7674/AB XXIV. GP

Eingelangt am 21.04.2011
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0052-Pr 1/2011

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 7740/J-NR/2011

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Datenmissbrauch mit gerichtlichen Exekutionsdaten“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Einleitend ersuche ich um Verständnis, dass mir eine detaillierte Beantwortung jener Fragen, die im direkten Zusammenhang mit dem derzeit bei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Korruption anhängigen Ermittlungsverfahren stehen, im Hinblick auf § 12 StPO nur insoweit möglich ist, als dadurch nicht Rechte von Verfahrensbeteiligten verletzt oder der Erfolg der Ermittlungen gefährdet werden könnten.


 

Nach der aktuellen Verdachtslage haben Justizmitarbeiter Daten aus dem elektronischen Exekutionsregister der Verfahrensautomation Justiz  (VJ) ausgedruckt und gegen Entgelt an J. H. als Inhaber der in Wien ansässigen Firma K. weitergegeben. Dabei stelle ich klar, dass nach derzeitiger Verdachtslage kein (direkter elektronischer) Zugriff der Firma K. oder anderer Unternehmen auf das Exekutionsregister der VJ erfolgt ist.

Zu 2:

Der genaue Beginn der unrechtmäßigen Datenübermittlungen ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Sie endeten jedenfalls am 20. Oktober 2010, dem Tag, an dem die Büroräumlichkeiten der Firma K. durchsucht wurden.

Zu 3 und 4:

Die aus dem Exekutionsregister abgefragten Daten wurden der Firma K. nach Herstellung von Ausdrucken im Postweg zur Verfügung gestellt. Nach Eingabe in eine Datenbank der Firma K. wurden die Ausdrucke vernichtet. Daher ist der genaue Umfang der Datenweitergabe derzeit nicht feststellbar. Diese Datenbank wurde – vor ihrer Löschung auf den Servern der Firma K. – als Beweismittel sichergestellt. Die Erhebungen zur Anzahl der betroffenen Personen sind noch im Gang.

Zu 5 und 6:

Nach den bisherigen Erkenntnissen wurden die Daten aus dem Exekutionsregister von Justizmitarbeitern an J. H. als Inhaber der Firma K. übermittelt und von diesem elektronisch verarbeitet. Diese Daten – deren Herkunft sodann nicht mehr erkennbar war – wurden in der Folge exklusiv an die ebenfalls in Wien ansässige Firma D. GmbH verkauft.

Zu 7:

Das Ermittlungsverfahren wurde bislang gegen 23 Justizmitarbeiter aus mehreren Bundesländern, darunter großteils Gerichtsvollzieher und Kanzleimitarbeiter, eingeleitet. Gegen drei Beschuldigte wurde das Verfahren inzwischen bei entsprechend lange zurückliegendem Tatzeitraum infolge Verjährung bzw. mangels Nachweisbarkeit eines strafrechtlich relevanten Fehlverhaltens eingestellt.

Zu 8:

Nach derzeitigem Ermittlungsstand ist diese Frage zu verneinen.


 

Zu 9 und 10:

Am 1. Juni 2010 langte im Bundesministerium für Justiz ein Schreiben des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler ein. Das Schreiben enthielt die Kopie einer von ihm verfassten und am 14. Mai 2010 an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelten Strafanzeige gegen J. H. als Betreiber der Firma K. Die Staatsanwaltschaft Wien leitete daraufhin am 21. Mai 2010 ein Ermittlungsverfahren gegen den Angezeigten sowie gegen unbekannte Täter, jeweils wegen § 302 StGB, ein.

Ende August 2010 wurden dem Bundesministerium für Justiz über einen zunächst anonymen Hinweis Namen von in diesem Zusammenhang verdächtigen Justizmitarbeitern bekannt. Nachdem interne Untersuchungen mit technischer Assistenz der Bundesrechenzentrum GmbH in einigen Fällen zu einer Verdichtung der Verdachtslage führten, wurden die von den Fachabteilungen meines Hauses gesammelten Erkenntnisse am 24. September 2010 an die Staatsanwaltschaft Wien weitergeleitet. Diese hatte das Ermittlungsverfahren gegen J. H. und unbekannte Täter im Hinblick auf die bis dahin nicht widerlegbare Verantwortung des Beschuldigten und das Fehlen weiterer Ermittlungsansätze zwar am 23. September 2010 gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt, setzte dieses jedoch aufgrund der neuen Informationen aus dem Bundesministerium für Justiz sogleich fort und trat es im Hinblick auf die neue Dimension des Falles an die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Korruption ab.

Zu 11 bis 14 und 23 bis 26:

Sämtliche Zugriffe auf Justizdaten werden lückenlos protokolliert. Diese Informationen über Art und Zeitpunkt der erfolgten Zugriffe erweisen sich auch im Rahmen des laufenden Strafverfahrens als wichtiger Behelf zur Klärung der Faktenlage. Auch in den letzten zehn Jahren konnten Sachverhalte betreffend eine missbräuchliche Verwendung, die von vereinzelten Fallabfragen, die nicht im dienstlichen Interesse vorgenommen wurden, bis zu dem mit dieser Abfrage angesprochenen Sachverhalt reichten und sich nicht auf einzelne Bundesländer beschränkten, aufgeklärt werden.

Bereits nach Auftauchen der ersten Verdachtsfälle wurden zahlreiche restriktive Maßnahmen getroffen, die ein unbefugtes Zugreifen bei bestimmten Benutzerprofilen verhindern. Darüber hinaus wurden technische Veranlassungen getroffen, die eine weitere Einschränkung der Möglichkeiten zur Namensabfrage bewirken. Weiters ist geplant, in Hinkunft nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Stichproben von Datenzugriffen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.


 

Abgesehen von diesen technischen Vorkehrungen unternimmt das Bundesministerium für Justiz im Rahmen seiner Koordinierungsfunktion zur Korruptionsprävention und beim Integritätsmanagement alles, um Missständen auch in den angesprochenen Bereichen entgegenzuwirken bzw. solche gar nicht erst entstehen zu lassen. Die Verstärkung der Dienstaufsicht sowie die Sensibilisierung und Aufklärung der MitarbeiterInnen, auch über die möglichen disziplinären und arbeitsrechtlichen Konsequenzen von Missbräuchen, haben dabei – begleitend zu den Maßnahmen der Inneren Revision sowie der Aus- und Fortbildung – höchste Priorität.

In diesem Sinne wird etwa bei Schulungsveranstaltungen und mittels Erlässen auf die engen Grenzen, innerhalb derer ein Zugriff auf Justizdaten zulässig ist, sowie auf die zu gewärtigenden straf- und disziplinarrechtlichen Folgen bei Verstößen mit Nachdruck hingewiesen. So wurde beispielsweise die in ähnlichem Zusammenhang ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 8. April 2010, 12 Os 28/10z, in der eine VJ-Abfrage ohne dienstliche Rechtfertigung als Amtsmissbrauch qualifiziert wurde, über die Veröffentlichung im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) hinaus sämtlichen zuständigen Justizmitarbeitern zur Kenntnis gebracht.

Zu 15 bis 17:

Eine Information der Betroffenen war bislang nicht möglich, weil nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen noch nicht bekannt ist, wie viele und welche Personen von den derzeit zu untersuchenden Vorgängen betroffen und welche Daten rechtswidrig weitergeleitet worden sind. Ich verweise diesbezüglich auf meine Ausführungen zu den Fragepunkten 3 und 4.

Zu 18 und 19:

Die von J. H. bzw. der – nicht mehr existierenden – Firma K. angelegte Datenbank wurde (wie bereits zu den Fragepunkt 3 und 4 dargestellt) unwiederbringlich gelöscht und ist damit jeglicher weiteren missbräuchlichen Verwendung entzogen. Nach den mir vorliegenden Informationen wurde der von der Firma D. GmbH mit J. H. abgeschlossene Datenübermittlungsvertrag unmittelbar nach Festnahme des J. H. gekündigt und seitens der Rechtsvertretung des J. H. der Firma D. GmbH die Weiterverwendung der Daten untersagt. Im Zusammenhang mit der Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen die Firma D. GmbH wies diese darauf hin, dass sie „unverzüglich, bei erstmaligem Bekanntwerden fundierter Bedenken gegen die von der Firma K. geübte Praxis der Datenermittlung alle als Verwendung zu Wettbewerbszwecken in Betracht kommenden Applikationen der von der Firma K. stammenden Daten eingestellt habe“.


 

Was die Rechtslage allgemein angeht, so weise ich zunächst darauf hin, dass mit dem strafrechtlichen Kompetenzpaket – sKp, BGBl. I Nr. 108/2010, die Bestimmungen betreffend die vermögensrechtlichen Anordnungen im StGB wesentlich verschärft wurden und auch die Strafe der Konfiskation nach § 19a StGB eingeführt wurde. Da diese Bestimmungen jedoch mit 1. Jänner 2011 in Kraft traten und die hier zu untersuchenden Vorgänge am 20. Oktober 2010 endeten, ist die bis 31. Dezember 2010 geltende (und für diesen Fall relevante) Rechtslage darzustellen:

§ 26 StGB regelt als vorbeugende Maßnahme die Einziehung, wonach Gegenstände, die der Täter zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei Begehung dieser Handlung verwendet zu werden, oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind, einzuziehen sind. Eine Einziehung setzt jedoch nach § 26 Abs. 1 StGB in der damals geltenden Fassung weiters voraus, dass diese vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das verwendete Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (Ratz in WK² § 26 Rz 6, 12; RIS-Justiz RS0121298). Von der Einziehung ist abzusehen, wenn der dazu Berechtigte diese besondere Beschaffenheit der Gegenstände beseitigt. Gegenstände, auf die eine an der strafbaren Handlung nicht beteiligte Person Rechtsansprüche hat, dürfen nur eingezogen werden, wenn die betreffende Person keine Gewähr dafür bietet, dass die Gegenstände nicht zur Begehung strafbarer Handlungen verwendet werden.

Bei Datenträgern kommt eine Einziehung somit insbesondere dann in Betracht, wenn auf ihnen in Richtung der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen gefährliche Daten gespeichert sind (13 Os 96/06a; 14 Os 59/10y). Ist die erforderliche Deliktstauglichkeit des Datenträgers aufgrund der gespeicherten Daten zu bejahen, so ist dem Berechtigten angemessen Gelegenheit zu geben, diese besondere Beschaffenheit (etwa durch Löschen dieser Daten) zu beseitigen (RIS-Justiz RS0121298).

Zu 20 bis 21:

Von der Verwendung der Exekutionsdaten aus dem Register der VJ profitierten einerseits die beschuldigten Justizmitarbeiter, die diese Daten gegen Entgelt an J. H. weitergaben, weiters J. H., der diese Daten gewinnbringend an die Firma D. GmbH verkaufte, und letztlich die Firma D. GmbH, die vermutlich überwiegend mit Daten des J. H. ihre Kunden bediente.


 

Zu dem in der Anfrage angesprochenen „wirtschaftlichen Nutzen“ sind derzeit keine konkreten Angaben möglich. Nach derzeitigem Auswertungsstand können nicht alle Zahlungen konkreten Justizmitarbeitern zugeordnet werden.

Zu 22:

Zur Sicherung vermögensrechtlicher Anordnungen wurde das bislang bekannte Bankvermögen des J. H. beschlagnahmt. Die Beschlagnahme weiteren Vermögens ist derzeit Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung. Die anhängigen Ermittlungen dienen auch der Auffindung weiterer Vermögensbestandteile des Beschuldigten J. H. zum Zweck der Sicherstellung und Beschlagnahme.

Was die allgemeine Rechtslage zu vermögensrechtlichen Anordnungen des Strafrechts angeht, so darf ich auch an dieser Stelle auf die Änderungen durch das strafrechtliche Kompetenzpaket – sKp, BGBl. I Nr. 108/2010 und die Ausführungen zu den Fragepunkten 18 und 19 verweisen.

§ 20 StGB in der alten (hier relevanten) Fassung (aF) sieht als vermögensrechtliche Anordnungen u.a. die Abschöpfung der Bereicherung vor, welche grundsätzlich voraussetzt, dass der Täter eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat, dass er dadurch Vermögensvorteile erlangt hat oder für die Begehung Vermögensvorteile empfangen hat und dass dabei eine unrechtmäßige Bereicherung eingetreten ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, dann ist er zur Zahlung eines Geldbetrages in der Höhe der eingetretenen Bereicherung zu verurteilen.

Nach § 20 Abs. 4 StGB aF gilt dies auch für jemanden, der durch die mit Strafe bedrohte Handlung eines anderen unmittelbar und unrechtmäßig bereichert worden ist.

Nach § 20 StGB aF kommt es nicht auf die Identität des durch oder für die rechtswidrige Handlung erlangten Vermögensbestandteils mit dem nun vorhandenen Vermögen an, sondern lediglich auf die eingetretene Vermögensvermehrung. Das Ausmaß der Bereicherung ist grundsätzlich nach dem Nettoprinzip festzustellen, d.h. die zugeflossenen Vermögenswerte vermindern sich um den vom Täter dafür gemachten Aufwand.

Während eine Abschöpfung nach § 20 Abs. 1 StGB aF voraussetzt, dass nachgewiesen werden kann, dass die Vermögenswerte aus bestimmten Straftaten herrühren, ermöglicht § 20 Abs. 2 und 3 StGB aF eine „erweiterte Abschöpfung bei vermuteter krimineller Herkunft“, sodass in diesen Fällen die Abnahme von Vermögensvorteilen ermöglicht wird, bei denen bloß die Annahme naheliegt, dass sie aus Straftaten stammen. Dabei wird dem Täter eine Bescheinigungslast für die Herkunft dieser Vermögenszuwächse auferlegt. Konkret setzt die erweiterte Abschöpfung nach § 20 Abs. 2 StGB aF voraus, dass erwiesen ist, dass der Täter fortgesetzt oder wiederkehrend Verbrechen iSd § 17 StGB begangen und Vermögensvorteile durch deren Begehung erlangt oder für deren Begehung empfangen hat, und dass ihm im zeitlichen Zusammenhang mit den „Anlasstaten“ weitere Vermögensvorteile zugeflossen sind, bei denen die Annahme naheliegt, dass sie aus weiteren Verbrechen dieser Art stammen. Bei einer solchen Sachlage kann auch jene Bereicherung abgeschöpft werden, die zwar nicht auf die nachgewiesenen Taten zurückgeführt werden kann, aber deren Herrühren aus Straftaten gleicher Art naheliegt. In solchen Fällen obliegt es dem Täter, den rechtmäßigen Erwerb des – von dieser Vermutung der kriminellen Herkunft erfassten – Vermögens glaubhaft zu machen (Bescheinigungslastumkehr). Wenn diese Glaubhaftmachung gelingt, hat eine Abschöpfung nach § 20 Abs. 2 StGB aF zu unterbleiben.

Nach § 20a StGB aF ist die Abschöpfung ausgeschlossen, soweit der Bereicherte zivilrechtliche Ansprüche aus der Tat befriedigt oder sich dazu in vollstreckbarer Form vertraglich verpflichtet hat, er dazu verurteilt worden ist oder zugleich verurteilt wird oder die Bereicherung durch andere rechtliche Maßnahmen beseitigt wird. Weiters ist von der Abschöpfung abzusehen, soweit der abzuschöpfende Betrag oder die Aussicht auf dessen Einbringung außer Verhältnis zum Verfahrensaufwand steht, den die Abschöpfung oder die Einbringung erfordern würde, oder die Zahlung des Geldbetrages das Fortkommen des Bereicherten unverhältnismäßig erschweren oder ihn unbillig hart treffen würde.

. April 2011

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)