4586/AB XXIV. GP

Eingelangt am 23.04.2010
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0058-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4597/J-NR/2010

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Leopold Mayerhofer und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Auswahlverfahren für Richter und Staatsanwälte“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Das Auswahlverfahren für Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter ist mehrstufig; Ausgangspunkt sind die Eignungsbeurteilungen der ausbildenden Richter und Staatsanwälte während der Gerichtspraxis, in denen zur fachlichen und persönlichen Eignung ausführlich Stellung zu nehmen ist. Bewerberinnen und Bewerber um eine Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst müssen sich weiters einer Fachprüfung, einer amtsärztlichen sowie einer eignungspsychologischen Untersuchung und zuletzt einer Anhörung durch den jeweiligen Präsidenten des Oberlandesgerichtes unterziehen. Diese Anhörung erfolgt unter Einbindung weiterer Richterinnen, Richter, Staatsanwälte und Staatsanwältinnen. Auf der Grundlage dieser Informationen erstellt der Präsident des Oberlandesgerichtes unter Berücksichtigung von universitären Leistungen, bisherigen beruflichen Erfahrungen und sonstigen Fähigkeiten, Kenntnissen und Leistungen einen Ernennungsvorschlag. Dieser wird durch die zuständige Fachabteilung im Bundesministerium für Justiz geprüft und mir darauf aufbauend ein Vorschlag für die Ernennung der bestgeeigneten Kandidatinnen und Kandidaten vorgelegt.

Zu 2:

Die vier Präsidenten der Oberlandesgerichte führen in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich nach Maßgabe freier Planstellen, der Größe des Sprengels und des aktuellen Bedarfes Auswahlverfahren idR zumindest einmal und nicht öfter als viermal jährlich durch.

Zu 3:

Die Zahl der Aufnahmewerber beim einzelnen Termin schwankt erheblich, übersteigt aber die Zahl der ausgeschriebenen Planstellen gewöhnlich um ein Mehrfaches; detaillierte Statistiken darüber werden jedoch nicht geführt.

Zu 4 bis 8:

Die gesetzlichen Vorgaben über die Aufnahme- und Ernennungserfordernisse und die praktische Durchführung der Auswahlverfahren zielen darauf ab, die bestmöglichen Kandidatinnen und Kandidaten für das Richteramt auszuwählen. Die ausgewählten Kandidatinnen und Kandidaten werden im Rahmen der Gerichtspraxis als Rechtspraktikanten und Richteramtsanwärter intensiv theoretisch und praktisch ausgebildet, wobei die Bestimmungen darüber laufend hinsichtlich ihrer Aktualität beobachtet und erforderlichenfalls geändert werden. Im Rahmen der Aus- und Fortbildung wird selbstverständlich auch der jeweils aktuellen Judikatur – und damit auch der Erörterung aktueller Entscheidungen – das entsprechende Augenmerk zugewendet. Außerdem wird berufsbegleitend ein umfassendes Fortbildungsprogramm angeboten.


Die sozialen Fähigkeiten sind bereits nach geltender Rechtslage (§ 3 Abs. 3 iVm § 54 Abs. 1 Z 4 RStDG) ein wichtiges Eignungskriterium; dieser Aspekt spielt auch bei den Übungskursen für Richteramtsanwärter eine wichtige Rolle (§ 14 Abs. 2 RStDG).

Alle Rechtsnormen bedürfen bei ihrer Umlegung auf einen konkreten Lebenssachverhalt vielfacher Interpretation, wobei es trotz aller Sorgfalt bei der Auswahl und Aus- und Fortbildung der handelnden Personen selbstverständlich zu Auffassungsunterschieden kommt. Nimmt man die zumindest teilweise Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung durch ein übergeordnetes Gericht als Maßstab für die Qualität der erstinstanzlichen Rechtsprechung, so wurden 2009 gegen 44.112 ergangene Urteile in Strafsachen lediglich 4.245 Berufungen und Nichtigkeitsbeschwerden erhoben, wovon wiederum der überwiegende Teil gänzlich erfolglos geblieben ist. Es liegt im Wesen der unabhängigen Rechtsprechung der Gerichte, dass ihre Entscheidungen in einzelnen Fällen nicht auf die ungeteilte Zustimmung der Lehre oder auch der Öffentlichkeit stoßen bzw. durch eine Entscheidung eines übergeordneten Gerichtes aufgehoben oder abgeändert werden ohne dass deshalb das System an sich in Frage zu stellen wäre.

Zu 9 und 10:

Im Planstellenverzeichnis des Stellenplans 2006 waren 200, in den Stellenplänen 2007 und 2008 150 und im Personalplan 2009 ebenfalls 150 Planstellen für Richteramtsanwärter vorgesehen. Hinzu kommen Aufnahmemöglichkeiten nach dem Allgemeinen Teil des Stellen- bzw. Personalplans, wonach in bestimmten Fällen für einen Richter, Staatsanwalt oder Richteramtsanwärter ein Richteramtsanwärter aufgenommen werden kann. Jährlich werden mit gewissen Schwankungen 70 bis 90 Personen zu Richteramtsanwärterinnen oder Richteramtsanwärtern ernannt.

Zu 11 bis 16:

Generell besteht weder ein Anspruch auf Ernennung zur Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses noch auf Ernennung im Dienstverhältnis, ebenso wenig hat ein Bewerber im Ernennungsverfahren Parteistellung (vgl. VfSlg. 8066/1977, 14.368/1995, 14.732/1997, 17.620/2005); das betrifft auch die Akteneinsicht als Ausfluss einer Parteistellung. Nur über die Ernennung in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis ergeht ein Bescheid, womit der betroffene Bewerber Parteistellung erlangt.


Zu 17:

Wenngleich es überall vorkommt, dass Kinder den Beruf eines Elternteils anstreben und letztlich vielleicht auch ergreifen, sind die familiäre Abstammung der Bewerberinnen und Bewerber und die Berufe ihrer Eltern weder ein Aufnahme- noch ein Ausschlusskriterium, sodass das Vorliegen von Informationen darüber von bloßen Zufällen abhängt und statistische Auswertungen darüber nicht erfolgen können. Angehörigen von Bediensteten sind als Bewerberinnen und Bewerber schon aus Gründen der Gleichbehandlung die gleichen Chancen einzuräumen wie allen anderen; letztlich kommen jeweils die Bestgeeigneten zum Zuge.

Zu 18 bis 20:

Dass außenstehende Dritte versuchen, Entscheidungsprozesse dadurch zu beeinflussen, dass sie sich mit ihren Argumenten an einzelne der am Entscheidungsprozess beteiligten Entscheidungsträger wenden, kommt wohl in jeder Organisationsform vereinzelt vor. Durch die Breite der Entscheidungsgrundlagen, die Mehrzahl der beteiligten Entscheidungsträger, deren persönliche Qualifikation und Integrität sowie die Mehrstufigkeit und die aktenmäßige Dokumentation des Auswahlverfahrens einschließlich der ausführlichen Begründung der Vorschläge (§ 3 Abs. 2 RStDG) ist jedoch dafür Sorge getragen, dass der Ausgang des Auswahlverfahrens dadurch nicht beeinflusst wird.

 

April 2010

 

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)