4582/AB XXIV. GP

Eingelangt am 23.04.2010
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0062-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4636/J-NR/2010

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Werner Herbert und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „unbewachter Ausgang von Häftlingen“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Als Rechtsgrundlagen für ein unbewachtes Verlassen der Justizanstalt dienen im Wesentlichen die §§ 99, 99a, 126 und 147 des Strafvollzugsgesetzes (StVG). Dabei wird vor allem darauf abgestellt, dass der Insasse nach der Art und dem Beweggrund der strafbaren Handlung, derentwegen er verurteilt worden ist, sowie nach seinem Lebenswandel vor der Anhaltung und seiner Führung während dieser für die Sicherheit des Staates, für die der Person oder des Eigentums nicht „besonders gefährlich“ ist (§§ 99, 99a StVG) bzw. zu erwarten ist, dass er die Lockerungen nicht missbrauchen wird (§§ 126, 147 StVG).

Nach § 99a StVG darf ein im genannten Sinne nicht „besonders gefährlicher“ Strafgefangene auf sein Ansuchen höchstens zweimal im Vierteljahr für die Dauer von höchstens zwölf Stunden am Tag die Anstalt unbewacht verlassen (Ausgang), wenn die voraussichtlich noch zu verbüßende Strafzeit drei Jahre nicht übersteigt. Bei längeren Reisebewegungen darf die Abwesenheit bis zu 48 Stunden dauern.

Diese Haftunterbrechung darf nur gewährt werden, wenn eine Unterkunft und der Unterhalt des Strafgefangenen für die Zeit der Unterbrechung gesichert sind. Von der Bewilligung einer Unterbrechung ist die Sicherheitsbehörde des für die Zeit der Unterbrechung in Aussicht genommenen Aufenthaltsortes des Strafgefangenen zu verständigen.

Der Zweck des Ausganges ist die Regelung wichtiger persönlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Angelegenheiten, die weder schriftlich erledigt noch bis zur Entlassung aufgeschoben werden können. Weiters sollen die Ausgänge zur Aufrechterhaltung familiärer und sonstiger persönlicher Bindungen dienen (§ 93 StVG).

Werden Strafgefangene im gelockerten Vollzug gemäß § 126 StVG angehalten, sieht das Gesetz unter anderem vor, dass ihnen ein oder zwei Ausgänge pro Monat im Sinne des § 99a StVG auch zu anderen als den dort genannten Zwecken gewährt werden können.

Während des Entlassungsvollzuges (§ 147 StVG) sind einem Strafgefangenen auf sein Ansuchen zur Vorbereitung auf das Leben in Freiheit und zur Ordnung seiner Angelegenheiten ein oder mehrere Ausgänge im Inland in der Dauer von jeweils höchstens drei Tagen, bei längeren Reisebewegungen von jeweils höchstens fünf Tagen, zu gestatten, wenn nach seiner Person, seinem Vorleben und seiner Ausführung während der Anhaltung zu erwarten ist, dass er den Ausgang nicht missbrauchen werde. Auch hier müssen Unterkunft und Unterhalt gesichert sein und es ist ebenso die Sicherheitsbehörde zu verständigen.

Zu 2, 3 und 5:

Nach den Bestimmungen des StVG obliegt die Entscheidung über unbewachtes Verlassen der Anstalt gemäß §§ 99a, 126 und 147 StVG dem Anstaltsleiter (Vollzugsbehörde erster Instanz gemäß § 11 StVG) Die Entscheidung gemäß § 99 StVG obliegt dem Vollzugsgericht. Einer solchen Entscheidung geht stets eine eingehende Prüfung voraus, ob die zu Fragepunkt 1 dargestellten Voraussetzungen vorliegen oder nicht.

Zu 4, 6 und 7:

Zur Frage nach der Anzahl von bewilligten Ausgängen und der unterbliebenen Rückkehr darf auf die nachstehende Tabelle verwiesen werden. Sie versteht sich als Gesamtsumme aller gewährten Abwesenheiten (§§ 99, 99a, 126 und 147 StVG). Eine Aufschlüsselung nach Delikten ist mangels einer statistischen Verknüpfung nicht möglich und könnte nur im Rahmen einer wissenschaftlichen Recherche hergestellt werden. Im Rahmen einer Parlamentarischen Anfragebeantwortung ist der Aufwand unvertretbar hoch.

 


Justizanstalt

Ausgänge

Nichtrückkehrer

EISENSTADT

475

1

FAVORITEN

5782

3

FELDKIRCH

514

6

GARSTEN

1727

1

GERASDORF

2297

4

GÖLLERSDORF

601

1

HIRTENBERG

3409

18

INNSBRUCK

2943

6

GRAZ-JAKOMINI

2128

5

WIEN-JOSEFSTADT

805

12

GRAZ-KARLAU

7484

8

KLAGENFURT

2615

5

KORNEUBURG

1045

4

KREMS

184

 0

LEOBEN

1577

4

LINZ

2443

11

WIEN-MITTERSTEIG

1321

 0

RIED

1550

4

SALZBURG

1961

7

WIEN-SIMMERING

7654

16

SONNBERG

1348

10

ST. PÖLTEN

1940

5

STEIN

1421

6

STEYR

292

2

SUBEN

595

2

SCHWARZAU

3199

4

WELS

1760

8

WR. NEUSTADT

1182

 0

Gesamtergebnis:

60252

153

 

Von diesen 153 Insassen haben 129 Insassen in der Zwischenzeit die Haft wieder angetreten.

Zu 8 und 9:

Vorfälle, bei denen Strafgefangene einen unbewachten Ausgang zur Flucht genutzt haben, wurden stets sorgfältig geprüft. Dabei erwiesen sich die von den Anstaltsleitern getroffenen Entscheidungen jeweils gesetzliche gedeckt, begründ- und nachvollziehbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ex ante Einschätzungen über menschliches Verhalten stets auch auf Prognosen und Erwartungshaltungen gründen und daher ein gewisses Restrisiko unvermeidlich ist. Einen Anlass, in diesem Zusammenhang dienst- oder strafrechtlich gegen einen Anstaltsleiter vorzugehen, gab es bislang nicht.

 

21. April 2010

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)