1169/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 16.06.2010
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Schatz, Freundinnen und Freunde

betreffend Paket gegen prekäre Beschäftigung, Lohn- und Sozialdumping sowie Steuerhinterziehung

Österreich verfügt zwar über ein im internationalen Vergleich relativ gutes Arbeits- und Sozialrecht mit einem umfassenden Versicherungsschutz und einer hohen kollektivvertraglichen Deckungsrate. Zu beanspruchen ist das alles allerdings nur für die BesitzerInnen klassischer unselbstständiger Anstellungen. Die Gruppe jener, die dazu nicht mehr gehören, wächst seit ca. 20 Jahren rasant an. Zu ihnen zählen einerseits Menschen, die am Arbeitsmarkt ohnehin schon schwer Fuß fassen können, wie gering Qualifizierte, Junge und Frauen mit Betreuungspflichten, aber auch zunehmend höher qualifizierte Menschen in der „Mitte der Erwerbsgesellschaft“.

Die Ausbreitung von atypischen und prekären Beschäftigungsverhältnissen wurde und wird einerseits auf legalem Wege durch eine unfaire neoliberale Flexibilisierungspolitik, sowie auf illegalem Wege, durch die Umgehung und den Missbrauch des herrschenden Arbeits- und Sozialrechtes vorangetrieben. Für die Betroffenen sind unsichere, befristete Beschäftigungsverhältnisse mit geringerem Einkommen und lückenhaftem Versicherungsschutz die Folge und gleichzeitig oft die einzige Möglichkeit der Erwerbstätigkeit.

Wettbewerb auf Kosten des Arbeits- und Sozialrechtes

Sichere und gute Beschäftigungsverhältnisse kommen immer mehr unter Druck. Als Grund dafür werden oft sogenannte „Sachzwänge“ wie verstärkter Wettbewerb auf internationalen Märkten, Europäisierung und auch Migration genannt. Tatsächlich sind es aber politische Entscheidungen und nationale gesetzliche Veränderungen, die diese Entwicklungen gestalten und damit natürlich auch wieder verändern können. In Österreich wurde seit den 1990er Jahren durch die Einführung atypischer Beschäftigungstitel mit geringerem arbeits- und sozialrechtlichen Schutz ein Weg gewählt, der Wettbewerbspolitik vor allem auf Kosten der Beschäftigten und des Wohlfahrtsstaates macht, Beschäftige in voll- und weniger gut abgesicherte teilt und sie gegeneinander ausspielt. Dieser Weg wurde von rot-schwarz eingeschlagen, durch schwarz-blau-orange ausgebaut und bisher beinahe ungebremst fortgeführt.

Die neuen atypischen Beschäftigungstitel schufen neben legalen Möglichkeiten für Unternehmen, Arbeitskosten zu reduzieren auch ein Einfallstor für illegale Praxen. Die GPA-djp geht davon aus, dass beispielsweise 75% aller Freien Dienstverhältnisse Umgehungsverhältnisse sind. Es gibt Branchen, wo atypische Vertragsformen auffällig häufig angewendet werden und das in Tätigkeitsbereichen, die aufgrund ihrer Natur offensichtlich Anstellungsverhältnissen zur Folge haben müssten.


Kontrollsystem mit vielen Lücken

Im gegenwärtigen System aus Arbeitsrecht, Kontrollen und Sanktionen sind Umgehungen der Sozialabgaben und Steuern sowie Lohndumping zu einfach. Lohn- und Sozialdumping rechnet sich leider für viele Unternehmen, da Sanktionen dagegen selten erfolgen oder viel zu harmlos sind. So werden beispielsweise Löhne nur indirekt kontrolliert. Bei zu geringer Entlohnung erfolgt lediglich eine Eintreibung der noch ausständigen Sozialversicherungsbeiträge, Strafen werden selten verhängt. ArbeitnehmerInnen ihrerseits haben im Zuge dessen keine Chance, den ihnen vorenthaltenden Lohn zu bekommen.

Die Umgehung von Anstellungen durch (wissentlich) falsch angewendete Arbeitsverträge ist sehr schwer nachzuweisen. Für betroffene ArbeitnehmerInnen bleibt bisher nur die individuelle Klagemöglichkeit, die viele nicht ergreifen, aufgrund von Informationsmangel oder Angst, weil sie den Verlust ihrer Beschäftigung oder ihres Aufenthaltstitels fürchten.

Problembranchen

Problembranchen sind einerseits solche im gering qualifizierten Bereich mit hohem Anteil an Arbeitskräften mit Migrationshintergrund, andererseits nehmen die Probleme aber auch im hochqualifizierten Bereich zu. Neben dem Bauwesen, mit seinen weit bekannten illegalen Praxen, gibt es immer mehr andere betroffene Branchen. Dazu gehören der Postsektor, insbesondere die Zustellung von Briefen, Paketen und Werbung (hier sind etwa 90% der ZustellerInnen privater Firmen selbstständige TagelöhnerInnen), die Medienbranche, Call Center, kreative Industrien, die Erwachsenenbildung, aber auch Teile der Wissenschaft und Forschung. Jüngste Ereignisse weisen auf eine massive, quasi systematische Umgehung von Anstellungsverhältnissen im Bereich der Marktkommunikation (insbesondere bei der Beschäftigung von VerkäuferInnen, RegalschlichterInnen, PromotorInnen) hin. Schätzungen zu folge dürften allein davon in Österreich mindestens 20.000 Beschäftigte betroffen sein.

Negative Folgen für Beschäftigte, Gesellschaft und Staat

Einzelne Betroffene erfahren erst im Nachhinein, dass sie falsch beschäftigt wurden bzw. welche Nachteile ihnen aus einem (legalen oder illegalen) atypischen Arbeitsverhältnis erwachsen. Das Spektrum reicht von fehlender Arbeitlosen-, Pensions- oder Krankenversicherung, zu geringem Einkommen bis zur nicht vorhandenen Interessensvertretung, die ausstehende Ansprüche geltend machen könnte.

Für die Gesellschaft insgesamt sind die Folgen eine Unterwanderung und Gefährdung unseres wohlfahrtsstaatlichen Solidarsystems. Durch die beschriebenen legale wie illegale Praktiken kommt es zu einer Verschlechterung der Arbeits- und Einkommensbedingungen gesamter Branchen, einem massiven Verlust von Sozialversicherungsbeiträgen sowie an Steuer- und Abgabenzahlungen bei Kommunalsteuer, Einkommenssteuer und Abgaben im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes. Das hat massive budgetpolitische Relevanz und Konsequenzen, gerade in Zeiten drastischer Sparbudgets. Schätzungen zufolge werden alleine im Bereich der Marktkommunikation Steuerbeträge im Ausmaß von 100 Millionen Euro pro Jahr hinterzogen.


Missbrauch und Umgehung durch die legale und illegale Anwendung atypischer Beschäftigung prellt also Beschäftigte um ihren Versicherungsschutz, aber auch das Sozialsystem und den Fiskus um hunderttausende Euro jährlich.

Lösungsansätze

In Deutschland gibt es ähnliche Probleme. Denen wurden allerdings neue gesetzliche Regelungen entgegen gestellt, wie eine eigene strafrechtliche Bestimmung gegen Lohndumping („Ausbeutung von Fremden“). Über diese können bei Nichteinhaltung von Mindestlohnbestimmungen Geldbußen bis zu einer Höhe von 500.000 Euro verhängt werden. Auch sind etwa bei den zuständigen Kontrollbehörden verhältnismäßig gesehen mehr als doppelt so viele KontrolleurInnen tätig wie in Österreich.

Klar ist aber sicher, die Ausweitung der Kontrollen alleine kann keine notwendige Abhilfe schaffen. Es braucht ein umfassendes Maßnahmenpaket bestehend aus dringenden grundlegenden Änderungen im Arbeitsrecht, sowie Veränderungen im Bereich der Kontrollen und dem Sanktionswesen. Für den Bereich Arbeitsrecht wurden von uns GRÜNEN bereits drei Entschließungsanträge zu notwendigen Maßnahmen eingebracht, es handelt sich dabei um 1030/A(E) „Abschaffung geringfügiger Beschäftigung“, 916/A(E) „Reform und Neudefinition des ArbeitnehmerInnenbegriffes“ und 34/A „Mindestlohngesetz“. Zusammenfassend werden in vorliegendem Antrag noch einmal geschlossen alle Grünen Forderungen für ein Paket gegen Lohn- und Sozialdumping in Österreich eingebracht.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz werden dazu aufgefordert, dem Nationalrat ehestens, jedoch längstens bis 1. Oktober 2010 Gesetzesentwürfe zukommen zu lassen, die folgende Maßnahmen beinhalten:

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen.