4550/AB XXIV. GP
Eingelangt am 23.04.2010
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Anfragebeantwortung
NIKOLAUS BERLAKOVICH
Bundesminister
An die Zl. LE.4.2.4/0024-I 3/2010
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien Wien, am 23. APRIL 2010
Gegenstand: Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Werner Neubauer, Kolleginnen
und Kollegen vom 23. Februar 2010, Nr. 4538/J, betreffend
Verbot für Maisbeizmittel auf Basis von Neonicotinoiden
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen vom 23. Februar 2010, Nr. 4538/J, teile ich Folgendes mit:
Zu den Fragen 1 und 2:
In Österreich besteht keine gesetzliche Regelung, auftretende Völkerverluste zu erfassen und zu dokumentieren, daher liegen keine offiziellen Zahlen vor.
Eine umfassende Gesamtübersicht über Völkerverluste in der Europäischen Union wurde im Rahmen der EU COST Action FA0803 erstellt. Nach Neumann und Carreck (2010) ergaben sich in den letzten 5 Jahren für Europa Völkerverluste von 1,8 % bis 55 %.
Zu Frage 3:
Durch das österreichische Forschungsprojekt „Maßnahmen zur Förderung der Bienengesundheit – Klärung von Bienenverlusten mit unbekannter Ursache“ liegen Daten aus drei Untersuchungsjahren vor. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl Pathogene und Parasiten als auch Insektizide an den untersuchten Völkerverlusten beteiligt waren.
Der diesbezügliche Gesamtbericht ist aus der AGES-Website abrufbar: http://www.ages.at/uploads/media/Abschlussbericht_Massnahmen_Foerderung_Bienengesundheit_HP_01.pdf
Zu den Fragen 4 und 5:
Die Untersuchungen der letzten Jahre nach Bienenschäden haben gezeigt, dass bei Verwendung von insektizidgebeiztem Saatgut mit mangelnder Beizqualität und hohem Saatgutabrieb sowie bei Verwendung bestimmter Typen von pneumatischen Sämaschinen eine Exposition der Honigbienen gegenüber der Wirkstoffgruppe durch die Abtrift insektizidhaltigen Beizmittelabriebes auf blühende Nachbarkulturen während des Sävorganges besteht.
Zu den Fragen 6 und 7:
Im deutschen Pflanzenschutzmittelregister (www.bvl.bund.de) sind folgende Präparate auf Basis von Neonicotinoiden als zugelassene Saatgutbehandlungsmittel eingetragen:
Wirkstoff Clothianidin:
Dantop BRD-Reg.Nr.: 025583-00 Kartoffel
Elado BRD-Reg.Nr.: 005849-00 Raps
Janus BRD-Reg.Nr.: 005505-00 Futterrübe, Zuckerrübe
Poncho Beta BRD-Reg.Nr.: 005495-00 Futterrübe, Zuckerrübe
Poncho ungefärbt BRD-Reg.Nr.: 025429-00 Futterrübe, Zuckerrübe
Wirkstoff Imidacloprod:
Antarc BRD-Reg.Nr.: 004674-00 Raps
Chinook BRD-Reg.Nr.: 004672-00 Raps, Lein
Gaucho 600 FS ungefärbt BRD-Reg.Nr.: 004794-00 Futterrübe, Zuckerrübe, Speisezwiebel Porree
Gaucho WS BRD-Reg.Nr.: 004787-00 Futterrübe, Zuckerrübe, Speisezwiebel, Porree, Speisezwiebel, Porree, Zwiebelgemüse, Brokkoli, Blumenkohl, Kopfkohle, Kohlrabi, Endivien, Salate, Blattkohle
Imprimo BRD-Reg.Nr.: 004680-00 Futterrübe, Zuckerrübe
Monceren G BRD-Reg.Nr.: 005960-00 Kartoffel
Traffic BRD-Reg.Nr.: 004681-00 Futterrübe, Zuckerrübe
Wirkstoff Thiamethoxam:
Cruiser 600 FS BRD-Reg.Nr.: 006034-00 Futterrübe, Zuckerrübe
Cruiser 70 WS BRD-Reg.Nr.: 024874-00 Futterrübe, Zuckerrübe
Cruiser OSR BRD-Reg.Nr.: 024922-00 Raps
Magna BRD-Reg.Nr.: 024922-00 Futterrübe, Zuckerrübe
In Deutschland wurden die Zulassungen von Cruiser 350 FS, BRD-Reg.Nr. 024914-00 und Poncho BRD-Reg.Nr. 025272-00, ruhend gestellt. Es erfolgte jedoch weder ein Widerruf noch ein Verbot dieser Pflanzenschutzmittel durch die deutsche Zulassungsbehörde.
Im italienischen Pflanzenschutzmittelregister sind folgende Präparate auf Basis von Neonicotinoiden als zugelassen aufgelistet (http://www.sian.it/fitovis/). Eine genaue Ermittlung des Anwendungsbereiches für die zugelassenen Produkte ist in dieser Datenbank jedoch nicht möglich.
Wirkstoff Clothianidin:
N.Reg. 12865 DANTOP 50 WG
N.Reg. 12874 PONCHO BETA
N.Reg. 12204 PONCHO BIANCO
Wirkstoff Imidacloprod:
N.Reg. 13667 AFIDANE 200 SL
N.Reg. 14799 AFLOR 200 SL
N.Reg. 13212 CONFIDOR 200 O-TEQ
N.Reg. 8987 CONFIDOR 200 SL
N.Reg. 11154 CONFIDOR AE / PPO
N.Reg. 12205 CONFIDOR AL / PPO
N.Reg. 13361 CONFIDOR ENERGY O-TEQ
N.Reg. 11343 CONFIDOR GIARDINO
N.Reg. 12517 CONFIDOR O-TEQ
N.Reg. 11517 CONFIDOR OIL
N.Reg. 14798 DIFLORON 200 SL
N.Reg. 8905 GAUCHO 70 WS
N.Reg. 13435 IMD INSETTICIDA SISTEMICO / PPO
N.Reg. 13640 IMPRINT
N.Reg. 14797 INFLOOR 200 SL
N.Reg. 12448 KOHINOR 200
N.Reg. 14290 KOHINOR 200 SL
N.Reg. 10927 KOHINOR PLUS
N.Reg. 14716 KOHINOR PLUS PAL
N.Reg. 13613 LEON 200 SL
N.Reg. 11593 LIZETAN AE / PPO
N.Reg. 11592 LIZETAN BARRIERA / PPO
N.Reg. 11594 LIZETAN PLUS / PPO
N.Reg. 10603 MERIT GREEN
N.Reg. 12561 MILLENIUM
N.Reg. 12038 NEMACUR MULTI
N.Reg. 13375 NUPRID 200 SC
N.Reg. 12650 NUPRID 200 SL
N.Reg. 14800 PHORIX
N.Reg. 11155 PROVADO FACILE / PPO
N.Reg. 10055 PROVADO PIN
N.Reg. 11153 PROVADO PLUS / PPO
N.Reg. 11595 PROVADO SL / PPO
N.Reg. 13672 RIDER
N.Reg. 13185 SIATTOL
N.Reg. 12519 SPAIKIL - K
N.Reg. 13482 STOP-INSECT
N.Reg. 13026 SUSCON
N.Reg. 13370 WARRANT 200 SL
N.Reg. 12447 WARRANT SL
N.Reg. 13477 ZORRO N
Wirkstoff Thiamethoxam:
N.Reg. 11614 ACTARA 25 WG
N.Reg. 14094 ACTARA 25 WG (Importazione parallela)
N.Reg. 13082 COMPO AXORIS GRANULI / PPO
N.Reg. 13054 COMPO AXORIS PASTIGLIE / PPO
N.Reg. 11600 CRUISER 350 FS
N.Reg. 12846 CRUISER 600 FS
N.Reg. 11599 CRUISER 70 WS
N.Reg. 11598 CRUISER 70 WS
N.Reg. 13498 MEMORY N
Zu Frage 8:
Grundsätzlich gelten die in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmittel gemäß § 12 Abs. 10 PMG 1997 idgF auch in Österreich als zugelassen. In Deutschland ruhende Zulassungen sind von dieser Regelung jedoch nicht erfasst.
Zu Frage 9:
Die Lebensbedingungen der Bienen sind in den drei genannten Ländern weitgehend vergleichbar. Diese richten sich allerdings auch innerhalb der Länder nach verschiedenen relevanten Kriterien (wie Klima, Höhenlage, landwirtschaftliche Nutzung, etc.), nach der jeweiligen Örtlichkeit der Aufstellung der Bienenvölker (Dauer- bzw. Wanderbienenstände), etc. Hinsichtlich der landwirtschaftlichen Struktur (wie Schlaggröße, Vorhandensein oder Fehlen von Bewuchsstreifen zwischen Maisschlägen, Hecken, Vorhandensein und artenmäßige Zusammensetzung von Windschutzpflanzungen, etc.) und des großräumigen Umfeldes von Maisfeldern (z.B. Vorhandensein alternativer Pollenquellen zur Maisblüte) können zwischen den in der Frage genannten Ländern beträchtliche Unterschiede bestehen, die einen großen Einfluss auf ein allfälliges Expositionsrisiko für Bienen haben.
Bezüglich des Umfanges eines „Bienensterbens“ bestehen gravierende Unterschiede, wie die Zahl an Meldungen über Schadensfälle der letzten Jahre, insbesondere im Jahr 2008 gezeigt hat.
Bezüglich des Einsatzes der betroffenen Beizmittel bestehen Unterschiede hinsichtlich der verwendeten Dosierung/Korn, bzw. der Beizqualität, insbesondere im Vergleich zwischen Deutschland und Österreich im Jahr 2008.
Zu Frage 10:
Für 2008 stellt sich die Menge der in Österreich in Verkehr gebrachten Wirkstoffe in zugelassenen Pflanzenschutzmitteln auf Basis der jährlichen Wirkstoffmengenmeldungen wie folgt dar (Summe aus allen Anwendungsgebieten, auch Pflanzenschutzmittel zur Spritzapplikation sowie gebeiztes Saatgut, dass für das Verbringen/die Ausfuhr in Österreich aufbereitet wird):
Clothianidin: 6.359,2 kg
Imidacloprid: 4.099,2 kg
Thiamethoxam: 5.547,5 kg
Zu Frage 11:
Unter Verwendung ist im gegenständlichen Fall die Beizung von Maissaatgut im Inland zu verstehen. Ein wesentlicher Anteil von in Österreich produziertem Maissaatgut wird jedoch auch ins Ausland verbracht. Auf Basis des in Österreich gebeizten und auch ausgesäten Maissaatguts lässt sich eine ungefähre Abschätzung der Wirkstoff- und Maisbeizmittelmengen ableiten. Unter Zugrundelegung von 300.000 ha Mais und einer Aussaatstärke von 80.000 Körnern/ha ergibt sich folgende Mengenabschätzung:
Poncho: 7.325 l Pflanzenschutzmittel (entspricht ca. 5.538 kg Wirkstoff Clothianidin)
Cruiser 350 FS: 5.011 l Pflanzenschutzmittel (entspricht ca. 2052 kg Wirkstoff
Thiamethoxam)
Gaucho 600 FS (Wirkstoff Imidacloprid) findet in Österreich nach den vorliegenden Informationen keine Anwendung als Maisbeizmittel.
Zu Frage 12:
Nach den vorliegenden Informationen sind in Deutschland im Jahr 2009 keine mit dem Jahr 2008 vergleichbaren Bienenschäden aufgetreten.
Zu Frage 13:
Seitens des Bundesamts für Ernährungssicherheit (BAES) wurden bereits für die Saison 2009 risikomindernde Auflagen für insektizide Maisbeizmittel zum Schutz der Umwelt (insbesondere der Bienen) vorgeschrieben sowie weitergehende Maßnahmen gesetzt bzw. die Zulassungen dieser insektiziden Pflanzenschutzmittel abgeändert. Eine ergänzende Risikobewertung der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) basierend auf den zusätzlich vorliegenden Daten und unter Berücksichtigung neuer Auflagen und Maßnahmensetzungen für die Anbausaison 2010 wurde vorgenommen. Die neuen Auflagen zur Risikominderung sind auf der Homepage der AGES einsehbar.
Darüber hinaus wurde eine „Saatgut-Beiz-Verordnung“ erlassen, die hinsichtlich der Qualitätssicherung und Kennzeichnung von gebeiztem Maissaatgut neue Maßstäbe setzt.
Die vom BAES gesetzten Maßnahmen für den Anbau 2010 werden durch das Projekt „MELISSA“ einer Evaluierung hinsichtlich der praktischen Wirksamkeit zur Vermeidung möglicher negativer Auswirkungen auf Bienen unterzogen. Dazu werden Freilanderhebungen und Rückstandsuntersuchungen in Fällen von Vergiftungsverdacht bei Bienen durchgeführt.
Die in Österreich bereits vorsorgend umgesetzten risikomindernden und auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Maßnahmensetzungen inklusive der Evaluierung durch das Projekt MELISSA, entsprechen bereits den in der „Richtlinie 2010/21/EU der Kommission vom 12. März 2010 zur Änderung von Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates hinsichtlich Sonderbestimmungen zu Clothianidin, Thiamethoxam, Fipronil und Imidacloprid“ ausgeführten künftig anzuwendenden Regelungen.
Die Imkerschaft wurde in Vorträgen und Fachbeiträgen umfassend und intensiv über die Thematik des Einsatzes insektizider Saatgutbeizmittel informiert und von der AGES aufgefordert, das Projekt MELISSA durch Beobachtungen bzw. die Einsendung von Probenmaterial bei Vergiftungsverdacht zu unterstützen. Um eine möglichst einheitliche Informations- und Datenbasis zu erhalten und Überwinterungsverluste von Verlusten während der aktiven Bienensaison abgrenzen zu können, wurden zwei Fragebögen erarbeitet und entsprechend verteilt.
Der Bundesminister: