11176/AB XXIV. GP

Eingelangt am 15.06.2012
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

 

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                        Wien, am       Juni 2012

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0118-I/4/2012

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 11357/J vom 17. April 2012 der Abgeordneten Elmar Podgorschek, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1., 4., 5. und 6.:

Über Initiative der Finanzprokuratur wurde im Fall AMIS zwecks Erzielung eines umfassenden Rechtsfriedens durch eine Generalbereinigung eine Koordinierungsgruppe eingerichtet, an der neben den Insolvenzverwaltern und den Vertretern der Anlegerentschädigungseinrichtung auch die Rechtsvertreter der großen Anlegergruppen teilgenommen haben. Die Pauschalabgeltung iHv 27% (auf Basis Einzahlung minus Auszahlung, ohne Zinsen und Kosten) ist – ebenso wie die sonstigen Eckpunkte der Abfindungslösung – das Ergebnis intensiver Verhandlungen mit den Anlegeranwälten. Anzumerken ist, dass von den in der Koordinierungsgruppe vertretenen Anwälten nur der Rechtsvertreter eines Prozessfinanzierers erklärt hat, seiner Mandantschaft die Lösung nicht zu empfehlen. Die Abfindungsquote wurde daher von der weit überwiegenden Anzahl der Rechtsvertreter der Geschädigten als ausreichend angesehen.


Zu 2., 3. und 10.:

Entgegen der Anfrage wurde die Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger („Anlegerentschädigungs-Richtlinie“, ABl. Nr. L 84 vom 26.03.1997) korrekt umgesetzt.

 

Nach dem 23. Erwägungsgrund der Anlegerentschädigungs-Richtlinie 97/9/EG sind die Verfahren für die Finanzierung der Systeme für die Entschädigung der Anleger nicht harmonisiert, weil einerseits die Kosten dieser Finanzierung grundsätzlich von den „Wertpapierfirmen“ selbst getragen werden müssen und andererseits die Finanzierungskapazität dieser Systeme in einem angemessenen Verhältnis zu ihren Verbindlichkeiten stehen muss. Es darf nach diesem Erwägungsgrund auch die Stabilität des Finanzsystems in dem betreffenden Mitgliedstaat hierdurch nicht gefährdet werden.

 

Ein von der Europäischen Kommission eingeleitetes Beschwerdeverfahren gegen Österreich betreffend die Umsetzung der Anlegerentschädigungs-Richtlinie 97/9/EG wurde bereits mit Beschluss vom 21. März 2007, Nr. 2006/4215, eingestellt. Eine beim VfGH eingebrachte Staatshaftungsklage einer AMIS-Anlegerin wegen behaupteter nicht ordnungsgemäßer Umsetzung der Anlegerentschädigungs-Richtlinie wurde mit Beschluss vom 24. Juni 2009, A 2/08 (= VfSlg. 18.805/2009) zurückgewiesen.

 

Zu 7.:

Die Abfindungsanbote der Anleger wurden vom Bund auf der Rechtsgrundlage der Amtshaftung angenommen. Wenngleich es zur Frage einer allfälligen Haftung des Bundes nach AHG noch keine rechtskräftige Entscheidung gibt, besteht für den Bund ein Prozessrisiko, dem mit den Vergleichen angemessen Rechnung getragen wird.

 

Zu 8. und 9.:

Die Angebote werden von den Anlegern dem Bund unterbreitet. Dass für die Wirksamkeit der Vergleiche „die Zustimmung von 83% der Geschädigten“ erforderlich wäre, wie in der Einleitung der Anfrage angeführt wird, ist unzutreffend. Der Bund hat mit diesem Zielwert lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es ihm bei Nichterreichung dieses Prozentsatzes (der im Übrigen auf die bei der AeW bzw. im Konkurs angemeldeten Anlegerforderungen abstellt) frei steht, ob er die Angebote annimmt. Im Hinblick auf das sehr große Interesse der Anleger an der Vergleichslösung hat sich der Bund entschlossen, die Angebote jedenfalls, d.h. unabhängig von diesem Zielwert anzunehmen, weshalb auch eine Ermittlung des relativen Anteils (=Summe der Anleger, die einen Vergleich abgeschlossen haben, in Relation zur Summe der Anleger, die ihre Forderungen bei der AeW bzw. in den AMIS-Insolvenzverfahren angemeldet haben) entbehrlich ist.

 

Zum Stichtag 1. Februar 2012 liegt dem Bundesministerium für Finanzen keine Auswertung vor und wäre die Rückermittlung zu diesem Tag – wenn überhaupt – nur mit einem unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand möglich. Tagesaktuell (23. April 2012) liegen dem Bund insgesamt rund 7.300 angenommene (einschließlich einiger wegen Formmängel oder nachzureichender Unterlagen vorerst nur bedingt angenommene) Anlegeranbote vor; täglich langen weitere Angebote in der Finanzprokuratur ein.

 

Zu 11.:

Wesentliche Komponente der Generalbereinigung im Fall AMIS ist auch eine Vereinbarung zwischen dem Bund und der Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH (AeW), die u.a. einen Regressverzicht der AeW gegen den Bund und einen Beitrag des Bundes zu von der AeW zu führenden Zivilprozessen vorsieht. Mit diesem Beitrag wird nicht nur das Risiko des Bundes, von der AeW wegen der aus dem vorhandenen Treuhandvermögen zu leistenden Zahlungen im Regressweg in Anspruch genommen zu werden, angemessen abgegolten, sondern wird dadurch auch eine Insolvenz der AeW und die damit verbundene Beeinträchtigung des Ansehens des Finanzplatzes vermieden.

 

Zu 12.:

Mit der Novelle zum WAG 2007 BGBl I 2009/39 wurde für die Mittelaufbringung ein „4-Säulen-Modell“ eingeführt, um die Leistungsfähigkeit der Anlegerentschädigung zu verbessern. Reichen im Entschädigungsfall die von der Entschädigungseinrichtung aufzubringenden Mittel aus den Säulen 1. bis 3. nicht aus, hat die Entschädigungseinrichtung zur Abdeckung des Fehlbetrages Darlehen aufzunehmen oder Schuldverschreibungen auszugeben, für welche das Bundesministerium für Finanzen nach Maßgabe besonderer gesetzlicher Ermächtigung die Bundeshaftung übernehmen kann (§ 76 Abs. 3 WAG 2007).

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Maria Fekter eh.