61/BI XXIV. GP

Eingebracht am 27.02.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bürgerinitiative

Bekim Thaqi

 

 

 

 

An Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

 

Parlament

A-1017 Wien

 

Aschach / D /Wien, am 27.02.2013

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

In der Anlage überreiche ich/ überreichen wir Ihnen gem. §100 (1) GOG-NR die Bürgerintiative betreffend die Absenkung des Mindestalters von 21 Jahren auf 18 jahre bei der Familienzusammenführung von EhegattInnen und eingetragenen PartnerInnen unter Beteiligung von Drittstaatsangehörigen.

Mit der Bitte um geschäftsordnungsmäßige Behandlung dieser Bürgerinitiative verbleibe ich/ verbleiben wir.

mit freundlichen Grüßen Bekim Thaqi

Unterschrift:


Bürgerinitiative an den Nationalrat

Absenkung des Mindestalters von 21 Jahren auf 18 Jahre bei der Familienzusammenführung von EhegattInnen und eingetragenen PartnerInnen unter Beteiligung von Drittstaatsangehörigen

Die Ausgangslage

Bei der Regelung des Ein- und Auswanderungswesens handelt es sich gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 3 Bundes-Verfassungsgesetz um eine Angelegenheit, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache ist.

Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 (FrÄG 2009), welches am 4.12.2009 im Bundesgesetzblatt I Nr. 122/2009 veröffentlicht wurde und mit 1.1.2010 in Kraft getreten ist, hat der österreichische Gesetzgeber unter anderem grundlegende Änderungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) eingeführt. Eine besonders einschneidende Änderung betraf die Bestimmungen bezüglich der Familienzusammenführung mit Beteiligung von Drittstaatsangehörigen.

Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG definiert den Kreis der Familienangehörigen. Demnach ist Familienangehörige, wer Ehegatte, eingetragener Partner oder minderjähriges Kind ist. EhegattInnen und eingetragene PartnerInnen müssen gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 NAG das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Familienzusammenführung bereits vollendet haben. Dieses Erfordernis gilt sowohl für drittstaatsangehörige EhegattInnen als auch für die zusammenführenden österreichischen StaatsbürgerInnen. Das Mindestalter von 21 Jahren betrifft dabei beide EhegattInnen bzw. eingetragenen PartnerInnen. Ist einer der beiden jünger als 21 Jahre, ist kein Familiennachzug möglich. Bis zum Stichtag 31.12.2009 mussten beide EhegattInnen gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 NAG nur das 18. Lebensjahr vollendet haben.

Eine Ausnahme von dieser Voraussetzung besteht im Hinblick auf jene Fremden und deren Angehörigen, die sich auf ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht berufen und denen sohin ein Aufenthaltsrecht nach dem 4. Hauptstück des NAG zukommt.

Weiters besteht eine Ausnahme im Hinblick auf den Familiennachzug von türkischen Familienangehörigen mit Erwerbsabsicht, für die ebenfalls die Vollendung des 18. Lebensjahres ausreicht und wird dies in der Praxis von den österreichischen Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörden seit dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Dereci (Rs. C-56/11) sowie den einschlägigen Folgeentscheidungen des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 13.12.2011, ZI. 2008/22/0180, vom 19.01.2012, Zlen. 2011/22/0313 und 2008/22/0837, sowie vom 29.02.2012, ZI. 2008/21/0202) entsprechend berücksichtigt. (siehe insb. das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei von 1963 sowie die in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei von 1970 und Art. 13 des Assoziierungsratsbeschlusses Nr. 1/80 von 1980 normierten „Stillhalteklauseln“).


Auf europäischer Ebene wird der Familiennachzug von Drittstaatsangehörigen zu Drittstaatsangehörigen durch die Richtlinie 2003/86/EG („Familienzusammenführungsrichtlinie“) geregelt. In der Richtlinie finden sich sowohl Bestimmungen, die zwingend umzusetzen sind als auch solche, die den Mitgliedstaaten einen gewissen Spielraum zugestehen. Im Hinblick auf das Ehegattenmindestalter reizt der österreichische Gesetzgeber diesen Spielraum zum höchstmöglichen Ausmaß aus und verlangt folglich für beide EhegattInnen bzw. eingetragenen PartnerInnen das Mindestalter von 21 Jahren. Wenngleich dies gemäß Art. 4 Abs. 5 der RL 2003/86/EG im Einklang mit der Richtlinie steht, stünde es dem österreichischer Gesetzgeber frei, ein Mindestalter von 18 Jahren vorzusehen und würde dies ebenso einer richtlinienkonformen Umsetzung im innerstaatlichen Recht gleichkommen.

Am 15.11.2011 veröffentlichte die Europäische Kommission das Grünbuch zur Familienzusammenführungsrichtlinie. In diesem Grünbuch thematisiert die Europäische Kommission explizit die Frage, ob es sich bei der Festlegung eines Mindestalters von 21 Jahren um ein geeignetes Mittel handelt, um den Missbrauch durch Zwangsehen zu verhindern und fordert diesbezüglich die Mitgliedstaaten der EU auf, die folgenden Fragen zu beantworten:

       Ist es legitim, ein Mindestalter für den Ehegatten festzulegen, das nicht dem Volljährigkeitsalter eines Mitgliedstaats entspricht?

       Gibt es andere Möglichkeiten, Zwangsheiraten im Rahmen der Familienzusammenführung zu verhindern, und wenn ja, welche?

       Gibt es eindeutige Beweise dafür, dass im Zusammenhang mit Zwangsheiraten ein Problem existiert? Wenn ja, wie groß ist das Problem (Belege durch statistische Daten), und hängt es mit den Regeln zur Familienzusammenführung zusammen (Festlegung eines anderen Mindestalters als das Volljährigkeitsalter)?

Die Europäische Kommission vertritt bekannter Weise selbst die Ansicht, dass es sich beim Mindestalter von 18 Jahren um das tatsächlich angemessene Alter handelt.

Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat bisher die Anhebung des Ehegattenmindestalters von 18 auf 21 Jahre für nicht unsachlich gehalten.

Die Situation der Betroffenen

Aus den erläuternden Bemerkungen zum Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 geht hervor, dass der Gesetzgeber mit Einführung der gehobenen Altersgrenze Zwangs- und Scheinehen zu verhindern beabsichtigte. Unter diesem Vorwand, Scheinehen bekämpfen zu wollen, wurde die Eheschließung und das Zusammenleben von binationalen Paaren verschärft und erschwert. Wir erachten diesen weitreichenden Eingriff in das Recht auf Familienleben als völlig ungeeignete Maßnahme gegen Zwangsehen.

Diese Altersgrenze ist familienfeindlich und führt zu unverhältnismäßigen Härten; besonders, wenn in der jungen Familie bereits ein Kind geboren wurde. Es führt zu Zersplitterung der Familie, da es oftmals die Situation mit sich bringt, dass ein gemeinsames Kind in Österreich einen Aufenthaltstitel bekommt, während einer der beiden EhegattInnen bzw. eingetragenen PartnerInnen hingegen bis zum 21. Lebensjahr, im Extremfall weitere 3 Jahre warten muss, ehe er/sie mit dem gemeinsamen Kind zusammenleben kann. Dies bedeutet potenziell, EhegattInnen bzw. eingetragene PartnerInnen zu trennen, die vielleicht nicht nur jahrelang verheiratet sind, sondern darüber hinaus gemeinsame Kinder haben. Es steht daher außer Zweifel, dass durch die Verschärfungen der Bestimmungen zumindest in einigen Fällen ein deutlicher Eingriff in das Grundrecht auf Familienleben vorgenommen wird.

Die Regelung wird von den betroffenen EhegattInnen und eingetragenen PartnerInnen daher für eine Diskriminierung gehalten. Das Leben von rechtlich privilegierten Beziehungen wird erschwert bzw. verunmöglicht.

Die europäische Menschenrechtskonvention garantiert in Art. 8 EMRK jedem Menschen unabhängig von seiner Nationalität das Recht auf Achtung seines Familienlebens. Art. 8 EMRK schützt das Recht auf Familienleben, das in der Judikatur weit verstanden wird und sowohl die Beziehung zwischen EhegattInnen untereinander als auch jene zu ihren Kindern umfasst. Weiters verbietet Art. 14 EMRK eine Diskriminierung beim Genuss der in der EMRK verankerten Rechte, die ohne objektive und vernünftige Rechtfertigung erfolgt oder unverhältnismäßig ist. Tatsächlich stellt diese Bestimmung der NAG für die betroffenen EhegattInnen und eingetragenen PartnerInnen eine Diskriminierung dar.

Der Staat hat nicht nur die Pflicht, Eingriffe in das Recht auf Familienleben zu unterlassen, sondern treffen ihn unter gewissen Umständen auch Schutz- und Gewährleistungspflichten, worunter man beispielsweise die Ausgestaltung des Familienlebens und die Gestattung der Einreise zum Zwecke der Familienzusammenführung subsumieren kann. Der Staat hat familienrechtliche Verhältnisse so zu gestalten, dass jeder Betroffene die rechtliche Möglichkeit auf ein funktionierendes Familienleben ohne physische Trennung hat.

Forderung

Ich/Wir fordere/fordern daher die Änderung bzw. Veranlassung der Änderung des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG bezüglich der Mindestaltersgrenze beider EhegattInnen bzw. eingetragenen PartnerInnen von 21 Jahren auf 18 Jahre.

Schlussfolgerung

Zusammenfassend ist festzustellen, dass § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG in seiner derzeitigen Fassung in einem Spannungsverhältnis zu Art. 8 iVm Art. 14 EMRK und zu dem im B-VG verankerten Grundsatz, demzufolge Fremde untereinander gleich zu behandeln sind, steht. Es ist kein legitimer Grund ersichtlich, der dieses Spannungsverhältnis und den enormen Eingriff in das Recht auf Familienleben von Unter-21-Jährigen in der Praxis rechtfertigen würde. Da der Familiennachzug auf dem Grundrecht des Schutzes von Ehe und Familie basiert, ist der Gesetzgeber verpflichtet, behutsam mit Beschränkungen desselben umzugehen, verhältnismäßig zu agieren und Beschränkungen ausschließlich dort vorzusehen, wo es im Sinne der Aufrechterhaltung einer demokratischen Gesellschaft notwendig erscheint.