4603/AB XXIV. GP
Eingelangt am 23.04.2010
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung
DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0048-Pr 1/2010
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 4545/J-NR/2010
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „muslimische Seelsorger in österreichischen Justizanstalten“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) vertritt kraft Gesetzes alle muslimischen Gläubigen in Österreich in religiösen Angelegenheiten. Der angesprochene Vertrag regelt die muslimische Seelsorge in Justizanstalten. Er orientiert sich an einem inhaltlich ähnlichen Vertrag mit der evangelischen Kirche über die Seelsorge bei evangelischen Insassen in Justizanstalten.
Inhaltlich regelt der Vertrag, dass zu Gefangenenseelsorgern nur solche islamischen Seelsorger bestellt werden, die von der Islamischen Glaubensgemeinschaft hiezu schriftlich ermächtigt wurden. Sie müssen die deutsche Sprache beherrschen, damit sie in dieser sowohl mit den Organen der Strafvollzugsverwaltung kommunizieren als auch Gottesdienste abhalten können. Schließlich müssen sie über eine ausreichende Schulbildung zumindest in Form eines Mittelschulabschlusses einer staatlichen bzw. staatlich anerkannten Schule (Matura) verfügen. Bei der Auswahl der Seelsorger kommt der Strafvollzugsverwaltung ein Mitspracherecht zu.
Die Islamische Glaubensgemeinschaft hat zu gewährleisten, dass die von ihr beauftragten Seelsorger im Umgang mit den Anstaltsinsassen die einschlägigen österreichischen gesetzlichen Bestimmungen einhalten und sich zu den im österreichischen Bundesverfassungsgesetz und in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte verbrieften demokratischen Werten bekennen.
Verletzt ein Gefangenenseelsorger seine Pflichten oder setzt er ein Verhalten, das die Interessen oder das Ansehen des Strafvollzuges gefährdet, kann die Strafvollzugsverwaltung die Abberufung aus der Funktion des Gefangenenseelsorgers fordern, der die Islamische Glaubensgemeinschaft umgehend zu entsprechen hat.
Predigten bei Gottesdiensten und gemeinsamen religiösen Veranstaltungen – wie etwa dem Mittagsgebet freitags oder besonderen Festgottesdiensten wie dem Ramadanfest oder dem Opferfest – sind in deutscher Sprache abzuhalten.
Diese Vereinbarung ist eine von zahlreichen zivilrechtlichen Verträgen, die von der Vollzugsverwaltung im Rahmen des gesetzlichen Auftrages zur Betreuung von Insassen laufend abgeschlossen werden (wie beispielsweise mit Ärzten). Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung einer Veröffentlichung.
Zu 2 und 3:
Die Rechtsgrundlage für seelsorgerische Aktivitäten in den Justizanstalten bildet § 85 Strafvollzugsgesetz iVm den einschlägigen verfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Freiheit der Religionsausübung (Art. 14 StGG und Art. 9 EMRK). Nach § 85 StVG steht dem Insassen ein subjektiv-öffentliches Recht auf Betreuung durch einen Seelsorger seines (eigenen) Religionsbekenntnisses zu.
Nach Art. 1 IslamG (Gesetz vom 15. Juli 1912 betreffend die Anerkennung der Anhänger des Islams als Religionsgesellschaft idF BGBl. Nr. 466/1988) ist der Islam eine staatlich anerkannte Religionsgesellschaft (Religionsgemeinschaft), welche hinsichtlich der Religionsausübung denselben gesetzlichen Schutz wie andere gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaften genießt. Daraus ergibt sich unter anderem das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsausübung sowie der Gefangenenseelsorge.
Die Strafvollzugsverwaltung unterstützte bisher zwei der größten im Vollzug vertretenen Glaubensgemeinschaften die römisch-katholische Kirche und die evangelische Kirche finanziell oder durch Bereitstellung von einzelnen Planstellen. Die zweitgrößte, nämlich die muslimische Glaubensgemeinschaft, wurde bisher nicht unterstützt, worauf Vertreter dieser Glaubensgemeinschaft immer wieder hingewiesen haben. Bereits unter meinen Vorgängern hat es daher Verhandlungen mit der Islamischen Glaubengemeinschaft gegeben, mit dem Ziel, eine Lösung wie mit der evangelischen Kirche zu erreichen. Der Wunsch, die muslimische Seelsorge auf eine klare Übereinkunft zu stellen und dabei beiden Seiten Rechte und Pflichten zuzuweisen, war ein gemeinsamer. Insbesondere soll verhindert werden, dass selbsternannte Imame von außerhalb der anerkannten Islamischen Glaubensgemeinschaft und ohne ausreichende Vorbildung in Justizanstalten aktiv werden können. Es darf darauf hingewiesen werden, dass etwa in Deutschland, wo der Islam keine anerkannte Religionsgemeinschaft ist, die islamische Seelsorge teilweise in der Hand von Konsulaten, teilweise von kleinsten, nicht überprüfbaren örtlichen Vereinen liegt und daher von deutschen Vollzugsverwaltungen sehr problematisch angesehen wird.
Zu 4 und 5:
Zum Stichtag 25. Februar 2010 (Einlangen dieser Anfrage) waren in österreichischen Gefängnissen bis zu 14 muslimische Seelsorger tätig, wovon zumindest einer mehrere Justizanstalten betreut.
Es sind jedoch teilweise für eine Justizanstalt mehrere Seelsorger vorgemerkt, die abwechselnd zum Einsatz kommen.
Für nähere Details darf auf die nachstehende Liste verwiesen werden:
Justizanstalt |
Anzahl Seelsorger |
Tätigkeit |
Wien-Favoriten |
1 |
seit 25.4.2008 |
Wien-Mittersteig |
1 |
seit Mai 2008 |
Wien-Josefstadt |
2 |
seit 24.10.2000 bzw. 13.5.2008 |
Gerasdorf |
1 |
seit Mai 2009 |
Krems |
bei Bedarf Ausführung in die Justizanstalt Stein |
|
Stein |
3 |
seit dem Jahr 2002 |
Karlau |
1 bis 2 |
seit Februar 2005 |
Garsten |
2 |
seit dem Jahr 2006 |
Innsbruck |
1 |
seit November 2006 |
Feldkirch |
abwechselnd je 1 |
(über Beginn keine Aufzeichnungen) |
Zu 6 und 7:
Ob Kosten speziell für die religiöse Betreuung muslimischer Insassen bis zum Inkrafttreten des Vertrags mit der IGGÖ dem Strafvollzug erwachsen sind und wie hoch diese gegebenenfalls waren, kann mangels einer diesbezüglichen Voranschlagspost im Rechnungswesen nicht gesagt werden. Die Beantwortung wäre mit einem nicht vertretbaren Personalaufwand verbunden.
Mit der gegenständlichen Vereinbarung, die sich am Vertrag mit der evangelischen Kirche orientiert, erhält die IGGÖ für die von ihr erbrachten Leistungen an seelsorgerischer Betreuung von Anstaltsinsassen einen – aus den Mitteln des Strafvollzugs zu bezahlenden – jährlichen Pauschalbetrag von 15.320 Euro. Damit ist die seelsorgerische Betreuung von rund 1.400 Häftlingen gedeckt.
Zu 8 und 9:
Bei den auf Grund des Vertrages mit der IGGÖ tätigen Seelsorgern handelt es sich um „zugelassene“ Seelsorger iS des § 85 StVG. Die Verantwortung für die Zulassung liegt beim zuständigen Anstaltsleiter, der auch zu überprüfen haben wird, ob die im Vertrag vorgesehenen Mindeststandards eingehalten werden. Er wird auch die Effizienz der Kontrollen auf die Bedürfnisse des Einzelfalles abzustellen haben.
April 2010
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)