7671/AB XXIV. GP

Eingelangt am 21.04.2011
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0049-Pr 1/2011

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 7723/J-NR/2011

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Maßnahmen für mehr Kinderschutz vor Misshandlung und Missbrauch – BZÖ-Offensive: Mehr Kinderschutz jetzt! – Tag 1 Woche 1“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Einleitend möchte ich darauf hinweisen, dass ein effektiver Schutz minderjähriger Kinder nicht ausschließlich mit den Mitteln des Strafrechtes bewirkt werden kann, weil das Strafrecht immer erst eingreifen kann, wenn die zu verhindernde Lebenssituation bereits eingetreten ist. Ein wirkungsvoller vorbeugender Kinderschutz lässt sich vor allem durch rechtzeitiges und fachgerechtes Eingreifen der Jugendwohlfahrt erreichen, weshalb ich eine moderne Umschreibung der Aufgaben der Jugendwohlfahrt und eine an den Bedürfnissen orientierte Ausstattung, die letztlich den Bundesländern obliegt, befürworte.

Dennoch kommt auch dem Strafrecht – schon wegen seiner generalpräventiven Wirkung - eine hohe Bedeutung im Kinderschutz zu.

Zu 1 bis 4:

Bereits in den letzten Jahren wurden innerhalb meines Ressorts wiederholt Anstrengungen unternommen, den Schutz von Kindern vor Misshandlung und Missbrauchsdelikten zu erhöhen.

So wurden mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2004 (BGBl. I Nr. 15/2004) neben der Einführung neuer Straftatbestände im Sexualstrafrecht auch die Strafrahmen angehoben. Eine weitere Anhebung der Strafrahmen ist auch durch das zweite Gewaltschutzgesetz (BGBl. I Nr. 40/2009) erfolgt; so wurde etwa der Strafrahmen bei § 207 StGB (Sexueller Missbrauch von Unmündigen) und § 207a StGB (Pornografische Darstellung Minderjähriger) erhöht.

Zudem wurden bereits mehrere Änderungen bei der Verjährungsfrist bestimmter Delikten vorgenommen. Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998 wurde normiert, dass die Zeit bis zur Erreichung der Volljährigkeit (= Vollendung des 18. Lebensjahres) des zur Tatzeit minderjährigen Opfers bei bestimmten Sexualdelikten nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet wird. Mit dem zweiten Gewaltschutzgesetz wurde die Verjährungsfrist ein weiteres Mal verlängert. Die Zeit von der Tat bis zur Erreichung des 28. Lebensjahres des Opfers wird demnach nicht in die Verjährung eingerechnet; die Verjährungshemmung des § 58 Abs. 3 Z 3 StGB ist zudem nicht auf taxativ aufgezählte Delikte beschränkt, sondern gelangt allgemein bei strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung zur Anwendung. Mit BGBl. I Nr. 142/2009, das am 1. Jänner 2010 in Kraft getreten ist, wurde schließlich klargestellt, dass die Zeit bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres nicht in die Verjährung einzurechnen ist.

Zur Absicherung der Gewährung einer bedingten Entlassung wurde durch das zweite Gewaltschutzgesetz das Institut der gerichtlichen Aufsicht eingeführt. Bei bedingter Entlassung von Sexualstraftätern und sexuell motivierten Gewalttätern muss demnach Bewährungshilfe angeordnet werden; dadurch besteht die Möglichkeit zur besseren Kontrolle dieser Tätergruppe. Dabei ist auch die Anordnung von Weisungen vorgesehen, insbesondere die Weisung, sich einer psychotherapeutischen oder medizinischen Behandlung zu unterziehen; möglich sind aber auch Gebote, bestimmte Orte oder einen bestimmten Umgang zu meiden, sowie Verbote, bestimmte Tätigkeiten auszuüben, die den Umständen nach zu weiteren strafbaren Handlungen missbraucht werden können. Zusätzlich wurde die Probezeit bei strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität auf fünf Jahre angehoben.

Durch die Einführung der vorbeugenden Maßnahme eines Tätigkeitsverbots in § 220b StGB wurde darüber hinaus die Möglichkeit geschaffen, Tätern, die eine die Erziehung, Ausbildung oder Beaufsichtigung Minderjähriger einschließende berufliche, gewerbliche oder in einem Verein oder einer anderen Einrichtung ehrenamtlich geleistete Tätigkeit ausüben oder auszuüben beabsichtigen und die ein Sexualdelikt zum Nachteil eines Minderjährigen begangen haben, die Ausübung dieser Tätigkeit für bestimmte oder unbestimmte Zeit zu untersagen.

Weiters erfolgte eine deliktsspezifische Verlängerung der Tilgungsfrist für Sexualstraftäter; im Falle besonders schwerwiegender Verurteilungen ist diese ausgeschlossen.

Im Strafregistergesetz wurde eine Regelung zur Sonderauskunft über Sexualstraftäter verankert. Diese Auskünfte stehen den Gerichten, den Staatsanwaltschaften, den Strafvollzugs-, den Sicherheitsbehörden sowie den Sicherheitsdienststellen  zur Verfügung.

In konsequenter Fortschreibung dieser Maßnahmen zum besseren Schutz von Kindern vor Misshandlung und Missbrauch wird daher derzeit eine Regierungsvorlage betreffend der Einführung von Strafbestimmungen gegen die Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen und gegen die wissentliche Betrachtung pornographischer Darbietungen Minderjähriger erarbeitet (s. auch 254/ME XXIV. GP). Zudem ist ein Begutachtungsentwurf in Vorbereitung, der Strafschärfungen im Bereich Gewalt gegen Kinder vorsieht.

Zu 5 und 6:

Derzeit arbeitet das Bundesministerium für Justiz in enger Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien an der weiteren Verbesserung der Rahmenbedingungen für forensische Befragungen von Kindern im Vorschulalter, um eine Vorgehensweise bei der Befragung und Begutachtung von Vorschulkindern zu etablieren, die alterstypischen Konflikten soweit wie möglich gerecht wird. Die diesbezüglichen Kernpunkte sind, dass die Anzahl der Befragungen der Kinder im Vorschulalter auf ein Mindestmaß reduziert und die Befragung möglichst zeitnah nach Aufdeckung einer strafbaren Handlung durchgeführt werden soll. Im Hinblick darauf, dass die Atmosphäre von Gerichtsgebäuden von jungen Kindern oft als bedrohlich oder einschüchternd erlebt wird und dadurch die Aussage beeinflusst werden kann, sollen Befragungen in kindgerecht ausgestatteten und freundlich eingerichteten Räumlichkeiten außerhalb des Gerichtsgebäudes stattfinden. Dabei sollen moderne Techniken zur Aufzeichnung und Übertragung von Wort und Bild zur Anwendung kommen und die Einhaltung der Prinzipien des Strafverfahrens gewährleisten. Durch den Einsatz von Sachverständigenteams bestehend aus zwei Sachverständigen nach dem Vorbild von Mediatorenteams, soll die Begutachtungs- und Befragungsqualität durch Sachverständige erhöht werden. Die frühe Einbeziehung des allenfalls für ein pflegschaftsgerichtliches Verfahren zuständigen Richters soll weitere Duplizierungen und damit verbundene Belastungen für die betroffenen Kinder im Pflegschaftsverfahren vermeiden.

Nach Fertigstellung des Konzepts und Sicherstellung der technischen und örtlichen Rahmenbedingungen plant das Bundesministerium für Justiz, die Anwendung dieser Vorgehensweise ab Ende dieses Jahres zu testen. Das Pilotprojekt wird zeitlich auf ein Jahr beschränkt sein und soll im Zuständigkeitsbereich des Landesgerichts für Strafsachen Wien durchgeführt werden.

 

. April 2011

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)