7610/AB XXIV. GP

Eingelangt am 15.04.2011
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0044-Pr 1/2011

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 7685/J-NR/2011

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Kurt Gaßner und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „budgetäre und infrastrukturelle Auswirkungen der Schließungen von Bezirksgerichten“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 8:

Die Gerichtsorganisation stammt in ihren Grundzügen noch aus dem Jahr 1849 und ist mit den damaligen Verhältnissen historisch begründet. Seither haben sich die allgemeinen Lebensumstände – etwa die Verkehrsverhältnisse – und vor allem das Rechtsleben grundlegend geändert. Die Rechtsordnung ist wesentlich komplizierter geworden, sodass sich im Interesse der rechtsuchenden Bevölkerung und einer bürgerfreundlichen Justiz zunehmend die Notwendigkeit ergibt, auf bestimmte Fachgebiete spezialisierte Richterinnen und Richter einzusetzen. Es ist daher stets ein ausgewogenes Verhältnis zwischen regionaler Nähe, fachlicher Kompetenz und den aufzuwendenden öffentlichen Mitteln zu schaffen.

Überdies ergab und ergibt sich durch Zusammenlegungen die Möglichkeit, Infrastrukturleistungen (wie z.B. Einlaufstellen, Bibliotheken, Aktenlager, Kanzlei-, Schreib- und Telefondienste, Reinigung) besser und effizienter einzusetzen. Dies gilt sinngemäß auch für die IT-Infrastruktur und die Möglichkeiten, Leitungskosten und die Systembelastung durch die geringere Standortzahl zu senken.

Besonders schwierig ist es, den erforderlichen Sicherheitsstandard bei den kleineren Einheiten herzustellen und aufrecht zu erhalten, ohne dass es zur Beeinträchtigung des Parteienverkehrs und der Parteienkontakte kommt.

Ein weiterer Nachteil kleinerer Einheiten besteht darin, dass zur Herstellung eines auslastungskonformen Personaleinsatzes sogenannte Doppelplanstellen bzw. auf zwei oder mehrere Dienststellen aufgeteilte Arbeitsplätze eingerichtet werden müssen, was nicht nur eine verwaltungsaufwändige Administration erfordert, sondern auch mit hohen Begleitkosten (auf Grund regelmäßiger Reisgebühren und Fahrtkosten) verbunden ist. Dazu kommt, dass im Urlaubs- und Krankheitsfall oft nur behelfsmäßige Vertretungsregelungen eingerichtet werden können.

Eine auf Grund der breit gefächerten und auch steigenden Anforderungen wünschenswerte Spezialisierung der Mitarbeiter/innen auf bestimmte Fach- und Rechtsgebiete ist bei kleinteiligen Einheiten kaum möglich. Auch hier erlauben größere Einheiten einen flexibleren Personaleinsatz entsprechend den modernen Anforderungen und den Bedürfnissen der Bevölkerung.

Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen konnten in den Jahren 2002 bis 2005 in den Bundesländern Niederösterreich, Steiermark, Oberösterreich, Salzburg und Tirol zusammen 50 kleinere Bezirksgerichte zusammengelegt werden. Bei keinem einzigen Standort ist es durch diese Maßnahme zu einer Beeinträchtigung des Rechtsschutzes gekommen. Bereits von den ersten Tagen der Zusammenlegung an wurden die von der Bevölkerung erwarteten Leistungen im vollen Umfang weiter erbracht. In keinem einzigen Fall wurde eine Zusammenlegung nachträglich bemängelt, in Zweifel oder Kritik gezogen oder sonst in Frage gestellt. Es ist auch kein Fall bekannt, in dem die Reorganisation selbst oder ihre Umsetzung zu Beanstandungen im Rahmen der Dienstaufsicht Anlass gegeben hätte.

Von einem Verlust an öffentlichen Leistungen oder an Lebensqualität für die Bevölkerung kann daher keine Rede sein.

Schließlich sind auch im Rahmen der eingesetzten Controlling-Instrumente, wie jenen der Beobachtung der Verfahrensdauer, keinerlei Anhaltspunkte für nachteilige Entwicklungen durch die Reorganisation aufgetreten. Im Gegenteil: Die in den letzten zehn Jahren wiederholt vorzunehmenden budgetär bedingten Einsparungen beim Personaleinsatz in den Infrastrukturbereichen hätte ohne die in Rede stehenden Zusammenlegungen und Strukturreformen nicht in diesem Maß bewältigt werden können. Trotz der gegebenen Entlastungs- und Einsparungseffekte ist eine eindeutige Zuordnung budgetärer Auswirkungen auf Grund der Schließung einer Gerichtseinheit aufgrund der zahlreichen, einander überlagernden Veränderungen seit den – nun schon länger zurückliegenden Schließungszeitpunkten – nicht möglich.

Zu 9:

Die zuletzt vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz angeregte Diskussion über Strukturoptimierungen ist nicht zuletzt Ergebnis der Spezialisierungserfordernisse und der Notwendigkeit, die beschränkten öffentlichen Mittel bestmöglich einzusetzen. Nach der geltenden Rechtslage bedürfen Zusammenlegungen von Bezirksgerichten in den Bundesländern (von bestimmten Ausnahmen, wie z.B. in Wien abgesehen) der Zustimmung der jeweiligen Länder. Im Sinne der vorliegenden Anregungen aus der Praxis wird daher über diesen Themenkomplex in Gespräche insbesondere mit dem Herrn Landeshauptmann von Oberösterreich eingetreten werden.

 

. April 2011

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)