260/A XXIV. GP

Eingebracht am 10.12.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

des Abgeordneten Dr. Fichtenbauer
Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) wird geändert:

Der Nationalrat hat beschlossen:

Änderung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB)

Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB), zuletzt geändert durch Bundesge­setz BGBl. I Nr. 113/2006, wird wie folgt geändert:

Dem § 22 wird ein Absatz 2 angefügt:

„(2) Aus der Tatsache der Geburt eines Menschen ist ein Anspruch auf Schadener­satz ausgeschlossen. Titel und Ansprüche jedweder Art, die bei Kundmachung die­ses Gesetzes bestehen und die sich auf die Tatsache der Geburt eines Menschen gründen, sind hiermit erloschen.“

Begründung

Mit der Entscheidung 1 Ob 91/99 k des OGH wurde auf Grund der Geburt eines be­hinderten Kindes ein Schadenersatzanspruch gegen einen Arzt zugesprochen, der die Aufklärung über eine im Ultraschall erkennbare (schwere) Behinderung des un­geborenen Kindes unterlassen habe, sodass die werdende Mutter darauf nicht so reagiert habe (habe können), rechtzeitig eine Abtreibung vornehmen zu lassen. In dieser Entscheidung ist nur der Unterhaltsmehrbedarf eingeklagt worden, der im Verhältnis zu einem gesunden Kind für die Eltern des behinderten Kindes entsteht.

 

Der OGH hat bei dieser Entscheidung festgehalten, dass die Geburt eines gesunden unerwünschten Kindes keinen Schadenersatzfall darstelle, ebenso wurde ein Scha­denersatzanspruch des Kindes selbst wegen eigener unerwünschter Existenz abge­lehnt.

In einer weiteren Entscheidung zu 5 Ob 165/05 h hat der OGH in Erweiterung der vorhin zitierten Entscheidung die Judikatur (diese Fallkonstellationen werden in der nun allgemein gebräuchlichen Terminologie als „wrongful birth“ bezeichnet) dahin ergänzt bzw. erweitert, dass als schadenersatzrechtlicher Anspruch gegen den be­handelnden Arzt der gesamte Unterhalt, welcher für ein behindertes Kind auflaufen wird, zugesprochen wurde. Dies mit der Begründung, dass wegen eines Beratungs­fehlers des Arztes, der die Kindesmutter über die feststellbare (im Zuge der Präna­taldiagnostik) Behinderung des zu empfangenden Kindes nicht vollständig bzw. hin­reichend aufgeklärt habe.

Diese letztgenannte Entscheidung hat bereits zu massiven öffentlichen Stellungnah­men geführt und ist bereits intensiver Gegenstand medialer und sonst öffentlich aus­getragener rechtsphilosophischer, ethischer, medizinischer und juristischer Diskurs.

(So hat zuletzt am Juridicum Wien eine Podiumsdiskussion stattgefunden, über wel­che am 13.11.2006 im „Rechtspanorama“ der Presse berichtet worden ist.)

In den JBL, Heft 8, 2008, findet sich der Artikel „gesamter Kindesunterhalt als Scha­den bei „wrongful birth“ ( OGH 11.12.2007, 5 Ob 148/07m):

„(…)

Im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags schuldet der Arzt Diagnostik, Aufklä­rung und Beratung nach den aktuell anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst. Die pränatale Diagnostik dient nicht zuletzt der Ermittlung von Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des ungeborenen Kindes und soll damit auch der Mutter (den El­tern) im Falle, dass dabei drohende schwerwiegende Behinderungen des Kindes er­kannt werden, die sachgerechte Entscheidung über einen gesetzlich zulässigen, auf § 97 Abs. 1 Z2 zweiter Fall StGB beruhenden Schwangerschaftsabbruch ermögli­chen. Dass in einem solchen Fall die Entscheidung für einen Schwangerschaftsab­bruch auch wegen der erheblichen finanziellen Aufwendungen für ein behindertes Kind erfolgen kann, ist objektiv voraussehbar, weshalb auch die finanziellen Interes­sen der Mutter (der Eltern) noch vom Schutzzweck des ärztlichen Behandlungsver­trags umfasst sind.

Wird beim Organscreening im Rahmen pränataler Diagnostik ein Hinweis auf einen beginnenden Wasserkopf als Folge einer Meningomyelozele nicht entdeckt und un­terbleibt eine Wiederbestellung der Schwangeren, obwohl diagnoserelevante Struk­turen nicht einsehbar waren, dann liegt ein ärztlicher Kunstfehler vor. Hätten sich die Eltern bei fachgerechter Aufklärung über die zu erwartende schwere Behinderung des Kindes und einen deshalb gesetzlich zulässigen Schwangerschaftsabbruch gem. § 97 Abs. 1 Z2 zweiter Fall StGB zu Letzterem entschlossen, haftet der Arzt (der Rechtsträger) für den gesamten Unterhaltsaufwand für das behinderte Kind. In einem solchen Fall stünden sowohl die Ablehnung eines Schadenersatzanspruchs mit der Behauptung, es liege kein Schaden im Rechtssinn vor, als auch der bloße Zuspruch nur des behinderungsbedingten Unterhaltsmehraufwands mit den Grundsätzen des österr. Schadenersatzrechts nicht im Einklang.“

Nun liegt eine Entscheidung des OGH zur Geschäftszahl 6 Ob 101/06 f vor, in wel­cher ein Schadenersatzanspruch klar abgewiesen worden ist, wo nach der Fallkons­tellation ein gesundes Kind zur Welt gekommen ist, obwohl ein mit dem Arzt ge­schlossener Vertrag darauf abzielte, eine Schwangerschaft zu verhindern. Diese Entscheidung setzt die schon bisherige Tendenz der Judikatur des OGH fort, wonach Schadenersatzansprüche aus dem Komplex „wrongful conception“ abgelehnt wur­den.

Es liegt also ein klarer Fall der Ungleichbehandlung vor, der zusammengefasst fol­gendermaßen beschrieben werden kann: Die Geburt eines gesunden Kindes, wel­


ches unerwünscht war, ist nicht schadenersatzbegründend, hingegen ist die Geburt eines behinderten Kindes prinzipiell schadenersatzbegründend.

Die aufgezeigte Differenzierung, die von der Rechtsprechung nun eingenommen wird, gründet sich im Falle der „wrongful birth“ auf die Verletzung des von der Kin­desmutter mit dem Arzt geschlossenen Beratungsvertrages und verdrängt ganz of­fenkundig das prinzipielle Lebensrecht des Ungeborenen, welchem man doch eine Schutzbarrierenfunktion zumessen könnte, welche den Rechtswidrigkeitszusammen­hang zwischen der vorgeworfenen Nichtempfehlung zur Abtreibung und der uner­wünschten Geburt unterbrechen sollte.

Durch die Differenzierung in der Rechtsprechung wird aber - gewollt oder ungewollt - zu einer juristischen Anspruchsplattform geleitet, die nicht anders umschrieben wer­den kann denn als „lebensunwertes Leben“.

Es muss vermutlich nicht besonders ausführlich begründet werden, dass eine derar­tige Rechtslage völlig abseits vom ethischen Grundkonsens unseres Gemeinwesens gelagert ist und daher vor weiterer Vertiefung und Festigung der einschlägigen Judi­katur der Gesetzgeber auf den Plan treten muss, um Klarheit zu schaffen (was in einschlägigen Diskussionen ohnedies bereits gefordert wird).

Denn Faktum ist, dass auch die Konsequenz im gesamtgesellschaftlichen Bereich negative Auswirkungen zeigt.

Hiezu sei ein Hinweis auf die Berichterstattung in der Zeitschrift Profil Nr. 43 vom 23.10.2006 S 109 ff aufschlussreich, aus dem sich ergibt, dass auf Grund der aufge­zeigten Judikatur (5 Ob 165/05 h) die Ärzte aus Selbstschutz möglicherweise eine Beratung entfalten, die im Zweifel für die Abtreibung und nicht im Zweifel gegen die Abtreibung gerichtet ist. Dies wäre eine ganz natürliche Konsequenz, weil ja bei einer Haftung eines behandelnden Arztes für die gesamte Unterhaltsleistung, die für ein behindertes Kind aufzubringen ist - ohne dass dies versicherungsrechtlich gedeckt wäre - dies die Existenz eines Arztes beeinträchtigt oder gar ruiniert sein kann. Dieses Wissen, dass nun Ärzte geneigt sein könnten, im Zweifel den Rat zu geben, ein möglicherweise behindertes Kind vorsorglich abzutreiben, belastet in einem nicht verantwortbaren Maß auch die schwangeren Mütter. Denn diese befinden sich in der ausweglosen Gedankenfalle ein erwünschtes, möglicherweise gesundes Kind, auf Grund des Drängens des Arztes, dass das Kind möglicherweise behindert sein könn­te, abgetrieben zu haben.

(Auch für diese - subjektiv für die Betroffene geradezu katastrophale psychische Si­tuation - sei auf den vorhin erwähnten Profilartikel verwiesen).

Der österreichische Gesetzgeber ist daher berufen, eine klare Entscheidung zu Gunsten des Wertes des Lebens abzugeben und jedenfalls der Akzeptanz des Ge­dankenmodells „unwertes Leben“ entgegenzutreten.

 

Dies kann nur geschehen, wenn schadenersatzrechtliche Ansprüche, die sich auf die Tatsache der Geburt eines Menschen beziehen, prinzipiell ausgeschlossen sind. Ge­nau auf diese Formulierung kommt es an, um legistisch Klarheit zu schaffen, dass sonstige allfällige Ansprüche, die im Zusammenhang mit der Geburt entspringen können, nicht berührt werden, wie etwa bei fehlerhafter ärztlicher Handlungsweise im Geburtshilfebereich.


Auch wird das sonst bestehende Recht des Schwangerschaftsabbruches und der medizinischen Indikation in keiner Weise berührt. Ebenso wenig wird in das Recht auf Unterhalt eingegriffen.

Gleichfalls ist es ein Gebot der Gleichbehandlung, dass alle Titel, die auf Grund bis­heriger Judikatur (oder sonst unbekannter privatrechtlicher Schuldtitel), die sich schadenersatzbegründend auf die Tatsache der Geburt eines Menschen stützen, für unwirksam erklärt werden.

In formeller Hinsicht wird beantragt, diesen Antrag unter Verzicht auf die erste Le­sung dem Justizausschuss zuzuweisen.