7677/AB XXIV. GP

Eingelangt am 21.04.2011
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BM für Wissenschaft und Forschung

Anfragebeantwortung

 

 

BM

 

 

 

 

 

 

                                                BMWF-10.000/0056-III/4a/2011

 

               

Frau                                                                                                                              

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

Wien, 19. April 2011

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 7755/J-NR/2011 betreffend „Plagiatsvorwurf“ Doktorarbeit  Johannes  Hahn,  die die Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und  Kollegen am 24. Februar 2011 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Zu Frage 1:

Die angesprochenen Vorwürfe sind mir aus den Medien  bekannt.  Die weiteren  Teilfragen  betreffen keinen Gegenstand der Vollziehung des Ressorts.

 

Zu Frage 2:

Die Österreichische Agentur für Wissenschaftliche Integrität – kurz ÖAWI – ist ein unab-hängiger Verein, der jährlich einen Tätigkeitsbericht erstellt. Die Arbeit der Agentur ist dem Prinzip  der  Vertraulichkeit  verpflichtet, weshalb  keine  näheren  Angaben  zu den Fällen  gemacht werden können.

 

Es handelt sich bei der ÖAWI um eine unabhängige „Servicestelle“: Die ÖAWI geht auf eine Initiative  der  österreichischen  Wissenschaft  zurück.  Sie   ist  als   unabhängiger   Verein  organisiert, der sich der Förderung guter wissenschaftlicher Praxis verpflichtet und dabei laut Statuten als unabhängige „Clearingstelle für Personen oder Institutionen, die die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis verletzt sehen und jenen, denen vorgeworfen wird, diese verletzt zu haben“ fungiert. Die Unabhängigkeit der Kommission der ÖAWI wird durch die Bestellung von WissenschafterInnen aus dem Ausland unterstützt.

 

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung hat die Mitgliedschaft der Universi-täten und der außeruniversitären Forschungseinrichtungen angeregt.

 

Die ÖAWI kann Fälle prüfen, auch wenn sie mehr als 10 Jahre zurückliegen. Sie muss diese Fälle aber nicht prüfen. Eine Prüfung erscheint nicht immer sinnvoll: Der Aufwand für  die Überprüfung älterer Fälle ist vergleichsweise groß, da diese Werke bzw. deren Referenzwerke nicht elektronisch vorliegen. Des Weiteren müssen Primärdaten selbst gemäß des European Code of Conduct for Research Integrity nur über eine gewisse Dauer aufbewahrt werden.

 

Die Agentur nimmt innerhalb der Qualitätssicherung von wissenschaftlicher Forschung und Lehre eine wichtige Stellung ein. Sie ist aber zugleich eben  nur  ein  Teil  eines  größeren  Systems (siehe Qualitätssicherungen der Universitäten, Leistungsvereinbarungen, Reporting, Peer   Review   System   der   Forschungsförderungseinrichtungen,   Ombudsstellen   der   Universitäten, Ethikkommissionen etc.).

 

Als Teil dieses größeren Systems nimmt die ÖAWI die spezifische Rolle ein, Vorwürfe eines Fehlverhaltens unabhängig und anonym  zu  prüfen und  –  sofern  möglich  und  von  den   Betroffenen erwünscht – eine Schlichtung herbeizuführen. Die Mitglieder der ÖAWI  haben  zum Großteil eigene Ombudsstellen für Fragen der wissenschaftlichen Integrität eingerichtet. Die ÖAWI behandelt daher in erster Linie Fälle bei denen gravierende Verdachtsmomente   vorliegen. Zur Meldung solcher Fälle sind die Mitglieder des Vereins (Universitäten, außer-universitäre Forschungseinrichtungen, Förderagenturen) verpflichtet.

 

Darüber hinaus erarbeitet die Agentur Präventionsmaßnahmen zur Verhinderungen wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Dazu zählt:

·         die Teilnahme an internationalen Debatten zur Förderung wissenschaftlicher Integrität  (siehe World Congress on Research Integrity, Singapur  2010;  European  Network  of   Research Integrity Offices),

·         Veranstaltung von Vorträgen und Workshops zu „good scientific practice“,

·         Beratung beim Aufbau von Maßnahmen zur Unterstützung guter wissenschaftlicher Praxis (Ombudssystem, Plagiatsüberprüfung),

·         Verbreitung fachlich relevanter Materialien (Singapur Statement, ESF Report on Fostering Research Integrity in Europe).

 

Zu Frage 3:

Das ist Sache des  Vereins,  der  dazu  in  seiner  Geschäftsordnung  Folgendes  festhält:   „Die Kommission kann die Behandlung des erhobenen Vorwurfs auch ablehnen, wenn der   erhobene Vorwurf ein Fehlverhalten betrifft, das vor mehr als 10 Jahren gesetzt worden ist.“

 

Zu Frage 4:

Der Auftrag wurde aus Sicht des Ressorts erfüllt. Es  gab  den  berechtigten  Wunsch  der   wissenschaftlichen Community und ihrer Einrichtungen, Herausforderungen im Zusammenhang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten autonom zu lösen; diesem Wunsch wurde mit der Einrichtung der Agentur Rechnung getragen.


 

Die Kompetenz der Agentur entspricht international vergleichbaren Institutionen  (Ombudsmann für die Wissenschaft/DFG, UK Research Integrity Office). Diese Institutionen dürfen  zwar Fälle von wissenschaftlichem Fehlverhalten überprüfen. Konsequenzen müssen aber  jene Institutionen ziehen, die von Fällen betroffen sind.

 

Zur Frage des Vorstands muss ich nochmals darauf  hinweisen,  dass  es  sich  um  einen   unabhängigen Verein handelt. Die Bestellung des Vorstands erfolgt durch die General-versammlung, der das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung nicht angehört (siehe Vereinsstatuten). Der Vorstand setzt sich aus Personen zusammen, die aufgrund ihrer Funktion diese Rolle übernehmen (PräsidentIn des FWF, PräsidentIn der ÖAW, PräsidentIn und GeneralsekretärIn der Universitätenkonferenz, RektorInnen der Universität Wien und der Medizinischen Universität Graz).

Die Internationalität ist für den Vorstand nicht ausschlaggebend, da er sich nicht mit einzelnen Fällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens beschäftigt. Dafür ist die Kommission der  ÖAWI   zuständig,   die   mit  5  ausländischen  Mitgliedern  und  einem   (nicht-stimmberechtigten)   österreichischen Mitglied besetzt ist. Der Kommission gehören fünf Männer und eine Frau an. Bis Ende 2010 wurde die Kommission von einer Frau geleitet.  Die  Kommission  ist  nicht   weisungsgebunden und übt ihre Tätigkeit vertraulich aus.

 

Zu Frage 5:

Die Vorwürfe sind bekannt, da es sich um einen Fall handelt, bei dem eine der Streitparteien  an die Öffentlichkeit gegangen ist. Ein direkter Zusammenhang mit den Ergebnissen der  Kommission besteht nicht. Es handelt sich vielmehr um einen Fall, der gemäß Stellungnahme der Kommission der ÖAWI als wissenschaftliche Debatte eingestuft werden kann.

 

Zu Frage 6:

Es gibt an nahezu allen österreichischen Universitäten einen verbindlichen Mechanismus, der unterschiedlich ausgestaltet ist. Der weitere Ausbau der elektronischen Plagiatsprüfung hat durch die jeweiligen Universitäten zu erfolgen. Es gibt keine bundesweite Liste der betroffenen Arbeiten.

 

Die  Angelegenheiten  der   Überprüfung  der  wissenschaftlichen  Integrität  liegen  in  der   Autonomie der Universitäten, die dafür in den letzten Jahren  individuell  ihre  Instrumente   weiterentwickelt haben. So besteht etwa ein Unterschied zwischen Formen der Überprüfung  für technische und GSK-Arbeiten.

 

Zu Frage 7:

Aufgrund der  vorliegenden  Informationen  ist  davon  auszugehen,  dass  derzeit  an  den   öffentlichen Universitäten im Durchschnitt jährlich insgesamt etwa fünf Plagiatsverdachtsfälle bekannt werden.

 

Die ÖAWI hat laut Auskunft der Kommission  seit  ihrer  Einrichtung  Mitte  2009  insgesamt   27 Anfragen erhalten, wobei sich 10 davon auf Plagiatsvorwürfe bezogen haben.

 


Zu Frage 8:

Wissenschaftliche   Integrität  ist  ein  Querschnittsthema:  Fragen  der  wissenschaftlichen   Integrität werden von den Universitäten bzw. außeruniversitären Forschungseinrichtungen   direkt behandelt. Derzeit findet auf mehreren Ebenen eine Stärkung von Ethik in der Wissenschaft statt. Dazu zählt, dass die Universitäten vielfach bereits Ombudsstellen eingerichtet   haben, an die sich MitarbeiterInnen und Studierende wenden können, wenn es Verdachtsfälle auf fehlende wissenschaftliche Integrität gibt. Die  Infrastruktur hierfür ist weiter im  Aufbau   begriffen.

 

Die Einrichtung der ÖAWI war im Regierungsprogramm 2008 - 2013  festgelegt  und  ein   wichtiger Schritt in Richtung qualitätsorientierter Weiterentwicklung  im  Hochschul-  bzw.   Wissenschaftsbereich. Sie wurde Mitte 2010 mit einer fixen Mitarbeiterin ausgestattet, die die Geschäftsstelle leitet; vorher wurden die laufenden Geschäfte von MitarbeiterInnen des FWF geführt.

 

 

Außerdem habe ich eine Arbeitsgruppe mit ExpertInnen von Hochschulen (Universitäten, Fachhochschulen, Privatuniversitäten) und der Agentur für wissenschaftliche Integrität  ins   Leben gerufen, um auszuloten, was an den Hochschulen bereits zur  Plagiatsbekämpfung   unternommen wird. Weiter wird diskutiert, ob es Verbesserungsbedarf gibt  und  wo  die   Hochschulen gegebenenfalls selbst Verbesserungsbedarf sehen. Die ExpertInnen werden die derzeit geltenden Regelungen genau prüfen und bei eventuell bestehenden Lücken  auch   Vorschläge ausarbeiten, mit welchen Maßnahmen diese geschlossen werden können.

 

Zu Frage 9:

Mein persönlicher Kontakt mit Dr. Johannes Hahn ist nicht Gegenstand der Vollziehung des Ressorts.

Zur letzten Frage verweise ich auf die obigen Antworten.

 

Die Bundesministerin:

Dr. Beatrix Karl e.h.