6299/AB XXIV. GP

Eingelangt am 18.11.2010
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0225-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 6397/J-NR/2010

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und Genossinnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Mietrechtliche Strafbestimmungen – Anwendungen in Österreich 1994 – 2009?“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 und 2:

Seit dem Jahr 2002 wurden insgesamt acht Strafanzeigen wegen § 27 MRG erstattet, und zwar zwei im Jahr 2002, jeweils eine in den Jahren 2003 und 2004 und je zwei in den Jahren 2006 und 2010. Nach den mir vorliegenden Berichten betrafen zwei Anzeigen den Tatbestand des § 27 Abs. 7 MRG; die übrigen entfallen auf § 27 Abs. 6 MRG.

Fünf Anzeigen wurden im Sprengel des Landesgerichtes für Strafsachen Wien erstattet und je eine in den Sprengeln der Landesgerichte St. Pölten, Salzburg und Linz.


Im Vergleich zur Anfragebeantwortung vom 16. Mai 2008, Zl 3894/AB, wurden im Jahr 2010 zwei neue Anzeigen wegen § 27 MRG erstattet.

Zu 3 und 4:

Im Jahr 2003 wurden drei, in den Jahren 2006 und 2007 jeweils ein Verfahren teilweise nach Vornahme gerichtlicher Vorerhebungen gemäß § 90 Abs. 1 StPO aF erledigt. In einem Verfahren im Jahr 2005 wurde ein Antrag auf Bestrafung gestellt; die Beschuldigten wurden mit Urteil vom 11. Oktober 2005 rechtskräftig freigesprochen.

Im Jahr 2010 wurden zwei Verfahren eingestellt.

Zu 5 bis 7 und 9:

Im Jahr 2007 wurde in einem Verfahren – nach Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft – Subsidiaranklage erhoben. In diesem Verfahren wurden die Beschuldigten mit Urteil vom 5. März 2008 freigesprochen. Dieser Freispruch wurde erst nach der Anfragebeantwortung vom 15. Mai 2008 rechtskräftig, nachdem die Berufung des Subsidiaranklägers am 18. Juli 2008 als unzulässig zurückgewiesen wurde.

Weiters wurde in einem Verfahren, das die Staatsanwaltschaft im Jahr 2010 eingestellt hat, ein Fortführungsantrag gestellt.

Zu 8:

Seit Bestehen des § 27 Abs. 6 MRG wurden keine rechtskräftigen Verurteilungen in der Gerichtlichen Kriminalstatistik der Statistik Austria registriert.

Zu 10:

Auch hier kam es zu keinen Änderungen gegenüber der Anfragebeantwortung des Jahres 2008, weil in keiner der zwei seither neu angefallenen Strafsachen diversionell vorgegangen wurde.

Zu 11 bis 14:

Diese Daten stehen mir mangels einer automationsunterstützen Erfassung (nach wie vor) nicht zur Verfügung; eine manuelle bundesweite Erhebung würde einen unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand auslösen. Ich ersuche daher um Verständnis, wenn ich von der Erteilung eines solchen Auftrags absehen musste.


Zu 15 und 16:

Im Bereich der Erhaltungspflicht des Vermieters haben in den vergangenen Jahren – unabhängig von strafrechtlichen Sanktionen – verschiedene Entwicklungen zugunsten der Mieter stattgefunden. Mit der Wohnrechtsnovelle 2006 wurde die Erhaltungspflicht des Vermieters für das Innere des Mietgegenstandes durch die Hereinnahme auch der erheblichen Gesundheitsgefährdung beträchtlich erweitert. Wenig später wurde der Fragenkreis um die Erhaltung des Mietobjekts durch die sogenannten Klauselentscheidungen des Obersten Gerichtshofs grundlegend angesprochen; die damit eingeschlagene Judikaturlinie wurde durch spätere Individualentscheidungen individualisiert.

In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass das Mietrechtsgesetz – auch unabhängig von Strafbestimmungen – in seinem § 6 ein sehr effizientes System zur Durchsetzung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten gegen den Willen des Vermieters bereit hält. Nach dieser Regelung kann zur Erzwingung von Erhaltungsmaßnahmen ein Verwalter für das Haus bestellt werden. Im Übrigen sind für diese Verwalterbestellung zur Durchsetzung der Erhaltungspflicht die Regelungen der Exekutionsordnung über die Zwangsverwaltung sinngemäß heranzuziehen; und gerade diese Bestimmungen wurden zuletzt durch die Exekutionsordnungs-Novelle 2008 modernisiert, um unter anderem die Zwangsverwaltung für den betreibenden Gläubiger zu erleichtern. Die wirksame Durchsetzung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten ist im bestehenden System des MRG gewährleistet.

Im Verhältnis zu diesen durchaus effizienten zivilrechtlichen Durchsetzungsmechanismen kann einem gerichtlichen Straftatbestand wie dem § 27 Abs. 6 MRG nur untergeordnete, unterstützende Funktion zukommen, was auch die Praxis (siehe Fragepunkt 8) unterstreicht. Ich teile grundsätzlich die Skepsis gegenüber dem Einsatz des gerichtlichen Strafrechts zur Durchsetzung zivilrechtlicher Rechtspositionen. Die Bestimmungen des § 27 Abs. 1 und 2 MRG über verbotene Vereinbarungen im Gesamtsystem des Mietrechts sind in der Praxis bedeutsam; die Sinnhaftigkeit der Straftatbestände in § 27 Abs. 6 und 7 MRG wäre meines Erachtens zu überdenken. Eine Ausweitung oder Verschärfung dieser Bestimmungen ziehe ich jedenfalls nicht in Betracht.

. November 2010

 (Mag. Claudia Bandion-Ortner)