1739/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 18.11.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Musiol, Freundinnen und Freunde

betreffend Errichtung einer bundesweiten Opferhotline für Betroffene von Gewalt in kirchlichen und staatlichen Heimen und Internaten

BEGRÜNDUNG

Die letzten Monate waren geprägt von einem weiteren Bekanntwerden von Gewaltfällen sowohl innerhalb der Kirche als auch in staatlichen Heimen.

Es ist es unzumutbar, dass sich Opfer von Gewalt und Missbrauch bei diesen Einrichtungen selbst melden müssen, also bei genau jenen Institutionen, von deren Mitgliedern ihnen Gewalt angetan wurde. Vielmehr ist es Aufgabe des Staates eine unabhängige Stelle zu schaffen, die für eine lückenlose Aufklärung bei Gewaltvorfällen sorgt.

Die zuständigen Regierungsmitglieder Justizministerin Bandion-Ortner sowie Familienstaatsekretärin Marek luden am 13. April 2010 im Familienministerium zum Thema Kindesmissbrauch zu einem Round-table ein. Der Runde Tisch wäre eine gute Möglichkeit gewesen um mit ExpertInnen zu beraten, wie Opfern institutioneller Gewalt geholfen werden kann und eine lückenlose Aufklärung erreicht werden kann. Stattdessen wurde die Aufmerksamkeit auf das Thema Missbrauch in der Familie sowie der Prävention gelenkt. Zweifelsohne ist die Ursachenerforschung von Kindesmissbrauch sowie das Bestreben Missbrauch zu verhindern sehr wichtig. Angesichts der hunderten Gewaltopfer, die sich in den letzten Wochen gemeldet haben, aber eine falsche Prioritätensetzung.

Bezugnehmenden auf die aktuellen Fälle kündigte Staatssekretärin Marek den Ausbau der bestehenden Hotline des Möwe Kinderschutzzentrums an. Kurz bestand Anlass zur Hoffnung, dass die Problematik einer fehlenden von der Kirche unabhängigen Hilfseinrichtungen, endlich auch in den zuständigen Ministerien angekommen ist.

Die Hotline solle allen Menschen zur Verfügung stehen, die Opfer psychischer, physischer oder sexueller Gewalt sind oder waren. Ganz bewusst ist hier eine von der Kirche unabhängige Institution beauftragt worden." (Ots 13.4.2010, Marek)


Die Ankündigung entpuppte sich jedoch als Mogelpackung. Schon am nächsten Tag distanzierte sich die fachliche Leiterin der Kinderschutzeinrichtung Möwe davon. Die Möwe-Hotline (0800/80 80 88) sei zwar Anlaufstelle für Missbrauchsopfer außerhalb der Familie, also Schulen und Institutionen -für Altfälle in der katholischen Kirche, ist die Möwe-Hotline jedoch nicht zuständig. Melde sich eine Person die Missbrauchserfahrungen innerhalb der Kirche gemacht hat, wird sie entweder an die kirchliche Hotline oder aber an die Hotline der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt" verwiesen. (Der Standard, 15.4.2010)

Aufgrund der wochenlangen Untätigkeit der Regierung eine überparteiliche und von der Kirche unabhängige Anlaufstelle zu schaffen, initiierte die Plattform Betroffene kirchlicher Gewalt" am 23. März 2010 mit fachlicher Unterstützung von langjährigen MitarbeiterInnen des Wiener Kinderschutzzentrums eine unabhängige Telefon- Hotline für Opfer kirchlicher Gewalt.

Die Hotline-Nummer (0699 10 369 369) richtet sich an Menschen, die Opfer sexueller, seelischer oder physischer Gewalt waren. Betroffene aus ganz Österreich können sich Mo-Fr von 9 bis 12 Uhr melden. Die Hotline wird von speziell geschulten Psychologinnen betreut.

Die Betroffenen haben somit die Möglichkeit, sich an eine unabhängige Hilfsinstitution zu wenden.

Die Hotline deckt folgende Dienste ab:

-  Erstberatung durch klinische Psychologin

-  Sammeln der gemeinsamen Anliegen der Betroffenen

-  Vernetzung Betroffener (wenn erwünscht)

-  Dokumentation des Ausmaßes kirchlicher Gewalt

 

-  Unterstützung bei der Suche nach psychologischer bzw. psychotherapeutischer Hilfe

-  Rechtliche Unterstützung bis hin zur Einbindung in Sammelverfahren

Ein wichtiges Ziel der Hotline ist auch die Recherche ob ein Täter (Serientäter") mehrfach in unterschiedlichen Orten in Erscheinung getreten ist und daher auch frühere Delikte noch nicht verjährt sind (Bsp. Pfarrer wird nach Missbrauch in nächste Gemeinde versetzt - Ketten von Tathandlungen).

Erste Zahlen über die eingegangenen Telefonate, die die Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt" am 2. April 2010 in einer Pressekonferenz bekannt gab, machen die Notwendigkeit einer derartigen Einrichtung deutlich:

Nach Eröffnung der Hotline - das heißt innerhalb von zwei Wochen - meldeten sich rund 200 Menschen, die Opfer kirchlicher Gewalt wurden.

Bei 43% der Vorfälle handelt es sich um körperliche Misshandlungen (Erziehungspraktiken, Strafrituale). 34% der Anrufenden berichteten von sexuellen Übergriffen, 23% wurden Opfer seelischer Gewalt (Grausamkeit, Demütigung, soz. Isolation).

Entgegen der medialen Berichterstattung aus der man schließen könnte, dass es sich bei Missbrauchsopfern sowie Tätern vor allem um Männer handelt, erstaunen wiederum die Zahlen der Hotline:

68% der Opfer waren Burschen, aber immerhin 32% (also ein Drittel) waren Mädchen. Die Täter waren zu dreiviertel männlich, 26% jedoch weiblich.


Was wollen die Opfer?

Deutlich wird anhand der Zahlen der Telefon-Hotline, dass es den Betroffenen nicht

darum geht, Geld aus ihrem erfahrenen Leid zu machen, sondern

-  36% wollen darüber sprechen, was ihnen passiert ist; brauchen jemanden der zuhört

-  27% wollen wissen, ob sich von ihrem" Täter noch andere Opfer gemeldet haben

-  6% wollen psychotherapeutische Unterstützung; viele hatten Psychotherapie schon in Anspruch genommen; gezahlt aus eigener Kasse und mit mehr oder weniger Erfolg

-  3% wollen einfach nur eine Entschuldigung vom Täter

Eine schonungslose Aufklärung ist nicht nur ein wichtiges Signal an die Opfer, sondern zeugt von verantwortungsvollem Umgang mit den Vorfällen. Die Ereignisse der letzten Jahre und Monate zeigen, dass es in allen Fällen von staatlicher und kirchlicher Seite ein ganz klares Procedere und Angebot an Unterstützung braucht. Weiter muss gewährleistet sein, dass Betroffene als Kontaktstelle nicht jene Einrichtungen haben in deren Sphäre die Gewalt passiert ist.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Finanzierung und Umsetzung einer unabhängigen, zentralen, österreichweiten Hotline für Betroffene von Gewalt in kirchlichen und staatlichen Heimen und Internaten sicherzustellen.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.