Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 52

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15.27.16

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Herr Präsident! Vertreter der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Analyse hinsichtlich der Banken- und Fi­nanzmarktkrise ist, meine ich, ziemlich eindeutig und einstimmig. Es gibt allerdings un­terschiedliche Zugänge zur Frage, was die Ursachen dieser Krise waren.

Wenn heute beispielsweise von der SPÖ oder von der ÖVP gesagt wird, dass wir Gott sei Dank die Europäische Union haben und Gott sei Dank die Mechanismen der Euro­päischen Union besitzen, um dieser Finanzkrise Herr zu werden, dann erinnere ich da­ran, dass wir 2005 mit der Einführung von Basel II völlig andere Annahmen gehabt ha­ben und zweifelsohne den USA auf den Leim gegangen sind – das sage ich jetzt so salopp.

Was ist passiert? Die USA haben den Europäern strengere Kreditschutzrichtlinien ver­ordnet – empfohlen, wie auch immer – und die Europäer haben diese in ihrem Über­eifer sofort umgesetzt. Die Folge daraus war, dass sehr viel Kapital, überschüssige Li­quidität aus der Realwirtschaft abgezogen und auf dem internationalen Finanz- und Spekulationsmarkt veranlagt wurde. Das hat dazu geführt, dass vor allem die kleinen und mittelständischen Betriebe einen viel, viel schlechteren Zugang zu Krediten be­kommen haben.

Das hat auch dazu geführt, dass die Banken sehr viel Geld abziehen mussten, weil die US-Ratingagenturen diesen Banken das empfohlen haben. Ich halte es für sehr be­denklich, wenn wir diesen amerikanischen Finanzdogmen à la Greenspan, Paulson et cetera zu sehr vertrauen.

Das hat uns sehr viel Geld gekostet. Bis zu einem gewissen Anteil, meine sehr geehr­ten Damen und Herren, haben wir das Wirtschaftswachstum in den USA mitfinanziert – nämlich europäische Länder, europäische Finanzinstitute und Geldanleger aus der Europäischen Union.

Ich halte auch das für erwähnenswert. Auch das sollten wir auf europäischem Wege kritisieren, nämlich dass wir viel zu wenig bedacht waren, die gesamten Zusammen­hänge richtig zu erkennen und zu analysieren. (Beifall beim BZÖ.)

Da heute hier von der „sozialen Marktwirtschaft“ gesprochen wurde: Wir müssen doch ehrlicherweise eingestehen, dass das in vielerlei Hinsicht nicht mehr der Fall ist und dass die soziale Marktwirtschaft in dem einen oder anderen Fall aus den Fugen gera­ten ist. Ich denke da etwa nur an die Zinsgewährung: Wenn die Europäische Zentral­bank die Zinsen senkt, merken Sie, wenn Sie Kredite zu bedienen haben, wann Sie dann diese sinkenden Kredite weitergereicht bekommen – nämlich viel, viel später, oft Tage, ja Wochen später. Und diese „Zwischenräume“ nutzen natürlich die Bankinsti­tute, um ihre Liquidität aufzubessern.

Dasselbe geschieht ja auch auf dem Treibstoff-, auf dem Rohölsektor: Wenn in Rotter­dam die Erdölpreise sinken, dauert es eine Zeit lang, bis wir das an den Zapfsäulen zu spüren bekommen. – Das ist kein Selbstverständnis von sozialer Marktwirtschaft, mei­ne sehr geehrten Damen und Herren, und da sollten wir auch hinterfragen, ob es nicht Regelwerke, ob es nicht Mechanismen von Seiten des Staates braucht, um diese Ent­wicklung nicht so schleifen zu lassen, sondern darauf hinzuweisen und den Hebel an­zusetzen, damit die Bevölkerung, die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes diese Vorteile zu spüren bekommen. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben dazu einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Finanzausschusses eingebracht; dieser Antrag wurde verteilt, und ich hoffe, dass ihn alle Fraktionen bereits erhalten haben.

Es ist das ein Antrag betreffend Ermächtigung des Finanzministers, was die Bewälti­gung der Banken- und Finanzkrise anlangt. Mit diesem Antrag haben wir eine Reihe


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