9730/AB XXIV. GP

Eingelangt am 16.01.2012
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BM für Unterricht, Kunst und Kultur

Anfragebeantwortung

 

Bundesministerium für

Unterricht, Kunst und Kultur

 

Beschreibung: Logo-solo

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

 

 

Geschäftszahl:

BMUKK-10.000/0307-III/4a/2011

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wien, 13. Jänner 2012

 

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 9900/J-NR/2011 betreffend Verhandlungen des BMUKK mit den Präsidenten der Landesschulräte hinsichtlich der weiteren Schritte für den Ausbau der inklusiven Schule in Österreich, die die Abg. Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen am 18. November 2011 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Zu Fragen 1, 2, 4 und 5 sowie 7:

Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur bekennt sich zur Chancengleichheit für alle Schülerinnen und Schüler. Die schulische Förderung der Selbstbestimmung, insbesondere für körper- und sinnesbehinderte Kinder, ist ein besonders Anliegen. Kinder mit intellektueller Behinderung haben, wie jedes andere Kind, das Recht, ihre Schulpflicht in vollem Umfang zu absolvieren. Dies mit allen Hilfen und Unterstützungen, die die einschlägigen schulrechtlichen Bestimmungen vorsehen und die auch Lehrplanmodifikationen gestatten. In Österreich ist die Integration behinderter Kinder schon seit Längerem gesetzlich verankert. In diesem Punkt wird weder der angesprochenen UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen noch dem im 1. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Grundrecht auf Bildung widersprochen.


Die UN-Konvention sieht den Ausbau und die Weiterentwicklung dieses Systems vor. Artikel 24 der UN-Konvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten ein integratives Bildungssystem einzu­richten. Dieses System hat den Zielsetzungen der Abs. 1 und 2 von Artikel 24 zu entsprechen. Wie Staaten dies im Einzelnen organisieren, bleibt ihnen überlassen. Ausgehend davon, dass Sonderschulen unerwähnt bleiben, kann dies nur bedeuten, dass neben einem voll ausgebauten inklusiven System derartige Schulen als zusätzliche Angebote bestehen dürfen.

 

Auch Artikel 24 Abs. 2 lit. a, der bestimmt, dass Menschen mit Behinderung nicht vom allge­meinen Bildungssystem ausgeschlossen werden dürfen, steht der Existenz von Sonderschulen solange nicht im Weg, wie ein Überwechseln ins inklusive System jederzeit ohne Probleme möglich ist. Die durchgehende Integration ist nur einer von vielen Aspekten der schulischen Förderung behinderter Kinder. Dabei steht es den Staaten grundsätzlich frei, wie sie ihre Schwerpunkte zur Erreichung der Ziele der Konvention setzen wollen.

 

Entscheidend ist, dass die gesetzten Schritte konkret, glaubhaft und nachvollziehbar sind und die Lage behinderter Kinder sukzessive verbessert wird.

 

Derartige wie oben angesprochene bildungspolitische Themenstellungen einschließlich der prozessualen Entwicklung einer Umsetzungsstrategie sind regelmäßig Gegenstand der Besprechung mit den Präsidenten der Landesschulräte. Zu diesem laufenden partizipativen Prozess, insbesondere hinsichtlich der Erarbeitung einer Umsetzungsstrategie im Bereich „Bildung“, wird auf die Beantwortung der Fragen 3 und 6 verwiesen.

 

Zu Fragen 3 und 6:

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die gemeinsam mit dem Fakultativen Protokoll von Österreich im Jahre 2008 ratifiziert wurde, definiert Ziele und Maßnahmen, die die Umsetzung einer umfassenden Partizipation aller Menschen am gesell­schaftlichen und beruflichen Leben sicherstellen sollen. Wie anlässlich der Ratifizierung des Übereinkommens in den erläuternden parlamentarischen Materialen festgestellt wurde, sieht Österreich die wesentlichen Inhalte der Konvention durch die Rechtswirklichkeit für erfüllt an.

 

Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur hat im Frühjahr 2011 – in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, das die Gesamtkoordination der Umsetzung der UN-Konvention in Österreich übernommen hat – mit der Entwicklung einer Umsetzungsstrategie im Bereich „Bildung“ (Artikel 24) begonnen.

 

In einem wissenschaftlich begleiteten, partizipativen Prozess kommen Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft (Vereine, Dachverbände, Interessensvertretungen und Behinder­tenorganisationen) ebenso zu Wort, wie Expertinnen und Experten aus dem Ministerium, den Schulbehörden, der Lehrerinnen- und Lehrerbildung sowie der schulischen Praxis. Ziel ist es, die komplexe Situation mit ihren vielfältigen Interessen und Sichtweisen darzustellen, Wege und Maßnahmen der Umsetzung zu identifizieren und damit die Grundlage für weitere politische Entscheidungen aufzubereiten.

 

Etwa 200 Expertinnen und Experten haben an den bisherigen Dialogrunden im Juni und Oktober 2011 direkt teilgenommen, dazu kommen zahlreiche Konferenzen, Informations- und Diskussionsveranstaltungen, bei denen der Weg zu einer gemeinsamen Schule für alle erörtert worden ist.


Die bisher identifizierten wichtigsten Handlungsfelder bzw. Maßnahmen betreffen

-      die pädagogische und organisatorische Entwicklung von Schule und Unterricht,

-      die Verbesserung der regionalen Unterstützungsstrukturen (Kompetenzzentren, etc.),

-      die bedarfs- und bedürfnisgerechte Förderung,

-      die Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen sowie

-      die wissenschaftliche Begleitung.

 

Darüber hinaus wurden auch schon Szenarien zur stufenweisen Realisierung der inklusiven Schule angesprochen und es wird konkret an folgenden Maßnahmen gearbeitet:

-      Nächster wichtiger Schritt ist die Integration auf der 9. Schulstufe. Die entsprechenden Novellierungen hinsichtlich der Polytechnischen Schulen und der einjährigen Haushaltungs­schulen befinden sich derzeit in parlamentarischer Behandlung (RV 1617 d.B. und AB 1628 d.B., jeweils XXIV. GP, betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorgani­sationsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflicht­gesetz 1985, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert werden).

-      In allen Bereichen der Sekundarstufe II sollen verstärkt Schulversuche zur Integration ermöglicht werden.

-      An der Entwicklung von Kompetenzzentren an Sonderschulstandorten soll verstärkt gear­beitet werden.

 

Die Strategie des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur zur Umsetzung der inklusiven Schule ist vor allem darauf ausgerichtet, dass bei allen Maßnahmen die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen und dass auch die Wünsche der Erziehungsberechtigten respektiert werden.

 

 

 

Die Bundesministerin:

 

Dr. Claudia Schmied eh.