6352/AB XXIV. GP

Eingelangt am 23.11.2010
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0242-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 6434/J-NR/2010

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Zahlung der Österreichischen Lotterien GmbH an die Orange Werbeagentur“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 3:

Der in der Anfrage geschilderte Sachverhalt war der zuständigen Anklagebehörde nicht bekannt. Die Anfrage wurde jedoch zum Anlass genommen, den Sachverhalt im Hinblick auf allfällige strafrechtlich relevante Handlungen zu überprüfen.

Zu 4:

Meines Erachtens ist der strafrechtliche Schutz, den der Tatbestand der Untreue gewährt, ausreichend. Nach dieser Bestimmung ist strafbar, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt.


Ob ein effektiver Vermögensnachteil eingetreten ist, ist nach ständiger Rechtsprechung durch Vergleich der Vermögenslage vor und nach der missbräuchlichen Handlung im Wege der Gesamtsaldierung zu ermitteln, wobei dieser Schaden durch Verminderung der Aktiven, Vermehrung der Passiven, Entgehenlassen eines Gewinns oder überhaupt durch jedes wirtschaftliche Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entstehen kann (RIS-Justiz RS0094836). Gemessen an der dafür entrichteten Gegenleistung wertlose Anschaffungen von Waren oder Dienstleistungen (einschließlich Gutachten und Beratungsleistungen) fallen also grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 153 StGB. Von der subjektiven Tatseite her genügt in Bezug auf dieses wirtschaftliche Missverhältnis bedingter Vorsatz, d.h. dass es der Täter nach § 5 Abs. 2 StGB ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, dass das besagte Missverhältnis zwischen Leistung oder Gegenleistung vorliegt.

Naturgemäß kommt Untreue nur bei unbefugtem Handeln des Machthabers in Betracht, während es dann, wenn der Machthaber durch den Machtgeber - sei es aus Liebhaberei, aus Altruismus oder aus welchem Motiv auch immer - autorisiert ist, eine objektiv krass überteuerte Anschaffung zu tätigen, an einem Strafbedürfnis mangelt. Dass für den Befugnismissbrauch Wissentlichkeit verlangt wird und hier nicht auch bedingter Vorsatz genügt, ist meines Erachtens angemessen, würde doch andernfalls Vertretungshandeln zu stark von möglicher Kriminalisierung bedroht sein bzw. ein ständiges Rückversichern das Institut der Stellvertretung entwerten. Dem ultima-ratio-Gedanken des Strafrechts entsprechend stehen dem geschädigten Machtgeber unterhalb der Schwelle des wissentlichen Befugnismissbrauches zivilrechtliche Schritte offen.

Zu 5 und 6:

Im vorliegenden Zusammenhang sind im Wesentlichen zwei strafrechtlich relevante Konstellationen denkbar.

Typischerweise kann zum einen der Tatbestand der Verbotenen Intervention nach § 308 StGB vorliegen, was dann der Fall ist, wenn jemand wissentlich unmittelbar oder mittelbar darauf Einfluss nimmt, dass ein Amtsträger oder ein Schiedsrichter eine in seinen Aufgabenbereich fallende Dienstverrichtung pflichtwidrig vornehme oder unterlasse und für diese Einflussnahme für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt. Dass der Tatbestand nur den Vorteilsnehmer (und Intervenienten) als Täter nennt, hingegen nicht auch den Vorteilsgeber (bzw. Auftraggeber der Intervention), schadet nicht, weil der Oberste Gerichtshof zu 14 Os 170/96 klargestellt hat, dass auch der Vorteilsgeber nach der allgemeinen Regelung der Beitragstäterschaft nach § 12 zweiter Fall StGB als Bestimmungstäter wie der unmittelbare Täter haftet. Die gegenteilige Lehrmeinung Bertels, demzufolge nur der Vorteilsnehmer (und Intervenient) hafte, ist nicht die herrschende Meinung. Durch die seitherige Rechtsentwicklung im Bereich des Korruptionsstrafrechts ist zwar rein formal die seinerzeitige Begründungslogik des Obersten Gerichtshofs obsolet geworden, in inhaltlicher Hinsicht kann diese Rechtsentwicklung jedoch geradezu als Bestätigung für die Richtigkeit der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs herangezogen werden: Das seinerzeitige Splitting zwischen aktiver Bestechung und Geschenkannahme wurde nämlich vom Obersten Gerichtshof im Wesentlichen mit der unterschiedlichen Strafwürdigkeit des Vorteilsgebers und des Vorteilsnehmers erklärt, zumal nur letzterer als Beamter in einem besonderen Verpflichtungsverhältnis stehe und daher strenger zu bestrafen sei als der Vorteilsgeber, während Täter der verbotenen Intervention sowohl auf der Geber- als auch auf der Nehmerseite jedermann sein könne, weshalb kein Grund gegeben sei, zwischen Geber- und Nehmerseite in Form jeweils eigener Tatbestände zu differenzieren, sondern mit den allgemeinen Bestimmungen das Auslangen gefunden werden könne. Da nunmehr auch bei der Korruption im engeren Sinn die Geber- und Nehmerseite sowohl international als auch national als gleich strafwürdig angesehen wird, besteht bei der verbotenen Intervention umso weniger Anlass, von dieser hiezu schon bisher vertretenen Auffassung abzugehen.

Zum anderen kann dann, wenn der Amtsträger so in die Unrechtsvereinbarung einbezogen ist, dass er die eigentliche Zielperson ist, und diejenige Person oder Einrichtung, der der Vorteil zukommt bzw. zukommen soll, Drittbegünstigter ist, d.h. dass dieser Person oder Einrichtung der Vorteil für den Amtsträger angeboten, versprochen oder gewährt wird, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen Strafbarkeit nach § 307 StGB gegeben sein.

. November 2010

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)