auch gewürdigt. Man bedenke, dass es Freiwillige sind, Freiwillige, die bereit sind, sich einer besonderen Gefahr, einer besonderen physischen und psychischen Belastung auszusetzen, um in Krisengebieten dieser Erde friedenstiftend und friedensichernd zu wirken.

Meine Damen und Herren! Daher brauchen alle, die sich an derartigen Missionen beteiligen, einen besonderen gesetzlichen Schutz. Als Gendarm weiß ich, welch großer psychischer Belastung man in einer Extremsituation ausgesetzt ist. Es gilt da, innerhalb von Sekundenbruchteilen über das eigene Leben, die eigene körperliche Unversehrtheit, das Leben und die körperliche Unversehrtheit anderer zu entscheiden oder auch fremdes Gut zu schützen und dieses zu verteidigen.

Hohes Haus! Einen besonderen gesetzlichen Schutz bei UN-Einsätzen genießen derzeit nur die Soldaten, nicht aber Angehörige der Exekutive und Zivilpersonen wie Lehrer und andere Beamte. Nur Soldaten unterstehen somit der österreichischen Strafgerichtsbarkeit und genießen die absolute Immunität bei Auslandseinsätzen. Bei allen anderen Personen haben die Vereinten Nationen die Möglichkeit, die Immunität ohne Zustimmung Österreichs aufzuheben. Das hätte zur Folge, dass Exekutivbeamte und Zivilpersonen der lokalen Gerichtsbarkeit, das heißt der ausländischen Gerichtsbarkeit, unterstellt sind.

Meine Damen und Herren! Das könnte fatale Folgen haben, denn nicht in jedem Staat und schon gar nicht in Krisengebieten ist die Rechtsstaatlichkeit so ausgeprägt, um es vorsichtig auszudrücken, wie bei uns in Österreich.

Anlass, über einen verbesserten Immunitätsschutz nachzudenken, ist die Repatriierung eines österreichischen UNO-Polizisten aus dem Kosovo. Diesem österreichischen Polizisten wird vorgeworfen, bei einer Einvernahme einen Albaner, der laut Zeitungsberichten des Raubes und versuchten Mordes verdächtig ist, geschlagen zu haben. Nach den Bestimmungen des jugoslawischen Strafgesetzbuches wurde dieser Polizist festgenommen, obwohl dies unrechtmäßig war. Wegen schwerer gesundheitlicher Probleme wurde er Gott sei Dank nach Österreich überstellt.

Meine Damen und Herren! Grundsätzlich ist der Vorwurf gegen den Wiener Polizisten kein harmloser. Es muss und wird eine lückenlose Aufklärung geben, aber Recht muss hier in Österreich gesprochen werden. Vorerst hat aber für uns alle die Unschuldsvermutung zu gelten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Frau Abgeordnete Stoisits! Um die Reputation Österreichs brauchen Sie sich in diesem Zusammenhang keine Sorgen zu machen.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich habe schon gesagt, dass ich Exekutivbeamter bin, und betroffen in diesem Zusammenhang machen mich Aussagen von roten und grünen Abgeordneten dieses Hohen Hauses. In einer APA-Meldung vom 12. März 2002 ist Folgendes nachzulesen:

"Die Entscheidung, den Polizisten nach Österreich zurückzuholen, beurteilte SPÖ-Abgeordneter Peter Schieder als ,wahrscheinlich‘ richtig." – Ich wiederhole: "als ,wahrscheinlich‘ richtig".

Herr Abgeordneter Schieder, können Sie sich ausmalen, was im schlimmsten Fall hätte passieren können, wäre dieser Polizist im Kosovo vor Gericht gestellt worden? Ich schließe mich den Ausführungen der Frau Außenministerin an: Das Leben eines Österreichers muss immer oberste Priorität haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In derselben APA-Meldung fand sich eine Aussage der Grün-Abgeordneten Lunacek – ich zitiere –:

"Lunacek machte zudem darauf aufmerksam, dass der beschuldigte Polizist unter UNO-Hoheit gestanden sei und nicht ohne Information der UNO aus dem Kosovo weggebracht hätte werden dürfen." – Zitatende.

Das sind die Sorgen der Grünen, wenn es sich um einen österreichischen Polizisten handelt! Also sein Schicksal ist ihnen völlig egal, wichtig ist den Grünen, dass österreichische Staatsbürger, die im Ausland randalieren, Sachbeschädigungen und dergleichen begehen, wie die Mitglieder der so genannten Volxtheater-Karawane in Italien, nach der Inhaftierung sofort in die Obhut des österreichischen Staates zurückgeholt werden.

Meine Damen und Herren dieses Hohen Hauses! Unterstützen wir gemeinsam die Frau Außenministerin bei ihren Bemühungen um eine Verbesserung des Immunitätsschutzes für alle im Auslandseinsatz, damit Österreich auch in Zukunft seinen Aufgaben im humanitären Bereich in Krisengebieten nachkommen kann! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. – Bitte.

16.55

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich denke, dass die heutige Diskussion sehr sachlich geführt wurde, und es haben sich alle Fraktionen auch redlich bemüht.

Ich möchte nur auf eine Wortmeldung näher eingehen, und zwar auf die Ausführungen des Herrn Dr. Pilz. Herr Dr. Pilz hat doch den Vorwurf der Verharmlosung erhoben, und ich denke, gerade die Frau Bundesminister hat in ihrem Redebeitrag die Sachlage sehr klar dargestellt.

Der zweite Vorwurf kam hinsichtlich des Verhältnisses zu den Vereinten Nationen. Herr Dr. Pilz! Da kann ich nur sagen, mein Eindruck ist, Sie hätten gerne, dass unser Verhältnis zu den Vereinten Nationen durch diese Causa belastet wird. Und ich denke, Sie sollten sich bei unserer Außenministerin entschuldigen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Im Wesentlichen ist von meinen Vorrednern bereits alles gesagt worden. Ich möchte heute ganz besonders den 50 000 Soldaten, die bisher bei Hilfsoperationen eingesetzt wurden, ein herzliches Danke aussprechen. Ich möchte aber nicht nur den Soldaten ein herzliches Danke sagen, sondern auch den Verantwortungsträgern, die es ermöglicht haben, dass diese Operationen durchgeführt wurden. Ich denke, unser Land hat sich da große Verdienste erworben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte besonders darauf hinweisen, dass uns der Schutz der Exekutive besonders wichtig ist. Geschätzte Frau Bundesminister! Wir begrüßen die von Ihnen eingeleiteten Bemühungen,


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eine Verbesserung des Immunitätsschutzes von Angehörigen der Exekutive bei UN-Einsätzen zu erzielen. Weiters ersuchen wir Sie, im Rahmen der Europäischen Union dafür einzutreten, dass ein gemeinsames Abkommen der EU-Staaten mit den Vereinten Nationen zum Schutz aller Angehörigen der Exekutive aus EU-Staaten im Rahmen von internationalen EU-Einsätzen abgeschlossen wird.

Abschließend ein herzliches Dankeschön Ihnen, Frau Bundesminister, für die raschen und unbürokratischen Maßnahmen in Verbindung mit dem Innenministerium, auch dafür, dass Sie dafür eingetreten sind, dass Herr Martin A. auf Grund von Gefahr im Verzug nach Österreich überstellt wurde. Es werden hier dann die Untersuchungen durchgeführt.

Geschätzte Damen und Herren! Ich ersuche oder bitte Sie, stimmen Sie dem vorliegenden Antrag zu! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Daher schließe ich die Debatte.

Wir gelangen zu den Abstimmungen, und zwar kommen wir zunächst zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 646/A (E) der Abgeordneten Dr. Krüger, Ellmauer betreffend Verbesserung des rechtlichen Status von Angehörigen der Exekutive und Zivilpersonen im Rahmen von UN-Missionen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag 646/A (E) zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dieser Antrag ist mit Stimmenmehrheit vom Haus angenommen. (E 128.)

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung des rechtlichen Status von Angehörigen der Exekutive und von Zivilpersonen im Rahmen von UN-Missionen.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag wird mit Stimmenmehrheit abgelehnt.

Damit haben wir die Debatte über den Dringlichen Antrag 646/A (E) abgeschlossen.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen jetzt zur Durchführung einer Kurzdebatte. Diese Kurzdebatte betrifft den Antrag des Abgeordneten Dipl.-Ing. Pirklhuber, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 626/A (E) betreffend Änderung der Pflichtversicherung und des Bewertungsgesetzes für bäuerliche Nebentätigkeiten und Direktvermarktung eine Frist bis zum 16. April 2002 zu setzen.

Nach Abschluss der Debatte wird die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass nach den einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung der Erstredner eine Redezeit von 10 Minuten hat und die anderen Redner eine Redezeit von nicht länger als je 5 Minuten haben. Allfällige Stellungnahmen von der Regierungsbank sollten ebenfalls nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. Die Redezeit beträgt demnach 10 Minuten.

17.00

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In diesem Fristsetzungsantrag geht es um eine Verschärfung in einem wichtigen Sektor der österreichischen Landwirtschaft, nämlich im Bereich der Direktvermarktung, in jenem


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Zweig der Landwirtschaft, der bäuerliche Produkte möglichst nahe direkt zum Konsumenten bringen möchte. Es sind also jene Bäuerinnen und Bauern davon betroffen, die auf Bauernmärkten vermarkten, die in eigenen kleinen Bauernläden und Hofläden ihre Produkte anbieten, und auch jene Bäuerinnen und Bauern, die in den letzten zehn Jahren innovativ tätig waren und verstärkt innovative Projekte wie Kompostierung oder Biogasanlagen betreiben. Es handelt sich also genau um jenen Sektor, von dem in der agrarpolitischen Debatte so oft gesprochen wird und der als Herzeigeprojekt für zukunftsfähige Landwirtschaft bezeichnet wird. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Die Situation ist doppelt prekär, wenn wir uns daran erinnern, was im Rahmen des EU-Beitrittes 1995 der Landwirtschaft immer sozusagen ins Fenster gestellt wurde, nämlich die Zukunftsvision vom Feinkostladen Österreich. Erinnern wir uns kurz: Damals war es eine harte Herausforderung für die Landwirtschaft, diese Preisreduktionen, die ja ersichtlich waren, irgendwie zu kompensieren. Ein Teil der Aktivitäten der Bäuerinnen und Bauern war, verstärkt in die bäuerliche Direktvermarktung zu investieren. Das haben auch die Landwirtschaftskammern damals propagiert. Das haben Sie, das haben wir gefordert. Und das haben die Bäuerinnen und Bauern vielfach auch, und zwar sehr erfolgreich, umgesetzt.

Nach dem EU-Beitritt, meine Damen und Herren, wäre es nur logisch und folgerichtig gewesen, diese Zielorientierung des Feinkostladens weiterhin konsequent zu verfolgen und auch durch entsprechende gesetzliche Maßnahmen abzusichern.

Sie haben das Gegenteil gemacht, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, Sie haben die bäuerlichen Direktvermarkter seit 1995 permanent massiv zur Kasse gebeten, behindert und aus dem Markt gedrängt. Das ist ein Interessenkonflikt, der in der ÖVP zwischen Wirtschaftskammer und Landwirtschaftskammer angelegt ist. Es ist kein Geheimnis, dass es hier Interessenkollisionen gibt, aber Sie haben sie aus unserer Sicht nicht folgerichtig, nicht zukunftsorientiert gelöst, Sie haben die bäuerliche Produktion, und zwar gerade die innovative Produktion, verstärkt belastet, statt endlich zu verstehen, dass es ohne diese innovativen bäuerlichen Projekte auch keine Zukunft der Regionalentwicklung geben kann, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte dabei einiges hervorkehren und herausheben, was bei dieser schrittweisen Verschärfung auch passiert ist. Konkret: Gewerbeordnung 1997. Sie haben damals die Mehrwertsteuerregelung für die Direktvermarktung eingeführt. (Abg. Mag. Schweitzer: Sag, warum du eine Fristsetzung willst! Keine inhaltliche Debatte! Das ist Geschäftsordnung! Warum Fristsetzung und ab!) Kollege Schweitzer, damit Sie ein bisschen verstehen, worum es uns geht, wollen wir hier die Debatte führen. Wenn Sie nicht bereit sind, wichtige Fragestellungen zu diskutieren, dann sollten Sie vielleicht den Saal verlassen. Das wäre die einzige vielleicht faire Vorgangsweise, wenn Sie nicht zuhören können, Kollege Schweitzer. (Abg. Mag. Schweitzer: Geschäftsordnung!)

Zur Gewerbeordnung 1997: Damals wurde die Mehrwertsteuerregelung für die bäuerliche Direktvermarktung eingeführt und damit auch eine Zweiteilung der bäuerlichen Produktion. Einerseits gibt es nämlich landwirtschaftliche Urprodukte, zum Beispiel Kartoffel, Getreide, aber auch Spanferkel, diese sind steuerlich und auch sozialversicherungsrechtlich als Urprodukte definiert. Andererseits gibt es Produkte, die in die gewerbliche Ebene fallen, nämlich traditionelle bäuerliche Produkte wie Buttermilch, Joghurt, Säfte, Speck, Vollkornbrot. Das sind alles Produkte, die Bauern traditionellerweise schon bisher produziert haben. Da haben Sie das erste Mal versagt, meine Damen und Herren von der ÖVP, denn Sie hätten ganz klar dafür eintreten müssen, dass festgelegt wird, dass Produkte, die Bauern auf dem eigenen Hof aus eigenen Rohstoffen erzeugen, bäuerliche Produkte sind. Das ist folgerichtig und wäre klar.

Sie haben in diesem Punkt die Zukunftsorientierung für diese Kleinbetriebe ganz klar unmöglich gemacht. Sie haben diese Chance der kleinen Betriebe und der Direktvermarkter mit dieser Regelung das erste Mal behindert. Viele Betriebe haben damals, 1997, 1998 – ich erinnere mich noch sehr gut –, als die Hygieneverordnungen der EU umgesetzt wurden, mit ihrer Produktion aufgehört, weil sie die neuen Auflagen, die gekommen sind, die teilweise berechtigt,


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aber teilweise auch völlig überzogen waren, nicht mehr erfüllen konnten. Sie konnten sie nicht erfüllen, weil dieselben Kriterien, die für große Schlachtbetriebe oder große Verarbeitungsbetriebe galten und gelten, auch auf kleinbäuerliche landwirtschaftliche Betriebe übertragen wurden. Sie haben in diesem Fall nicht verhältnismäßig gehandelt und haben somit wieder vielen Bäuerinnen und Bauern eine Zukunftschance aus der Hand geschlagen, meine Damen und Herren.

Der letzte wirklich gravierende Anschlag auf diesen innovativen Sektor der Landwirtschaft – so steht es auch in der Agrarpresse, lesen Sie "Blick ins Land" vom März 2002, die größte österreichische Landwirtschaftszeitung – war der Anschlag auf die Direktvermarkter. Kollege Donabauer! Das ist es, was die Bauern wahrnehmen! Das ist es, was sie sehen. Sie erkennen, was Ihre Politik sozusagen bezweckt, nämlich die Direktvermarktung weiterhin zu behindern und massiv zu erschweren.

Kommen wir zu den Fakten. Konkret geht es darum, dass die Bäuerinnen und Bauern sehr wohl bereit sind, Beiträge zu zahlen, wenn diese berechtigt sind und richtig berechnet werden. In Ihren Vorschlägen, gegen die wir im letzten Jahr gestimmt haben, ... (Unruhe im Saal.)

Herr Präsident! Könnten Sie für etwas Ruhe und einen entsprechend niedrigen Lärmpegel sorgen? Ich würde Sie ersuchen, zumindest soweit für Ruhe zu sorgen, dass der eine oder andere meiner Argumentation folgen kann! (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)  – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Neudeck: Zwingen lassen wir uns nicht! – Abg. Mag. Kukacka: Es interessiert offensichtlich niemanden!)

Die Beitragsgrundlage der Bäuerinnen und Bauern wird vom Umsatz berechnet, und zwar vom Umsatz inklusive Mehrwertsteuer. (Abg. Mag. Schweitzer: Also warum jetzt eine Fristsetzung? Das ist Geschäftsordnung, Herr Präsident!) Das gibt es in ganz Österreich kein zweites Mal. In keinem Gewerbe, bei keinem Berufsstand gibt es das, dass die Bemessungsgrundlage vom Umsatz inklusive Mehrwertsteuer berechnet wird! Das ist auf jeden Mal nach dem Gleichheitsgrundsatz ungebührlich, was Sie hier beschlossen haben, und das sollten wir dringend reparieren, meine Damen und Herren, und zwar noch für dieses Jahr! Ihre Novelle gilt ab 1. Jänner, und diese Maßnahme sollte rückwirkend – daher dieser Fristsetzungsantrag – zurückgenommen werden. Es sollte eine gerechte, faire Lösung gefunden werden.

Gerecht und fair, meine Damen und Herren, heißt, dass die Bemessung der Beitragsgrundlage nach dem Einkommensteuerbescheid, nach einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung erfolgt, wie es im Gewerbe auch üblich ist. Das würden die Bauern auch verstehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich stehe mit dieser Forderung nicht allein. Die Biobauern des größten Verbandes, nämlich des Verbandes "Ernte für das Leben" – in diesem Verband sind 25 Prozent der Mitglieder Direktvermarkter –, fordern – Sie wissen das – die Rücknahme dieser Maßnahmen. Auch die Österreichische Interessengemeinschaft für Biolandbau, die Arbeitsgemeinschaft Biolandbau, aber auch die Direktvermarkterverbände laufen gegen diese Maßnahmen massiv Sturm.

Die Landwirtschaftskammer Kärnten, Kollege Donabauer, fordert das ebenfalls in ihrem Vollversammlungsbeschluss. Ich hoffe, Sie werden unserem Fristsetzungsantrag daher beitreten.

Aber eines ist schon kurios: Kollege Donabauer ist nämlich Obmann des Sozialausschusses der Präsidentenkonferenz und gleichzeitig Obmann der Sozialversicherung der Bauern. Das, meine Damen und Herren, ist eine klassische Interessenkollision! Einerseits muss er als Obmann der Sozialversicherung, und das hat er ja offen zugegeben, versuchen, zusätzliche Beiträge zu bekommen. Auf der anderen Seite sollte er in der Präsidentenkonferenz die Interessen der Bauern vertreten.

Das passt nicht zusammen, Kollege Donabauer! Da müssten Sie endlich eine Flurbereinigung vornehmen und eine dieser Funktionen zurücklegen. (Beifall bei den Grünen.)


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Dreist ist es, wenn der Präsident der Präsidentenkonferenz Rudolf Schwarzböck in mehreren Aussendungen behauptet, dass alle Parteien dieser Maßnahme zugestimmt hätten. Er hat das bei der Eröffnung der Wieselburger Messe, in einer öffentlichen Aussendung behauptet, und er hat es im Organ der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer gesagt. Dies ist zurückzunehmen! Es ist schärfstens abzulehnen, dass da mit Unwahrheiten, mit wirklich unglaublichen Behauptungen die Bauern sozusagen für blöd verkauft werden. (Beifall bei den Grünen.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (das Glockenzeichen gebend): Ihr Schlusssatz, Herr Abgeordneter, bitte! (Abg. Neudeck: Und aus!)

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (fortsetzend): Mein Schlusssatz, meine Damen und Herren, lautet: Regionalität lebt von der Direktvermarktung. Stimmen Sie diesem Fristsetzungsantrag zu, damit diese unglaubliche Maßnahme im Ausschuss endlich bereinigt werden kann! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

17.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich darf darauf aufmerksam machen, die nunmehr zu Wort gemeldeten Redner haben eine Redezeit von 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gradwohl. – Bitte.

17.11

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Vorab ist zu sagen: Die sozialdemokratische Fraktion wird diesem Fristsetzungsantrag zustimmen. (Abg. Gaugg: Das ist eine Überraschung!) Herr Kollege Gaugg, Ihr Zwischenruf überrascht mich, denn Ihr Fraktionskollege Hornegger hat nach der Beschlussfassung hier im Hohen Haus – zwar an unzuständiger Stelle, nämlich in der Sozialversicherungsanstalt der Bauern – einen Antrag eingebracht, der zu seinem Bedauern abgelehnt wurde und der genau die gleiche Intention verfolgt wie der Entschließungsantrag, zu dem heute eine Fristsetzung beantragt wird. (Zwischenruf der Abg. Achatz. )

Ich würde sagen: Gehen Sie bitte schön mit Ihrem Kollegen Hornegger in Klausur! Ich bin überzeugt davon, dass Kollege Hornegger heute zustimmen wird, denn der Antrag geht in genau jene Richtung, die er vertreten möchte. (Abg. Silhavy: Die reden nicht einmal untereinander in dieser Fraktion!) Sollten Sie das nicht wissen, Kollege Gaugg, stelle ich Ihnen gerne nach meinem Redebeitrag die Unterlagen zur Verfügung (Abg. Edlinger: Chaos-Truppe!), die über den freiheitlichen Pressedienst versandt wurden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine kurze Begründung dazu, weshalb wir dieser Fristsetzung zustimmen. Zum einen hat Kollege Pirklhuber schon einiges ausgeführt, und zum anderen möchte ich anmerken, dass dies ein weiterer Anschlag auf die vorwiegend biologisch wirtschaftenden Betriebe ist, die zwar in Sonntagsreden immer wieder gelobt werden, wie toll das sei und dass Österreich diesbezüglich so gut dastehe, aber von der Politik und vor allem von der Politik des Österreichischen Bauernbundes grob vernachlässigt werden.

Ich erinnere daran, dass die Förderung für die Beratung der biologischen Betriebe gekürzt wurde, obwohl es keine weltbewegenden Summen waren, um die es da ging. Ich erinnere daran, dass die biologischen Betriebe durch AMA-Veranstaltungen diskreditiert werden. Auch dazu schweigt der Bauernbund. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Tüpfelchen auf dem "i" – Kollege Pirklhuber hat es schon angesprochen – ist, dass die Bemessungsgrundlage der Direktvermarkter nicht wie bei anderen Steuerzahlern oder anderen Sozialversicherungsbeitragspflichtigen nach ihrem Einkommen berechnet wird, sondern dass der gesamte Umsatz als Einkommen gewertet wird, und davon erfolgt dann die Bemessung der Sozialversicherungsgrundlage.

Neben der Ungerechtigkeit, die es in der bäuerlichen Sozialversicherung ohnehin schon gibt, weil nämlich derjenige, der weniger Grund besitzt, der ein geringeres Einkommen hat, auf Grund des Versicherungswertes zu höheren Beitragsleistungen aufgefordert ist als derjenige, der große Güter besitzt, mit einer Obergrenze gedeckelt ist und daher bevorzugt behandelt


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wird, werden, um das noch zu verschärfen, die kleinen und die direkt vermarktenden Betriebe, also jene, die Kollege Donabauer und seine Fraktionskollegen aufgefordert haben, innovativ zu sein, in die Direktvermarktung zu gehen und damit den bäuerlichen Stand zu unterstützen und das Auskommen zu sichern, bestraft.

Dagegen sind wir, meine sehr geehrten Damen und Herren! Daher unterstützen wir auch das Sozialstaats-Volksbegehren, damit in Zukunft solche Dinge, wie dieser Beschluss, nicht mehr geschehen können und der Sozialstaat erhalten bleibt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte.

17.15

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abgeordneter Gradwohl! Ich kann Ihnen versichern: Auch nach Ihrer Rede wird Österreich ein Sozialstaat bleiben!

Die Ausführungen waren recht interessant vorgetragen. (Abg. Edler: Da warst du dir aber selbst nicht immer sicher! – Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Mit weinerlicher Miene hat er hier alles beklagt, was den bäuerlichen Stand im Zusammenhang mit der Sozialversicherung betrifft, und vergisst dabei, dass gerade seine SPÖ-Funktionäre in den Sozialversicherungsanstalten (Abg. Schwarzenberger: Dafür gestimmt haben!) seit Monaten, wenn nicht seit Jahren, massive Erhöhungen der Beiträge verlangen. Diese Geisteshaltung ist hoch interessant. Überall dort, wo die SPÖ das Sagen gehabt hat, herrscht Desaster. Ich erinnere an die Wiener Gebietskrankenkasse, an die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse und Ähnliches mehr. (Abg. Gradwohl: Wie viele Mitglieder hat denn die SPÖ in der Sozialversicherungsanstalt der Bauern?)

Es gibt auch bei den anderen Sozialversicherungen Höchstbemessungsgrundlagen, wie Sie wissen, und auch diesbezüglich hat die SPÖ nie daran gedacht, Veränderungen herbeizuführen.

Nunmehr zum Entschließungsantrag der Abgeordneten Pirklhuber und Kollegen. (Abg. Silhavy: Kollege Gaugg hat sich als Sozialsprecher auch schon abgemeldet!) Haben Sie eine Frage an mich, Frau Silhavy, oder ist es nur ein Zwischenruf? (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Haben Sie etwas zu sagen oder stören Sie nur? (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das ist wirklich abenteuerlich. Ist das das einzige, was von der Sozialdemokratie übrig geblieben ist (Abg. Dr. Mertel: So wie Sie!), dass sie andere Redner massiv stört, sodass diese ihre Ausführungen nicht machen können? – Das ist anscheinend "gelebte Sozialdemokratie" im Jahr 2002. Gewöhnen Sie sich daran, Frau Silhavy, dass es hier eine gewisse Ordnung gibt! (Abg. Dr. Mertel: Wir stecken die Hände nicht in den Sack! – Weitere Zwischenrufe.)

Soll ich euch einen Dirigenten bringen, damit das koordiniert abläuft? – Das ist ja unglaublich. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Kaum sind die beiden Chefs Cap und Gusenbauer nicht da, bietet sich hier ein bunter Haufen (Abg. Edlinger: Hört auf mit den intelligenten Zwischenrufen, die kommen dort nicht an!) von durcheinander rufenden Menschen, die sich nicht ernsthaft mit der Situation der Bauern in Österreich befassen.

Auch der Antrag der Grünen ist gelebte Scharlatanerie. Gerade die Grünen wollen sich zum Retter der österreichischen Bauernschaft aufspielen, das ist überhaupt das Interessanteste. Die österreichischen Bauern sind in einer schwierigen Situation: EU-Beitritt, Billigimporte und immer intensivere Auflagen im Zusammenhang mit dem Beruf der Bauernschaft, wobei die Grünen nicht daran unbeteiligt sind, dass die Beiträge immer höher werden. Und dann gehen Sie hierher ans Rednerpult und erklären mit weinerlicher Stimme, das sei ja alles so schlimm. Ich sage Ihnen eines: Wenn wir diesen Antrag, den Sie hier mit einer Fristsetzung versehen, umsetzten, dann würden wir die bäuerliche Landwirtschaft in einem erheblich höheren Ausmaß, als das jemals der Fall war, belasten.


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Ich sage Ihnen auch, warum. Wenn die Einheitswerte erhöht werden, so wie es Ihr Vorschlag ist, dann betrifft das auch die Kammerumlage und andere Steuern, das heißt, die Beiträge werden wesentlich höher. Ich sage daher: Ein verlässlicher Partner für die Bauernschaft in Österreich ist diese Bundesregierung. Schreiben Sie das in Ihre Anträge, die Sie einbringen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir arbeiten für die Zukunft der österreichischen Bauern und vor allem auch für die Stärkung der Selbstverwaltung, was ein ganz entscheidender Punkt ist, den auch die Sozialdemokraten immer vehement verteidigen. Die Selbstverwaltung soll überall gestärkt werden, nur bei den Bauern soll sie finanziell so ausgehöhlt werden, dass eine Selbständigkeit letztlich in Frage gestellt werden würde. Ich kann Ihnen versichern, dass wir mit Finanzminister Grasser eine Vereinbarung zustande bringen werden, die den Schutz der kleinen und mittleren Höfe, so wie es im Antrag formuliert ist, beinhalten wird.

Die Erhaltung der bäuerlichen Strukturen scheint eine der wesentlichsten Maßnahmen in der Zukunft zu sein. Uns geht es vor allem um ihre Existenz, um die Einkommenssicherung und um marktgerechte Preise. Wir sind gegen Lohndumping bei den Arbeitern, und wir sind gegen Preisdumping bei den Bauern. Sorgen wir dafür, dass sie gerechte Preise erhalten, dann sind die Zahlungen, die notwendig sind, um ein gesundes Sozialversicherungswesen aufrechterhalten zu können, gesichert!

Daher kann ich mich über diesen Entschließungsantrag, der am 28. Februar dieses Jahres eingebracht wurde, nur wundern. Ich würde mir wünschen, dass sich auch die grüne Fraktion in Zukunft vollinhaltlich, vor allem geistig und nicht nur schriftlich hinter die Interessen und Wünsche der österreichischen Bauern stellt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

17.20

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir werden dem Fristsetzungsantrag nicht zustimmen, weil wir uns bei der Lösung unserer Probleme nicht unter Druck setzen lassen. – Das ist der erste Punkt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zweitens: Wenn Sie, Herr Kollege Gradwohl, mit Begeisterung das Sozialstaats-Volksbegehren unterschreiben, dann kann ich Ihnen nur sagen: Lösen Sie einmal die Probleme der 72 000 bäuerlichen Ausgleichszulagenbezieher! Bis heute konnten wir diese mit Ihnen nicht lösen. Heuer haben wir erstmals eine großartige Verbesserung auf diesem Gebiet, die einfach notwendig war, erreicht. Vielleicht gelingt es jetzt auch mit Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Drittens: Jawohl, die Direktvermarktung ist ein Teil der agrarischen Produktion, wir stehen dazu. Wir haben das nicht nur empfohlen, sondern auch gewaltig – ich denke auch, in allen Bereichen, in der Beratung, der Förderung – mit unterstützt. Wir wollen die Direktvermarkter, sie sind gute Botschafter.

Aber, lieber Herr Kollege Pirklhuber, Sie müssen schon wissen, wovon Sie reden. Erstens einmal: Weder in den Ausschüssen, in denen das beraten wurde, noch im Plenum wurde Ihrerseits und von Ihrer Fraktion eine Wortmeldung dazu abgegeben. Heute wollen Sie das reparieren, weil Sie seinerzeit versäumt haben, mitzuarbeiten.


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(Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Sie auch nicht, Kollege Donabauer! Sie haben selbst auch nichts dazu gesagt! Ihr eigener Antrag! – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Nächste Überlegung: Sie verwechseln dauernd die Begriffe "Beitragspflicht", "Pflichtversicherung", "Beitragsgrundlage" und vieles andere mehr. Worum geht es? – Es geht darum, dass bei der Be- und Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte Einkommenswerte erzielt werden. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Aber nicht 30 Prozent vom Umsatz!) Mit dem Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz aus dem Jahre 1997 – das sagt Präsident Schwarzböck – hat sich die Bundesregierung (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Das hat er nicht gesagt!), die vorige Bundesregierung dazu entschlossen, dass alle Erwerbstätigkeiten Österreichs beitragspflichtig sind, damit das hoch entwickelte Sozialsystem in Österreich erhalten werden kann – so auch das bäuerliche.

Es war die Frage, ob es in Zukunft für die Direktvermarkter einen Beitragszuschlag geben soll, und zwar derart, dass zum Einheitswert 40 Prozent dazugeschlagen werden. All das ist sehr kompliziert. Das hätte zur Folge gehabt, dass die Bauern unverhältnismäßig mehr belastet worden wären, vor allem die Kleinen enorm höher belastet worden wären als die Großen. Wir haben dieses Pauschalsystem so nicht angenommen, sondern haben weiterverhandelt und nunmehr folgende Regelung gefunden:

Der Umsatz aus der Be- und Verarbeitung ist zu melden, die Pauschalierungsverordnung wird angewandt, und es wird der schon bestehende Berechnungssatz als Beitragsgrundlage festgelegt. Alle Betriebe, die das als ungeheuerlich empfinden oder nicht bewältigen können oder andere Dinge wollen, haben heute schon die Möglichkeit – unter Anwendung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes –, zu optieren. Das heißt, sie können ihren Flächenbetrieb und die damit verbundene Erwerbsarbeit für steuerlich erklären, und dann wird nicht der Flächenbetrieb und nicht die Pauschalierungsverordnung als Beitragsgrundlage herangezogen, sondern der Einkommensteuerbescheid. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Warum ist das nicht grundsätzlich so?)

Herr Kollege Pirklhuber! Es ist für alles Vorsorge getroffen. Ich denke, dass wir gut unterwegs sind, und ich sage Ihnen noch etwas: Wenn es eine Einheitswertpauschalzuschlagsregelung gegeben hätte, dann hätte sich das nicht nur auf die Sozialversicherungsbeiträge ausgewirkt, sondern auch auf die Grundsteuer und auf viele andere Abgaben, die vom Einheitswert abhängen. Wir haben da eine gute Entscheidung getroffen, weil wir das bäuerliche Sozialversicherungssystem im Interesse der Bauern absichern müssen und das auch in Zukunft tun werden. Deshalb haben wir eine Grundlage erarbeitet, und wir werden auf dieser Grundlage unsere weitere Arbeit fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte. (Abg. Dr. Pumberger: Da bin ich neugierig, was Moser dazu sagt!)

17.24

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Beitragszahlerin der Sozialversicherung der Bauern einerseits und als Konsumentensprecherin der Grünen andererseits darf ich Sie, Herr Kollege Donabauer, auf einige Widersprüche und Irrtümer hinweisen.

Herr Kollege Donabauer, Sie brauchen nicht wild um sich "zu donnern", denn man braucht nur Kärntner Publikationen oder die "Landwirtschaft" oder andere Mitteilungen, Ringmitteilungen auch aus Ihrem Bereich zu lesen, dann kommt man auf den Kern der Wahrheit.

Kern Nummer eins, Herr Kollege Donabauer als Verwalter meiner Versicherungsbeiträge (Abg. Donabauer: Ein guter Verwalter hoffentlich!): Sie sind in der Zwickmühle. Als Obmann der Sozialversicherung der Bauern sind Sie gleichzeitig Obmann des Sozialausschusses der Präsidentenkonferenz. Sie sollten also einerseits danach trachten, Geld in Ihre Bauernkrankenkasse oder Sozialversicherungskasse zu bekommen, und andererseits sollten Sie die Interessen der Betroffenen vertreten. Das ist ein Konflikt, der darin mündet, dass Sie, statt ein Reformmodell zu erarbeiten, die Beiträge massiv erhöhen, und zwar in einem Ausmaß erhöhen, das in keinem Bereich der Wirtschaft üblich ist. Denken Sie einmal nach! 6,85 Prozent des Umsatzes inklusive der Mehrwertsteuer, wenn die Schwelle von 3 700 € überschritten wird, sind zu bezahlen. Das ist ja extrem wirtschaftsfeindlich! Das bestraft die Tüchtigen. Das bestraft die Fleißigen. Das be


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straft den kleinen Mann, meine Damen und Herren! Das haben Sie im Parlament beschlossen. Das ist wirklich extrem. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Kollege Donabauer, der richtige Weg würde lauten: eine gemeinsame Sozialversicherung für die Bauern und die Gewerbetreibenden, eine gemeinsame Versicherung, bei der das Versicherungsrisiko gleichmäßig verteilt ist. Eine kleine Kassa, so wie die Ihre, eine kleine Sozialversicherung kann in massive Nöte kommen, wenn die Zahl der Beitragszahler ständig abnimmt. Ich verstehe zwar die eine Position, aber Ihre Lösung verstehe ich überhaupt nicht, vor allem auch deshalb nicht, weil Ihr Kollege aus Kärnten, der sehr geehrte ehemalige Nationalratsabgeordnete Georg Wurmitzer, auch in dieser Zeitung – das ist die Ringmitteilung des bäuerlichen Heimwerkes Gurk, Kärnten – auf Seite 6 mitteilt, dass diese bauernfeindliche Regelung sofort aufgehoben werden müsse. – Das ist eine Forderung eines Ihrer Landesparteiobmänner. Bitte, tun wir es doch, wir sind die Ersten, die ihn unterstützen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Kollege Gaugg, die Erhöhung der Einheitswerte im Bereich der bäuerlichen Erwerbstätigen haben wir immer abgelehnt. Das ist also völlig falsch, wenn Sie uns das unterjubeln. Auf der anderen Seite darf ich noch daran erinnern, dass Herr Ökonomierat Rudolf Schwarzböck, Präsident der Niederösterreichischen Landeslandwirtschaftskammer Folgendes verlauten ließ: Liebe Bäuerinnen und Bauern! Eine wesentliche Änderung hinsichtlich der Beitragspflicht zur bäuerlichen Sozialversicherung hat die 25. Novelle zum BSVG gebracht, die im November im Nationalrat einstimmig beschlossen wurde und am 1. Jänner 2002 in Kraft getreten ist.

Das ist Bauernfängerei, das stimmt überhaupt nicht. Weisen Sie ihn zurecht! Das sind unserer Meinung nach unlautere Mittel. Lauter ist eine Politik, die die aktiven KleinbäuerInnen, MittelbäuerInnen und von mir aus auch GroßbäuerInnen in ihrer Direktvermarktung unterstützt. Und damit komme ich auf meine zweite Rolle, auf meine Rolle als Konsumentensprecherin zu reden.

Wir wollen Direktvermarktungsprodukte, in die Vertrauen gesetzt wird. Da haben wir den direkten Zugang zum Produzenten. Da wissen wir, dass mit Zuneigung, Liebe und Sorgfalt gearbeitet wird und Lebensmittel produziert werden, und das wollen wir zu einem Preis haben, von dem sehr wohl die Landwirtschaft vor Ort überleben kann. Wir wollen nicht, dass von der eigenen Sozialversicherung 6,85 Prozent vom Umsatz zusätzlich weggenommen werden.

Ich darf Ihnen zum Schluss noch ein Beispiel vorrechnen. Ein 5-Hektar-Betrieb zahlt jährlich Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von 22 000 S, das sind 1 599 €. Wenn jetzt dieser Betrieb (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen) – bitte, das ist mein Schlusssatz – mit Mutterkuhhaltung einen Umsatz in der Höhe von 150 000 S pro Jahr, also 10 900 €, macht, dann muss man von diesem Umsatz inklusive Mehrwertsteuer 6,84 Prozent zahlen. Das sind unterm Strich ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete, den Schlusssatz bitte!

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): ... 10 260 S. Weg damit! – Zur Fristsetzung: ja. (Beifall bei den Grünen.)

17.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 626/A (E) betreffend Änderung der Pflichtversicherung und des Bewertungsgesetzes für bäuerliche Nebentätigkeiten und Direktvermarktung eine Frist bis 16. April 2002 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt . (Abg. Gradwohl: Kollege Hornegger! Was ist mit Mut? – Abg. Ing. Westenthaler: Wo sind Cap und Gusenbauer?)


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Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme nunmehr die Verhandlungen über den 2. Punkt der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Ich hätte eine tatsächliche Berichtigung gehabt!) – Wir sind nun bei Punkt 2 der Tagesordnung. Ich habe die Verhandlung wieder aufgenommen. Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter, wenn Sie das wünschen.

17.31

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Nach diesem heißen Eisen betreffend die bäuerliche Sozialversicherung, was ein wichtiges Thema ist, Herr Bundesminister, und auch sicher in Ihrem Interesse liegt – ich weiß nicht, ob Sie der Diskussion hier im Hause gefolgt sind –, komme ich jetzt zu einem globalen Thema zurück, und zwar zu den Zielen, die wir im Bereich des Klimaschutzes in Österreich verfolgen.

Meine Damen und Herren! In der bisherigen Debatte – ich erinnere an Ihre Wortmeldung, Herr Bundesminister – sind einige sehr gute Vorschläge von Ihnen gekommen, die, so glaube ich, der Realisierung harren. Aber wir sollten nicht übersehen, dass Österreich im europäischen Vergleich diesbezüglich leider derzeit Schlusslicht beziehungsweise in der Gruppe derer ist, die in der Entwicklung nachhinken. Zwischen 1990 und 1999 wurde innerhalb der Europäischen Union eine Reduktion der klimaschutzrelevanten Treibhausgase um etwa 4 Prozent erreicht, während in Österreich in dieser Zeit ein Anstieg von 2,6 Prozent zu verzeichnen war.

Herr Bundesminister! Sie haben zwar ein Bündel von Maßnahmen vorgestellt, aber ich muss Sie schon darauf hinweisen, dass ein Indikator von Ihnen bisher gar nicht angesprochen wurde, der meines Erachtens aber ein zentraler Parameter ist, um die Weiterentwicklung in diesem Sektor beurteilen zu können, nämlich der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieaufkommen in Österreich. (Bundesminister Mag. Molterer: Europa Nummer eins!)

Wir sind in Europa Nummer eins, sagen Sie, weil wir traditionell ein Land sind, das – begünstigt durch die geographische und topographische Lage – sehr viel Wasserkraft, viel Holz und Biomasse hat, und daher haben wir traditionell einen hohen Anteil – er liegt zwischen 20 und 25 Prozent – an erneuerbarer Energie. Etwa in dieser Schwankungsbreite liegt der Anteil der erneuerbaren Energie. Aber er wurde in den letzten zehn, fünfzehn Jahren nicht nachhaltig gesteigert, Herr Bundesminister, und das sollte uns zu denken geben.

Ich versuche, Ihnen anhand von einigen Beispielen klarzumachen, warum das so ist. Ein ganz klares Problem ist, dass es immer noch in vielen Bundesländern in Österreich Förderungen für fossile Energieträger gibt. Herr Bundesminister! Sie wissen das! Es gibt Förderungen für Gasheizungen, für neue Ölheizungen. Das heißt, auf Landesebene wird sehr wohl auch ein Bereich gefördert, der eindeutig nicht den Kyoto-Zielen entspricht. Da wäre endlich einmal eine Flurbereinigung notwendig, damit Förderungen auf dem Energiesektor ausschließlich für erneuerbare Energie zur Verfügung gestellt werden.

Ich möchte noch kurz auf die letzte Zeitschrift des Biomasse-Verbandes verweisen. In dieser Zeitschrift wird ganz klar ein wichtiges Anliegen vorangestellt, nämlich das Thema ökologische Steuerreform. Meine Damen und Herren! Selbstverständlich wäre das ein Konzept, nämlich ein grünes Konzept, damit auch für den Klimaschutz endlich neue Bahnen eröffnet werden, eine neue Schiene gelegt wird, um eben Arbeit zu entlasten und fossile Energie entsprechend zu belasten. Auch der Verkehr würde hievon betroffen sein. – Herr Bundesminister! Sie kennen diese Forderungen. Ich warte seit langem auf Ihre Vorschläge dazu, die ich bisher aber vermisst habe.

Ein Sektor, der auch ein kleiner Beitrag dazu ist, nämlich der Sektor Biogaserzeugung, ist ein gutes Beispiel dafür, wie in Österreich Chancen vertan werden. Es werden Chancen vertan, weil es keine einheitlichen Regelungen gibt. Herr Bundesminister! Die Einspeistarife für Biogas


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strom betragen zwischen 4,72 Cent und 16 Cent pro Kilowattstunde. Das Verhältnis macht also 1 : 4 aus, je nach Bundesland und Tarifsituation. 1 : 4 beträgt der Unterschied zwischen billigstem und teuerstem Einspeistarif. Daran erkennen Sie auch, wie uneinheitlich die Situation ist. Ein einheitliches Energieeinspeisungsgesetz nach dem Vorbild Deutschlands wäre ein schlagkräftiges Instrument, um gerade die erneuerbare Energie in Österreich massiv zu fördern.

Ein anderes Beispiel: Auch bei der derzeitigen Besteuerung der fossilen Energieträger, Herr Bundesminister, sind wir Schlusslicht. Österreich ist da eindeutig Schlusslicht. Zum Beispiel werden in Österreich 1 000 Liter Heizöl mit 69 € besteuert, in den Niederlanden mit 139 €, in Schweden dreimal so hoch und in Dänemark viermal so hoch besteuert. All das sind Mitglieder der Europäischen Union, Sie können also nicht sagen, dass es da um eine mögliche Wettbewerbsverzerrung ginge.

Herr Bundesminister! Es gibt ein breites Bündel von Maßnahmen, von dem Sie nicht gesprochen haben. Ich würde mir erwarten, dass auch in Ihrem Bereich, zum Beispiel im Bereich der erneuerbaren Energie, massive Neuimpulse zu spüren sind. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

17.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Runterlesen vom Papier! – Abg. Heinzl  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Dann passen Sie gut auf! Ihnen muss man es eh dreimal vorlesen, damit Sie es verstehen, Herr Westenthaler! – Abg. Ing. Westenthaler: Lesen aus dem Evangelium!)

17.36

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Bereits im März 1985, also genau vor 17 Jahren, wurde in Villach die erste Klimakonferenz abgehalten, deren Höhepunkt die Unterzeichnung des Wiener Übereinkommens (Abg. Ing. Westenthaler: "Meine sehr geehrten Damen und Herren!" hat er sogar am Zettel! "Hohes Haus!" aber auch!) zum Schutz der Ozonschicht war und im Rahmen der auch der Boden für die Klimarahmen-Konvention der Vereinten Nationen aufbereitet wurde. 1992 in Rio de Janeiro ist der Vertrag dann unterzeichnet worden.

Damals wurden die wichtigen Grundsteine für den internationalen Klimaschutz gelegt, der mit dem Protokoll von Kyoto das erste Mal einen international verbindlichen Rahmen erhalten hat, das nun zur Ratifizierung diesem Plenum vorliegt.

Es ist nun zehn Jahre seit Rio de Janeiro her, dass eine internationale Übereinkunft erzielt wurde, wonach die Industriestaaten bis zum Jahr 2000 ihre Treibhausgas-Immissionen auf dem Niveau von 1990 stabilisiert haben sollten.

Als Mitte der neunziger Jahre dann bekannt und ruchbar wurde, dass praktisch alle Industriestaaten mit Ausnahme der vom wirtschaftlichen Zusammenbruch betroffenen Reformstaaten dieses Ziel verfehlen werden, waren es vor allem die Vereinigten Staaten unter Präsident Clinton und Vizepräsident Gore, die in Kyoto auf die Verabschiedung einer völkerrechtlich verbindlichen Übereinkunft der Immissionsreduktion von Treibhausgasen drängten.

Wirtschaftliche Analysen deuten mittlerweile darauf hin, dass die Umsetzung des Protokolls die Vereinigten Staaten am meisten kosten wird. Diese Analysen zeigen aber auch, dass eine Nichtumsetzung des Protokolls auf wirtschaftlicher Ebene vor allem die Europäische Union treffen würde. Was es in Österreich etwa bedeuten würde, sehr geehrte Damen und Herren, wenn beispielsweise der Wintertourismus auf Grund von Schneemangel Schaden erleiden würde, brauche ich hier wohl nicht extra zu erwähnen.

Von österreichischer Seite nahm der damalige Umweltminister Bartenstein 1997 in Japan teil, und er hatte sich die Ziele sehr hoch gesteckt. Österreich sollte eine 20- bis 25-prozentige Reduktion der Treibhausgasimmissionen in Kyoto zusagen, die Aufpasser der Industriellenver


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einigung sorgten aber dann dafür, dass Österreich nur 8 Prozent gemäß Kyoto-Protokoll und 13 Prozent gemäß interner Vereinbarung der EU reduzieren muss.

Sehr geehrte Damen und Herren! Bis vor zwei Jahren war die Bundesregierung dieses Landes tatsächlich noch dabei, gemeinsam mit den Ländern Maßnahmenpläne zu erstellen und vor allem diese Maßnahmenpläne auch zu finanzieren. Wo stehen wir heute? – Anstelle der jährlich zumindest notwendigen 1,25 Milliarden Schilling als Anreizförderung steht nur ein Bruchteil dieser Summe zur Verfügung. (Bundesminister Mag. Molterer: Mehr als je zuvor!)

Herr Minister! Im Raumwärmebereich, wo die größten Einsparungspotenziale vorhanden wären, könnte etwa ein Drittel der notwendigen Reduktionen verwirklicht werden. Ein ordentliches Althaus-Sanierungsprogramm zum Beispiel könnte darüber hinaus auch wichtige Impulse für die vom Nulldefizit wirklich nicht verwöhnte mittelständische Wirtschaft setzen. Aber die Mittel des Bundes werden nicht aufgestockt, sondern nur umgeschichtet, und von den Ländern wird erwartet, dass sie die notwendigen Gelder aufbringen.

Der zweite wesentliche Sektor, der über Erfolg oder Misserfolg bei der Umsetzung des Protokolls entscheidet, ist der Verkehr. Laut Kyoto-Optionenanalyse soll dieser Sektor knapp ein Viertel der notwendigen Einsparungen beitragen. Gleichzeitig wird von Verkehrsexperten aber prognostiziert, dass die Personen- und Güterbeförderungsleistung bis zum Jahr 2010 nicht sinken, sondern wesentlich ansteigen wird. Es wird hier von einem Anstieg im Ausmaß von 35 Prozent gesprochen.

Deshalb, sehr geehrte Damen und Herren, ist nur mit einer massiven Verlagerung des Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene und mit dem verstärkten Ausbau des öffentlichen Verkehrs zwischen den Städten und in den Städten die Vorgabe des Kyoto-Protokolls zu schaffen.

Herr Minister! Ich möchte Ihnen auch Recht geben bezüglich Ihrer Aussage im Umweltausschuss, wo Sie gemeint haben, dass das Kyoto-Protokoll ein Thema nicht nur im Umweltausschuss, sondern auch im Verkehrsausschuss sein sollte. Damit haben Sie vollkommen Recht. Ich meine, auch der Verkehrsausschuss sollte sich bald mit dem Kyoto-Protokoll befassen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Viele Maßnahmen werden in Österreich notwendig sein, um die völkerrechtlichen Verpflichtungen, die wir in Kürze mit der Ratifizierung dieses Protokolls eingehen werden, zu erbringen. Der Verkehr ist nur ein Beispiel, wenn auch ein wichtiges. Es fehlt aber momentan an allen Ecken und Enden, weil diese Bundesregierung in den letzten zwei Jahren viel verabsäumt und nur die Erreichung des Nulldefizits im Kopf gehabt hat. In der Klimapolitik, Herr Westenthaler als Klubobmann einer Regierungspartei, haben Sie die Null schon erreicht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Gut gelesen! Der Leser des Hauses ist das!)

17.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hornegger. – Bitte.

17.42

Abgeordneter Franz Hornegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Schutz des globalen Klimas ist eine der größten Herausforderungen, denen sich die nationale und internationale Umweltpolitik zu stellen hat. Es ist erfreulich, dass Kyoto jetzt in Österreich umgesetzt wurde. Österreich war der dritte Staat, der dies umgesetzt hat. (Abg. Dr. Glawischnig: Das stimmt nicht! Der 51. Staat!) Damit ist jetzt auch die formelle Grundlage legistisch vorhanden.

Österreich hat sich in Kyoto ziemlich weit hinausgelehnt – ich denke nur an die 13-prozentige Reduktion –, aber es ist erfreulich, dass nun klimarelevante Schwerpunkte gesetzt und sichergestellt werden. Wir sollten die gesamte österreichische Wirtschaftsförderung auch an den Kyoto-Zielen orientieren.


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Frau Glawischnig, die Sie Ihre Zwischenrufe nicht zurückhalten können, einige Sätze zu Ihrem Antrag! (Abg. Dr. Glawischnig: Sie haben nur etwas Falsches gesagt!) Wir, die Regierungsparteien, machen es uns nicht so einfach und verlangen: Straße weg – Schiene her! Wir bauen beides aus, denn es kann nicht im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher sein, dass man nur mehr auf der Straße "dahinstaut". Wir müssen beide Bereiche ausbauen und damit verbessern. Darum können wir auch Ihrem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig: ... die Schiene, das haben Sie ja selber beschlossen!)

Ich komme noch ganz kurz zur Biomasse. Bei der Biomasse sind wir Vorbild in Europa. Positive Effekte sind schon zu sehen, und wir werden weiterhin diese positiven Punkte umsetzen. Diesen Weg, Herr Minister, sollten wir weitergehen, die Förderung der erneuerbaren Energie noch weiter ausbauen und damit Vorbild für Europa sein. Für uns in der Landwirtschaft ist es von großem Vorteil, wenn wir bei der Bio- und Fernwärme Schwerpunkte in der Förderung setzen. Wenn wir imstande sind, bei der Abfallwirtschaft zum Beispiel, wo wir ja auch in der Deponieverordnung neue Maßstäbe gesetzt haben, bei der betrieblichen Umweltförderung, bei der LKW-Maut, beim ElWOG unsere Vorhaben zu verwirklichen, bin ich guter Dinge, dass wir unserem hoch gesteckten Kyoto-Ziel, bis 2008 oder 2012 die Treibhausgase um 13 Prozent abzusenken, etwas näher kommen oder es sogar erreichen werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lentsch. – Bitte.

17.45

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! An sich ist die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls eine äußerst positive Sache, und die Vier-Parteien-Einigung ist natürlich genauso erfreulich. Aber die letzten verfügbaren Daten zur Luftqualität in Österreich zeigen uns auch sehr klar und sehr deutlich: Die Treibhausgase in der Luft werden trotz Kyoto nicht weniger, sondern leider Gottes immer mehr.

Wenn wir uns die Ursachen dieser Luftverschmutzung ansehen, sehen wir natürlich auch sehr deutlich die politische Verantwortung, die dahinter steckt. Die Hauptursache Nummer 1 – und das wurde heute schon des Öfteren angesprochen – ist der Verkehr, der Schwerverkehr beziehungsweise die Zunahme des Verkehrs. Man sagt, zu viele Menschen fahren mit dem privaten Auto, besser wäre es, auf Bahn und Bus umzusteigen. So weit, so gut. Diese Forderung ist an sich natürlich auch richtig, nur der Haken daran ist, weder Bus noch Bahn entsprechen den Standards des 21. Jahrhunderts. Pünktliche Züge sind nicht immer der Fall; zahlreiche burgenländische Pendler, die sich bei mir – und sicherlich auch bei meinen Kollegen – deswegen schon beschwert haben, können ein Lied davon singen und Ihnen das bestätigen.

Die Gründe dafür kennen wir natürlich alle: Der öffentliche Verkehr war jahrzehntelang die Spielwiese der SPÖ, war jahrzehntelang die Spielwiese der Sozialistischen Partei. Hier wurde völlig an den Bedürfnissen der Kunden vorbeigewirtschaftet, und heute, wo die Österreicherinnen und Österreicher bereit wären, auf die so genannten Öffis umzusteigen, sind die Post und die Bahn in Wahrheit am Ende. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Haben wir die Nebenbahnen geschlossen? Sie waren das!)

Geschätzte Damen und Herren! Das Beispiel Nummer 2 ist die Energiegewinnung. Wir haben das Glück, in Österreich sehr viel Wasser beziehungsweise sehr viele Berge zu haben. Das sind natürlich die idealen Voraussetzungen für eine saubere Wasserkraft. Es ist aber in Österreich kaum möglich, einen Strommasten aufzustellen, um eben diese Wasserkraft von den Bergen in die Ballungszentren zu bekommen. Mit Schaudern denke ich an die Gräuel-Propaganda zurück, als im Burgenland eine 380-kV-Leitung gebaut wurde.

Geschätzte Damen und Herren, insbesondere von der grünen Fraktion, Sie werden sich schon entscheiden müssen, ob Sie einen sauberen Strom, saubere Luft oder eine Bilderbuch-Landschaft haben wollen.


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Der dritte Weg wäre, den Leuten den Strom gänzlich abzudrehen oder die Energie so teuer zu machen – wie Sie das ja schon vor geraumer Zeit angedacht haben –, dass sie sich niemand mehr leisten kann. Wenn Sie das vorhaben, geschätzte Damen und Herren von der grünen Fraktion, dann sollten Sie das den Leuten auch sagen, denn alles andere ist unseriös und bringt der Umwelt absolut nichts. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. – Bitte.

17.49

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf die Debatte zum 1. Tagesordnungspunkt zurückkommen, wo versucht wurde, darzustellen, wie sehr man bereit war, zuzugeben, dass die Frage des Atomstroms in der Vergangenheit unterschiedlich gesehen wurde, dass es in allen Parteien Gegner und Befürworter gab und sich seit 1986 das Pendel sehr deutlich zu den Gegnern verschoben hat, weil die Ereignisse dergestalt waren, dass alle hier eine Neubewertung vorgenommen haben.

Ich sage das deshalb, weil es wichtig ist, diese Glaubwürdigkeit hier noch einmal in Erinnerung zu rufen.

Die Frage ist aber nach dem, was heute geboten wurde, ob sich diese Glaubwürdigkeit verbessert hat. Wir diskutieren ein Kyoto-Ziel, das wir gemeinsam mit anderen Staaten erreichen wollen, nämlich eine Reduktion um rund 13 Prozent, die uns im Rahmen der EU zugeordnet worden ist. Wir diskutieren die Maßnahmen im Bereich erneuerbarer Energie, die ungemein wichtig sind. Wir diskutieren aber zum Beispiel gar nicht Beteiligungsstrategien von Landesgesellschaften, die genau in diese Atomlobby hineingehen, wie zum Beispiel die Steiermark mit der EdF oder die KELAG mit der RWE. Wir diskutieren überhaupt nicht die Ressource Wasser in Österreich als eine der wichtigsten Ressourcen im Hinblick auf die Erfüllung des Kyoto-Zieles. Und wir diskutieren nicht den E.ON-Deal, der derzeit sehr aktuell ist und bei dem es so aussieht, dass die Verfügbarkeit über das Wasser an einen Großkonzern, der Atomstromerzeuger ist, gehen soll. (Bundesminister Mag. Molterer: Nicht über Wasser!)

In Wirklichkeit geht es um Deckungen. Sehr geschätzter Herr Bundesminister! In Wirklichkeit geht es darum, dass diese Wasserkraftdeckung übergeht in eine andere Deckung. Dadurch entsteht eine Deckungslücke in Österreich, die dann unter Umständen ausgeglichen werden muss durch Importe von Atomstrom, sozusagen nach dem Motto: Wasserkraft raus, Atomstrom rein! Ich habe das schon sehr deutlich gesagt: Das ist doch keine Lösung, die wir wirklich verfolgen können!

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Daher meine ich: Wir haben hier tatsächlich mit zu berücksichtigen, es geht hier um Lösungen, die strategische Bedeutung haben, die sehr relevant für die umweltpolitischen Standards sind, die erfüllt werden sollen. Auch aus der Sicht, dass viele Staaten erfreulicherweise den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen haben, entsteht eine neue Bewertung dieses Vermögens Wasserkraft, nämlich ein ungemeiner Wertzuwachs. Es wurde angeführt, dass Österreich das Glück hat, rund 70 Prozent der elektrischen Energie aus dem Wasser zu gewinnen. Im Vergleich dazu beträgt dieser Wert in der EU unter 15 Prozent und in Deutschland etwa 5 Prozent.

Ich unterstütze den Ausstieg aus der Atomenergie wirklich aus voller Überzeugung, weil ich als Landesrat ein Erlebnis gehabt habe, das mich tief berührt hat: Wir haben Kinder aus Tschernobyl in das Landesjugendheim nach Hollabrunn eingeladen. Da habe ich die spielenden Kinder erlebt und die russische Ärztin, die sie begleitet hat, gefragt, wie der Gesundheitszustand dieser Kinder ist und wie ihre Zukunft aussehen wird. Die Antwort war, dass etwa die Hälfte dieser Kinder innerhalb des nächsten Jahres sterben wird. Jeder, der das erlebt hat, diese Fröhlichkeit auf der einen Seite, weil sie von ihrem Schicksal nichts gewusst haben, ihre Krankheit noch nicht gespürt haben, und die medizinische Prognose, dass sie in einem Jahr


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nicht mehr unter uns sein werden, auf der anderen Seite, wird davon überzeugt sein, dass der Ausstieg aus der Atomkraft eine Notwendigkeit ist.

Umso weniger verstehe ich, dass diese Strategie zum Beispiel nicht dazu führt, auch eine Diskussion darüber zu führen, wie man diese Energielücken, die in Europa gewaltig sein werden, überbrücken und gleichzeitig für eine wirklich aktive arbeitsmarktpolitische Offensive nützen kann. Die Prognosen bezüglich Beschäftigungswirksamkeit der Alternativenergien wurden bereits genannt: für Österreich sind es 25 000 bis 30 000, für Deutschland rund 200 000. Das heißt, es steckt ein gewaltiges Beschäftigungspotenzial in diesen Alternativenergien. Man muss, wenn man den Ausstieg diskutiert, auch den Einstieg in andere Energien diskutieren. Das bedeutet, dass man sehr viel mehr machen muss als bisher. Österreich ist kein Musterschüler, wie das immer dargestellt wird, sondern Österreich – das hat man ja in den letzten Jahren erlebt – hat einen Zuwachs bei den Treibhausgasen zu verzeichnen. Daher sind die 13 Prozent Reduzierung, die uns im Rahmen der Europäischen Union zugeordnet worden sind, in Wahrheit mehr, weil wir in den vergangenen Jahren einen Anstieg zu verzeichnen gehabt haben. Das heißt, die Reduktion muss in einem größeren Ausmaß passieren als um diese 13 Prozent.

Ich gehe davon aus, dass wir unsere Ziele, die wir uns gesetzt haben, und unsere Vorstellungen vom Beitrag zum Umweltschutz erfüllen werden – und nicht wahrscheinlich, wie ein Vorredner gesagt hat, sondern tatsächlich, im Interesse aller, die in der Europäischen Union ihren Beitrag leisten und auch darüber hinaus.

Ich möchte auch ansprechen, dass es neben der Europäischen Union mit ihrem Anteil von etwa 22 Prozent natürlich wichtig wäre, auch die Vereinigten Staaten, die mit 30 Prozent einen besonders großen Anteil ausmachen, dafür zu gewinnen, dass sie sich dieser Ratifizierung ebenfalls anschließen, genauso wie den anderen Länderblock mit zum Beispiel Russland und Australien, die rund 22 Prozent der Treibhausgase verursachen.

Ich glaube, dass dieser Weg des vernünftigen Ausstieges aus der Atomenergie, aber auch die Strategie für die Zukunft nur weltweit und gemeinsam verfolgt werden können. Daher kann es wirklich keine vernünftige Vorgangsweise sein, den anderen Staaten, den anderen Gruppen die Schuld zuzuweisen. Daran werden wir nicht gemessen werden. Wir werden nur an einem gemessen: ob wir unsere Ziele erfüllen und ob wir für die Zukunft den Beitrag leisten oder geleistet haben, den wir der Umwelt und uns selbst schuldig sind! – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Graf. Die Redezeit ist wunschgemäß auf 3 Minuten eingestellt. – Bitte.

17.57

Abgeordneter Ing. Herbert L. Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist ja sehr erfreulich, wirklich einmal ein historisches Dokument in der Hand zu haben. Wenn man die Geschichte zurückverfolgt, wie die Anfänge waren, dann sieht man, dass Österreich und auch Kärnten einen großen Anteil daran haben, und darauf können wir alle stolz sein. Insbesondere die Tatsache, dass sich jetzt alle Parteien zur Ratifizierung des Kyoto-Protokolls bekennen, ist ein wirklicher Durchbruch.

Fast täglich können wir in den Zeitungen von Naturkatastrophen lesen. Heute macht der "Kurier", glaube ich, auf der Titelseite mit den Überschwemmungen auf. Die durch die klimarelevanten Veränderungen verursachten Probleme, die wir haben, waren der Grund dafür, dass in einem sehr langwierigen Prozess einmal jene Gase definiert wurden, die zu diesen Problemen beitragen. Mir ist es insbesondere ein Anliegen – so wie auch meinen Vorrednern, wenn ich sie richtig verstanden habe –, die Kohlendioxidemissionen und daher auch die -immissionen der dort vorgelagerten Industrien begrenzen zu können, ebenso, dass Methan, Stickoxide, Fluorkohlenwasserstoffe und insbesondere auch die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, die nachgewiesenermaßen Krebs erregend sind, und die Schwefelhexafluoride begrenzt werden können.


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Wenn man sich ansieht, um welche Werte es sich handelt, dann sieht man, dass wir die Verpflichtung übernommen haben, eine Reduktion von 13 Prozent durchzuführen. Zum UNO-Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg, der Ende August/Anfang September stattfinden wird, wird unser Herr Umweltminister mit der Ratifikationsurkunde anreisen können. Ich glaube, dass das ein sehr großer Erfolg von uns allen ist, insbesondere deshalb, weil wir im Reigen der Länder als drittes Land nach Frankreich und Dänemark dieses Protokoll ratifizieren werden.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Optionenstudie der Kommunalkredit zu verweisen, die sich sehr große Mühe gemacht hat, jene Faktoren herauszuarbeiten, mit denen eine optimale Erreichung des Kyoto-Zieles erzielt werden kann. Insbesondere nach der Umstellung dieser Umweltförderbedingungen, die heute Morgen schon Gegenstand von Debatten waren, wird es möglich sein, in Zukunft Schwerpunkte zu setzen, um hier wirklich ein Optimum erzielen zu können.

Herr Bundesumweltminister! Wenn ich zurückdenke an die Ausschussberatungen, wo wir in mehreren Sessions wirklich Einigkeit erzielt haben, kann ich Ihnen und damit der gesamten Bundesregierung nur gratulieren, dass wir so weit sind. Ich freue mich besonders darüber. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Langreiter. – Bitte.

18.00

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Österreich ratifiziert als drittes oder als fünftes Land, wie auch immer, das Protokoll von Kyoto und erklärt damit diesem Protokoll die völkerrechtliche Verbindlichkeit. Damit hat die Bundesregierung natürlich auch ein entsprechendes Klimaschutzprogramm, eine Klimaschutzstrategie umzusetzen. Dieses Programm soll selbstverständlich in einem gewissen Zeitraum verwirklicht werden. Ich möchte anschließen an die Worte meines Kollegen Loos und sagen, dass dies ein Schritt einer weiteren aktiven Umweltschutzpolitik- und Klimaschutzoffensive ist. Neben der Bundesebene, der europäischen und internationalen Ebene ist es vor allen Dingen wichtig, dass die Bewusstseinsbildung auch auf kommunaler Ebene herbeigeführt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Viele ehrenamtlich tätige Österreicherinnen und Österreicher bemühen sich in ihren Gemeinden verstärkt um Klimaschutz; da wird Bewusstseinsbildung pur gemacht, wird gelebter Klimaschutz praktiziert, nämlich von unten nach oben.

Um das Klimabündnis zu erwähnen: Das Klimabündnis zwischen europäischen Gemeinden, Städten und Ländern und der Zusammenschluss indianischer Organisationen im Amazonas-Raum haben sich zum Ziel gesetzt, auch die Erdatmosphäre zu schützen. Die beigetretenen Gemeinden – das soll man auch einmal sagen – verpflichten sich zur Halbierung der Treibhausgasemissionen bis zum Jahre 2010. Sie verpflichten sich weiters zum Verzicht auf die Verwendung von Tropenholz und leisten damit nicht nur einen ideellen und materiellen Beitrag zur Unterstützung der indianischen Partner bei ihren Bemühungen um den Erhalt ihrer Lebensweise, sondern sie leisten auch einen Beitrag dazu, dass der für uns so wichtige Regenwald erhalten bleibt.

380 österreichische Gemeinden sind Mitglied dieses Klimabündnisses. Sie leisten, so wie Herr Bundesminister Molterer heute auch angeführt hat, Klimaschutzarbeit vor Ort, umfassend und auch vernetzt: in der Erarbeitung eines kommunalen Energiekonzeptes, in der Verringerung der CO2-Emissionen, im verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien, in der Vermeidung und Beruhigung des motorisierten Individualverkehrs, in der Förderung der Radwegekonzepte und in vielen anderen Bereichen mehr. Es gibt sogar Aktionen im Schulbereich wie Zeichen- und Aufsatzwettbewerbe, mit denen unsere Jugend für dieses so wichtige Thema stark emotionalisiert und sensibilisiert wird.


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Ich setze – und das ist mein politisches Credo – auch auf die föderalistische Kraft dieses Hauses und der Bundesregierung, dass den Ländern und den Gemeinden jedwede Unterstützung in dieser Sache zuteil wird. Dass die Ratifikation einstimmig in diesem Hause angenommen wird, ist doch auch ein Indiz dafür, dass man dieser Koalition gute Umweltpolitik zutraut und wir in den nächsten Jahren, zumindest für die späteren Generationen, wirklich ausgezeichneten Klimaschutz zustande bringen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. – Bitte.

18.03

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es sind von meinen Vorrednern einige Male die Worte "historischer Tag" gefallen. Ich kann das unterstreichen, es ist das wirklich ein historischer Tag, der aber natürlich auch eine Vorgeschichte hat. Und ganz kurz möchte ich auf diese Vorgeschichte, auf die Verhandlungen in Kyoto eingehen.

Kollege Heinzl hat ja bereits erwähnt, dass Bundesminister Bartenstein dort anwesend war. Man muss sich vorstellen: Es handelte sich in Kyoto um eine Verhandlung mit rund 10 000 Teilnehmern aus 160 Staaten. Die damalige österreichische Bundesregierung hat auch das Parlament eingebunden und vier Kolleginnen und Kollegen dieses Hohen Hauses die Möglichkeit gegeben, an dieser Kyoto-Konferenz teilzunehmen. Es waren dies: Monika Langthaler, Karlheinz Kopf, Karl Schweitzer und Werner Kummerer. Es war tatsächlich beeindruckend und eine Reise wert, einmal zu sehen, wie sich diese Staatengemeinschaft bemüht hat, einen nicht einfachen Kompromiss zustande zu bringen.

Die Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 1997 wird, glaube ich, jedem in Erinnerung bleiben. Ich möchte auch von diesem Pult aus dem damaligen Verhandlungsleiter, dem Argentinier Raoul Estrada, herzlich für seinen persönlichen Einsatz danken. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben gesehen, wie es in einer Gruppendynamik dann doch noch möglich war, zu einem Kompromiss zu kommen. Al Gore war angereist; amerikanische Senatoren haben die ganze Nacht durch verhandelt, auf dem Fußboden geschlafen, um kurze Ruhepausen zu bekommen – und schließlich wurde doch ein gemeinsamer Abschluss geschafft.

Klar muss uns sein – Sie, Herr Bundesminister, haben das auch angesprochen –: Wir sehen, dass die amerikanische Politik ziemlich namensabhängig ist, denn die Ära Clinton/Gore ist vorbei – und heute ist die Situation ganz anders. Das, meine Damen und Herren, sollte auch Eingang in unsere Überlegungen bezüglich NATO finden.

Der Erfolg von Kyoto beschränkte sich nicht nur auf die Verabschiedung des Protokolls, sondern es wurden auch Schlussstriche gesetzt. So zum Beispiel ist meiner Ansicht nach ein Schlussstrich unter die Debatte gesetzt worden, ob es tatsächlich eine globale Erwärmung gibt, ob es einen Klimawandel gibt oder nicht. Diese Diskussion ist zumindest auf politischer Ebene in Kyoto beendet und dieses Faktum außer Streit gestellt worden. In Kyoto ist auch sehr massives Lobbying von allen kernkrafterzeugenden Firmen betrieben worden – aber auch das hat in Kyoto sein Ende gefunden.

Der Weg nach Kyoto war auch für Österreich, für die Europäische Union nicht so leicht und nicht so einfach. Wir sind mit akkordierten 25 Prozent fortgefahren und sind mit 13 Prozent nach Hause gekommen; ich weiß, dass das nicht direkt vergleichbar ist. Die 25 Prozent waren akkordiert, und ich bin davon überzeugt, dass Österreich mit seiner Technologie und seinem Willen in der Lage ist, 13 Prozent zu erreichen.

So gut wie alle Vorredner haben die Problemkreise angesprochen. Meiner Ansicht nach geht es nicht nur um den Verkehr; das ist der sekundäre Bereich. Die primäre Frage ist der Flottenverbrauch. Wir müssen den Flottenverbrauch senken, um die CO2-Emissionen zu reduzieren. Ich


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denke in diesem Zusammenhang an die Vision von Franz Vranitzky mit dem Drei-Liter-Auto. Er wurde damals belächelt – heute ist es technische Realität.

Auch die Energiefragen sind eine technische Frage: Es geht um eine optimale Ausnutzung des Wirkungsgrades, um eine Steigerung des Wirkungsgrades, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Und, Herr Bundesminister, auch die Landwirtschaft – nicht nur lokal, sondern auch global ein gewaltiger Player – wird da ihren Anteil leisten müssen.

Meine Damen und Herren! Die Zeit nach Kyoto läuft, viele Verhandlungen haben stattgefunden. Die Spielregeln sind heute klar, und wir sind gerne bereit, dazu beizutragen, diese Spielregeln auch umzusetzen, um die Klimasituation wenn schon nicht zu verbessern, so doch zu stabilisieren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.08


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages samt 987 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Ausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass die arabischen, chinesischen, französischen, russischen und spanischen Sprachfassungen dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend österreichische Klimaschutzoffensive nach der Ratifikation des Kyoto-Protokolls.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

3. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 625/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Ing. Gerhard Fallent, Mag. Ulrike Sima, Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Position Österreichs bei den zukünftigen Vertragsstaatenkonferenzen des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfanges sowie über den

Entschließungsantrag 588/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Position Österreichs bei den zukünftigen Vertragsstaatenkonferenzen des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfanges (1061 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Pfeffer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.11

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorausschicken möchte ich, dass es mich freut, dass es auch bei diesem Thema zu einem Vier-Parteien-Antrag gekommen ist.

Worum geht es? – Durch die exzessive Waljagd sind fast alle noch vorhandenen Walarten vom Aussterben bedroht. Seit 1986 besteht ein Moratorium für den kommerziellen Walfang. Lediglich Grönland und Russland wurden Quoten zugeteilt. Dieses vertraglich vereinbarte weltweite Walfangverbot untersagt die Jagd auf alle Großwalarten einschließlich des Zwergwales. Trotzdem wurden nach offiziellen Angaben seither über 14 000 Wale getötet.

Die Walfänger aus zwei hoch industrialisierten Mitgliedsländern der IWC töten weiterhin Wale zum menschlichen Verzehr: Sowohl in Norwegen als auch in Japan wird Walfleisch als teure Delikatesse verkauft. Bedenklich ist aber auch, dass Japan im Rahmen einer Ausnahmeregelung unter dem Vorwand der Wissenschaft Wale sogar im antarktischen Schutzgebiet tötet und dies dann zu einer wissenschaftlichen Methode erklärt.

Meine Damen und Herren! Wale sind die größten Säugetiere der Erde. Die Menschen sind verantwortlich dafür, dass Wale vom Aussterben bedroht sind. Jahrhundertelang war der Walfang ein riesiges Geschäft, und erst Mitte der siebziger Jahre regte sich Widerstand gegen die gedankenlose Plünderung der Meere. Wichtig muss uns daher der Schutz der biologischen Vielfalt, die Aufrechterhaltung des ökologischen Prozesses und der lebenserhaltenden Systeme sein. Die Artenvielfalt bietet ein unschätzbares genetisches Reservoir, welches für den medizinischen, biologischen, landwirtschaftlichen und wissenschaftlichen Fortschritt unverzichtbar ist. Gerade in diesem Bereich zeigt sich die Notwendigkeit, stets in Sorge um die Natur zu leben, denn durch das Aussterben bereits einer einzigen Art kann eine Lücke im Gesamtgefüge der Natur entstehen, deren Folgen für das ökologische Gleichgewicht unüberschaubar sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Natur ist bedroht; das zeigt sich in dramatischer Weise gerade an der Entwicklung der biologischen Vielfalt. Daher müssen die Länder gemeinsam bei der von 20. bis 24. Mai 2002 stattfindenden 54. Jahrestagung der Internationalen Walfangkommission ihr Veto einlegen.

Wir werden diesem Antrag unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

18.14

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wer mehr als seine Aufgabe erfüllt, macht eine Fleißaufgabe, und zu einer solchen haben wir uns in diesem Antrag zusammengefunden. Wir stärken und unterstützen den Schutz der Wale beziehungsweise Österreichs diesbezügliche vorbildhafte Funktion.

In einem Gespräch mit dem wissenschaftlichen Berater Dr. Stachowitsch konnte ich mich überzeugen, dass wir in Japan bei der Walschutzkonferenz im Mai bestens vertreten sein werden. Dort wird, gestärkt durch den heutigen Beschluss, heftiger Widerstand geleistet werden gegen den Versuch Japans und Norwegens, das Walfang-Moratorium von 1986 aufzuweichen und den kommerziellen Handel mit Fleisch, insbesondere des Zwerg- und Grauwales, wieder zuzulassen.


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Man wird sich aber nicht nur um die Verhinderung des Fangs aller Walarten und Delphine kümmern, sondern auch die diversen anthropogenen Bedrohungen der Meeressäuger ansprechen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Beifang mit Stellnetzen zu erwähnen, aber auch die chemische Verunreinigung unserer Meere samt der mit der Schifffahrt verbundenen Einschränkung der Lebensräume.

Es gibt aber auch eine neue Bedrohung auf diesem Sektor: Die unerklärbaren Strandungen von Walen und Delphinen, die erst vor kurzer Zeit an Frankreichs Küsten wieder großes Aufsehen erregten, haben eine Begründung darin gefunden, dass militärische Sonartests Lärmerzeugung im Meer verursachen, die zu einer Orientierungsstörung der Meeressäuger führen.

Österreich wird sich federführend in einem Zustandsbericht für die Walkampfkommission im Schoße der so genannten light-minded nations Neuseeland, England, USA, Italien et cetera einbringen.

Ich will aber die Debatte zur Fischbiologie auch kurz dazu nützen, Herr Bundesminister, auf einige Punkte der heimischen fischökologischen Szene, die unerledigt sind, aufmerksam zu machen. Es fehlen Fischaufstiegshilfen bei 96 Prozent der Flusskraftwerksanlagen, Aufstiegsbarrieren für Laichfische bei den Zubringern, es fehlen Maßnahmen gegen die explosionsartige Vermehrung von Fisch fressenden Vögeln, Kormoranen etwa, die keine natürlichen Feinde haben, und schließlich der Besatz mit nicht-autochthonen, also nicht-heimischen Fischarten in unseren Gewässern. Ich darf Sie bitten, auch darauf Ihr Augenmerk zu lenken. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

18.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte.

18.18

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Kollege Udo Grollitsch hat offensichtlich die gleiche Internetseite verwendet wie ich (Heiterkeit), aber unter Fischerkollegen kann man sich ja austauschen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um den Schutz der Wale, es geht um den Schutz der Kreaturen, und es geht darum, dass sich kultivierte Industriestaaten auf Spielregeln einigen, um den Schutz der Natur und dieser Kreaturen eben zu gewährleisten.

Wieso ist das notwendig geworden? – Notwendig geworden ist das deshalb, weil die Jäger mit immer moderneren und immer besseren Mitteln unterwegs sind. Sie fangen Wale mit Satellitenunterstützung – das ist bekannt –, ebenso werden Wale mit Treibnetzen gefangen, was aus meiner Sicht eine besonders fragwürdige Methode ist, weil damit nicht nur jene Fische gefangen werden, die man zu fangen beabsichtigt, sondern eine Unmenge anderer, die in Wirklichkeit dann dem Tod preisgegeben sind. Auch Radar und Funk werden zum Fang eingesetzt, und die Kreatur hat keine Chance.

Man hat sich auf dieser Internationalen Konferenz, nämlich dem Walfang-Komitee, darauf geeinigt, den Walfang generell zu verbieten, aber Japan hält sich nicht daran und sagt, es betreibe Walfang "zu wissenschaftlichen Zwecken" – aber Walfleisch wird sündteuer verkauft!

Meine Damen und Herren! Japan beeinflusst, ja besticht noch dazu andere arme Länder, in etwa zu einem Gegenwert von 320 Millionen US-Dollar, damit sie sich bei dieser Konferenz so verhalten, wie Japan das wünscht. Das sollte man hier im Hause einmal sehr deutlich sagen, dass das nicht die Vorgangsweise ist, die wir uns wünschen, und ich hoffe, dass unsere Vertreter bei dieser Konferenz das auch entsprechend vorbringen und zu Papier bringen werden.

Meine Damen und Herren! Wir würden uns wünschen, dass die Erlaubnis für den Walfang zu so genannten wissenschaftlichen Zwecken überhaupt fallen würde.


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Wir würden uns wünschen, dass diese 100 Zwergwale, die jährlich von norwegischen Schiffen gefangen werden, weiterleben dürften, und wir würden uns wünschen, dass die Wale, die nicht weidgerecht und auch nicht so, wie es sich der Fischer wünscht, gefangen werden, in Frieden leben könnten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Gradwohl. )

Meine Damen und Herren! Besonders verwerflich ist es, wenn speziell weibliche trächtige Tiere gefangen werden. Die Quote wird zwar nicht überschritten, aber damit man den Profit steigern kann, fängt man weibliche trächtige Tiere, um relativ viel Fleisch zu erhalten.

Meine Damen und Herren! Ich würde mir wünschen, dass man auf dieser Internationalen Konferenz neue Spielregeln festsetzt und auch nach deren Einhaltung trachtet. Ich würde mir wünschen, dass diese Punkte, die wir uns heute zur Aufgabe machen, bei dieser Konferenz durchgesetzt und auch eingehalten werden. Ich würde mir weitere Walschutzgebiete wünschen, und ich würde mir wünschen, dass man endlich damit beginnt, die Bestände der Wale zu erheben. Wir wissen nicht, wie groß tatsächlich der Bestand der verschiedenen Walarten ist.

Schlussendlich würde ich mir einen noch besseren Schutz und vor allem ein transparentes Abstimmungsverhalten bei dieser Konferenz wünschen, damit klar ist, aus welchen Motiven welche Länder für welches Verhalten stimmen.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, möchte ich sagen, bin ich froh, dass sich alle vier Fraktionen hier im Hause zu einem Antrag durchgerungen haben, der einen Gewinner hervorbringt, nämlich die Natur und seine Kreaturen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Gradwohl. )

18.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

18.22

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Vorredner hat vollkommen Recht: Es ist gut, dass es einen Vier-Parteien-Antrag gibt. Ich bin nur mit dem Inhalt noch nicht ganz zufrieden. Bevor ich aber darauf zu sprechen komme, muss ich noch etwas Formales verbessern, weil sich der Fehlerteufel eingeschlichen hat; wir haben nämlich ein Wort ausgelassen. Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Karlheinz Kopf, Ing. Gerhard Fallent, Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 625/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Ing. Gerhard Fallent, Mag. Ulrike Sima, Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Position Österreichs bei den zukünftigen Vertragsstaatenkonferenzen des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfanges in der Fassung des Ausschussberichtes 1061 der Beilagen wird wie folgt geändert:

In Z. 8 soll der dritte Absatz lauten:

"sich nachdrücklich für die Beibehaltung des Verbotes des internationalen Handels mit Walfleisch und anderen Walprodukten einzusetzen und diese Position bei der nächsten Vertragsstaatenkonferenz zum Washingtoner Artenschutzabkommen (WA/CITES, im November 2002 in Chile) zu vertreten für den Fall, dass diese Thematik auf die Tagesordnung gesetzt wird."

*****


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Jetzt zum Inhaltlichen. Es gibt seit 1986 dieses Walfang-Moratorium. Wir haben bereits gehört, dass Japan dieses umgeht und unter dem Deckmantel des "wissenschaftlichen Zweckes" Wale weiterhin verfolgt, tötet und vermarktet. Bei der Konferenz, die im Mai dieses Jahres in Japan stattfinden wird, könnte es unter Umständen so weit kommen, dass die Methode des Stimmenkaufes von Japan dazu führt, dass dieses Moratorium aufgelöst wird, dass dieses Moratorium, das es seit 1986 gibt, fällt. Das wäre eine absolute Katastrophe und eine internationale Peinlichkeit ohnegleichen, ein echtes Desaster, wenn zehn Jahre nach Rio, im Jahr der Nachhaltigkeit, im Jahr des Artenschutzes, im Jahr des Klimaschutzes eine derartige Entscheidung wieder rückgängig gemacht würde, sodass man diese vom Aussterben bedrohten Tierarten wieder verfolgen kann.

Ich glaube, dass das, was wir in den Antrag hineingearbeitet haben, zwar gut, aber nicht ausreichend ist. Die Methode, die Japan anwendet, nämlich die Verknüpfung von Förderungen für Länder in der Karibik, aber auch in Afrika mit einem bestimmten Stimmverhalten, ist nicht nur etwas, was man diplomatisch einmal ansprechen kann, sondern auch etwas, was auch international geächtet wird. Sie haben heute sicher alle den Brief von Greenpeace erhalten, in dem noch einmal sehr schön ausgeführt ist, dass es nach der OECD-Antikorruptionskonvention ein krimineller Akt ist, wenn eine Person Bestechungsgelder an einen fremden Regierungsvertreter bezahlt, um Vorteile bei der Abwicklung von internationalen Beziehungen zu erhalten. Das widerspricht auch der UN-Charta von 1970.

Ich glaube daher, dass es nicht angebracht ist, zur Problematik des Stimmenkaufes diplomatisch höflich zu schweigen. Ich glaube, dass es notwendig ist, ganz klar in diesen Antrag hineinzuschreiben, dass wir die Methode von Japan massiv verurteilen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Im Umweltausschuss haben wir eine Diskussion darüber geführt, und der Umweltminister hat gemeint, das sei dieses Jahr besonders heikel, weil die Konferenz in Japan stattfindet. Es sei problematisch – Gesichtsverlust seitens der Japaner et cetera –, und man müsse sich da rücksichtsvoller und sensibler verhalten. Ich glaube aber, dass es bei solch schwerwiegenden Verstößen, bei dem begründeten Verdacht, dass tatsächlich gegen internationale Regeln verstoßen wird, nicht angebracht ist, so höflich zu sein. Ich denke, dass auch andere Länder das so sehen, denn mittlerweile hat sich auch die schwedische Außenministerin vor ein paar Wochen öffentlich ganz offensiv dazu geäußert, dass sie den Stimmenkauf von Seiten Japans massiv verurteilt.

Eine Bitte beziehungsweise ein Angebot: Wenn es für Sie nicht möglich ist, das in diesen Antrag noch hineinzuformulieren, dann würde ich bitten, dass es noch vor dieser Konferenz eine Aussage von unserer Außenministerin oder vom Umweltminister oder vom Bundeskanzler gibt, mit der Japan und der ganzen Weltöffentlichkeit noch einmal klargemacht wird, dass diese Methode verachtens - und verurteilenswert ist.

Ich will mir gar nicht vorstellen, was es bedeuten würde – denken Sie an diese schrecklichen Bilder, die Sie alle kennen –, wenn dieses Moratorium, das den kommerziellen Walfang untersagt, wieder aufgehoben wird und wir vorher nicht alles versucht haben, das zu verhindern. Eine scharfe Verurteilung, um noch einmal klarzumachen, was da wirklich passiert, wäre von österreichischer Seite extrem notwendig, angebracht, und wir sollten auch den politischen Mut dazu aufbringen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von der SPÖ und den Freiheitlichen.)

18.27

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kopf, Ing. Fallent, Mag. Sima, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

18.27

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Österreich hat sich bereits in der Vergangenheit internationales Ansehen beim


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Schutz von Walen erworben. Wir können daher froh darüber sein, dass der vorliegende Antrag, in dem die österreichische Position zur bevorstehenden Jahrestagung und der folgenden Konferenzen der IWC in Japan festgelegt wird, von allen vier Fraktionen getragen ist.

Damit nimmt Österreich seine globale Verantwortung zum Schutz der Wale und zur Kontrolle der Schutzbestimmungen wahr, eine Verantwortung, die von verschiedenen Staaten – Japan, Norwegen, Island, China, Russland – nicht nur nicht wahrgenommen, sondern vielmehr untergraben wird. Ziel der Angriffe ist, wie schon gehört, das bestehende Moratorium mit der Absicht, den Walfang wieder zu legalisieren. Das ist auch mit entsprechender Mehrheit, nämlich mit einer Dreiviertelmehrheit der Mitglieder, möglich. Und tatsächlich steigt auch die Zahl der Mitgliedsländer gerade um solche – wie auch schon vorhin ausgeführt –, die von Japan finanzielle Entwicklungshilfe erhalten. Das nimmt tatsächlich Einfluss auf die Stimmgewichtung.

Dass das Geld nicht selbstlos, sondern im Austausch mit Pro-Japan-Stimmen in der IWC überwiesen wird, bestätigen auch die Premierminister der Karibikinseln Antigua und Barbuda.

Damit steigt auch die Gefahr, das Moratorium tatsächlich zu kippen. Die Tatsache, dass die heurige Tagung ausgerechnet im Heimathafen der japanischen Walfangflotte stattfinden wird, kann durchaus als Hinweis dafür gesehen werden, dass ein derartiger Versuch auch unternommen werden wird.

Wir sind gespannt darauf, meine Damen und Herren, ob die außenpolitischen Möglichkeiten und Fähigkeiten unserer Bundesregierung geeignet sind, die Position dieses Entschließungsantrages erfolgreich zu vertreten. Wenn sie, gemeint ist die Bundesregierung, die Lebensrechte der Wale allerdings nicht besser vertritt als die sozialen Rechte der Menschen hier bei uns im Lande, dann ist es um die Wale schlecht bestellt. Wir zumindest können uns wehren, meine Damen und Herren, indem wir nämlich von 3. bis zum 10. April das Sozialstaats-Volksbegehren unterschreiben. Wir werden es tun, und ich lade Sie ein, das auch zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

18.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Fallent. – Bitte.

18.30

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich bekennt sich zum Artenschutz und zur Artenvielfalt, Österreich bekennt sich zum Tierschutz und Österreich fordert die Einhaltung von Vereinbarungen ein. – Norwegen und Japan brechen diese Vereinbarung. Der Stimmenkauf, der von Japan durchgeführt wird, ist zu verurteilen, das ist nicht in Ordnung!

Ich ersuche daher alle Entscheidungsträger und im Besonderen auch jene Vertreter, die bei der Jahreskonferenz der Internationalen Walfangkommission dabei sein werden, dieses Vorgehen zu verurteilen, Tier- und Artenschutz sowie die Einhaltung von Vereinbarungen einzufordern und den Kauf von Stimmen zu verurteilen – und all das diplomatischen Gepflogenheiten voranzustellen. Das ist wichtig, das zeigt auch ein Beispiel aus jüngster Zeit: Wir waren in der Lage, einen gefährdeten Polizisten nach Österreich zurückzuholen, ohne auf diplomatische Spielregeln oder Gepflogenheiten zu achten, denn es war Gefahr in Verzug.

Wir sind damit konfrontiert, dass Artenvielfalt verlorengeht, dass Wale aussterben, weil sie eben ohne Grund gejagt werden. Es gibt keinen echten Grund dafür, Wale zu jagen. Waljagd ist Tierquälerei und wird somit von den Freiheitlichen abgelehnt. Wir setzen uns dafür ein, dass sich das in Zukunft ändert, und ich bin mir dessen sicher, dass wir alles tun werden, um diese Situation zu verbessern.

Ebenso zu verurteilen ist der Beifang, und da ist besonders Frankreich gefordert. Laut Zeitungsartikeln müssen sehr viele Wale sterben, weil sie Opfer von Fangtechniken sind, die zwar anderen Fischen gelten, aber letztendlich die Wale töten.


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98. Sitzung / Seite 155

In diesem Sinne wünsche ich mir einen guten Verlauf dieser Konferenz. Der vorliegende Entschließungsantrag fordert das Erhalten dieses Moratoriums, mehr Walschutzgebiete, die Reduzierung von Umweltverschmutzung, er fordert, dass klimatische Veränderungen hintangehalten, Fischereiaktivitäten wie eben dieser Beifang eingestellt werden, dass die menschlichen Einflüsse reduziert werden, der wissenschaftliche Walfang eingestellt wird und die strengen Regeln des Walfanges indigener Völker eingehalten und besser kontrolliert werden. Weiters fordern wir den besseren Schutz aller Walarten und transparentere Abstimmungsverfahren bei den Verhandlungen und den Kommissionen. – Ich bedanke mich und wünsche dieser Intention alles Gute. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

18.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte.

18.33

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Biodiversität und Artenschutz sind eine Zielsetzung, die in diesem Hause offensichtlich breiten Konsens findet. Dafür bedanke ich mich. Das ist auch das Ziel, das Österreich im Bereich etwa auch der gesamten Nachhaltigkeitspolitik verfolgt.

Im Bereich der Entwicklung der Meere gibt es tatsächlich eine Vielzahl von Belastungen, und dieses Ökosystem hat, wie wir wissen, besondere Sensibilität. Natürlich tut sich Österreich – das sei sehr offen gesagt – als Binnenland etwas leichter, über die Prinzipien der Nachhaltigkeit zu reden, als etwa Länder, die tatsächlich direkt am Meer liegen und deren Einwohner zum Teil aus den Erträgen dieses Meeres, des Fischfangs leben. In deren Interesse gesprochen meine ich, dass wir alles tun müssen, um nachhaltige Bewirtschaftung auch der Meere zu ermöglichen. Das tut Österreich auch ganz massiv im Sinne der Initiativen der Europäischen Union.

Seit 1994 ist Österreich IWC-Mitglied, gestaltet sehr aktiv und in anerkannter Weise die Politik und hat eine sehr klare Haltung: umfassender Schutz der Wale und Delphine und Beibehaltung dieses Moratoriums, Ausbau der Schutzgebiete, Ausbau der sonstigen Strategien zum Schutz dieser Lebewesen. Die österreichische Haltung findet sich in dieser Entschließung zu 100 Prozent wieder. Ich danke für diese Unterstützung des Hohen Hauses.

Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Glawischnig! Hinsichtlich der angesprochenen Praxis Japans können Sie versichert sein, dass Österreich diese Praxis bei der kommenden Konferenz zur Sprache bringen, die Bedenken formulieren und auch die hier im Hohen Haus geäußerten Bedenken gegenüber dem Gastgeber Japan artikulieren wird. Seien Sie versichert, dass wir das in aller Klarheit machen werden.

Wir haben aber auch ein Ziel: Wir wollen, dass mehr Staaten, die unsere Interessenlage in diesem Zusammenhang vertreten, IWC-Mitglieder werden, damit der IWC nicht letztendlich zu einem "Walfangverein" verkommt, sondern tatsächlich das bleibt, was er ist, nämlich eine Kommission zum Schutz der Wale. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wimmer. – Bitte.

18.36

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Miedl, es ist offensichtlich tatsächlich so, dass es zu diesem Thema nur eine Internetseite gibt. Wahrscheinlich haben die Verfasser nicht damit gerechnet, dass heute gleich sieben oder acht Kolleginnen und Kollegen zu diesem Thema sprechen. Da waren die Sozialstaats-Volksbegehrer tüchtiger. Darüber sind nämlich zwölf Seiten im Internet, und das ist gut so, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Aber nach so vielen Unstimmigkeiten und nach so vielen unterschiedlichen Auffassungen und Argumenten in den heutigen Debatten, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, tut es wirklich gut und ist es angenehm, dass diese wichtige Entschließung heute wahrscheinlich im Konsens und einstimmig über die Bühne gehen wird. Alle Details dieser Vorlage sind schon umfassend referiert worden, besonders von unserer Kollegin Kathi Pfeffer, die eingehend darüber berichtet hat.

Ich möchte mich nur mehr auf zwei Anliegen beschränken. Zum Ersten glaube ich, es ist ganz wichtig, dass diese Jahrestagung der Walfang-Kommission, die im Mai in Japan stattfinden wird, dazu genutzt wird, die österreichischen Positionen klar, deutlich und unmissverständlich vorzubringen. Es darf einfach nicht sein, dass verantwortungsloses Jagdverhalten dazu führt, dass verschiedene Walarten vom Aussterben bedroht sind oder dass etwa unter dem Vorwand der Wissenschaft – da sind die Japaner Vorreiter – in Schutzgebieten, in Schongebieten Wale gejagt und getötet werden.

Ebenso ist zu verurteilen, geschätzte Damen und Herren – das ist auch schon angesprochen worden –, dass sich vor allem Norwegen in keinster Weise um dieses Moratorium von 1986 kümmert. Wichtig ist daher, dass diese "schwarzen Schafe", so möchte ich sie bezeichnen, die diese Vereinbarungen ständig verletzen, bei jeder Gelegenheit öffentlich angesprochen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, diese Entschließung ist ein kleiner Beitrag dazu, und wir sollten sie daher einstimmig zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1061 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kopf, Ing. Fallent, Mag. Sima, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf den dritten Absatz in Ziffer 8 bezieht.

Da nur dieser eine Abänderungsantrag vorliegt, lasse ich zugleich über die dem Ausschussbericht 1061 der Beilagen beigedruckte Entschließung in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kopf, Ing. Fallent, Mag. Sima, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen. (E 129.)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Entschließungsantrag 576/A (E) der Abgeordneten Dr. Harald Ofner, Matthias Ellmauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend den internationalen Schutz der Menschenrechte und

über den Entschließungsantrag 582/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen betreffend den internationalen Schutz der Menschenrechte und

über den Entschließungsantrag 142/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Menschenrechtssituation in Tibet und


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98. Sitzung / Seite 157

über den Entschließungsantrag 163/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiederaufbauhilfe in den türkischen Bürgerkriegsgebieten und

über den Entschließungsantrag 336/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen betreffend die finanzielle Unterstützung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und

über den Entschließungsantrag 340/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend die internationale Anerkennung der Rolle indigener Völker im Bereich nachhaltiger Entwicklung und

über den Entschließungsantrag 342/A (E) der Abgeordneten Inge Jäger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Verfolgung und Ermordung der Prostitution beschuldigter Frauen im Irak und

über die Petition (16/PET) betreffend "Menschenrechte auch für Sudetendeutsche!", überreicht vom Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, und

über die Petition (13/PET) betreffend "Anerkennung der Verfolgung und Auslöschung der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich von 1915 bis 1917 als Völkermord im Sinne der UN-Konvention zur Verhinderung und Bestrafung von Völkermord vom 9. Dezember 1948", überreicht von den Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Dr. Johannes Jarolim, sowie

über den Entschließungsantrag 50/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung der Massaker an der armenischen Bevölkerung 1915 bis 1917 im Osmanischen Reich als Völkermord (1062 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

18.41

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! Der vorliegende Entschließungsantrag betreffend den Internationalen Schutz der Menschenrechte ist aus unserer Sicht ein akzeptabler Kompromiss, obwohl mit diesem Antrag etliche, teilweise sehr alte Anträge, die im Ausschuss bisher unerledigt waren, auf diese Art und Weise mit erledigt werden, und zwar durch eine sicher materiell unverbindlichere Entschließung.

Die weltweite Umsetzung beziehungsweise Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards ist und war auch in der Vergangenheit stets ein zentrales Anliegen Österreichs, und Österreich hat in der Vergangenheit diesbezüglich eine sehr positive Rolle gespielt. Die Wahrung der Menschenrechte, die Achtung vor Minderheiten und der Schutz dieser sind und waren für Österreich stets ein wichtiges Anliegen.

Dazu bekennt sich prinzipiell auch diese Bundesregierung in ihrer Präambel zur Regierungserklärung, in der sie für Respekt, Toleranz und Verständnis für alle Menschen eintritt, ungeachtet ihrer Herkunft, Religion und Weltanschauung, und in der sie sich für ein Österreich zu arbeiten vornimmt, in dem Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus keinen Platz finden.

Logischerweise gibt es zwischen dem deklarativen Anspruch von Prinzipienerklärungen oder Entschließungen und der realen Politik oft Widersprüche, weshalb die Menschenrechtspolitik naturgemäß an der tatsächlichen Politik zu messen ist, wie es auch diese Entschließung formuliert, aber diesbezüglich gibt es sicher unterschiedliche Sichtweisen.

Wenn daher die Entschließung reklamiert, dass alle Staaten die moralische Verantwortung für von ihnen begangenes historisches Unrecht anerkennen, als Voraussetzung für die Vertiefung der Zusammenarbeit und der Partnerschaft der Staaten, so kann festgestellt werden, dass sich Österreich in den letzten Jahren sicher der dunklen Seiten seiner Vergangenheit angenommen


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und mit Zwangsarbeiterentschädigung, Restitution, Nationalfonds und so weiter zur technisch-materiellen Aufarbeitung der Vergangenheit enorm viel beigetragen hat, auch wenn dies manchmal unter dem Druck von außen, durch Anwälte und auf Druck von Banken und so weiter geschehen ist.

Nichtsdestoweniger ist die technisch-materielle Seite der Aufarbeitung keine Garantie für eine adäquate geistig-moralische Bewältigung der dunklen Seiten der Geschichte unseres Landes.

Umso mehr sind wir der Meinung, dass gerade in Bezug auf unsere Nachbarstaaten und deren Geschichte und bei der Auseinandersetzung mit deren Vergangenheit Sensibilität und Vorsicht angebracht sind, die jedoch einzelne Mitglieder dieser Bundesregierung vermissen haben lassen. Diverse Angriffe, Drohungen und Stimmungsmache mit Volksbegehren gegen Nachbarstaaten – auch wenn manche Meldungen aus den betroffenen Staaten unnötig waren – haben leider gezeigt, dass das nicht die Politik ist, die wir uns wünschen.

Wir verwahren uns auch entschieden gegen alle antisemitischen und fremdenfeindlichen Äußerungen, auch wenn es nach persönlichen Verunglimpfungen zu gerichtlichen Vergleichen kommt.

Wir verwahren uns gegen das Verächtlichmachen von Minderheiten, sei es durch herabwürdigende Verunglimpfungen von Namen von Betroffenen wie im Falle des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, sei es durch Androhung von Repressionen, wie sie nach dem Ortstafelerkenntnis zu hören waren, wenn einem ein minderheitenfreundliches Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht passt.

Wir sind auch der Meinung, dass Österreich besonders verantwortungsvoll und sensibel reagieren sollte, wenn es um Staaten geht, wo einerseits die Todesstrafe verhängt wird, in denen gefoltert wird, wo Menschen verschwinden, wo der politische Mord auf der Tagesordnung steht und Minderheiten insgesamt furchtbaren Repressionen ausgesetzt sind.

Diese besondere Wachsamkeit gilt auch der geschlechtsspezifischen Verfolgung, die in zahlreichen Staaten praktiziert wird und zu der meine Kollegin Jäger noch einige Worte sagen wird.

Einer dieser Staaten ist der Irak, und daher sind wir auch der Meinung, dass die groteske Irak-Reise des Kärntner Landeshauptmannes in einem praktischen Widerspruch zu unserer genannten Entschließung steht, dass diese so genannte humanitäre Privatmission mit anschließendem Besuch beim Diktator mit den Grundsätzen dieser unserer Entschließung nicht vereinbar ist und dass das Handling dieser makabren Aktion durch das Außenamt den Geist dieses Antrages desavouiert.

Vollends bedenklich wird diese Angelegenheit, wenn ein demokratisch gewählter Untersuchungsausschuss des Kärntner Landtages von dessen Präsidenten in seiner Arbeit behindert wird (Abg. Dolinschek: So ein Blödsinn!), und zwar unter Berufung auf ein äußerst kritikables privates Verfassungsgutachten, das mit der Behauptung, dass ein Untersuchungsausschuss nur für den selbständigen Wirkungsbereich des Landes eingesetzt werden dürfe, völlig negiert, dass der zuständige Landeshauptmann diese Unterscheidung in "privat" beziehungsweise "Träger der mittelbaren Bundesverwaltung" beziehungsweise "Landesorgan" für sich nicht vornimmt, und daher aufklärungswürdige Tatbestände – nämlich wer die Kosten dieser Reise übernommen hat, ob ein irakischer Waffenhändler diese Reise angebahnt hat, wie die Hilfsmittel finanziert wurden, ob Rechtsvorschriften nationaler oder internationaler Art verletzt wurden – auf diese Art und Weise nicht überprüft werden können. Das ist eine massive Beugung des Rechtsstaates! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Krüger: Wir sind aber hier nicht im Kärntner Landtag!)

Ein kleines Aperçu: Laut "Internet-Focus" soll der Kärntner Landeshauptmann nach eigenen Angaben Angebote erhalten haben. Ich zitiere: "Ich habe Angebote vorliegen, eine Vermittlerrolle


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im Nahost-Friedensprozess einzunehmen." – Ich muss sagen, selten haben wir so gelacht! Damit wird die Tragikomödie vollends zur Farce!

Aus diesen Gründen sind wir vorsichtig und werden die reale Politik dieser Bundesregierung beziehungsweise dieser Koalition auch weiterhin genau verfolgen. Und daher wünschen wir uns, dass die Bundesregierung, insbesondere Sie, Frau Außenministerin, diese Vier-Parteien-Entschließung besonders beachtet und, wenn flagrante Verletzungen auftreten, auch entsprechend reagiert.

Abschließend möchte ich sagen, dass wir nicht zuletzt trotzdem froh sind, dass es diesen gesamtändernden Antrag gibt, dass eine lange Reihe von unerledigten Vorhaben im Ausschuss zumindest in irgendeiner Form beschlossen beziehungsweise eingearbeitet werden konnten und dass damit nicht die Arbeit des Ausschusses insgesamt desavouiert wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Stoisits. )

18.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ofner zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.48

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht Gelegenheit gehabt, den vorgelagerten Menschenrechtsausschuss zu besuchen, habe mich gewundert und gefreut über den gemeinsamen Antrag und habe mir notiert, dass ich als ersten Satz sagen werde: In den Menschenrechtsdingen, die uns so wichtig sind, wollen doch alle dasselbe, nur steckt halt viel Prestige darin.

Nachdem ich den Kollegen Posch reden gehört habe, sage ich das lieber nicht, denn: Noch immer findet es ein Menschenrechtssprecher einer Fraktion hier im Parlament für notwendig, wenn es auf einem so wichtigen Terrain endlich eine einstimmige Regelung gibt, dass er von A bis Z mit dem Wechseln von politischem Kleingeld beschäftigt ist. Und am Schluss sagt er: Aber im Übrigen freue ich mich, dass es einen einvernehmlichen Antrag gibt.

Da sieht man ja – Herr Kollege Posch, ich verstehe dich nicht! –, dass es dir überhaupt nicht um die Materie geht! Ich habe Verständnis für jede parteipolitische Taktik! "Matschkere" ruhig an deinem Landeshauptmann oder an wem auch immer herum, aber bitte widme doch ein bisserl deines intellektuellen Potentials, das du zweifellos hast, und deiner rednerischen Begabung auch den Dingen, um die es wirklich geht!

Was sich auf der Welt alles abspielt! Aber ob jetzt irgendeiner mit einem Flieger wo anders hinfliegt ... Wo der Cheney überall hinfährt, wem er allen die Hand schüttelt, was die Amerikaner in Guantánamo aufführen und was sich sonst alles ereignet, darüber verlierst du kein Wort! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich weiß schon: Wenn es Schwächere gibt, muss man auf der Seite der Stärkeren sein, aber man braucht es nicht so offen zu zeigen, weil das entlarvend ist. Das enttäuscht mich von dir wirklich, weil ich dich höher eingeschätzt habe, das muss ich sagen.

Welche Probleme haben wir mit den Menschenrechten? – Sie sind vielschichtig. Es geht zunächst einmal darum, sie auszubauen. Wenn wir Österreicher uns mit diesem Problemkreis befassen, dann sind wir in aller Regel auf dem internationalen Parkett erstens weit vorne und zweitens ziemlich allein.

Ich weiß, wovon ich rede. Ich war Mitglied des Konvents in Straßburg, der sich ein Dreivierteljahr lang abgemüht hat, mit dem Ziel, eine europäische Menschenrechtskonvention zustande zu bringen. Da haben sich alle Österreicher redlich bemüht: Rot, Schwarz, Grün, Blau, aber es ist nichts Neues herausgekommen. Bei jedem neuen Vorschlag ist irgendjemand von einem anderen Staat aufgestanden und hat gesagt: Nein, das ist zuviel, das geht über das, was wir bisher haben, hinaus! Wir dürfen nur festhalten und zusammenschreiben, was es schon gibt! Ja nichts Neues, meine Regierung ist sonst dagegen! – So ging das bis zum Schluss.


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Dann war Nizza da, man hat sich dort freudig applaudierend erhoben, und nichts ist im Übrigen dabei herausgekommen. Das heißt, es muss eines unserer Hauptanliegen sein, zu schauen, dass wir inhaltlich, wo auch immer, auf dem Sektor der Menschenrechte etwas weiterbringen, und Menschenrechte heißt nach meinem Dafürhalten in erster Linie, sich um die Möglichkeiten, Rechte und Berechtigungen der Schwächeren zu kümmern, der Kleineren, der Minderheiten zu kümmern, der Volksgruppen, die in der Regel Schwächere sind.

Aber da sind alle anderen Länder besonders empfindlich. Ich zähle sie auf: Besonders die Franzosen und die Spanier wollen überhaupt kein Wort von solchen Dingen wissen. Und die anderen sind zwar geschickter und vorsichtiger in ihren Äußerungen, bis zu den Deutschen und auch den Skandinaviern, was mich besonders enttäuscht hat, aber herausbringen tut man bei niemandem etwas.

Es geht mir auch darum, nicht nur qualitativ weiter in die Materie einzudringen und sie auszubauen, sondern uns auch der geographischen Ausdehnung nach nicht nur – obwohl uns das natürlich besonders am Herzen liegt – auf die Staaten der Europäischen Union zu konzentrieren, sondern auch auf das übrige Europa, vor allem auf die Beitrittskandidaten, und in einem weiteren Kreis auf den "Rest der Welt", wobei ich das Wort "Rest" nicht abwertend verstehen möchte.

Wir machen uns ja überhaupt keine Vorstellungen davon – oder verschließen absichtlich die Augen –, was es in anderen Bereichen dieses Kontinents, ja überhaupt der Erde gibt. Wir müssen uns auch darum kümmern, dass die Dinge nicht nur auf dem Papier stehen. Papier ist ja geduldig, da kann man alles draufschreiben, man kann Beschlüsse fassen, man kann sich beweihräuchern, Blumen überreichen, Tränen vergießen, aber am Schluss ist es nicht durchsetzbar.

Es muss auch darum gehen, dass Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit besteht. Und in Europa müssen wir da ganz an der Spitze stehen. Und wir müssen auch wissen, erkennen und aussprechen, dass es in Menschenrechtsdingen keine Verjährung gibt. Natürlich betrifft uns Österreicher das ganz besonders, weil wir auf diesem Sektor, auf der passiven Seite offene Rechnungen haben. Es gibt Hunderttausende Mitbürger in unseren Reihen, die Opfer von schwersten Menschenrechtsverletzungen geworden sind: Ich erinnere nur an die schon so oft strapazierten Beneš-Dekrete und an die AVNOJ-Bestimmungen, die Hunderttausende ums Leben und Millionen Menschen entschädigungslos um ihr gesamtes Eigentum und um ihre Staatsbürgerschaft gebracht haben.

Aber auch an ältere Rechnungen müssen wir uns erinnern, wie etwa an die der Armenier. Die Armenier bemühen sich derzeit – nicht ohne Erfolg –, Überzeugungsarbeit auch in Österreich dahin gehend zu leisten, dass ihnen fürchterliches Unrecht passiert ist. Dafür sind wirklich nicht wir in erster Linie zuständig, aber es soll als Beispiel dafür dienen, dass solche Sachen nicht vergessen werden sollen und dass sie vor allem nicht verjähren können. Niemand kann damit kommen, dass er sagt, das ist schon 50 Jahre her. – Bei uns ist auch manches 50 Jahre her, bei den Armeniern ist es halt 70 Jahre oder mittlerweile 85 oder 87 Jahre her, aber es ist Unrecht, und die Betroffenen oder ihre Nachkommen haben das Recht, sich mit diesen Dingen auseinander zu setzen.

Ich wehre mich auch dagegen, dass wir still schweigen – die Zeitungen und wir selber auch –, wenn die Mächtigen Unrecht setzen und bei dieser Gelegenheit noch höhnisch lachen. Ich habe gerade wieder in einer Zeitung gelesen, die US-Amerikaner sind stolz darauf, dass die Leute in Guantánamo Tag und Nacht an den Füßen gefesselt sind, beim Transport an den Händen, mit Knebeln, mit Augenbinden und mit allem Möglichen. Sie sind stolz darauf, dass die Militärtribunale, die jetzt zu arbeiten beginnen werden, ohnehin nicht mehrstimmig Todesurteile fällen können, sondern nur einstimmig – aber nicht für Taten, die begangen worden sind, sondern für die Mitgliedschaft bei irgendwelchen afghanischen oder wo immer angesiedelten Vereinigungen, ohne dass man ihnen persönliche Schuld auch nur nachzuweisen vorhaben würde.


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Und im Übrigen sagt man, es ist nicht erforderlich, wie in einem Strafverfahren, dass man nachweist, dass sie etwas angestellt haben, und im Zweifel gilt der Grundsatz "in dubio pro reo" – nein, es genügen gerüchteweise Berichte von irgendwelchen Diensten, um Todesurteile zu fällen. – Das sind schon Dinge, die man nicht ganz vergessen sollte, auch wenn wir vielleicht nicht viel bewegen können auf diesem Sektor.

Es gibt in diesem Bereich, der von unerhört großer Wichtigkeit ist – vielleicht wichtiger als mancher kleinere wirtschaftliche Erfolg da oder dort –, unglaublich viel zu tun. Es zu unternehmen, bedarf einer nicht erlahmenden Ausdauer und Geduld, aber vor allem auch eines gewissen Mutes, sich nicht nur irgendwelche Nebochanten als Gegner auszusuchen, sondern sich dort entsprechend bemerkbar zu machen, wo die Mächtigen dieser Welt zu Hause sind.

Wir Freiheitlichen – davon bin ich überzeugt – und auch ich selber werden auf diesem Sektor nicht nachlassen, nicht zurückgehen und nicht zurückstehen – nicht um einen halben Millimeter! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte.

18.55

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mögen wir auch in vielen Fragen unterschiedlicher Meinung sein: Der internationale Schutz der Menschenrechte soll allen hier im Parlament vertretenen Parteien ein gemeinsames Anliegen sein. So freut es mich ganz besonders, dass wir es letztendlich nach einem über fünfmonatigen Diskussionsprozess geschafft haben, in einem Vier-Parteien-Antrag den internationalen Schutz der Menschenrechte als gemeinsames parlamentarisches Anliegen zu formulieren. Es waren harte, aber durchaus faire Gespräche, die stets von unserem gemeinsamen Ziel geprägt waren, die Menschenrechtspolitik aus dem Parteienstreit herauszuhalten. Besonders in der Menschenrechtspolitik geht es darum, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. Da darf Parteitaktik keinen Platz haben.

Die internationale Einhaltung der Menschenrechte erweist sich oftmals als gar nicht so einfach. Obgleich es für uns unverständlich ist, gibt es leider nach wie vor viele Länder und Regierungen in der Welt, für die die Menschenrechte und deren Einhaltung nicht zu den wichtigsten Zielen zählen. Da ist viel Fingerspitzengefühl vonnöten, will man auch nur in Ansätzen erfolgreich sein. Ein einzelner Staat oder gar ein einzelner Politiker ist da machtlos.

Eine Verbesserung der Menschenrechtssituation ist nur dann zu erwirken, wenn Europa, wenn die Vereinten Nationen gemeinsam auftreten. Daher ist es auch so wichtig, dass Österreich mit einer Stimme spricht, dass alle politischen Parteien gemeinsam mit der Regierung einhellig an der Umsetzung der Menschenrechte aktiv mitwirken.

Mit dem heutigen Entschließungsantrag beweisen wir Österreich, aber auch Europa, dass wir das Engagement für die Einhaltung der Menschenrechte abseits von Parteitaktik sehr ernst nehmen.

Kollege Posch, ich bedanke mich dafür, dass du bereit warst, den gemeinsamen Antrag mitzutragen, aber ich war ein bisschen erstaunt über einige deiner Aussagen.

Der Vier-Parteien-Antrag umfasst eine Reihe von wichtigen Fragen, die im Menschenrechtsausschuss umfassend diskutiert wurden. Ich möchte zuallererst den vor allem auch für unser Land so wichtigen Prozess der Osterweiterung ansprechen.

Beim Europäischen Rat in Kopenhagen 1993 wurden verbindliche Kriterien für die Beitrittskandidatenländer aufgestellt, wonach Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und der Schutz von Minderheiten verwirklicht sein müssen, um der Europäischen Union überhaupt beitreten zu können.


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Die Einhaltung dieser Standards, aber auch das gemeinsame Bekenntnis zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit in diesen Belangen ist unumgänglich. Dazu gehört aber meiner Überzeugung nach auch, dass alle Staaten, die der europäischen Wertegemeinschaft angehören wollen, moralische Verantwortung für historisches Unrecht übernehmen müssen. So wie Österreich sich seiner historischen Verantwortung stellt, müssen das auch unsere nördlichen und östlichen Nachbarländer tun.

Ein anderer Aspekt, der in diesem Entschließungsantrag deutlich zum Ausdruck kommt, ist die aktive internationale Zusammenarbeit zwischen Regierungen und Institutionen zur weltweiten Durchsetzung der Menschenrechte. Der auf der Wiener Menschenrechtskonferenz von den Vereinten Nationen bekräftigten Universalität, Unteilbarkeit und wechselseitigen Abhängigkeit der Menschenrechte muss Rechnung getragen werden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Dazu sind permanente multi- wie bilaterale Kontakte genauso notwendig wie das Engagement in internationalen Organisationen. Oftmals sind es natürlich nur mahnende Worte in einer gemeinsamen Entschließung oder einer UN-Resolution, die auf Missstände und Menschenrechtsverletzungen hinweisen und zum Schutz der Menschenrechte auffordern.

Wenn diese Worte von vielen Menschen, von vielen Staaten und internationalen Organisationen getragen werden, üben sie doch immer häufiger jenen Druck aus, der notwendig ist, um die Menschenrechtssituation auf der Welt zu verbessern.

Ich möchte hier auch auf die nun tagende 58. UN-Kommission für Menschenrechte in Genf verweisen, bei der unsere Außenministerin Benita Ferrero-Waldner anwesend war und gestern auch eine fulminante Rede gehalten hat. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Am Beispiel der Lage in Afghanistan und der jahrzehntelangen Missachtung der Menschenrechte im Nahen Osten erläuterte unsere Außenministerin die Notwendigkeit der UN-Kommission, wie wichtig es sei, über die Ursachen des Terrorismus nachzudenken und gerade im Nah-Ost-Konflikt mit einer Stimme zu sprechen, die die klare und eindeutige Botschaft enthält, dass dauerhafter Friede nur durch die Einhaltung der Menschenrechte funktionieren könne.

Bundesministerin Ferrero-Waldner brachte in diesem Zusammenhang auch zwei Resolutionsentwürfe Österreichs ein, die den Minderheitenschutz und den Schutz von Binnenflüchtlingen zum Inhalt haben.

Die österreichische Menschenrechtspolitik engagiert sich sowohl national als auch international für die Menschenrechtsbildung, für die wirksame Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, für den Schutz von Minderheiten, für die Abschaffung der Todesstrafe, für das Unterbinden von Menschenhandel und die Situation intern vertriebener Personen.

Dabei setzt Österreich vor allem auf internationale Kooperation und auf Dialog. Nationale Alleingänge, obgleich sie oft auch wünschenswert wären und dem persönlichen Engagement von menschenrechtsaktiven Politikerinnen und Politikern entgegenkommen würden, bringen gerade in diesem so sensiblen Bereich oft sehr wenig und können manchmal mehr zerstören als aufbauen.

Mit dem heutigen gemeinsamen Entschließungsantrag agieren wir in diesem Sinne höchst verantwortungsvoll und setzen zudem ein erfreuliches Zeichen der Solidarität mit der Einhaltung von Menschenrechten.

Ein wesentlicher Bereich der Menschenrechtspolitik ist meiner Überzeugung nach aber auch die Menschenrechtsbildung. Menschenrechtserziehung ist eine wesentliche Investition in die globale Zukunft, denn das Verständnis für die Wahrung der Menschenwürde beginnt nicht erst bei den gesetzlichen Bestimmungen in einer demokratischen Rechtsordnung – diese ist eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung der Menschenrechte –: Das Verständnis für


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Achtung und Schutz von Menschenrechten beginnt zu allererst in den Herzen und Hirnen der Menschen.

Daher ist es notwendig, den gemeinsamen Appell zur Einhaltung der Menschenrechte über alle etwaige Meinungsunterschiede zu stellen und damit jenes Bewusstsein zu schärfen, das Menschenrechtsverletzungen als abscheulichen Akt gegen die Menschenwürde brandmarkt.

Der Dialog der Zivilisationen und Kulturen muss ständig fortgesetzt werden. Nur wer den Dialog führt, kann Toleranz leben. Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und konstruktive Konfliktlösung sind der Schlüssel für die friedliche Koexistenz von Völkern und Kulturen.

Ein halbes Jahr nach den schrecklichen Terroranschlägen in New York und Washington ist die Wucht der damaligen Aggression noch immer spürbar. Terror, Mord, Hass und Vertreibung stehen noch immer auf der Tagesordnung von Regimen, die die Menschen lediglich als Mittel zum Zweck betrachten. Aber auch dieses kleine Land, unser Österreich, kann, wenn wir alle an einem Strang der Menschlichkeit und Toleranz ziehen, internationale Zeichen setzen und damit Großes in der Welt leisten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bei den anderen Fraktionen noch einmal dafür, dass sie bereit waren, diesen Antrag gemeinsam zu beschließen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

19.04

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist kein zufälliges, aber deshalb umso bemerkenswerteres und für mich erfreulicheres Zeichen, dass wir gerade in der Woche, in der Österreich Mitglied der Menschenrechtskommission geworden ist, hier über den Schutz der Menschenrechte sprechen. – Es wurde die 58. Session eröffnet, und, wie uns soeben berichtet wurde, hat die Frau Bundesministerin dort eine fulminante Rede gehalten. Es wäre schön, Frau Bundesministerin, wenn wir den Text dieser Rede zur Verfügung gestellt bekommen könnten. (Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner: Sehr gerne!)

Ich finde, es ist ein schönes Zeichen, dass wir gleichzeitig in dieser Woche über internationalen Menschenrechtsschutz im Nationalrat sprechen, wiewohl es nicht ganz einfach war, dies zu erreichen.

Ich stehe nicht an, als Vorsitzende dieses Ausschusses zu sagen, wie wesentlich es auch für die Opposition ist, dass es gelungen ist, mit den Regierungsfraktionen einen Kompromiss zu schließen, wiewohl das Ergebnis dieses Prozesses ein wenig verzerrt ist. Es hat noch niemand gesagt, dass die Initiative, dass es überhaupt im Menschenrechtsausschuss zur Diskussion um internationale Menschenrechte gekommen ist, fast ausschließlich von der Opposition ausgeht.

Wir haben es heute mit insgesamt acht Anträgen zu tun – davon sind sechs oppositionelle Entschließungsanträge zu ganz unterschiedlichen Themen – und zwei Petitionen. Letztendlich hat es dann gemündet in zwei konkurrierenden Entschließungsanträgen von Blau-Schwarz und Rot, und ich habe als Vorsitzende und auch als Vertreterin der Grünen im Ausschuss versucht, einen Kompromiss zu erwirken, weil ich schlicht und einfach der Auffassung bin, dass es wenig Sinn gemacht hätte, wenn wir als Ergebnis einer nicht nur fünf- oder sechsmonatigen Arbeit, sondern einer viel längeren, keinen Konsens gefunden hätten.

Letztlich hat diese Arbeit bereits am 16. März 2000 begonnen; am 16. März 2000 wurden die ersten Anträge im Ausschuss diskutiert, und die Frau Bundesministerin hat uns ja auch die Ehre ihrer Anwesenheit gegeben und ihre Diskussionsbeiträge geleistet – durchaus kontroversiell.


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Frau Ministerin, Sie erinnern sich sicherlich an die Diskussion um die Frage der Anerkennung des Massakers an der armenischen Bevölkerung als Genozid im Sinne der UNO-Definition, die Gegenstand eines Entschließungsantrags der Grünen war, und daran, dass Sie damals Ihre große Skepsis gegenüber einer Vorgangsweise, die die Grünen gerne gesehen hätten, zum Ausdruck gebracht haben.

Nichtsdestotrotz, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es jetzt in diesem Vier-Parteien-Entschließungsantrag so, dass auch dieses Anliegen, nämlich die Tatsache, dass dem armenischen Volk Unrecht geschehen ist, Inhalt dieses Vier-Parteien-Entschließungsantrages ist.

Damit Sie sehen, meine Damen und Herren, wie weit dieses Spektrum geht: Es geht dabei von der Frage Massenmord, Massaker, Genozid nach UNO-Definition an den Armeniern bis hin zur Menschenrechtssituation in Tibet. Heute geht es aber auch – und darüber wird sicherlich noch Frau Kollegin Jäger sprechen – um die Frage der Verletzung von Menschenrechten von Frauen, in diesem Fall exemplarisch in Form eines Entschließungsantrages bezüglich des Irak.

Ich sage deshalb "exemplarisch", weil das nicht heißt, dass das Verständnis des Ausschusses dahin gehend ist, dass wir, wenn wir über ein Land und einen Entschließungsantrag diskutieren, Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern weniger ernst nehmen! Nein! Mein Verständnis ist das nicht, und auch die Mitglieder des Ausschusses sind so engagiert, dass sie das in dieser Richtung keinesfalls akzeptieren würden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darum ist diese Frage – ich komme noch einmal auf die Menschenrechtskommission in Genf zurück – des internationalen Menschenrechtsschutzes gerade jetzt – das wurde schon einmal erwähnt – auch immer im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu sehen – und auch mit der Frage, ob der manchmal drastisch in der Phantasie gelebte, hoffentlich nur in der Phantasie gelebte, Kampf gegen den Terrorismus nicht auch mit der Einschränkung von Menschenrechten verbunden ist, ob dabei nicht fundamentale Rechte, nämlich Menschenrechte in Gefahr sind.

Ich meine, eine der Aufgaben Österreichs auch in der Menschenrechtskommission ist es, gerade darauf hinzuweisen. Und das wäre kein Verhalten, mit dem wir uns außerhalb der internationalen Reihe stellen würden, das zeigt schon die Tatsache, dass die UNO-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson, soweit ich den Medien entnehme, in ihrer Eröffnungsansprache ebenfalls genau auf diesen Umstand hingewiesen hat.

Ich möchte die Worte von Herrn Kollegen Ellmauer noch einmal wiederholen: Das ist eine Materie, die selbstverständlich aus billiger parteipolitischer Polemik herauszuhalten ist, um ein Ergebnis zu erlangen. Das heißt aber nicht, meine Damen und Herren, dass Opposition und Regierung, die naturgemäß in vielen Fällen unterschiedlicher Meinung sind, in ihrer Arbeit, im Einsatz für Menschenrechte im In- und Ausland, jetzt plötzlich in allen Fällen einer Meinung sein müssen. Ja, ganz im Gegenteil! Ich könnte, glaube ich, den Rest des Abends damit füllen, Ihnen exemplarisch zu zeigen, wo ich meine, dass Menschenrechte in Österreich tagtäglich und in Permanenz verletzt werden. (Abg. Dr. Krüger: Geh, geh!)

Das ist mir wesentlich festzustellen, bei aller Freude darüber, dass es gelungen ist, eine Seite von Formulierungen zu finden, die so etwas wie der Mindeststandard an gemeinsamem Verständnis internationaler Menschenrechtspolitik sind. Ich glaube, dass mit dieser Entschließung aller vier Parteien vor allem der Frau Bundesministerin in ihrer Arbeit – sie repräsentiert ja das Land nach außen – besonders gedient ist, weil sie sich darauf berufen kann, dass es im österreichischen Nationalrat so etwas wie einen Mindestkonsens gibt. Es wird ja eine Vielfalt von Themen in der Entschließung angesprochen: von der Frage der moralischen Verantwortung für historisch begangenes Unrecht bis hin zur Unterstützung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, bis hin zur Frage des Schutzes der indigenen Völker, aber auch – und das ist wesentlich – zur Frage der weltweiten Abschaffung der Todesstrafe.

Der Ausschuss hat ja schon einmal eine diesbezügliche Initiative ergriffen. Aber es geht nicht nur um die Todesstrafe, sondern auch um Folter, Verschwindenlassen, um politischen Mord


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und insbesondere um die Anwendung dieser Methoden gegenüber Angehörigen von Minderheiten. Da ist jetzt gar nicht die politische Opposition gemeint, die selbstverständlich mit umfasst ist, sondern speziell Angehörige von Minderheiten.

Ein Punkt, den ich für wichtig halte, auch wenn er in der Tagesdiskussion für Österreich vielleicht nicht diese Wichtigkeit hat: die Frage der Unterbindung aller Formen der Sklaverei und insbesondere des Menschenhandels. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sklaverei, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein aktuelles, tägliches Problem, das immer noch Millionen von Menschen betrifft. Gerade ein Land, das einen so hohen menschenrechtlichen Standard hat – na Gott sei Dank!, als Mitglied der Europäischen Union, mit einer demokratischen rechtsstaatlichen Tradition, wie wir sie in Österreich haben –, gerade ein Land wie Österreich ist also verpflichtet, da besonders achtsam zu sein und auch alle Instrumente, die es hat, um darauf hinzuweisen, einzusetzen, und zwar sowohl bilateral als auch multilateral.

Daher der Auftrag oder die Aufforderung oder die Bitte, um es höflich zu formulieren, an die Frau Bundesministerin: Das auch zu tun – bei jeder sich bietenden Gelegenheit – und dieses Instrumentarium tatsächlich einzusetzen, auch wenn es wehtut. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Ansprechen von Menschenrechtsverletzungen tut weh, weil man sich damit meist nicht Freunde macht, sondern Feinde schafft. Aber das wären Feindschaften, Frau Bundesministerin, die so etwas wie ein "Orden" oder ein "Ehrenzeichen" sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nochmals ein Danke an alle vier Parteien, und ich verbinde diesen Dank mit der Hoffnung, dass wir nicht nur dann, wenn es um internationalen Menschenrechtsschutz, also weit, weit weg von uns geht, sondern auch bezüglich jener Anträge im Ausschuss – da gibt es wieder zahlreiche, bedauerlicherweise auch oppositionelle –, in denen es um das Ansprechen von menschenrechtlichen Themen im Inland geht, eine ähnliche Vorgangsweise finden.

Ich hoffe vor allem auch, dass die Abneigung, die es bei manchen Mitgliedern des Menschenrechtsausschusses gegen eine mögliche Kooperation mit jenen gibt, die lobbyiert haben für die Einrichtung des Ausschusses im österreichischen Nationalrat, nämlich mit den NGOs, kirchlichen Vertretungen, weicht, und dass diese Zusammenarbeit auf einer offiziellen und nicht nur informellen Ebene, wie sie sehr stark durch die Grünen und die Sozialdemokraten, aber ich nehme an, auch durch einzelne Vertreter der ÖVP praktiziert wird, einen Charakter erhält, der den Erwartungen der seinerzeitigen Lobbyisten zumindest in Ansätzen gerecht wird. – Danke vielmals. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächste spricht Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte.

19.15

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Lassen Sie mich einleitend auch sagen, dass ich es für sehr, sehr wichtig erachte, dass dieses bedeutende Thema Menschenrechte heute erstens einmal in einer breiten politischen Diskussion behandelt wird, und dass es gelungen ist, einen Entschließungsantrag wirklich zum Gegenstand einer Vier-Parteien-Entschließung zu machen.

Gerade Österreich ist international gesehen ein Land mit einem sehr hohen Menschenrechtsstandard, ein Land, das auch eine sehr aktive Menschenrechtspolitik betreibt. Daher ist es, glaube ich, ein sehr wichtiges Signal, dass uns dieser parteienübergreifende Konsens gelungen ist.

Ich darf auch sagen, dass Menschenrechte selbstverständlich ein ganz wesentlicher Bestandteil meiner eigenen Außenpolitik sind, und ich freue mich daher besonders, dass tatsächlich diese zeitliche Koinzidenz gegeben ist: Ich bin gestern Abend von der Menschenrechtskommission


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zurückgekommen, wo ich am Vormittag gesprochen habe. Diese Rede ist bereits auf der Web-Page des Außenministeriums sowohl in Deutsch als auch in Englisch abzurufen.

Wir freuen uns ganz besonders darüber, dass es uns gelungen ist, nach zwei Jahren Beobachterstatus in der Menschenrechtskommission dort nun auch wieder Mitglied zu sein. Und ich darf Ihnen sagen: Wir sind mit einem sehr guten Ergebnis in die Menschenrechtskommission gewählt worden, obwohl es einen großen Andrang gegeben hat. Auch das spricht dafür, dass Österreich erstens in den Vereinten Nationen sehr gut angesehen ist und dass wir zweitens sehr, sehr viele Freunde haben, die die österreichische Menschenrechtsdiplomatie und -politik klar anerkennen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Am 17. Jänner dieses Jahres wurde darüber hinaus mit der höchstmöglichen Stimmenanzahl aller Mitbewerber Botschafter i. R. Dr. Herndl wieder in das Komitee der Vereinten Nationen über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung gewählt. Darüber hinaus haben wir noch zwei andere Österreicher im Menschenrechtsbereich auf internationaler Ebene tätig: Der eine ist Herr Professor Leuprecht, der UN-Sonderberichterstatter für Kambodscha ist, und der Zweite ist Herr Professor Nowak für eine Sonderaufgabe.

Die Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz ist auch dieser Bundesregierung und mir besonders ein wichtiges Anliegen. Daher ist auch die Wahl Dr. Herndls ein sehr wesentlicher Schritt, ein signifikanter Schritt, der eine wichtige österreichische Mitwirkung bei der Überwachung der Umsetzung dieses wichtigen internationalen Menschenrechtsinstrumentes ermöglicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In meiner Rede vor der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen bin ich natürlich auf eine Reihe von Themen eingegangen. Vor allem aber bin ich auf das Thema eingegangen: Wie ist das Verhältnis Terrorismus – Menschenrechte? Das, was Frau Abgeordnete Stoisits hier gesagt hat, ist natürlich vor allem in der Europäischen Union diskutiert worden und ist auch in der Rede des Präsidenten, von unserem Kollegen Josep Piqué, aufgegriffen worden.

Ich selbst habe mich ganz besonders auf die Frage Afghanistan und auf die Situation der afghanischen Frauen konzentriert, denn Afghanistan ist geradezu ein exemplarisches Beispiel dafür, dass eine systematische Missachtung der Menschenrechte über Jahrzehnte hinweg nicht nur unendliches Leid und katastrophale Lebensumstände für die Bevölkerung bedeuten, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer ganz großen Konfliktsituation führt.

Schwere und andauernde Menschenrechtsverletzungen und Gewalt gegen Schwächere nähren eben einen fruchtbaren Boden für den internationalen Terrorismus. Dass dieser mit legalen Mitteln zu bekämpfen ist, ist selbstverständlich auch österreichische Haltung. Falsch ist es jedoch, in der Bekämpfung des Terrorismus Menschenrechtsstandards und das humanitäre Völkerrecht außer Acht zu lassen. Das hieße natürlich, eine gefährliche Spirale in Gang zu setzen. Daher habe ich auch diesen Punkt mit angesprochen.

Auch wenn der Konfliktherd Afghanistan als solcher natürlich leider noch nicht gänzlich befriedet ist, so sind wir, glaube ich, doch in einer Situation, in der wir wenigstens den Wiederaufbau langsam beginnen können. Es ist daher meiner Meinung nach ganz wichtig, dass wir eine Assistenz leisten bei der Wiedererrichtung der Zivilgesellschaft, der demokratischen Institutionen und der Rechtsstaatlichkeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Internationale Menschenrechtspolitik wird natürlich auf den verschiedensten Ebenen, in den verschiedensten Foren gemacht. Ich kann natürlich nicht auf alle Ebenen eingehen, möchte aber einige wesentliche herausgreifen.

Zum einen sind wir durch unsere Mitgliedschaft in der Europäischen Union natürlich auch in den Fragen der Beurteilung der Menschenrechte absolut in allen Teilen der Welt in die entsprechenden Prozesse eingebunden. Daher wirken wir dort sehr aktiv an den Formulierungen der EU-Positionen, -Demarchen mit und geben auch immer wieder Anstoß zu Initiativen, wenn uns gewisse bedenkliche Entwicklungen und Zustände bekannt werden.


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Ich möchte hier unterstreichen, dass diese Prozesse ständig auch rasche Reaktionen und Stellungnahmen erfordern, um den von Österreich vorgebrachten Vorstellungen zu einer entsprechenden Berücksichtigung zu verhelfen. In diesem Zusammenhang arbeitet unser Haus, mein Haus, sehr stark auch mit den Nicht-Regierungsorganisationen zusammen – ich denke da zum Beispiel an "amnesty international", aber auch an viele andere, kleinere Nicht-Regierungsorganisationen.

Wie sinnvoll es ist, dass sich unterschiedliche Foren auch mit Menschenrechtspolitik auseinander setzen, zeigt das Beispiel der Todesstrafe: Da kann selbstverständlich die Union ganz anders agieren, als dies beispielsweise nur im Rahmen der Vereinten Nationen möglich ist. Die Union hat, wie Sie wissen, schon seit längerem in einer großen Zahl von Fällen gegenüber den Vereinigten Staaten, was Todesurteile betrifft, immer wieder demarchiert, vor allem, wenn es sich um drohende Exekutionen von Jugendlichen oder geistig kranken Personen gehandelt hat, und ist zum Teil auch als "amicus curiae" den verschiedenen Gerichtsverfahren beigetreten.

In den letzten Monaten wurden auch generelle Demarchen für die Abschaffung der Todesstrafe oder zumindest für ein Moratorium für den Vollzug der Todesstrafe vor allem gegenüber afrikanischen und asiatischen Ländern intensiviert, einschließlich gegenüber Ländern wie China, Saudi-Arabien, Japan, Thailand und Nigeria. – Wir haben ebenfalls interveniert gegen die Folter und vor allem für Rechte von Frauen und Kindern.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einen Fall besonders herausgreifen, der ein sehr berührender ist und der, glaube ich, uns alle natürlich enorm verstört: den Fall von Frau Safya Husseini. Sie wissen, das ist jene Nigerianerin, die auf Grund einer unehelichen Schwangerschaft in letzter Konsequenz die Todesstrafe durch Steinigung erleiden sollte. – Ich kann Ihnen nur meine persönliche Betroffenheit kundtun: Meine erste Reaktion war selbstverständlich, mich persönlich über jede Entwicklung in diesem Fall sofort zu informieren, dann mit den Anwälten dieser Frau Kontakt aufzunehmen und deren Einschätzung des Falles einzuholen, und dann vor allem, aktiv – auch hier natürlich wieder im EU-Rahmen – all jene Schritte zu prüfen, mit denen dieser Frau geholfen werden kann.

Nun ist aber die Problematik dieses Falles – und ich möchte anhand dieses Falles auch die Komplexheit der Menschenrechte ansprechen – natürlich sehr schwierig. Voreiliges Handeln könnte diese Frau sogar eher mehr gefährden; daher muss man den Fall sorgfältig beurteilen.

In Nigeria selbst sind zwei innerstaatliche Faktoren gegeben: Zum einen spielt sich dieser Fall im Norden Nigerias ab, und zwar im Bundesstaat Sokoto. Dort gibt es ein gespanntes Verhältnis zwischen Zentralregierung und föderalen Stellen. Die Zentralregierung ist gegen die Vollstreckung der Todesstrafe, sie ist sich auch der internationalen Haltung bewusst und hat drei Anwälte für die Verteidigung von Frau Husseini zur Verfügung gestellt.

Auf der anderen Seite ist in den islamischen Nord-Provinzen, wie Sie wissen, die Scharia eingeführt, und man will dort ein Exempel statuieren. – Es gibt einen vierfachen Instanzenzug. Die Gerichtsverhandlung war am 18. März, also an diesem Montag, aber das war erst die Gerichtsverhandlung der zweiten Instanz, das heißt, es ist noch ein Instanzenweg zu beschreiten.

Sie müssen mich jetzt verstehen: Natürlich wäre es sehr leicht, einfach eine Weisung an die Botschaft, an den Botschafter zu geben, eine Demarche durchzuführen. Ich glaube aber – wir alle in der EU haben das besprochen –, wir müssen auch eine gewisse Vorsicht walten lassen. Eine Analyse des Falles durch die EU-Botschafter hat gezeigt, dass durch solch eine Demarche Trotzreaktionen ausgelöst werden können. Unter Umständen würde man sagen: Einmischung von außen – das geht nicht! Das könnte sogar so weit gehen, dass es zu einer Lynchjustiz kommt.

Daher ist es besser so: Kooperation Österreichs mit den Anwälten auch der Europäischen Union und absolute Insistenz im EU-Rahmen, hier alles zu tun, um dem Fall größtmögliche Aufmerksamkeit zu verleihen.


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Ich möchte Ihnen auch sagen, dass beim Europäischen Rat von Barcelona auf Grund eines gemeinsamen Beschlusses die Besorgnis über diese mögliche Steinigung ausgedrückt wurde.

Ich habe das bewusst ausführlicher dargestellt, weil dieser Fall ganz besonders zeigt, wie langfristig, wie schwierig, wie komplex solche Dinge manchmal sind.

Für mich auch wichtig – und das habe ich in meiner Rede natürlich auch erwähnt – ist zum einen der christlich-islamische Dialog, weil er, glaube ich, bewusst macht, dass man da zwischen verschiedenen Religionen, zwischen verschiedenen Zivilisationen einen Ansatz des Respekts, der Toleranz finden kann. Zum anderen habe ich ganz besonders auch das Thema Situation der Frauen herausgegriffen, natürlich anhand des Beispiels Afghanistan, und ich darf sagen: Ich bin eigentlich froh, denn auch in der Entwicklungszusammenarbeit – das möchte ich mir schon auf die Fahnen schreiben – habe ich den Anteil der frauenrelevanten Projekte von 20 Prozent immerhin auf über ein Drittel führen können in der Zeit, die ich inzwischen die EZA begleite.

Was die Frage der EZA betrifft, möchte ich betonen, auch dieses Gender Mainstreaming, das wir jetzt im EZA-Gesetz festgehalten haben, gehört natürlich genau zu denjenigen Prinzipien, die auch mir ganz besonders vorrangig sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zu Afghanistan lassen Sie mich sagen, dass ich vor kurzem – vor zwei Tagen – Frau Sima Samar, die Frauen-Ministerin, getroffen habe, die in Wien war. Und auch da habe ich eine Initiative vor: Ich halte es nämlich für absolut notwendig, dass Frauen mit mindestens 25 Prozent in der Loya Jirga sein sollen, und es ist für mich eigentlich selbstverständlich, dass die Frauen-Ministerin im internationalen Gremium, das die Mittelvergabe in Afghanistan koordiniert, ihren Platz hat.

Das wurde ihr bis jetzt nicht genehmigt, das ist vom Premierminister nicht vorgesehen gewesen, und ich habe daher vor, da eine Initiative aller Frauen-Außenministerinnen der Welt zu setzen, denn ich glaube, wir alle wollen eigentlich zeigen: Frauen helfen hier Frauen und unterstützen sie. (Allgemeiner Beifall.) Das sind aber wieder nur ein paar konkrete Ausformungen.

Lassen Sie mich auch erinnern an meine Arbeit in der OSZE, wo natürlich die Menschenrechte einen ganz wesentlichen Teil der Arbeit der Vorsitzenden ausgemacht haben. Ich denke da etwa an meine verschiedenen Reisen in die zentralasiatischen Länder, aber auch in den Kaukasus, wo ich jedes Mal mit einer großen Runde von NGOs zusammengetroffen bin und, soweit es möglich war, die Zivilgesellschaft angesprochen habe, weil eben dort noch ein Nachholbedarf gegeben ist.

Im Rahmen der Menschenrechtskommission in Genf – das wurde in der Debatte schon angesprochen – sind es vor allem die Themen des internationalen Minderheitenschutzes, der intern vertriebenen Personen, aber auch die Frage einer effizienten Justizverwaltung und Jugendgerichtsbarkeit, die uns besonders wichtig sind.

Im Rahmen der menschlichen Sicherheit und des Netzwerkes für menschliche Sicherheit – Sie wissen, das ist eine Gruppe von ähnlich denkenden Staaten im Rahmen der Vereinten Nationen – werde ich im Juli dieses Jahres für ein ganzes Jahr den Vorsitz übernehmen, und da habe ich die Menschenrechts-Erziehung zu meinem Fokus gemacht.

Ich glaube, wenn wir beginnen, von klein an sowohl in den Industrieländern als auch in den Entwicklungsländern dafür einzutreten, Menschenrechts-Erziehung einzuführen – in den Volksschulen, in den mittleren Schulen, aber auch auf den Universitäten –, wäre das sehr, sehr wichtig.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren: Menschenrechte sind universell und unteilbar! Den zur Beschlussfassung anstehenden Entschließungsantrag hinsichtlich des internationalen Schutzes der Menschenrechte fasse ich daher als eine Stärkung, aber auch als Bestätigung unserer seit Jahren sehr aktiven internationalen Menschenrechtspolitik auf, die auch


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anerkannt wird. Und ich möchte Ihnen sagen: Es wird auch weiterhin ein wichtiger Auftrag für mich sein, mich weiterhin für die Menschenrechte einzusetzen. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

19.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte.

19.29

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte in meinem Redebeitrag besonders auf den Punkt 5 der Entschließung eingehen, da er sich auf die Universalität, die Unteilbarkeit und die Interdependenz der Menschenrechte bezieht.

Wir erleben es im Zusammenhang mit Frauenrechten leider immer wieder, dass diese nicht als Menschenrechte anerkannt werden, dass unter dem Vorwand kultureller Traditionen oder religiöser Verpflichtungen die Menschenrechte in krasser Weise verletzt werden.

Ein Beispiel, das wir hier in diesem Haus bereits wiederholt behandelt haben, ist das der Genitalverstümmelung; ein besonders brutales Verbrechen an Frauen, mit dem wir immer wieder konfrontiert sind und wo wir auch immer wieder klar sagen, dass das eine schwere Körperverletzung ist. Dagegen muss wirklich angegangen werden. (Allgemeiner Beifall.)

Ein anderes Thema, das die Frau Ministerin schon angesprochen hat: die Steinigungen. Das ist leider etwas, was in mehreren Ländern vorkommt. Wahrscheinlich haben viele von Ihnen im Zusammenhang mit dem Besuch des iranischen Staatspräsidenten Khatami von Dissidenten und Dissidentinnen Briefe und E-Mails bekommen, in denen auf die Menschenrechtsverletzungen insbesondere gegen Frauen im Iran hingewiesen wird.

Es passieren immer wieder unbeschreibliche Dinge. Wir erhalten Nachrichten von Steinigungen. Frauen werden isoliert. Es wird ihnen verunmöglicht, normalen zwischenmenschlichen Kontakt mit Männern zu haben. Das ist leider trauriger Alltag, der allerdings viel zu wenig thematisiert wird, denn leider hält die Staatengemeinschaft die wirtschaftlichen Beziehungen für wichtiger als die Einhaltung der Menschenrechte. Das ist etwas, wogegen wir ankämpfen müssen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich muss leider auch sagen, dass auch wohlgelittene Staaten wie Saudi-Arabien in ganz eklatanter Weise gegen die Menschenrechte von Frauen verstoßen. Sie haben wahrscheinlich die grauenhaft Nachricht in den Zeitungen gelesen: Der Brand in der Mädchenschule, wo so genannte Tugendwärter verhindert haben, dass die Mädchen, die nicht verhüllt waren, aus den Flammen fliehen. – Eine ganz grauenhafte Geschichte, über die jetzt zum Glück eine Diskussion in Saudi-Arabien selbst ausgebrochen ist. Auch da denke ich, dass wir unterstützend und kritisch tätig werden müssen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte allerdings auch erwähnen, dass die Diskriminierung von Frauen sich nicht nur auf die Menschenrechte im engeren Sinn beziehen, sondern auch auf die Wirtschaft. Es gibt Gesellschaften, in denen das Erbrecht der Frauen massiv eingeschränkt ist. Sie haben Schwierigkeiten, Grund und Boden zu erwerben, und während sie einen Großteil der Arbeit leisten, gehört nur ein verschwindend kleiner Teil des Vermögens ihnen. Im Zweifel sind es die Mädchen, die keine Schulausbildung erhalten und die schon sehr früh arbeiten müssen. Es ist daher unsere Aufgabe, uns gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in manchen Ländern einzusetzen, die vor allem Frauen und Kinder betreffen. Wir müssen auch gegen den Menschenhandel und gegen jede Form von Gewalt Kindern und Frauen gegenüber ankämpfen.

Es gäbe eine ganze Reihe von Fragen, die ich ansprechen möchte, aber ich habe leider nicht mehr die Zeit dafür. Ich möchte daher nur noch einige Punkte erwähnen.


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In der Entschließung wird die höhere Dotierung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gefordert, und ich denke, dass auch die Verbesserung der Situation der Kurden eine außenpolitische Initiative wert wäre.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind wirksame Maßnahmen zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe, gegen Folter, Verschwindenlassen und politischen Mord.

Im Zusammenhang mit dem Iran habe ich bereits die Steinigungen als besonders grausame Form der Todesstrafe erwähnt, die im Übrigen ausschließlich gegen Frauen gerichtet ist. Aber auch in anderen Staaten, in Industriestaaten wie den USA, finden regelmäßig Hinrichtungen statt. Ich finde es sehr wichtig und sehr gut, dass die Europäische Union da doch immer wieder versucht, Maßnahmen zu setzen.

Frau Bundesministerin! Ich gebe Ihnen im Zusammenhang mit dem Fall in Nigeria Recht, dass da sehr behutsam, aber doch sehr konsequent vorgegangen werden muss. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich sagen, dass es eine wichtige Aufgabe für uns Parlamentarier ist, den Menschenrechten zum Durchbruch zu verhelfen. Es ist unsere Aufgabe, die Menschenrechtssituation kritisch zu beobachten, und zwar sehr wohl auch in unserer eigenen Heimat, aber auch in der ganzen Welt. Es ist unsere Aufgabe, eine Stimme für diejenigen zu sein, die sich selbst nicht helfen können. (Allgemeiner Beifall.)

19.35

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

19.35

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob das geschäftsordnungsmäßig möglich ist, aber ich würde gerne die Rede der Kollegin Hlavac eins zu eins übernehmen. Das ist aber wahrscheinlich protokollarisch nicht möglich.

Frau Kollegin Hlavac, ich möchte mich wirklich uneingeschränkt mit Ihren Ausführungen identifizieren. Sie haben da wirklich sehr schöne Worte gefunden und einen umfassenden Überblick über die dringendsten Probleme im Menschenrechtsbereich gegeben.

Nicht ganz, das heißt: überhaupt nicht identifizieren kann ich mich allerdings mit dem, was Kollege Posch hier gesagt hat. Ich finde es auch höchst unpassend, dass er diese Debatte zu einer möglicherweise durchaus interessanten Debatte des Kärntner Landtages umzufunktionieren versucht. Ich glaube, das hat hier wirklich überhaupt nichts verloren.

Ich möchte meinen Redebeitrag insbesondere der Pressefreiheit widmen. Es entspricht auch Punkt 11 der Entschließung, international für die Achtung der Pressefreiheit einzutreten. Es gibt ja da einige Entschließungsanträge. Einen Entschließungsantrag des Menschenrechtssprechers der SPÖ, Posch, haben wir ja vertagt, nämlich jenen, der den § 56 Jurisdiktionsnorm betrifft. Das ist ein altes Michalek-Vorhaben, das jetzt Justizminister Böhmdorfer umsetzt. Da geht es um den Schutz unbeteiligter Dritter vor Veröffentlichung in Medien – ich glaube, ein durchaus berechtigtes Anliegen.

Ich möchte es nicht verhehlen und es auch den Damen und Herren des Nationalrates sagen: Kollege Posch hat den Ausschuss und seinen Entschließungsantrag dazu benutzt, eine Suada, einen wirklich persönlichen Angriff gegen Justizminister Böhmdorfer zu starten. Er hat dem Justizminister vorgeworfen, dass er in seiner früheren Eigenschaft als Rechtsanwalt gegen Medien aufgetreten sei, diese verfolgt habe, und so weiter, und so fort.

Dazu war zu sagen – und ist auch heute zu sagen –, dass Justizminister Böhmdorfer mit Eifer, so wie es in der Rechtsanwaltsordnung steht, die Interessen seiner Klienten zu vertreten hatte und auch vertreten hat und man ihm daraus naturgemäß keinen Strick drehen kann.


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Aber ich finde eines doch etwas frivol, um mich vorsichtig auszudrücken: Wenn ausgerechnet Kollege Posch dem jetzigen Justizminister Böhmdorfer vorwirft (Abg. Gradwohl: "Frivol" und "vorsichtig"?!), dass dieser Medien in die Mangel nehme und auf Unterlassung klage. Ich darf daran erinnern, dass im Jahre 1995 eine Medienkampagne der "Kronen Zeitung" gegen den Kollegen Posch stattgefunden hat, über die man durchaus geteilter Meinung sein kann. Da wurde nämlich dem Kollegen Posch etwas vorgeworfen: Er war damals, 1995, äußerst gut beschäftigt. Er war nämlich nicht nur aktiver Mittelschulprofessor, sondern auch Angehöriger des Hohen Hauses, und darüber hinaus hat er auch noch die Zeit gefunden, ein Mandat im Europäischen Parlament zu bekleiden. Diese Dreifachfunktion wurde ihm vorgeworfen.

Abgeordneter Posch wurde dann mehrfach in der Zeitung abgebildet, und er hat dann etwas Unfassbares getan: Er hat versucht, die "Kronen Zeitung" in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zu stören, und er hat die "Kronen Zeitung" auf Unterlassung der Abbildung seines Bildes in der "Kronen Zeitung" geklagt. – Doch ein etwas kühnes Unterfangen, denn wir alle stehen ja doch irgendwie in der Öffentlichkeit. Er hat aber argumentiert, das sei unzulässig, die "Kronen Zeitung" dürfe sein Konterfei nicht abbilden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einem Zivilprozess ist es eigentlich immer so, dass der, der gewinnt, die Kosten bezahlt bekommt. Das heißt, einer bleibt immer auf den Kosten sitzen, einer muss immer die Kosten bezahlen. In diesem Prozess ist allerdings das Kunststück gelungen, dass sowohl der Kläger – Posch – als auch der Beklagte – "Kronen Zeitung" – die vollen Kosten bekommen haben. Das war durch eine Beschwerde der "Kronen Zeitung" beim Europäischen Gerichtshof möglich, indem die "Kronen Zeitung" diesen Prozess gewonnen hat und die Republik Österreich verurteilt wurde – ich glaube, zu Recht –, weil es unzulässig ist, einem Medium zu untersagen, das Bild eines Abgeordneten in einer Zeitung abzudrucken.

Ich werfe Kollegem Posch nicht vor, dass er sich zu wehren versucht hat, es ist sein gutes Recht, aber wenn man immer auf die anderen zeigt und sagt: Ihr klagt die "armen" Medien, die Pressefreiheit ist beeinträchtigt!, dann aber sagt: Ihr Medien, ihr dürft mein Bild im Zusammenhang mit einer Berichterstattung nicht abdrucken!, so ist das doch, wie ich meine, ein Messen mit zweierlei Maß. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mühlbachler. – Bitte.

19.40

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute schon die zweite Materie, die sehr deutlich aufzeigt, dass nationale Problemlösungskapazitäten eher eingeschränkt sind, dass eine Nation allein eine Problemlösung kaum herbeiführen kann. Heute wurde uns ja sehr deutlich vor Augen geführt, dass wir beispielsweise in der Causa Temelín immer auf Dialog ausgerichtet sein müssen, um tatsächlich etwas zu bewegen. Wir haben natürlich auch in diesem breiten Problemfeld der Menschenrechte diesen Dialog zu führen und haben uns ständig auf internationaler Ebene um Verbündete zu bemühen, um tatsächlich einen Fortschritt bei diesen Standards zu erzielen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist es ein Bedürfnis, in diesem Zusammenhang auch von den Sudetendeutschen und von den Beneš-Dekreten zu reden.

Ich empfinde es als schmerzhaft, wenn Österreich in dieser Causa Tschechien so begegnet, als würden sich zwei Feinde in einer Sache gegenüberstehen. Das kann doch nicht im Sinne einer Problemlösung sein! Ich meine, dass wir dann, wenn wir über Menschenrechte diskutieren, uns auch einmal dessen bewusst werden müssen, dass wir auf dem Weg zu einer höheren Ordnung sein müssen, die in solchen Problemfällen wie dem Fall mit den Beneš-Dekreten tatsächlich nationale und internationale Problemlösungen anbieten kann.

Ich finde, dass es traurig, ja fast beschämend ist, wenn beispielsweise den Sudetendeutschen erst durch eine massive Kampagne hier in Österreich, zum Teil auch Medienkampagne, ge


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wisse Rechte zuerkannt wurden, dass erst dadurch zuerkannt wurde, dass ihre Problemstellung auch unter die Kategorie Menschenrechtsverletzung fällt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erinnere daran, dass die Sudetendeutschen – eine Volkszählung aus dem Jahre 1921 belegt das sehr deutlich – immerhin fast 24 Prozent der damaligen tschechischen Bevölkerung ausgemacht haben, während beispielsweise die Slowaken nur 15,43 Prozent der damaligen tschechischen Bevölkerung ausgemacht haben. Für uns ist es ganz selbstverständlich, dass es heute einen unabhängigen Staat Slowakei gibt, aber auf der anderen Seite verwehren wir tatsächlich den Sudetendeutschen ihre Ansprüche, die auch jetzt noch nicht erloschen sind. Ich rede da nicht von einer Rückübertragung von Eigentum.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir als Bürgermeister ist bewusst, dass eine Rückübereignung nach 60 oder 70 Jahren in Österreich nicht funktionieren würde, wenn es um einige Quadratmeter Grund ginge. Mir ist auch bewusst, dass es dann, wenn es um mehr als 30 000 km² Grund geht, mit großen Schwierigkeiten verbunden, ja geradezu unmöglich ist, dieses Kapitel tatsächlich zur Zufriedenheit aller, zumindest jener, die damals enteignet worden sind, abzuhandeln.

Aber ich glaube eines: Es wäre nicht zu viel verlangt, wenn eingestanden werden müsste, dass den Sudetendeutschen erstens durch die Vertreibung großes Unrecht zugefügt wurde und zweitens die Enteignung ganz sicherlich auch Entschädigungen nach sich ziehen muss. Ich rede nicht von der Höhe, sondern davon, dass diese Art der Enteignung entschädigt werden muss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns in einer Wertegemeinschaft Europa finden wollen, dann müssen wir, glaube ich, in Hinkunft über derartige Probleme ohne größere Ressentiments reden können. Das erwarte ich mir. Nur: Mit den derzeitigen Instrumenten wird uns das wahrscheinlich nicht möglich sein. Daher glaube ich, dass wir – gerade das Kapitel Temelín, aber auch das Kapitel Sudetendeutsche zeigen das sehr deutlich – eine größere Ordnung brauchen, um ähnliche Problemfälle in der Zukunft tatsächlich abhandeln zu können.

In diesem Sinne hoffe ich, dass wir uns alle hier im Plenum darin einig sind, dass uns das Kapitel Sudetendeutsche in Hinkunft noch intensiv wird beschäftigen müssen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

19.46

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es ist dies eine sehr ruhige Debatte zu vorgerückter Stunde. Erlauben Sie mir, Frau Bundesministerin, vorweg zu sagen, dass uns allen in den Reihen der Grünen Ihre Ausführungen sehr gefallen haben, dass sie uns sehr beeindruckt haben, jedenfalls mich. Ich hatte den Eindruck, dass das, was Sie hier heute gesagt haben, auch wirklich das ist, was Sie empfinden oder was Ihrer Motivation entspricht, sich auch für Einzelfälle einzusetzen.

Ich darf in dieser so sachlichen und ruhigen Atmosphäre meiner Hoffnung darüber Ausdruck geben, dass Sie in Hinkunft öfters in dieser Art und Weise agieren und dass Sie so manchen Rat oder so manche Information, die gefiltert an Sie herangetragen wird, einer eigenen Überprüfung unterziehen, denn dann ist, glaube ich, das Ergebnis, wenn es so ähnlich wie heute ist, um vieles besser. (Beifall bei den Grünen.)

Die einzelnen Anträge sind im Ausschussbericht erwähnt. Ich denke, dass es viele Abgeordnete hier im Hohen Haus gibt, die sich meistens aus irgendeiner Zufälligkeit heraus – man geht beispielsweise zu einer Veranstaltung und lernt dort Leute kennen – in einer bestimmten Menschenrechtsthematik besonders engagieren und dann oft auch Dinge erfahren, von denen sie vorher nichts wussten. Ich kann das von mir jedenfalls sagen.


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Ich kann das nur bestätigen, was Sie, Frau Ministerin, über die Mühsal, in einzelnen Fällen zu versuchen, das Schicksal von Menschen zu verbessern, zu erwirken, dass sie aus Gefängnissen herauskommen, oder zu versuchen, sie vor unmenschlichen Strafen zu schützen, gesagt haben. Ich selbst habe das ein paar Mal im Zusammenhang mit Tibet beziehungsweise in der Relation Tibet – China versucht und weiß daher, wie schwierig das ist, auch wenn dieses Bemühen viele unterstützen. In einzelnen Fällen gelingt es dann doch, zum Beispiel Menschen zu helfen, aus dem Gefängnis herauszukommen. Aber es ist dann in aller Regel auch notwendig, das nicht an die große Glocke zu hängen, weil es für den nächsten Fall schädlich sein könnte. Doch ich habe nicht vor, Ihnen, Frau Ministerin, da gute Ratschläge zu geben.

Ich glaube, dass uns allen der nigerianische Fall der drohenden Steinigung, noch dazu verbunden mit der Geburt eines Kindes, wirklich sehr nahe gegangen ist. Ich vertraue und hoffe, dass Sie wirklich alles, was in Ihrer Macht steht, tun werden, um doch ein Einlenken der Behörden zu erreichen. Vielleicht gibt es auch die Möglichkeit, irgendwelche Junktims oder eine nicht auf Konfrontation ausgerichtete EU-Delegation zu bilden, die sich dafür einsetzt. Auf jeden Fall haben Sie, denke ich, unser aller guten Wünsche dabei. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Abschließend möchte ich sagen: Den Meisten von uns – jedenfalls ist es mir so ergangen – ergeht es doch so, dass man erst durch den Kontakt mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis erfährt, was in ihrem Heimatland wirklich los ist, wie es dort um die Menschenrechte bestellt ist, welche Probleme es dort gibt und wie sich vielleicht dort historisch Schwierigkeiten angehäuft haben, die man durch Zurufe von außen nicht so einfach beseitigen kann. Dieses Wissen zumindest ein bisschen weiterzuverbreiten, wäre, meine ich, wichtig.

Ich würde mir beispielsweise wünschen, dass über die Berichte der großen Menschenrechtsorganisationen, etwa von "amnesty international", auch an den Schulen gesprochen und diskutiert werden würde, um auch ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Ich würde mir selbstverständlich auch wünschen, dass alle öffentlichen Dienststellen – vor allem natürlich jene, die mit Asylangelegenheiten, mit Fremdenangelegenheiten befasst sind – besser darüber informiert sind, wie die Situation, wie die Mentalität in Ländern, in denen es große Menschenrechtsprobleme gibt, ist, wie es dort um die Einhaltung der Menschenrechte bestellt ist.

Vielleicht würde das auch so manche Spannungen, die sich dann in einzelnen Fällen negativ auswirken, wo dann die Situation unterschiedlich beurteilt wird, vermeiden helfen. Vielleicht könnten wir auch innenpolitisch einen Beitrag dazu leisten, indem wir in Zukunft bei derartigen Fällen wirklich an einem Strang ziehen. Ich denke, im Sinne der Sache der Menschenrechte wäre das allemal. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prähauser. – Bitte.

19.52

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich freue mich sehr darüber, dass es zu einem Vier-Parteien-Antrag gekommen ist, und ich glaube, dass ein Kompromiss allemal besser ist als ein Beschluss ohne den Einfluss sozialdemokratischer Überlegungen.

In den Anträgen wird festgehalten, dass im Zuge der EU-Erweiterung besonderes Augenmerk auf menschenrechtsrelevante Punkte der Kopenhagener Kriterien zu richten ist. In meinen Augen besonders erfreulich ist, dass sich Österreich für die Menschen- und Minderheitenrechte in Osteuropa und auf dem Balkan besonders einsetzt.

Die Rechte der Menschen dieser Region, die uns geographisch sehr nahe liegt, müssen uns besonders am Herzen liegen.

Der heutige Gesetzesbeschluss wird eine Verbesserung – und das ist ein wesentlicher Punkt – der derzeit schlechten finanziellen Situation des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bringen. Das ist deshalb so wichtig, weil sich dieser selbst zur raschen Erledigung der Verfah


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ren verpflichtet hat, das aber oft aus Geldmangel nicht tun kann. Die Bundesregierung ist da zu besonders umgehendem Handeln aufgerufen.

Es ist auch gelungen, die Bundesregierung zu aktiverem Handeln bei der Formulierung und der Umsetzung internationaler Abkommen und Beschlüsse zu verpflichten. Auch muss sich Österreich nun besonders um den Ausbau der Kontrolle bei solchen umgesetzten Abkommen kümmern, was uns angesichts der schwierigen Situation der Menschenrechte weltweit ein besonderes Anliegen ist. Wir werden die Arbeit der Bundesregierung jedenfalls genau beobachten und darauf achten, dass die Bekenntnisse, sich auf internationaler Ebene besonders um die Menschenrechte zu kümmern, auch ernst genommen werden.

Meine Damen und Herren! Der neue Präsident des Europarates Peter Schieder hat vor kurzem ein ambitioniertes Arbeitsprogramm zum Thema Menschenrechte vorgelegt. Wichtig ist uns, dass die österreichischen Organe mit dem Europarat und Peter Schieder gut zusammenarbeiten und konkrete Fortschritte erreichen. Es müssen die Bekenntnisse, die heute zur Debatte stehen, in konkrete Handlungen umgesetzt werden.

Es ist nicht so, dass sich die österreichische Bundesregierung zurücklehnen kann und nur bei internationalen Gesprächen – sei es auf bilateraler oder auf multilateraler Ebene – eine besonders aktive Menschenrechtspolitik betreiben soll. Nein: Vielmehr muss auch in Österreich darauf hingearbeitet werden, dass die Menschenrechte eingehalten werden. Ein Schritt dazu ist in Österreich die Abschaffung des diskriminierenden § 209 StGB.

Die im Bericht des Ausschusses konkret erwähnten Menschenrechtsverletzungen, zum Beispiel in China und in Tibet beziehungsweise in der Türkei, sollen nicht dazu dienen, Stimmung gegen einzelne Staaten zu machen, sondern es muss uns darum gehen, dort für die Zukunft eine bessere Situation zu erreichen. Deshalb fordern wir Hilfe für den Wiederaufbau in den türkischen Bürgerkriegsgebieten und konkrete Schritte zur Verbesserung der Situation in Tibet.

Meine Damen und Herren! Konflikte in den einzelnen Staaten liegen oft Jahrzehnte zurück, wie etwa die Vorfälle im Zusammenhang mit den Armeniern in der Türkei vor 85 Jahren, die bis heute nicht aufgearbeitet wurden. Das ist für uns unbegreiflich. Wir finden das sehr, sehr schade! Wir wollen, dass die türkischen Archive geöffnet werden, damit die unabhängige Wissenschaft diese Vorfälle von vor über 85 Jahren genau erforschen kann. Vor diesem Hintergrund müssen wir die Arbeit der Türkisch-Armenischen Versöhnungskommission, die 2001 gegründet wurde, unterstützen.

Meine Damen und Herren! Sklaverei gibt es beinahe in allen Staaten der Erde. Ich denke da zum Beispiel an den Handel mit Frauen und Kindern und an Ähnliches mehr. Folter und Todesstrafe gibt es leider immer noch in sehr vielen Staaten dieser Erde. Mit Beschluss der heutigen Anträge in Form des Berichts verpflichten sich Österreich und die Bundesregierung, in allen internationalen Gesprächen auf die Abschaffung dieser Gräuel hinzuwirken und dagegen aktiv zu werden.

Da Österreich, wie wir heute gehört haben, mit großer Mehrheit und mit Vorschusslorbeeren in die Menschrechtskommission gewählt wurde, sollte es unser gemeinsames Ziel sein, die Abschaffung der Todesstrafe weltweit zu forcieren. Im Lichte dessen, was wir heute aus Nigeria gehört haben, sollten wir das geradezu mit Vehemenz betreiben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Der Fall der nigerianischen Frau, den die Frau Ministerin hier heute geschildert hat, ist für uns unbegreiflich. Es darf aber nicht so sein, dass wir uns da aus irgendwelchen gutgläubigen Überlegungen in Hoffnung wiegen, zumal wir wissen, dass die Rechtsprechung der Scharia so ist, dass es ein besonders "humanitärer" Ansatz ist, die Todesstrafe so lange auszusetzen, bis das Kind abgestillt, bis das Kind der Mutterbrust entwöhnt wurde. Das ist meiner Meinung nach blanker Zynismus und hat mit Menschenrechten überhaupt nichts zu tun und kann auch nicht mit religiöser Überzeugung verteidigt werden! Ich


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glaube, da sind wir besonders gefordert, tätig zu werden, um für die Zukunft derlei Gräuel zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir alle wissen, meine Damen und Herren, dass Fehlurteile auch in anderen Ländern zu Todesurteilen, zu Vollstreckungen geführt haben – und man hatte dann im Nachhinein nicht mehr den Mut, es zuzugeben. Es sind natürlich auch alle anderen Staaten, in denen es noch die Todesstrafe gibt, aufgerufen, in sich zu gehen und diese unselige Art der Bestrafung endlich zu beseitigen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte.

19.58

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Viel Redezeit ist mir nicht mehr verblieben, daher nur ein paar kurze Bemerkungen. Es wurde auch schon die Problematik der Sudetendeutschen angesprochen, die im Rahmen einer Petition behandelt worden ist. Die Sudetendeutschen sind ja Vertreibungsopfer schlechthin. In diesem Zusammenhang, Frau Bundesministerin, verweise ich auf ein Interview mit dem Botschafter Tschechiens in Österreich, Jiri Gruša, das im "Kurier" von heute veröffentlicht wurde.

Für seine Worte bin ich dem Botschafter Tschechiens in Wirklichkeit in zweifacher Hinsicht dankbar, wobei das Wort "dankbar" unter Anführungszeichen zu setzen ist: erstens deswegen, weil Botschafter Gruša in diesem Interview unumwunden zugibt, dass es in Bezug auf Enteignungsdekrete in Verfahren in der Tschechischen Republik nach wie vor eine Judikatur gibt, also dass in dieser Hinsicht judiziert wird. Er sagt wörtlich: "Es gibt Verfahren in der ersten Instanz."

Botschafter Gruša, ein namhafter Repräsentant der Tschechischen Republik, gibt mit diesen Worten einer österreichischen Tageszeitung gegenüber zu, dass die Beneš-Dekrete nicht totes Unrecht sind, wie ja immer wieder behauptet wird. Damit erweist sich der Standpunkt, den die Freiheitliche Partei in dieser Frage immer eingenommen hat, als wahr. Daher muss man auch dies zum Anlass nehmen, die Position, die die Bundesregierung in dieser Hinsicht einnimmt, zu adaptieren. – Das nur zur Information.

Es wird in diesem Interview mit einem "Wissen" in einer Art und Weise aufgewartet, die eines Botschafters unwürdig ist. Botschafter Gruša besitzt offensichtlich kein Völkerrechtsverständnis und verfügt auch über keine Grundkenntnisse im Völkerrecht, wenn er auf die Frage, ob es sich um Eigentumsansprüche beziehungsweise Enteignung von Privatvermögen handelt, folgende Antwort gibt – ich zitiere den wesentlichen Kernsatz –:

"Wenn Sie einen Krieg führen und bedingungslos kapitulieren, sind Ihre" – damit sind die Sudetendeutschen gemeint – "Ansprüche dahin." – Das heißt, sie sind sie mehr oder weniger los.

Frau Bundesminister! Es gibt unendlich viel völkerrechtliche Literatur. So gibt es zum Beispiel die Haager Landkriegsordnung, in deren Artikel 46 die Unverletzlichkeit des Privateigentums festgeschrieben ist – das ist völkerrechtlich verbindlich – und in deren Artikel 47 explizit steht, dass das Privateigentum im Kriegsfall und im Kapitulationsfall nicht eingezogen werden darf.

Darüber hinaus wird in der Haager Landkriegsordnung festgehalten, dass Privateigentum weder geplündert noch zerstört werden darf und – das ist auch entscheidend! – dass Zivilpersonen aus dem besetzten Gebiet weder verschleppt noch umgesiedelt werden dürfen. – Das ist geltendes Völkerrecht!

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie die Republik Österreich mit einem Botschafter, der im Ausland mit Sachunkenntnis an die Öffentlichkeit geht, verfahren würde, ich weiß nicht, wie Sie, Frau Bundesministerin, da verfahren würden. Ich halte es für schlichtweg naiv, wenn ein namhafter Repräsentant eines Staates, in diesem Fall ein Botschafter, so agiert. Wie kann


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man in einem Land wie Österreich derartigen Nonsens von sich geben? Es kann sein, dass er es in Unkenntnis tat – das kann aber auch schon gefährlich sein.

Im Wesentlichen ist es wichtig, glaube ich, dieses Interview entsprechend zu beachten. Es war notwendig, und daher muss man dafür auch dankbar sein. Ich hoffe, dass Sie, Frau Bundesminister, mit Herrn Botschafter Gruša in diesem Punkt ein Gespräch führen werden und ihn auch auf die völkerrechtlich verbindlichen Normen hinweisen werden. Vielleicht können Sie ihm so zu einem Überdenken seines Standpunktes bewegen.

Es scheint tatsächlich so zu sein, dass die Repräsentanten Tschechiens – in diesem Fall ein Botschafter – im Inland sowie im Ausland eine Denkweise in Bezug auf die menschenverachtenden Beneš-Dekrete beziehungsweise Vertreibungsdekrete, die ja, wie wir alle mittlerweile im Konsens festgestellt haben, Menschenrechtsverletzungen darstellen, an den Tag legen, die nicht mehr zeitgemäß ist. Daran, das zu ändern, müssen wir arbeiten, und ich bitte Sie, Frau Bundesminister, weiterhin in diese Richtung tätig zu sein. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte.

20.02

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es ist schon viel zu dem "parlamentarischen Kind" Menschenrechtsausschuss gesagt worden. Einmal musste der Anfang gemacht werden, und das ist gut so. Ich denke, die dort gemachte Lernerfahrung – Lernen ist für mich immer positiv konnotiert – beweist, dass es gut war, Ausdauer zu entwickeln.

Es musste etwa erst geortet werden, was für einen nationalen Menschenrechtsausschuss die geeignete, passende, zutreffende Materie ist, und es musste zwischen Verfassungsausschuss, Außenpolitischem Ausschuss und Justizausschuss entschieden und unterschieden werden. Es musste der Antrag betreffend Menschenrechtsverletzungen in Tibet neben jenem betreffend Menschenrechtsverletzungen im Irak und jenem betreffend Menschenrechte auch für Sudetendeutsche und so weiter behandelt werden, und zwar nicht, indem diese Anliegen hintereinander bewertet werden, sondern in Abwägung der Frage, wie diese Materien zueinander in Abstimmung gebracht werden können, und es musste die Frage erörtert werden, wie ein nationaler Ausschuss im Menschenrechtsbereich überhaupt etwas erreichen kann.

Nach vielen Stunden gelang es doch – das ist schon erwähnt worden –, einen Vier-Parteien-Antrag auf den Tisch zu legen, und ich freue mich sehr darüber, weil ich manchmal schon nicht mehr daran geglaubt habe, dass wir das zustande bringen. Ich lasse mich gerne in solch einem Fall eines Besseren belehren.

Ich habe aus dieser Sache auch gelernt, dass Menschenrechtspolitik so sensibel wie kaum eine andere Politik vorgehen muss, dass nationale Anstrengungen immer nur im Einklang mit internationalen Bewegungen und Initiativen Erfolg haben, dass diese auf diplomatischer und NGO-Ebene unternommen werden müssen. Die Frau Außenministerin hat heute den tragischen Fall der jungen nigerianischen Frau geschildert und überzeugend dargelegt, wie sensibel, aber gleichzeitig hartnäckig in solchen Fällen vorgegangen werden muss.

In diesem Zusammenhang habe ich assoziiert, dass wir eigentlich am Projekt "Weltethos" weiterarbeiten sollten. Ich meine, dass vieles als ideologischer Dogmatismus bei der Tür hereinkommt, vieles, was religiös verbrämt ist. Es sind daher sehr viel mehr Rationalität, sehr viel mehr Aufklärung und sehr viel mehr wissenschaftliche Zusammenarbeit notwendig, um Verhältnisse zu klären.

In diesem Menschenrechtsausschuss habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass es gilt, eine feine Balance zwischen Überparteilichkeit und Parteinahme beziehungsweise Parteilichkeit in einer Sache, die notwendigerweise Betroffenheit zur Folge hat, zu finden und trotzdem dabei Distanz zu wahren, objektiv vorzugehen und klaren Verstand walten zu lassen.


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In dieser Hinsicht stehen wir, glaube ich, noch vor vielen Herausforderungen, nämlich dort, wo es gilt, historisch, kulturell und soziologisch Bedingtes und ungleich Gewordenes eben nicht gleich zu behandeln, ohne aber wieder gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen.

Auch ich war ein wenig irritiert, als ich das Interview mit Botschafter Gruša, das im "Kurier" von heute veröffentlicht wurde, gelesen habe. Es hat der sonst als besonnen geltende Wissenschaftler darin Dinge ignoriert, und ich meine, dass das, was da in einem verknappten Interview ausgesprochen wurde, nicht unbedingt als Standpunkt Tschechiens gelten muss, als Standpunkt, der unrevidierbar für alle Zeiten gilt.

Es hat zum Thema Vertreibung der Sudetendeutschen und Beneš-Dekrete der Völkerrechtler Professor Rotter vor kurzem im "Kurier" meiner Meinung nach sehr eindrucksvoll Stellung bezogen. Er hat dabei auch mich an einen Platz verwiesen, wo ich eingestehen muss, dass ich in Geschichte nicht wirklich gut bin. Er hat aufgezeigt, wie sehr die Beneš-Dekrete mit den Münchner Verträgen von 1938 und mit Saint Germain zusammenhängen, wie sehr da eine Verkettung von Ungerechtigkeiten und individuellen und nationalen Beleidigungen zu einer nicht nachvollziehbaren Entscheidung geführt hat.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Bundesministerin! Ich würde sagen: Wenn das Recht, gemeint sind die Beneš-Dekrete, noch nicht ganz tot ist, töten wir es und begraben wir es endlich – ich hoffe, dass diese Metapher gestattet ist – und widmen wir uns auch – das ist eine Anregung, die ich an die Universitäten weitergeben möchte, was ich hoffentlich auch mit Unterstützung des Hohen Hauses tun darf – der gemeinsamen historischen Aufarbeitung in interdisziplinären und internationalen Projekten.

Machen wir ein Symposium – angeregt durch den Menschenrechtsausschuss –, und überlegen wir, wie wir mehr Klarheit und mehr Wahrheit in diese Sache bringen können. Als Kind einer sudetendeutschen Familie weiß ich, dass Parteilichkeit manchmal den Blick vernebelt und dass man daher auch sehr stark mit dem Auge des anderen sehen und mit den Gedanken des anderen überlegen muss, um relativ objektiv zu sehen. Ein wichtiges Wort am richtigen Ort kann mehr Wunder wirken als revanchistische Ansprüche auf Grund, Geld und Eigentum. – In diesem Sinne danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der Grünen.)

20.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. – Bitte.

20.07

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte zur Petition Nummer 16 Stellung nehmen, mich also mit der Situation der Sudetendeutschen und mit den Beneš-Dekreten beschäftigen. In den letzten Wochen waren ja die Medien voll von Meldungen darüber. Ich glaube, dass es ganz gut war, dass eine breite Öffentlichkeit mit diesem Problem konfrontiert wurde. Mit jeder Meldung kann man eigentlich – auch mir geht es so wie meiner Vorrednerin – geschichtlich etwas dazulernen.

"Dass die Beneš-Dekrete heute noch immer (partei-)politisch benutzt werden können, liegt ebenso an dem verzwickten historischen Verhältnis zwischen Wien und Prag wie an der zwiespältigen Beziehung Österreichs zu seiner jüngeren Vergangenheit." – Mit diesem Satz leitet Josef Kirchengast einen Artikel im "Standard" vom 24. Jänner zum Reizwort "Beneš-Dekrete" und zum Thema "Die Tücken der Geschichte" ein. Ich glaube, dass dieser Satz sehr viel aussagt.

Lassen Sie mich aber trotzdem auch ein paar grundsätzliche Feststellungen zu diesem Problem treffen.

Die ČSR-Behörden haben nach Kriegsende mit Zustimmung und Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung das Eigentum von Millionen Menschen beschlagnahmt, bevor diese aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Das ist eine Tatsache, und es ist schwierig, das anders als “


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ethnische Säuberung auf Grundlage einer Kollektivschuld” zu bezeichnen. Man kann die Umstände, unter welchen das geschah, nicht außer Acht lassen. Die deutsche Minderheit hat gegen Ende der dreißiger Jahre zur Zerschlagung der ČSR beigetragen, und die Nazis bereiteten den Bewohnern des damaligen Protektorates Böhmen und Mähren großes Leiden.

Den Hass auf die Deutschen und das Streben nach Vergeltung für vorheriges Unrecht kann man psychologisch begreifen. Begreifen, meine Damen und Herren, bedeutet aber nicht rechtfertigen. Ich glaube, das sollten wir ganz deutlich betonen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Vertreibung von über 3 Millionen Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg ist, auch wenn seither mehr als fünf Jahrzehnte vergangen sind, nicht entschuldbar!

Ich möchte auch hiezu noch einmal ganz deutlich die Position der SPÖ in Erinnerung rufen, weil diesbezüglich immer wieder zum Teil sehr zwiespältige Aussagen getätigt werden: Die SPÖ hat in einem Positionspapier zum Thema "Unsere gemeinsame Zukunft" im März vergangenen Jahres sehr deutlich zu diesen Fragen Stellung genommen. Darin heißt es unter anderem:

"Die SPÖ weiß aus der Entwicklung in der Republik Österreich, dass Geschichte nur bewältigt werden kann, wenn man sich mit ihr offen, vorurteilsfrei und selbstkritisch auseinandersetzt." (Beifall bei der SPÖ.)

Und weiters: "Diese Auseinandersetzung ist in der Tschechischen Republik, in der Slowakei und in Slowenien in gleichem Umfang noch zu leisten wie in den Reihen der vertriebenen deutschsprachigen Volksgruppen. Die SPÖ wird ihr Möglichstes tun, um einen solchen Prozess in Gang zu bringen ..." – So das Positionspapier.

Ich möchte noch einmal klar zum Ausdruck bringen, dass die im Zuge der Vertreibung der deutschsprachigen Minderheiten aus Österreichs Nachbarstaaten begangenen Übergriffe und Verbrechen in diesem Positionspapier eindeutig und klar verurteilt werden. Wörtlich heißt es:

"Vertreibung und ,ethnische Säuberung‘ konnte und kann von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht als Mittel der Politik hingenommen werden." "Die Vertreibung deutschsprachiger Volksgruppen aus Gebieten, die ihnen Jahrhunderte lang Heimat waren, war ein schweres Unrecht; ..."

Gleichzeitig wird aber auch betont, dass diese Entwicklung nicht losgelöst von den vorherigen Verbrechen des Naziregimes in diesen Ländern gesehen werden kann.

Meine Damen und Herren! Der Wiener Weihbischof Schwarz, selbst ein Heimatvertriebener, empfiehlt "um der Wahrheit willen", wie er sagt, "eine klare Distanzierung Tschechiens von den Beneš-Dekreten". Als Christ, meint er, sollte man allerdings stets bereit sein zum Verzeihen und zu einem Neubeginn.

Meine Damen und Herren! Im Sinne eines solchen Neubeginns wurde im November des vorigen Jahres vom Außenministerium ein Versuch gestartet, im Rahmen einer Konferenz auf Schloss Stirin in der Nähe von Prag auf diplomatischen Wege Möglichkeiten zu suchen. Ich war von dieser Konferenz sehr beeindruckt und eigentlich sehr optimistisch.

Aber was ist dann passiert? – Der tschechische Premier Miloš Zeman hat vor kurzem die hoch entwickelte Fähigkeit, sich als Elefant im Porzellanladen zu benehmen, unter Beweis gestellt, als er die Sudetendeutschen als Landesverräter und als "Hitlers fünfte Kolonne" bezeichnete. Im Gegenzug wiesen die Äußerungen des Kärntner Landeshauptmannes auf ein tieferes Problem als die Ungeschicklichkeit zweier Politiker hin. Diese Worte waren nur das Gießen von Öl ins Feuer, das niemals zu glimmen aufgehört hat.

Als Österreich der EU beigetreten ist, sah man in dem neuen Mitgliedsland in der Union einen wesentlichen Mentor und Brückenbauer für die weiteren Beitrittsländer. Die ungeschickte Außenpolitik und die verbalen Ausritte haben diese Erwartung anderer Mitgliedsländer zunichte gemacht!


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Der Prager Politologe Bohumil Dolezal ist überzeugt davon, dass sich Tschechien mit seinen Schattenseiten auseinander setzen muss. Kürzlich sagte er in einem "profil"-Interview:

"Besser wäre es aber, wenn dies nicht unter Druck geschieht, sonst entsteht ein Gefühl der Vergewaltigung."

Ich möchte abschließend Vaclav Klaus zitieren. Der tschechische Oppositionspolitiker hat nach einem Österreich-Urlaub gemeint, sein Land unterschätze das Thema Beneš-Dekrete. So schreiben die "Oberösterreichischen Nachrichten" am 25. Februar:

"Bei seinem Ski-Urlaub in Österreich habe er gesehen, dass in den österreichischen Zeitungen die Benes-Dekrete stark präsent seien. ,Ein von uns unterschätztes Thema, womit wir einen großen Fehler begehen‘, ..."

Ja, meine Damen und Herren: Fehler einzugestehen ist ehrenhaft. Fehler bewusst zu begehen, endet meist in einer Katastrophe. Tragen wir gemeinsam dazu bei, dies zu verhindern! (Beifall bei der SPÖ.)

20.15

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. – Bitte.

20.15

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist erfreulich, dass wir im Hohen Haus eine so große Übereinstimmung in Menschenrechtsfragen erreichen können. Das ist nicht überall in Europa so. Ich erinnere daran, dass wir erst unlängst sehr merkwürdige Aussagen gehört haben, und ich erinnere auch daran, dass der tschechische Premier Zeman neulich der israelischen Regierung geraten hat, die Palästinenser ähnlich zu behandeln wie die Tschechen das 1945 und 1946 mit den Sudetendeutschen taten. Gemeint war damit die blutige Vertreibung und auch die Ausrottung dieser sudetendeutschen Minderheit auf Grund der berüchtigten Beneš-Dekrete.

Es war meiner Ansicht nach ein sehr unverhohlener Aufruf Zemans zum Völkermord, der in vielen europäischen Staaten mit einer erstaunlichen, um nicht zu sagen, entlarvenden Gelassenheit zur Kenntnis genommen worden ist. Und ein Politiker der tschechischen Bürgerpartei, nämlich Jan Zahradil, der in Prag schon als künftiger Außenminister gehandelt wird, hat sogar allen Ernstes vorgeschlagen, dem Erfinder der Vertreibung und der Ermordung, nämlich Beneš, posthum den Masaryk-Orden – das ist der höchste tschechische Orden – zu verleihen.

Es ist, so meine ich, unglaublich, dass ein europäischer Staat, ein Nachbarstaat mit solchen Politikern und solchen rassistischen Gesetzen in die Europäische Union eintreten will und auch noch glaubt oder zu glauben scheint, das ungehindert tun zu können.

Meine Damen und Herren! Ich meine, der österreichische Nationalrat sollte Tschechien ganz deutlich sagen: Die Europäische Union versteht sich als Wertegemeinschaft. Wer sich dazu nicht bekennt, wer die Kopenhagener Kriterien in Menschenrechtsfragen nicht beachtet, der hat in dieser europäischen Staatengemeinschaft wohl nichts verloren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ebenso deutlich müssen wir diese Botschaft an die Slowakei und an Slowenien, wo die AVNOJ-Gesetze noch immer nachwirken, richten.

Es ist das große Verdienst der "Kronen Zeitung", in einer sehr umfassenden Serie auf diesen tabuisierten Bereich unserer Geschichte hingewiesen zu haben. Sie hat dadurch auch viele Versäumnisse des derzeitigen Geschichtsunterrichtes etwas ausgeglichen.

Es ist auch dem ORF zu danken, dass er über die Flucht und Vertreibung der so genannten Volksdeutschen berichtet hat und ganz eindrucksvolle Bilddokumente, aber auch Filmdokumente ausgestrahlt hat. Dadurch wurde einer breiten Öffentlichkeit, vor allem den Jüngeren in


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diesem Land, erstmals vor Augen geführt, dass Vergangenheitsbewältigung nicht selektiv nur aus einem einzigen Blickwinkel betrieben werden darf.

Ich möchte noch etwas sehr Wesentliches anmerken: Eine bloße Obsoleterklärung der so genannten Beneš-Dekrete durch Tschechien oder der AVNOJ-Beschlüsse in Slowenien reicht den Heimatvertriebenen, die schon seit Jahrzehnten in Österreich leben, durchaus nicht aus. Die Staaten, die die Beneš-Dekrete noch immer in ihrem Rechtsbestand haben, können sich aus ihrer Verantwortung gegenüber den Opfern nicht so einfach und billig davonstehlen, meine Damen und Herren! Das Scheinargument, das da immer ins Treffen geführt wird, die Konferenz von Potsdam habe das alles geregelt, suggeriert einen durchaus falschen Eindruck.

Ich möchte deshalb ausdrücklich das Tätigwerden des Europäischen Parlamentes in dieser wichtigen Menschenrechtsfrage begrüßen. Sie alle wissen, dass zurzeit geprüft wird, ob die Beneš-Dekrete für Tschechien und die Slowakei zum Stolperstein auf dem Weg in die Europäische Union werden könnten. Wir Österreicher sollten deutlich signalisieren, dass wir auch in dieser Frage mit aller Kraft nachdrücklich für die Menschenrechte eintreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.

20.19

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Es ist eigentlich ein erfreulicher Augenblick, wenn wir heute feststellen können, dass es uns gelungen ist, einen Vier-Parteien-Konsens zu finden. Es ist für viele eigentlich nicht verständlich, dass eine Materie wie die der Menschenrechte, die so selbstverständlich sind, so schwierig zu handhaben war, dass wir Monate brauchten, um zu diesem Ergebnis zu gelangen.

Der gemeinsame Antrag aller vier Parteien betreffend den internationalen Schutz der Menschenrechte ist sehr wichtig, und ich freue mich darüber, dass es in dieser Frage zwischen den Fraktionen zu einer Einigung gekommen ist. Menschenrechte sind Grundwerte des Menschen, und daher muss Menschenrechtspolitik über jeder Parteipolitik stehen. Das hat das Hohe Haus, der Ausschuss bewiesen, und auf diesen Grundkonsens kann man meiner Meinung nach eine sehr sinnvolle Menschenrechtspolitik aufbauen.

Hohes Haus! In der zunehmend vernetzten Welt mit einer sehr hohen Informationsgeschwindigkeit ist es sehr viel leichter als früher, den anderen zu beobachten und tatsächliche Ereignisse zu verfolgen. Daher reicht es nicht mehr aus, dass sich Menschenrechtspolitik auf bloße Absichtserklärungen beschränkt, sondern Menschenrechtspolitik kann nachvollzogen werden, Menschenrechtspolitik ist Realpolitik.

Dass der sorgfältige und verantwortungsvolle Umgang mit den Menschenrechten keine Selbstverständlichkeit ist, zeigen uns Beispiele aus vielen Ländern – wir haben in den Debattenbeiträgen schon vieles gehört –, auch aus unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Vor wenigen Jahren hat es im ehemaligen Jugoslawien zwei Kriege gegeben, bei denen wir sehr deutlich sehen konnten, wie schnell die Würde des einzelnen Menschen an Bedeutung verliert. Daher ist es Aufgabe jedes einzelnen Staates, sehr hellhörig zu sein, hellhörig nicht nur im eigenen Land, sondern auch dort, wo offensichtlich die Kontrollmechanismen für Demokratie, für Menschenrechte, für den Schutz der Bürger nicht so stark oder überhaupt nicht ausgeprägt sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Staatliche Souveränität ist Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Das ist ein sehr hoher Wert. Aber das Menschenrecht als überstaatliches und vorstaatliches Recht darf nicht zum Gegenstand der Disposition staatlicher Souveränität werden.

Die Menschenrechte müssen über dem Wert staatlicher Souveränität stehen. Das ist eine der wichtigsten Konsequenzen aus den Schrecken des 20. Jahrhunderts. Und wenigstens in Europa muss gelten, dass die Menschenrechte unteilbar sind.


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Das österreichische Engagement in der Menschenrechtspolitik zeigt, dass auch ein verhältnismäßig kleines Land einen großen Beitrag leisten kann. Dafür ist auch den vielen Organisationen zu danken, die tagtäglich eine mahnende Stimme erheben, dort, wo die Opfer nicht für sich selbst sprechen können.

Dank möchte ich von dieser Stelle aus aber auch der Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten aussprechen. Sie zeigt Engagement und großen persönlichen Einsatz, auch dann, wenn es nicht angenehm ist. Ein herzliches Dankeschön, Frau Minister! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Mit dem Einsatz für die Menschenrechte kann nichts verdient werden. Menschenrechte sind eine Frage der Grundeinstellung zum menschlichen Leben. Die Republik Österreich bekennt sich dazu, sei es zum Beispiel bei den Volksgruppen und den Minderheiten im eigenen Land, sei es bei unserer internationalen Arbeit in der Europäischen Union, bei den Vereinten Nationen, bei der OSCE oder im Europarat. Wir setzen heute, geschätzte Damen und Herren, ein wichtiges Zeichen, gemeinsam für Toleranz und für den Dialog auch in der Zukunft zu arbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

20.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Jäger. – Bitte.

20.24

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, gerade in Zeiten der Globalisierung sind der Einsatz und das Engagement für die Einhaltung der Menschenrechte von ganz eminenter Bedeutung. Als Entwicklungspolitikerin verstehe ich aber als erstes und wichtigstes Menschenrecht das Recht auf Nahrung. Laut UN-Menschenrechtskommission sind im vorigen Jahr 36 Millionen Menschen an Hunger oder an Seuchen, entstanden durch Hunger, gestorben.

All das entsteht durch ein ungerechtes Weltwirtschaftssystem. Wir haben uns die Halbierung der Armut bis zum Jahr 2015 vorgenommen. Ich freue mich, dass bei der Konferenz in Monterrey diesbezüglich doch schon einige Fortschritte erzielt worden sind, und ich hoffe auch auf die Umsetzung der entsprechenden Beschlüsse nächstes Jahr hier in Österreich.

Sehr geehrte Damen und Herren! Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden können sich nur dort behaupten, wo Menschen globale Prozesse demokratisch gestalten können, wo politische Gegner nicht im Gefängnis landen, wo politische Gegner nicht der Folter ausgesetzt sind und die Todesstrafe fürchten müssen, wo Gewerkschaften zugelassen werden, wo Minderheitenrechte zugelassen werden und wo Frauen gleichberechtigt mitarbeiten können.

Ich bedanke mich auch dafür, Frau Bundesministerin, dass Sie sich für diesen schrecklichen Fall in Nigeria eingesetzt haben – was natürlich heute auch möglich ist: Die technische Entwicklung ermöglicht es, dass wir sehr rasch Informationen bekommen, wenn Menschenrechte massiv verletzt werden, und sie ermöglicht es uns damit auch, rasch darauf zu reagieren.

Ich denke, es muss einfach eine Debatte auch darüber stattfinden, wie die Demokratiedefizite im internationalen Bereich überwunden werden können (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen), wie das Verhältnis zwischen Wirtschaft, Finanzwelt und den einzelnen Staaten verbessert werden kann. Deshalb ist die Gestaltung der Globalisierung ebenso eine Grundfrage demokratischer Politik wie die Schlüsselfrage zukunftsfähiger Politik.

Es wurde ja bereits von mehreren KollegInnen angesprochen, dass es, insbesondere was die Rechte der Frauen betrifft, einen weltweiten Konsens gibt. Es gibt eine Menge von UN-Beschlüssen, dass die Gleichberechtigung der Frauen endlich durchgesetzt werden muss. Hier kann es keine Relativierung geben, keinen Verweis auf kulturelle Traditionen oder gesellschaftliche Praxis. Das gilt für die Frage der Beschneidung ebenso wie für die Frage der Steinigung, der unmenschlichen Behandlung von Frauen in islamischen Ländern – ohne Zweifel gibt es hier auch etliche Defizite in islamischen Staaten.


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Ich denke, das ist keine Frage der Religion, sondern es ist eine Frage der Führung dieser Staaten, und es geht dabei auch um die Frage: Wie treten wir diesen Staaten gegenüber auf? Ich glaube, auch der Staatsbesuch von Präsident Khatami aus dem Iran hat gezeigt, dass es heute darum geht, den Dialog zu fördern, statt mit pauschalen Verurteilungen den islamischen Kräften in die Hände zu spielen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. )

Es geht heute einfach darum, Öffnungsprozesse zu fördern, und es geht auch darum – ich habe hier eine Pressemitteilung von amnesty international zu diesem Thema –, dass wir auch nicht hereinfallen dürfen, dass es keine Doppelmoral in Bezug auf die Menschenrechte geben darf. So ist etwa Saudi-Arabien einerseits ein Land, dem sich die USA zutiefst verbunden fühlen, und andererseits werden laut einem neuen Bericht auch in Saudi-Arabien Menschen gefoltert und ohne Anklage in Isolationshaft gehalten. Amnesty international klagt in diesem Zusammenhang eben ein, dass es nicht zweierlei Maß geben darf, dass an Länder, die gegenwärtig zu Verbündeten einzelner Staaten zählen, das gleiche Maß angelegt werden muss. Das heißt, Menschenrechte sind universal und müssen auch universal eingeklagt werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Ich möchte hier noch einmal drauf hinweisen, dass es an der Irak-Reise von Landeshauptmann Haider zu Recht massivste Kritik gegeben hat, weil eben dort ein Diktator massiv Menschenrechte verletzt – und ich habe nicht gehört, dass das bei diesem Treffen eingeklagt worden wäre.

Wir werden aber nur ernst genommen, wenn wir auch in unserem eigenen Land Menschenrechte ernst nehmen. Hier ist der Rassismusreport 2000. (Die Rednerin hält ein Exemplar in die Höhe.) Er enthält Einzelfallberichte über rassistische Übergriffe und Strukturen, auch in Österreich.

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auch ganz herzlich bei all den NGOs, bei allen Organisationen wie zum Beispiel auch amnesty international bedanken, weil wir ständig aufgerüttelt werden müssen, weil wir ständig auch konfrontiert werden müssen mit diesen massiven Menschenrechtsverletzungen.

Ich möchte zum Abschluss noch folgenden Antrag einbringen, in dem es darum geht, dass in Österreich Maßnahmen im Bereich des Schutzes der Pressefreiheit und im Bereich des Schutzes der Gewissensfreiheit gesetzt werden sollen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Parnigoni, Jäger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen im Bereich der Menschenrechte und der Sicherung der Gewissensfreiheit

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, international in Ergänzung zum Grundsatz der Achtung der Pressefreiheit auch für den Grundsatz der Medienvielfalt einzutreten.

2. Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, jede Diskriminierung des Zivildienstes zu verhindern und dafür einzutreten, dass das Verpflegungsgeld der Zivildiener dem der Präsenzdiener angeglichen und je Zivildiener mit mindestens 12 Euro 80 Cent pro Tag festgelegt wird.

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

20.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit zur Verhandlung.


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Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Zernatto. – Bitte.

20.31

Abgeordneter Dr. Christof Zernatto (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon mehrfach betont worden, wie erfreulich es ist, dass es zu dieser Frage einen gemeinsamen Antrag gegeben hat. Das ist etwas, was nicht allzu oft, aber immerhin dann und wann vorkommt. Was mir an der heutigen Diskussion besonders aufgefallen ist, war, dass es nicht nur diese Gemeinsamkeit im Antrag gegeben hat, sondern dass bei durchaus differenzierten Einzelpositionen – in Übereinstimmung in der Sache selbst – auch so etwas spürbar wurde wie Respekt für die Position des jeweils anderen. Man hat das Gefühl gehabt, es war die Bereitschaft da, sich tatsächlich ein bisschen einzulassen auf das, was der einzelne Diskussionsredner beigetragen hat. Es war die Bereitschaft da, sich auch auf die Argumente einzulassen.

Ich meine, dass das, wenngleich sicher noch lange keine Sternstunde dieses Hauses, immerhin doch ein sehr deutlicher Hinweis darauf ist, dass das, was sehr häufig eingefordert wird, nämlich zu einer etwas gehobeneren Diskussionskultur zu gelangen, jedenfalls möglich erscheint, zumindest im Bereich der Menschenrechte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte hier an die Ausführungen von Frau Kollegin Jäger anschließen und sagen, dass das, was sie gemeint hat, letztlich richtig ist, nämlich dass die Glaubwürdigkeit der Bemühungen im Menschenrechtsbereich nur dann gegeben sein wird, wenn man sozusagen auch im eigenen Haus die entsprechenden Handlungen setzt. Ich meine, dass in diesem Zusammenhang die Diskussion, die hier auch geführt wurde, gerade was die Nachbarschaftspolitik anlangt – und da möchte ich wieder auf den ersten Punkt zurückkommen –, auch so etwas wie eine neue Diskussionskultur erfordert.

Ich glaube, dass gerade die letzten Wochen und Monate gezeigt haben, dass insbesondere in der Nachbarschaftspolitik der Holzhammer nicht die adäquate Methode ist, sondern dass es auch dort notwendig ist, sich einzulassen, sich auch ein bisschen in die Köpfe der anderen hineinzudenken, ihre Schwierigkeiten und Probleme, Positionen auch im eigenen Land durchzusetzen, ins Auge zu fassen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang unserer Frau Bundesminister ein besonderes Lob aussprechen. Sie hat nämlich im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit immer bewiesen, dass sie über diese Fähigkeit verfügt: die Fähigkeit, ein Gespräch aufzunehmen, die Fähigkeit, sich auf ein Gespräch einzulassen und letztlich im Gespräch auch etwas zu erreichen. Ein besonderes Beispiel in diesem Zusammenhang ist das Kulturabkommen mit Slowenien – vor allem im Hinblick auf die deutschsprachige Minderheit in Slowenien –, das mittlerweile auch vom Parlament in Laibach ratifiziert wurde. Besonders herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Krüger. )

Daher, meine Damen und Herren, werden wir – um wieder darauf zurückzukommen, dass wir diese Dinge auch im eigenen Haus ernst nehmen müssen –, gerade was die Minderheiten- und Volksgruppenpolitik anlangt, in den nächsten Wochen und Monaten auch einiges an Beweisführung zu erbringen haben, dass wir dazu in der Lage sind.

Ich meine, dass es auch dort notwendig sein wird, sehr ruhig, sehr überlegt Positionen zu diskutieren – die durchaus auch differenziert sein werden, aber immer von dem Bemühen gekennzeichnet sein müssen, letztlich der Staatszielbestimmung, die wir hier ja gemeinsam verabschiedet haben, gerecht zu werden, dass für uns Minderheiten, Volksgruppen in unserem Land Bereicherung und nicht Bedrohung sind. Es wird notwendig sein, dass wir hier zu einem Vorgehen kommen, das das nicht nur gegenüber der Volksgruppe oder den Volksgruppen auch im Handeln deutlich zum Ausdruck bringt, sondern dass wir es auch schaffen, es der Mehrheitsbevölkerung so nahe zu bringen, dass die Zielsetzung dieser Staatszielbestimmung nicht verabschiedetes Recht hier im Hohen Hause bleibt, sondern gelebte Überzeugung der österreichi


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schen Bevölkerung ist. Das wäre mein Wunsch. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dobnigg. – Bitte.

20.36

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Der Menschenrechtsausschuss des Nationalrates ist vor zwei Jahren erstmals eingerichtet worden, und es war zu Recht in der Öffentlichkeit großes Lob darüber zu vernehmen. Ich glaube, dass die Durchsetzung von Menschenrechten, dass der Schutz der Menschenrechte ein sehr wichtiges Aufgabengebiet für jeden Politiker, für jeden Parlamentarier ist. Natürlich soll diese Aufgabe nicht nur im Menschenrechtsausschuss erfüllt werden, sondern generell in allen politischen Bereichen, aber eben ganz besonders im Menschenrechtsausschuss.

Die Erfahrung, die meine Fraktion anfangs im Menschenrechtsausschuss gemacht hat, war aber nicht gerade ermutigend, um nicht zu sagen, etwas enttäuschend. Die Regierungsmehrheit hat sich angewöhnt, Anträge der Opposition regelmäßig einfach zu vertagen und damit auf die ganz lange Bank zu schieben – und damit nicht einmal die Möglichkeit zu eröffnen, dass sich nach einem Negativbeschluss des Ausschusses wenigstens das Plenum mit dieser Materie beschäftigt.

Umso erfreulicher ist es, dass wir heute doch zu einem wichtigen Thema, nämlich dem internationalen Schutz der Menschenrechte, einen gemeinsamen Entschließungsantrag verabschieden können. Es hat dazu außerordentlich lange Verhandlungen gegeben, es hat einerseits einen Antrag der SPÖ, andererseits einen von ÖVP und FPÖ gegeben, und es schien so, als ob wir wieder nicht zu einem gemeinsamen Antrag, zu einer gemeinsamen Auffassung kommen würden.

Zuletzt haben wir aber durch Bemühungen aller Fraktionen und insbesondere auch der Vorsitzenden des Ausschusses, Kollegin Stoisits, doch noch einen gemeinsamen Antrag zustande gebracht, und das ist sehr erfreulich. Dafür mein herzlichster Dank! (Beifall bei der SPÖ und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Durch diesen Antrag gibt es nun doch so etwas wie eine Positionsbestimmung des Nationalrates in Fragen der Menschenrechte, und ich hoffe, dass die Bekenntnisse und Zielsetzungen, die in diesem Antrag enthalten sind, nicht Papier bleiben. So halte ich es für wirklich wichtig, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, sich in Verfolgung einer aktiven Menschenrechtspolitik dafür einzusetzen, dass die Vereinten Nationen verstärkt in die Lage versetzt werden, weltweit aktiv für die Durchsetzung von Menschenrechten zu agieren.

Für besonders wichtig erachte ich auch weitere Initiativen wie etwa wirksame Maßnahmen zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe und gegen die Folter, gegen das Verschwindenlassen von Menschen und politischen Mord.

Leider noch immer aktuell ist die Forderung nach Unterbindung aller Formen der Sklaverei, insbesondere auch des Menschenhandels. Menschenhandel darf es im 21. Jahrhundert einfach nicht mehr geben, und es sind alle sinnvollen Möglichkeiten zu nützen, um diesem Verbrechen entgegenzuwirken. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Als wichtiges Symbol und mehr als nur ein Symbol sehe ich die Aufforderung an die Bundesregierung, auf internationaler Ebene die Politik zum Schutz der Menschenrechte für Frauen und Kinder fortzusetzen. Anstrengungen für den internationalen Schutz der Menschenrechte wären aber zu wenig, wenn wir uns dessen nicht bewusst wären, dass es natürlich auch gilt, Menschenrechtsverletzungen bei uns in Österreich abzustellen und zu bekämpfen. Sicher ist die Menschenrechtslage bei uns im Vergleich zu vielen Staaten dieser Welt eine positive, aber dort, wo es in Einzelfällen doch zu Verletzungen der Menschenrechte im Inland kommen sollte, müssen wir dem ganz entschieden entgegentreten. Je konsequenter, besser und lückenloser


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Stenographisches Protokoll
98. Sitzung / Seite 185

wir die Menschenrechte im Inland beachten, desto größer ist die Glaubwürdigkeit, mit der wir international für den Schutz von Menschenrechten eintreten können.

In diesem Sinn unterstützt meine Fraktion die vorliegende Entschließung. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Zernatto. )

20.41

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1062 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 130.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen im Bereich der Menschenrechte und der Sicherung der Gewissensfreiheit.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Parnigoni: Na, Kollegin Burket, was ist jetzt?)  – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 646/A (E) bis 653/A (E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 3659/J bis 3700/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für heute, 20.43 Uhr, ein; das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 20.42 Uhr

 

 

 


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98. Sitzung / Seite 186

Verzeichnis der Mitglieder des besonderen Ausschusses zur Vorberatung des Volksbegehrens "Veto gegen Temelin" (1065 der Beilagen) laut von den Klubs eingereichten Listen

(Stand: 22. März 2002)

(25)

Mitglieder:

SPÖ: Dkfm. Dr. Hannes Bauer; Dr. Josef Cap; Mag. Kurt Gaßner; Anton Heinzl; Mag. Christine Lapp; Georg Oberhaidinger; Stefan Prähauser; Mag. Barbara Prammer; Mag. Ulrike Sima

Freiheitliche: Ilse Burket; Ing. Gerhard Fallent; Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann; Mag. Rüdiger Schender; Mag. Karl Schweitzer; Ing. Wilhelm Weinmeier; Ing. Peter Westenthaler

ÖVP: Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer; Mag. Heribert Donnerbauer; Erwin Hornek; Dr. Andreas Khol; Karlheinz Kopf; Mag. Helmut Kukacka; Dr. Michael Spindelegger

Grüne: Dr. Eva Glawischnig; Dr. Gabriela Moser

Ersatzmitglieder:

SPÖ: (noch nicht bekannt)

Freiheitliche: Anna Elisabeth Achatz; Robert Egghart; Ing. Herbert L. Graf; Franz Hornegger; Dr. Helene Partik-Pablé; Anton Wattaul; Robert Wenitsch

ÖVP: Dr. Gerhart Bruckmann; Karl Donabauer; Mag. Cordula Frieser; Edeltraud Gatterer; Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler; Nikolaus Prinz; Maria Rauch-Kallat

Grüne: Dr. Evelin Lichtenberger; Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber

Obmann: Georg Oberhaidinger

Obmannstellvertreter/in: Mag. Karl Schweitzer; Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer

Schriftführer/in: Mag. Heribert Donnerbauer; Ing. Gerhard Fallent