376/A XXII. GP
Eingebracht am 05.05.2004
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Antrag
der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, Dr.
Fekter
und Kollegen
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem vorübergehende Maßnahmen für die Anhaltung
in Untersuchungshaft und im Strafvollzug getroffen werden
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesgesetz, mit dem vorübergehende Maßnahmen
für die Anhaltung in Untersuchungshaft und im Strafvollzug getroffen werden
Der Nationalrat hat beschlossen:
Artikel I
§ 1. Während der Geltungsdauer
dieses Bundesgesetzes kann das Bundesministerium für Justiz in Abweichung von
§ 185 der Strafprozessordnung 1975 für die Anhaltung in Untersuchungshaft
nach Fällung des Urteils durch das in erster Instanz erkennende Gericht auch
die Zuständigkeit einer anderen Justizanstalt als eines gerichtlichen
Gefangenenhauses anordnen, wenn der Vollzug einer Freiheitsstrafe zu erwarten
ist.
§ 2. Untersuchungshäftlinge,
die nach § 1 in einer anderen Justizanstalt als in einem gerichtlichen
Gefangenenhaus angehalten werden, sind von Strafgefangenen getrennt in einer
besonderen Abteilung unterzubringen.
Artikel II
Während der Geltungsdauer dieses Bundesgesetzes dürfen
Freiheitsstrafen, deren Strafzeit drei Monate nicht übersteigt, in Abweichung
von § 10 Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes auch dann in
Strafvollzugsanstalten vollzogen werden, wenn dies dem Verurteilten nach seinen
persönlichen Verhältnissen und unter Berücksichtigung der Entfernung zwischen
seinem Wohnsitz oder Aufenthalt (§ 9 Abs. 3 StVG) und der
Strafvollzugsanstalt nicht unzumutbar ist.
Artikel III
(1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des 31.
Dezember 2007 außer Kraft.
(2) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der
Bundesminister für Justiz betraut.
Begründung
Seit Jänner 2002
ist die Zahl der Häftlinge in den österreichischen Justizanstalten von 6.840
auf ca. 8.300 angestiegen. Dieser Entwicklung hat die Bundesregierung im
Regierungsprogramm 2003 bis 2006 Rechnung getragen und darin „Maßnahmen zur
Anpassung des gestiegenen Haftraumbedarfes“ vorgesehen.
Eine zum
Häfltingsanstieg eingeholte wissenschaftliche Untersuchung kam zu folgenden
Ergebnissen:
Der überwiegende
Anstieg der Kriminalität und damit der Haftzahlen ist im Raum Wien zu
verzeichnen. Hier ist die Anzahl der als tatverdächtig inhaftierten bzw.
straffälligen Personen deutlich angestiegen (in manchen Deliktsgruppen bis zu
30 %). Die Untersuchungen haben ergeben, dass diese Steigerungen überwiegend
abgrenzbaren geografischen, aber auch deliktsspezifischen Bereichen zugeordnet
werden können. So ist unter anderem die Zahl der wegen Diebstahlsdelikten
verurteilten Personen aus dem Bereich von Osteuropa (ausgenommen
EU-Beitrittsstaaten 2004) um 365,6 % angewachsen.
Auffallend ist der
hohe Anteil jugendlicher Häftlinge (unter 18 Jahren); in etwas geringerem Maß
ist der Anteil junger Erwachsener
(18 bis 21 Jahre) gewachsen.
Die Strafvollzugsverwaltung
hat alle Anstrengungen unternommen, um die beinahe dramatische Veränderung der
Häftlingszahlen nicht in ein Sicherheitsproblem umschlagen zu lassen. Dichter
Belag führt zu erheblichen Aggressionssteigerungen der Häftlinge untereinander,
aber auch gegenüber dem Personal. Unbeschäftigte Strafgefangene und
gleichzeitig reduzierte Angebote an strukturierten Betreuungsangeboten in Folge
Personalmangels verstärken das Problem.
Eine unveränderte
Beibehaltung der bisherigen Vollzugskapazitäten und Vollzugsbedingungen – ohne
Berücksichtigung der geänderten Verhältnisse – wäre mit gravierenden
Vollzugsdefiziten, einer Beeinträchtigung des allgemeinen Vollzugsklimas und
letztlich mit dem Risiko einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit
verbunden.
Unzureichende
Sicherheitsverhältnisse sind kurzfristig nicht sanierbar. Die Ausbildung von
Justizwachebeamtinnen und Justizwachebeamten erfordert zumindest einen Zeitraum
von etwa 18 Monaten, ebenso der Bau von neuem Haftraum in Österreich. Eine
Entlastung der derzeit äußerst angespannten Situation im Untersuchungshaft- und
Strafvollzug ist grundsätzlich nur in zwei Richtungen denkbar:
a) Ausweitung
der Haftraumkapazitäten (durch Neu- oder Zubauten);
b) Maßnahmen
zur Verringerung des Häftlingsbelages, insbesondere Ausbau der bedingten
Entlassung sowie Beschleunigung der Übertragung der Strafvollstreckung an den
Heimatstaat des ausländischen Insassen.
Die erste Variante
führt allerdings nicht kurzfristig zu einer Entlastung der angespannten
Situation. Im Bereich der zweiten Variante wurde bereits mit Artikel
65 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, in Form
des Bundesgesetzes, mit dem vorübergehende Maßnahmen im Bereich
des Strafaufschubs getroffen werden, eine – zeitlich befristete – Maßnahme zur Abhilfe
geschaffen.
Zumal (auch) diese
Maßnahme von vornherein nur als Teil eines Maßnahmenbündels zu sehen war, dem
andere Maßnahmen zu folgen hätten, wird nun als weitere Maßnahme – gleichfalls
zeitlich befristet und nach dem Vorbild früherer Sondermaßnahmen bei ähnlicher
Gelegenheit konzipiert (vgl.
BGBl.Nr. 467/1992 und 528/1993 sowie das Erkenntnis des VfGH vom
29.6.1995, G 13/95 = VfSlg 14.197) – der Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem
vorübergehende Maßnahmen für die Anhaltung in Untersuchungshaft und im
Strafvollzug getroffen werden, vorgelegt.
Mit diesem
Vorschlag können die Belagszahlen zwar nicht reduziert werden; er soll jedoch
dazu dienen, bei Belagsspitzen im Bereich gerichtlicher Gefangenenhäuser, also
insbesondere auch im Bereich des Landesgerichts für Strafsachen Wien, flexibler
reagieren zu können, als dies derzeit der Fall ist, indem in den vom Entwurf
umfassten Fällen auch auf Vollzugsanstalten „ausgewichen“ werden kann. Diese
Fälle betreffen die Untersuchungshaft nach dem Urteil erster Instanz, wenn der
Vollzug einer Freiheitsstrafe zu erwarten ist, sowie den Vollzug von
Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten (in einer Vollzugsanstalt) auch ohne
Zustimmung des Verurteilten, wenn dies nicht unzumutbar ist.
In formeller Hinsicht wird unter Verzicht
auf eine erste Lesung die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.