1520/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 29.04.2011
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Musiol, Steinhauser, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Fortpflanzungsmedizingesetz

 

Für lesbische Frauen, die in einer eingetragenen Partnerinnenschaft oder in einer Lebensgemeinschaft leben, gilt in Österreich laut Fortpflanzungsmedizingesetz (FmedG) derzeit ein Fortpflanzungsverbot. Bei Umgehung dieses Verbots drohen EUR 36.000 Geldstrafe oder bis zu 2 Wochen Haft. Damit wird Frauen unter Strafandrohung die Fortpflanzung verboten, nur weil sie mit einer anderen Frau, und nicht mit einem Mann, in einer Partnerinnenschaft leben. Lesbischen Frauen, denen ein Geschlechtsverkehr entgegen ihrer sexuellen Orientierung nicht zumutbar ist, wird praktisch jede Fortpflanzung untersagt, indem ihnen der Zugang zur medizinisch unterstützen Fortpflanzung versperrt ist. Weiters sind ebenso alleinstehende hetero- oder homosexuelle Frauen von der medizinisch unterstützen Fortpflanzung ausgeschlossen.

 

Der Oberste Gerichtshof hat nun beschlossen, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag zu stellen, dieses Fortpflanzungsverbot als verfassungswidrig aufzuheben (OGH 22.03.2011, 3Ob147/10d). Nach Ansicht des Senats bestehen im Licht der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 2 Abs 1 FMedG, soweit dadurch die medizinisch unterstützte Fortpflanzung für eine in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebenden Frau ausgeschlossen und dieser aufgrund ihrer sexuellen Orientierung die Möglichkeit genommen wird, einen Kinderwunsch zu erfüllen.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in der Vergangenheit ausgesprochen, dass der von EhepartnerInnen oder LebensgefährtInnen gefasste Entschluss, ein Kind zu bekommen und sich hierzu erforderlicher medizinischer Unterstützung zu bedienen, dem Schutzbereich des Art 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unterliegt. Auch der EGMR betont, dass das Recht ein Kind zu bekommen und sich zur Erfüllung des Kinderwunsches die Errungenschaft der Fortpflanzungsmedizin zunutze zu machen zu den von Art 8 EMRK geschützten Rechten zählt. Der Wunsch nach einem Kind stellt demnach einen besonders wichtigen Aspekt der Existenz oder der Identität eines privaten Individuums dar.

 

Damit ist überaus fraglich, ob die gesetzliche Beschränkung der Erfüllung des Wunsches nach einem Kind mit Mitteln der Fortpflanzungsmedizin auf Paare verschiedenen Geschlechts mit dem Schutz der Familie oder dem Kindeswohl begründet werden kann.


Im Verfahren Schalk und Kopf gegen Österreich trug der EGMR der „rapiden Evolution des gesellschaftlichen Verhaltens gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren in vielen Mitgliedstaaten“ Rechnung und sprach aus, dass die Beziehung eines gleichgeschlechtlichen Paares unter den Begriff „Familienleben“ wie auch unter den Begriff „Privatleben“ falle und daher Art 14 iVm Art 8 EMRK zur Anwendung gelange. Der EGMR geht davon aus, dass Paare gleichen Geschlechts ebenso in der Lage sind, wie Paare verschiedenen Geschlechts, stabile, bindende Beziehungen einzugehen. Unter diesen Voraussetzungen ist eine solche gleichgeschlechtliche Beziehung „Familie“ im Verständnis des Art 8 EMRK. Kinder werden entweder durch Geburt oder durch Adoption Teil einer Familienbeziehung.

 

Die Errungenschaften der Fortpflanzungsmedizin ersetzen ebenfalls eine auf natürliche Fortpflanzung beruhende Familienbeziehung. Damit erscheint es nicht sachgerecht, die Nutzung der Errungenschaften der Fortpflanzungsmedizin vom Bestehen einer verschieden geschlechtlichen Partnerschaft abhängig zu machen und damit alleinstehende ebenso wie in gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft lebende Frauen von der Möglichkeit einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung auszuschließen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesministerin für Justiz wird aufgefordert, eine entsprechende Novellierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes auszuarbeiten, mit der die Zulässigkeit einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung für alleinstehende Frauen sowie für Frauen, die in einer eingetragenen Partnerinnenschaft oder Lebensgemeinschaft mit einer anderen Frau leben, gesetzlich verankert wird.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.