1075/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 25.03.2010
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

des Abgeordneten Ing. Hofer
und weiterer Abgeordneter

betreffend Einbeziehung der sogenannten "Contergangeschädigten" in das System des österreichischen Sozialentschädigungsrechts

 

Österreich kann seit vielen Jahrzehnten auf eine gute Entwicklung und reiche Erfahrung im Bereich des Sozialentschädigungsrechts des Bundes zurückblicken. Mit diesem System konnte es gelingen, bestimmten Personengruppen, die durch Ereignisse unverschuldet vor allem physisch und psychisch zu Schaden gekommen sind, die durch Anordnungen und/oder Empfehlungen des Staates bzw. als Opfer von Gewaltverbrechen zu Schaden gekommen sind, zu entschädigen. Im Wesentlichen handelt es sich um den Personenkreis der Kriegs- und Wehrdienstopfer, Opfer der politischen und rassischen Verfolgung, der Impfgeschädigten und der Verbrechensopfer.

Im Nachfolgenden sollen Überlegungen angestellt werden, die die Möglichkeiten aufzeigen sollen, warum und wie es möglich wäre, den zwar sehr kleinen, aber schwer betroffenen Personenkreis der österreichischen "Contergangeschädigten" im System des österreichischen Sozialentschädigungsrechts zu integrieren bzw. ein eigenes "Conterganentschädigungsgesetz (CEG)" zu schaffen.

Unter "Contergangeschädigten" sind jene Personen zu verstehen, die aufgrund der Einnahme von Medikamenten, die die Substanz Thalidomid beinhaltet haben, durch ihre Mutter mit Missbildungen des Körpers zur Welt gekommen sind. Diese Medikamente (z.B. Contergan, Softenon), die der ärztlichen Verschreibungspflicht unterlegen waren, wurden aufgrund der damals geltenden Zulassungsbestimmungen von Ärzten verordnet, um bestimmte unangenehme Begleiterscheinungen im Rahmen von Schwangerschaften zu beseitigen, d.h. sie wurden von den werdenden Müttern auf Verordnung durch den behandelnden Arzt eingenommen. Daraus (Zulassung als Arzneimittel, Verordnung durch den behandelnden Arzt) lässt sich ein Konnex erkennen, der die Einbeziehung der "Contergangeschädigten" in das österreichische Sozialentschädigungssystem (z.B. Impfschäden) gerechtfertigt erscheinen lässt, da der Schaden durch die Einnahme des jeweiligen Medikaments, das zugelassen und verordnet war, entstanden ist.

Versorgungsberechtigt wären daher all jene, die nachweisen, glaubhaft machen können, bzw. bei denen es aufgrund der Art und Erscheinung ihrer Behinderung wahrscheinlich ist, dass sie durch die Einnahme von Conterganpräparaten zu Schaden gekommen sind.


 

Die Versorgungs/Entschädigungsleistungen sollten umfassen (vgl. § 6 KOVG 1957):

a) Für Geschädigte:

aa) Grundrente, Schwerstgeschädigtenrente, Familienzulage, Pflege/Blindenzulage, Blindenführzulage, Zuschuss zu den Kosten der Diätverpflegung, Kleider/Wäschepauschale;

bb) berufliche und soziale Maßnahmen;

cc) Heilfürsorge;

dd) orthopädische Versorgung;

b) Hinterbliebenenversorgung;

Abgesehen vom österreichischen Verbrechensopfergesetz sind die übrigen Gesetze des Sozialentschädigungsrechts (KOVG, OFG, ISchG) grundsätzlich gleich gestaltet. Ausgenommen davon ist der Bereich der Rentenversorgung. Hier ist zu beachten, dass im Bereich der Kriegsopferversorgung fixe Rentensätze zur Anwendung kommen, während im Bereich der Heeresversorgung und des Impfschadengesetzes zur Berechnung der wesentlichen Rententeile (z.B. Grundrenten) die Berechnungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Bemessungsgrundlagen ausgehend von einem faktischen bzw. fiktiven Einkommen unter Einbeziehung des Grades der Behinderung/der Minderung der Erwerbsfähigkeit) zugrunde zu legen sind (z.B. bei einer MdE v.100 v.H. 2/3 der Bemessungsgrundlage). Die übrigen Bereiche (orth. Versorgung, berufliche und soziale Maßnahmen, Heilfürsorge) sind im wesentlichen dem KOVG nachgebildet.

Die Einstufung des Grades der Behinderung (Minderung der Erwerbsfähigkeit), der für etwaige Rentenbemessungen maßgeblich ist, erfolgt derzeit nach Richtsätzen gem. § 7 KOVG 1957 ( zur Anwendung käme theoretisch auch § 8 KOVG 1957), d.h. es würden alle Schädigungen, die unmittelbar oder mittelbar (Folgeschäden) durch die Einnahme des Medikamentes hervorgerufen wurden/werden (Kausalitätsprinzip) einbezogen werden.

Welchem Bereich des Sozialentschädigungsrechts die Rentenbemessung von "Contergangeschädigten" zugeordnet wird, ist letztendlich eine politische Frage. Tritt man eher der Angleichung an das HVG bzw. ISchG näher, wird zu prüfen und zu entscheiden sein, welche Bemessungsgrundlage (real oder fiktiv) und welcher Zeitpunkt für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage (aktuell oder in der Vergangenheit liegend) herangezogen wird, ist eher eine Angleichung an das KOVG ins Auge zu fassen, stellt sich diese Frage nicht, da hier fixe Rentensätze je nach Grad der Behinderung/Minderung der Erwerbsfähigkeit gleich gelten.

Die Republik Österreich hat durch die behördliche Zulassung der Medikamente mit dem Wirkstoff Thalidomid die Grundlage dafür geschaffen, dass diese in weiterer Folge verordnet werden konnten, und eine, wenn auch kleine, aber doch schwer betroffene Anzahl von Österreicherinnen schwer behindert zur Welt kamen. Damit wäre es einzufordern, dass der Staat, wie auch im Bereich des ISchG, seiner moralischen Verantwortung nachkommt und 50 Jahre nach den entstandenen Schädigungen Schadenersatzleistungen einräumt. Dies ist aufgrund des fortgeschrittenen Alters der Betroffenen umso wichtiger (Folgeerscheinungen). Aufgrund der geringen Zahl der vielfach schwer Betroffenen (ca.60) ist auch das finanzielle Erfordernis begrenzt und kann aus dem stark zunehmenden Rückgang im Personenkreis der versorgungsberechtigten Kriegsopfer (jährliches Minus von fast 10 %, d.h. über 3000 Personen) jedenfalls bedeckt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine Einbeziehung der sogenannten "Contergangeschädigten" in das System des österreichischen Sozialentschädigungsrechts vorsieht.“

 

 

 

In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales ersucht.