5230/AB XXIV. GP
Eingelangt am 08.07.2010
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung
DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0135-Pr 1/2010
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 5305/J-NR/2010
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Kontrolle der Qualität von Sachverständigen-Gutachten“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Zu 2:
In den Sprengeln der vier Oberlandesgerichte wurden in den Jahren 2005 bis 2009 Anträge auf Rezertifizierung gemäß § 6 Sachverständigen- und Dolmetschergesetz (SDG) in folgender Zahl gestellt:
· 2005:
OLG-Sprengel Wien (exklusive HG Wien mangels statistischer Aufzeichnungen): 92
OLG-Sprengel Linz: 80
OLG-Sprengel Innsbruck: 48
OLG-Sprengel Graz (exklusive LG für ZRS Graz mangels statistischer Aufzeichnungen): 120
· 2006:
OLG-Sprengel Wien (exklusive HG Wien mangels statistischer Aufzeichnungen): 80
OLG-Sprengel Linz: 78
OLG-Sprengel Innsbruck: 90
OLG-Sprengel Graz (exklusive LG für ZRS Graz mangels statistischer Aufzeichnungen): 112
· 2007:
OLG-Sprengel Wien: (exklusive HG Wien mangels statistischer Aufzeichnungen): 79
OLG-Sprengel Linz: 80
OLG-Sprengel Innsbruck:108
OLG-Sprengel Graz (exklusive LG für ZRS Graz mangels statistischer Aufzeichnungen): 78
· 2008:
OLG-Sprengel Wien: 1.328
OLG-Sprengel Linz: 361
OLG-Sprengel Innsbruck: 489
OLG-Sprengel Graz: 915
Anm.: Die hohe Zahl der Rezertifizierungsanträge im Jahr 2008 ist auf eine Änderung im SDG zurückzuführen (s. § 16a Abs. 1 SDG).
· 2009:
OLG-Sprengel Wien: 244
OLG-Sprengel Linz: 122
OLG-Sprengel Innsbruck: 130
OLG-Sprengel Graz: 176
Zu 3:
Anträge auf Rezertifizierung gemäß § 6 SDG wurden in den Jahren 2005 bis 2009 in folgender Zahl abgelehnt:
· 2005:
OLG-Sprengel Wien: 0
OLG-Sprengel Linz: 0
OLG-Sprengel Innsbruck: 0
OLG-Sprengel Graz: 0 (unberücksichtigt blieben die LG für ZRS Graz und Leoben mangels statistischer Aufzeichnungen)
· 2006:
OLG-Sprengel Wien: 0
OLG-Sprengel Linz: 0
OLG-Sprengel Innsbruck: 0
OLG-Sprengel Graz: 0 (unberücksichtigt blieben die LG für ZRS Graz und Leoben mangels statistischer Aufzeichnungen)
· 2007:
OLG-Sprengel Wien: 0
OLG-Sprengel Linz: 0
OLG-Sprengel Innsbruck: 0
OLG-Sprengel Graz: 0 (unberücksichtigt blieben die LG für ZRS Graz und Leoben mangels statistischer Aufzeichnungen)
· 2008:
OLG-Sprengel Wien: 4
OLG-Sprengel Linz: 13
OLG-Sprengel Innsbruck: 0
OLG-Sprengel Graz: 94
· 2009:
OLG-Sprengel Wien: 2
OLG-Sprengel Linz: 1
OLG-Sprengel Innsbruck: 0
OLG-Sprengel Graz: 9
Hiezu ist anzumerken, dass die Zahl der Ablehnungen von Rezertifizierungsanträgen für sich genommen nicht aussagekräftig ist; eine beträchtlich größere Zahl von Sachverständigen wurde im Untersuchungszeitraum aus der Gerichtssachverständigenliste gelöscht, weil kein Antrag auf Rezertifizierung gestellt wurde oder ein solcher infolge Aussichtslosigkeit nach diesbezüglichen Gesprächen mit dem für die Entscheidung über den Antrag zuständigen Präsidenten bzw. der zuständigen Präsidentin zurückgezogen wurde.
Zu 4:
Gründe für die Ablehnung der Rezertifizierung waren Zweifel an der fachlichen Qualifikation aufgrund festgestellter qualitativer Mängel der Gutachten, kein aufrechter Haftpflichtversicherungsschutz, mangelnde Vertrauenswürdigkeit, keine geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse sowie mangelnde gerichtliche Heranziehung der betreffenden Sachverständigen über einen längeren Zeitraum.
Zu 5:
Die Entscheidung über einen Antrag auf
Rezertifizierung wird von dem/der für die Listenführung jeweils
zuständigen Präsidenten/in des Landesgerichts insbesondere auf
Grundlage des § 6 Abs. 3 SDG getroffen. In der Praxis sind dabei in erster
Linie die Stellungnahmen jener Richterinnen und Richter maßgeblich, in
deren Verfahren der/die den Antrag stellende Sachverständige tätig
geworden ist.
Diese Stellungnahmen haben vor allem die Sorgfalt der Befundaufnahme, die
Rechtzeitigkeit der Gutachtenserstellung sowie die Schlüssigkeit,
Nachvollziehbarkeit und den Aufbau der Gutachten zu beurteilen. Im Regelfall
wird der/die Sachverständige im Rahmen des Rezertifizierungsverfahrens
überdies um Mitteilung ersucht, welche Fortbildungsaktivitäten in
seinem/ihrem jeweiligen Fachgebiet unternommen wurden. Damit einhergehend wird
der/die Sachverständige aufgefordert, entweder einen Bildungs-Pass oder
sonstige entsprechende Unterlagen und Bestätigungen über absolvierte
Fortbildungen oder eigene Vortragstätigkeit sowie eigene Publikationen
vorzulegen. Außerdem werden Straf- und Insolvenzregisterabfragen
betreffend den/die Sachverständige durchgeführt. In Einzelfällen
werden darüber hinausgehende Ermittlungen angestellt, ein Gutachten der
Kommission gemäß § 4a SDG oder eine Äußerung eines
qualifizierten Mitglieds dieser Kommission eingeholt.
Zu 6:
Nach den Bestimmungen des SDG kommt weder dem Bundesministerium für Justiz noch den für die Führung der Gerichtssachverständigenliste jeweils zuständigen PräsidentInnen der Landesgerichte eine Disziplinargewalt über die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen zu.
Die Wahrnehmung allfälliger disziplinärer Maßnahmen gegen einen Sachverständigen obliegt den jeweiligen Landesverbänden der Gerichtssachverständigen; im Rahmen der Satzungen der Landesverbände bestehen Geschäftsordnungen in Disziplinarsachen, die bei Pflichtverletzungen von Verbandsmitgliedern deren disziplinäre Ahndung durch Disziplinarsenate ermöglichen.
Gemäß § 10 SDG ist die
Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter
Sachverständiger vom jeweils zuständigen Präsidenten des
Landesgerichts bei Vorliegen eines der Tatbestände der genannten
Bestimmung zu entziehen. Zu diesen Entziehungstatbeständen zählt etwa
der Verlust der Vertrauenswürdigkeit eines Sachverständigen, welcher
sowohl durch ein Verhalten des Sachverständigen im Rahmen der Sachverständigentätigkeit
als auch durch ein Verhalten, das nicht im Zusammenhang mit der
Sachverständigentätigkeit steht, verwirklicht werden kann, wenn
dadurch das Vertrauen in eine korrekte Ausübung der
Sachverständigentätigkeit erschüttert wird.
Darüber hinaus kann der Listen führende Präsident bei
Vorfällen, die für sich allein nicht das Gewicht eines
Entziehungsgrundes haben, – allenfalls nach Durchführung von
Erhebungen – das Verhalten des Sachverständigen ausstellen, ihn an
seine Pflichten erinnern oder ihn darauf hinweisen, dass im Fall weiterer
Pflichtverletzungen das Entziehungsverfahren eingeleitet werden wird. Insoweit
können somit auch disziplinäre Verstöße unmittelbare
Auswirkungen auf die Gerichtssachverständigeneigenschaft haben.
Zu 7:
Der vom Hauptverband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen als Beitrag zur Qualitätssicherung eingerichtete Bildungs-Pass stellt die vom Verband in einer eigenen Evaluierungskommission geprüften Fortbildungsaktivitäten der Sachverständigen übersichtlich dar. Er dient zum Nachweis der absolvierten Fortbildungsaktivitäten im Sinn des § 6 Abs. 3 SDG und bildet neben den dort erwähnten Erhebungen eine weitere Entscheidungshilfe für die mit der Rezertifizierung befassten Präsidenten/innen der Landesgerichte. Die Führung des Bildungs-Passes erfolgt auf freiwilliger Basis und ist für Mitglieder eines Landesverbandes kostenlos.
Der derzeitige Stand an Mitgliedern in den einzelnen Landesverbänden und der auf diese entfallenden Bildungs-Pässe lautet wie folgt:
|
Ordentliche Mitglieder |
Bildungs-Pass |
%-Wert |
LV Wien, NÖ und Burgenland |
2.851 |
863 |
30,27 |
LV Oberösterreich und Salzburg |
1.400 |
450 |
32,14 |
LV Steiermark und Kärnten |
1.779 |
210 |
11,80 |
LV Tirol und Vorarlberg |
1.203 |
341 |
28,35 |
Gesamt |
7.233 |
1.864 |
25,77 |
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass etwa 83% der eingetragenen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Mitglieder eines Landesverbands sind. Die Führung eines Bildungs-Passes für Nicht-Mitglieder ist seltene Ausnahme; so werden im Landesverband Wien, NÖ und Burgenland nur zwei Bildungs-Pässe für Sachverständige geführt, die keine Mitglieder des Verbandes sind.
Zu 8:
Dass gegen die Sachverständige Dr. Rotraut Erhard aus ihrem Kollegenkreis Vorwürfe erhoben worden seien, sie habe „hochgradig verantwortungslos“ gehandelt bzw. die „allgemein anerkannten Regeln der Kinderpsychologie“ verletzt, sind der für die Eintragung sowie für die Rezertifizierung im gegenständlichen Fall zuständigen Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien nicht bekannt.
Zu 9:
Im Zuge des Rezertifizierungsverfahrens und aus Anlass einer Beschwerde zu einem Verfahren vor dem Bezirksgericht Korneuburg hat die Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien im Herbst 2008 gemäß §§ 4a und 10 Abs. 4 SDG eine Äußerung einer kinderpsychologischen Sachverständigen als qualifiziertes Mitglied der Kommission zur fachspezifischen inhaltlichen Beurteilung des in Beschwerde gezogenen Gutachtens eingeholt. Die Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass das Gutachten den Richtlinien für die Erstellung von Gutachten in Familienrechtssachen entsprochen und sich daraus kein Grund für die Annahme mangelnder Sachkunde ergeben habe. Überdies holte die Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien im Zuge des Rezertifizierungsverfahrens von mehreren Richtern über die Qualität der von Dr. Erhard erstatteten Gutachten Stellungnahmen ein, die ausnahmslos äußerst positiv ausfielen.
Weiters hat Dr. Erhard ihre Fachkunde dadurch belegt, dass sie von ihr in Fachzeitschriften veröffentlichte Artikel, Nachweise über Lehr- und Vortragstätigkeiten sowie Teilnahmebestätigungen für zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen vorgelegt hat.
Auf Grund dieser Erhebungsergebnisse bestanden keine Bedenken, Dr. Rotraut Erhard bis Ende 2018 zu rezertifizieren.
. Juli 2010
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)