6328/AB XXIV. GP

Eingelangt am 22.11.2010
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BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(5-fach)

 

 

 

RUDOLF HUNDSTORFER

Bundesminister

 

Stubenring 1, 1010 Wien

Tel: +43 1 711 00 - 0

Fax:   +43 1 711 00 - 2156

rudolf.hundstorfer@bmask.gv.at

www.bmask.gv.at

DVR: 001 7001

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Parlament

1010 Wien

 

 

 

GZ: BMASK-10001/0359-I/A/4/2010

 

Wien,

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 6399/J der Abgeordneten Mag. Johann Maier und GenossInnen wie folgt:

 

Frage 1:

 

Im Jahr 2008 wurden von Arbeitsinspektoren im Wirtschaftszweig „Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe“, zu dem auch Diskotheken und Musiklokale zählen, insgesamt 153 Lärmmessungen durchgeführt. Im Jahr 2009 wurden in diesem Wirtschaftszweig insgesamt 117 Lärmmessungen durchgeführt.


 

Jahr

Gesamt

Bgld

Ktn

Slbg

Stmk

Tirol

Vlbg

Wien

2008

Messungen

153

62

10

48

33

2009

Messungen

117

21

46

8

1

41

 

Die in der Tabelle angeführte Zahl der Messungen - aufgeteilt auf Bundesländer in den Jahren 2008 und 2009 - sind im Zusammenhang mit bereits in den Vorjahren durchgeführten Schwerpunktaktionen und Kontrollen zu sehen. Arbeitsinspektorate gehen nach regionalen Verhältnissen und Einschätzungen vor. Manche Arbeits-inspektorate legen ihre diesbezüglichen Schwerpunkte eher in die Bereiche Genehmigungen und Beratungen als in den Bereich Messungen.

 

Frage 2:

 

Im Jahr 2008 lieferten 68 Lärmmessungen Ergebnisse von über dem Grenzwert liegenden Werten, was zu Beanstandungen durch Arbeitsinspektoren führte; im Jahr 2009 wurden 44 Fälle beanstandet.

 

Bei festgestellten Übertretungen gehen die Arbeitsinspektoren je nach Sachlage gemäß den Vorgaben der §§ 9 und 10 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 – ArbIG vor.

 

Frage 3:

 

Die Einhaltung des Expositionsgrenzwertes von 85 dB(A) für gehörgefährdenden Lärm am Arbeitsplatz ist gemäß den Bestimmungen des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 - ArbIG grundsätzlich von der Arbeitsinspektion zu überwachen.

 

Frage 4:

 

Betreffend Lärm am Arbeitsplatz ist am 26. Jänner 2006 die Verordnung Lärm und Vibrationen (VOLV) in Kraft getreten. Die VOLV setzt die EU-Lärmrichtlinie 2003/10/EG in nationales Recht um. Im Begutachtungsverfahren zum Verordnungsentwurf der VOLV und auch beim Entstehungsprozess des Leitfadens für den Musik- und Unterhaltungssektor waren Interessenvertretungen, unter anderem auch die der Wirtschaft, eingebunden. Die Gespräche endeten mit einer Einigung über den Inhalt der VOLV und einem detaillierten und mit den Interessenvertretungen akkordierten Kodex für den Musik- und Unterhaltungssektor.

 

Frage 5:

 

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) war im Begutachtungsverfahren zur VOLV eingebunden.

Frage 6:

 

Bei festgestellten Übertretungen, wie Manipulationen an Schallpegelbegrenzern, gehen die Arbeitsinspektoren gemäß den Vorgaben der §§ 9 und 10 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 – ArbIG vor.

 

Frage 7:

 

Eine Verpflichtung zur Benutzung von Gehörschutz, z.B. für Diskjockeys, besteht in Bereichen, in denen der Expositionsgrenzwert von 85 dB(A) überschritten ist. Zu bemerken ist, dass Diskjockeys in vielen Fällen auf Grund der vertraglichen Gestaltung ihrer Beschäftigung nicht dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz unterliegen.

 

Frage 8:

 

Freischaffende Künstler/innen unterliegen nicht den Arbeitnehmer/innenschutz­vorschriften. Sind allerdings diese „freischaffenden Künstler/innen“ im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt, gelten für sie selbstverständlich die Arbeitnehmer/innenschutzregelungen.

 

Frage 9:

 

Eine Gefährdung der Hörfähigkeit durch Lärmeinwirkung liegt dann vor, wenn der Expositionsgrenzwert von 85 dB(A) am Arbeitsplatz erreicht oder überschritten wird. Werden die geltenden Arbeitnehmerschutzvorschriften eingehalten, ist eine am Arbeitsplatz erlittene Gehörschädigung auszuschließen.

 

Erklärtes Ziel meiner Arbeitnehmer/innenschutzpolitik ist es, die Zahl der Arbeitsunfälle weiter zu senken und Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Erkrankungen einzudämmen. Zu diesem Zweck wurden bereits Schwerpunktaktionen im Bereich Musik- und Unterhaltungssektor durchgeführt und ein Leitfaden speziell für diesen Bereich veröffentlicht: „Kodex zur Lärmreduktion im Musik- und Unterhaltungssektor“. Aktuell wird das Thema Lärm auch im Zuge der österreichischen Arbeitsschutzstrategie 2007 – 2012 behandelt. Dazu wurde bereits ein Folder ausgearbeitet und auf der Website der Arbeitsinspektion veröffentlicht.

 

Fragen 10 bis 14 und 19:

 

Der Schutz von BesucherInnen von Diskotheken, Musiklokalen o.ä. vor hohen Lärmwerten ist nicht Gegenstand der Vollziehung meines Ressorts, sondern Angelegenheit des Betriebsanlagenrechtes im Rahmen der Gewerbeordnung, weshalb auf die Anfragebeantwortung durch den Herrn Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend verwiesen wird.

 

Fragen 15 bis 18:

 

Vorweg ist festzuhalten, dass Verbrauchern gegenüber die Haftung für Personenschäden, insbesondere Hörschäden durch laute Musik nach den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes (§ 6 Abs. 1 Z 9 KSchG) nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann. Haftungsausschlüsse beispielsweise auf Tafeln oder auf der Rückseite von Tickets sind – unabhängig davon, ob ein Vertragsverhältnis vorliegt – nichtig und somit wirkungslos.

 

Zum gegenständlichen Thema gibt es in Österreich – soweit ersichtlich - kaum Judikatur. Bemerkenswert ist das Urteil des Landesgerichts Ried (Entscheidung vom 20.4.1999; 6 R 85/99p), welches dem Veranstalter einer „Rave-Clubbing-Party“ die Leistung von Schadenersatz auferlegte. Der minderjährigen Besucherin, die aufgrund der lauten Musik Gehörschäden erlitt, wurde der geltend gemachte Schaden jedoch nicht in voller Höhe zugesprochen. Das Gericht nahm ein Mitverschulden der Besucherin von einem Drittel an. Dieser sei eine Selbstgefährdung vorzuwerfen, weil sie eine Veranstaltung besuchte, bei der Musik mit „hoher“ Lautstärke gespielt wurde, obgleich vor Hörschäden gewarnt wurde, die aufgrund der lauten Musik auftreten können.

 

Nach den Feststellungen des befassten Gerichts kam durch das Lösen einer Eintrittskarte für die „Rave-Clubbing-Party“ ein Werkvertrag zustande. Der Veranstalter hat die aus dem Vertragsverhältnis mit der Minderjährigen herrührenden Schutz- und Sorgfaltspflichten – nämlich den Vertragspartner bzw. ganz allgemein die Zuschauer vor Gefährdungen und Verletzungen zu bewahren – verletzt. Das Landesgericht Ried stellte klar, dass der Veranstalter die Haftung nicht dadurch ausschließen könne, dass er auf Schildern im Eingangsbereich darauf hinweist, dass eine Haftung „insbesondere für Gehörschäden, die aufgrund der lauten Musik auftreten können“, nicht übernommen werde. Begründet wurde dies zum einem damit, dass ein Haftungsausschluss mit Minderjährigen wegen fehlender Geschäftsfähigkeit nicht wirksam vereinbart werden kann. Auch Erwachsenen gegenüber sei eine Freizeichnung von der Haftung für Personenschäden nach § 879 ABGB sittenwidrig und somit unwirksam. Gegenüber Verbrauchern ist ein Haftungsausschluss jedenfalls nach § 6 Abs. 1 Z 9 KSchG unwirksam.


 

In Deutschland nehmen die Gerichte grundsätzlich eine sehr weit reichende Haftung der Veranstalter für Hörschäden an (vgl. LG Trier  29.10.1992, 3 S 191/92; OLG Koblenz 13.10.2001, 5 U 1324/00; LG Nürnberg-Fürth 1.12.2004, 6 O 4537/03; aA LG Hamburg 8.7.2006, 318 O 281/02, OLG München 23.10.206, 17 U 3944/06). Konzertveranstalter wurden schon in mehreren Fällen wegen Verletzung der ihnen obliegenden Verkehrssicherungspflicht zum Schutz vor gesundheitsschädlicher Lärmbelästigung zu Schadenersatz und Schmerzensgeld verurteilt. Zurückzuführen ist dies auf eine Entscheidung des BGH vom 13.10.2001, VI ZR 142/00, in welcher sich dieser zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht und die sich daraus ergebende Beweislast eines Konzertveranstalters geäußert hat. Demzufolge trifft den Veranstalter, wenn er nicht entsprechend der einschlägigen DIN-Norm Messungen durchführt, die Pflicht zu beweisen, dass er nicht für den Hörschaden verantwortlich ist. Unterlässt der Veranstalter normgerechte Messungen, so hat den ursächlichen Zusammenhang zwischen Veranstaltung und Schaden nicht mehr der/die geschädigte Besucher/in zu beweisen, sondern vielmehr der Veranstalter zu widerlegen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen