Vorblatt

1. Problem:

Die Europäische Sozialcharta aus dem Jahr 1961, BGBl. Nr. 460/1969, ist veraltet und bedarf der Modernisierung und Anpassung an die geänderte rechtliche Situation in den Mitgliedstaaten, insbesondere auch unter Berücksichtigung des EU-Rechts.

2. Ziel:

Ratifikation der Europäischen Sozialcharta (revidiert).

3. Inhalt, Problemlösung:

Ratifikation der Europäischen Sozialcharta (revidiert), die aufgrund der Berücksichtigung des EU-Rechts weit moderner als die Charta aus dem Jahr 1961 ist und damit den mittlerweile eingetretenen Entwicklungen im Bereich des Arbeitsrechts in den meisten Mitgliedstaaten des Europarats Rechnung trägt.

4. Alternativen:

Keine.

5. Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

5.1. Finanzielle Auswirkungen:

Keine, da keine Änderung der österreichischen Rechtslage erforderlich ist.

5.2. Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

5.2.1. Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine, da keine Änderung der österreichischen Rechtslage erforderlich ist.

5.2.2. Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Bürger/innen und für Unternehmen:

Keine.

5.3 Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

Das Regelungsvorhaben ist nicht klimarelevant.

5.4 Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Keine.

5.5. Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine.

6. Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Vorgaben des Unionsrechts bestehen in zahlreichen von der Charta geregelten Bereichen, insbesondere betreffend das Arbeitsrecht (z. B. Arbeitszeit, Anspruch auf Jahresurlaub, Arbeitnehmerschutz etc.). Auf diese Vorgaben, an denen sich die Regelungen der Charta weitgehend orientieren, wird im besonderen Teil ausdrücklich Bezug genommen. Entweder entsprechen die Regelungen der Charta den Regelungen des Unionsrechts oder die Charta geht über die als unionsrechtliche Mindestnormen konzipierten EU-Vorgaben hinaus, entspricht dabei aber dem in Umsetzung des Unionsrechts in Österreich normierten Schutzniveau.

7. Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B‑VG.

Erfüllungsvorbehalt gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B‑VG.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil:

Die Europäische Sozialcharta (revidiert) hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B‑VG. Die Europäische Sozialcharta (revidiert) hat keinen politischen Charakter. Sie ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich nicht zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B‑VG erforderlich ist. Da durch die Europäische Sozialcharta (revidiert) Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrats gem. Art. 50 Abs. 2 Z 2 B‑VG.

Die Europäische Sozialcharta (revidiert) wurde am 7. Mai 1999 anlässlich einer Veranstaltung zum 50‑jährigen Bestehen des Europarats vom Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten unterzeichnet.

Sie ist am 1. Juli 1999 in Kraft getreten und wurde mittlerweile von Albanien, Andorra, Armenien, Aserbaidschan, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Irland, Italien, Litauen, Malta, Moldawien, Montenegro, den Niederlanden, Norwegen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, Serbien, Slowakei, Slowenien, Türkei, Ukraine, Ungarn und Zypern ratifiziert.

Ziel der Europäischen Sozialcharta (revidiert) ist eine Modernisierung und Anpassung der Europäischen Sozialcharta von 1961, BGBl. Nr. 460/1969, an die geänderte rechtliche Situation in den Mitgliedstaaten, insbesondere auch unter Berücksichtigung des EU‑Rechts. Es wird den Entwicklungen Rechnung getragen, die seit der Abfassung der Charta im Jahr 1961 im Arbeitsrecht und in der Gestaltung der Sozialpolitik eingetreten sind.

Die Europäische Sozialcharta (revidiert) ist ein umfassender völkerrechtlicher Vertrag, der alle in der Charta von 1961 und in dem von Österreich am 4. Dezember 1990 unterzeichneten Zusatzprotokoll zur Europäischen Sozialcharta vom 5. Mai 1988 garantierten Rechte mit den erforderlichen Änderungen sowie eine Reihe neuer Rechte in einer einzigen Übereinkunft zusammenfasst.

Wesentliche Änderungen der bereits in der Sozialcharta von 1961, BGBl. Nr. 460/1969, verankerten Rechte:

‑       Verlängerung des bezahlten Jahresurlaubs von zwei auf vier Wochen.

‑       Unterrichtung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin über den wesentlichen Inhalt des Arbeitsvertrags.

‑       Neudefinition der nationalen Politik auf dem Gebiet der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer/innen, die vorrangig auf die Beseitigung oder Verringerung der Ursachen der Gefahren in der Arbeitsumwelt abzielt.

‑       Festsetzung eines Mindestalters für die Zulassung zur Beschäftigung in bestimmten gefährlichen oder gesundheitsschädlichen Berufen mit 18 Jahren und Anhebung der Altersgrenze für die Begrenzung der Arbeitszeit von Jugendlichen von 16 auf 18 Jahre.

‑       Neugestaltung der Schutzbestimmungen für Frauen:

         Um dem Gleichheitsgrundsatz Rechnung zu tragen, wurde die entsprechende Bestimmung der Charta so geändert, dass sie Frauen ausschließlich im Fall der Mutterschaft schützt. Der Mutterschaftsurlaub wurde von zwölf auf vierzehn Wochen, die Mindestdauer des Kündigungsschutzes für Schwangere auf den Zeitraum ab Meldung der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs verlängert. Die Regelung der Nachtarbeit wurde geschlechtsneutral gefasst und das Verbot der Beschäftigung mit Untertagearbeiten im Bergbau und sonstigen gefährlichen, gesundheitsschädlichen oder beschwerlichen Arbeiten auf die Fälle der Mutterschaft eingeschränkt.

‑       Besondere Maßnahmen zur Umschulung und Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen.

‑       Bezugnahme auf die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit.

‑       Neufassung und Erweiterung der Rechte behinderter Menschen:

         Verankerung des Rechts behinderter Menschen auf Eigenständigkeit, insbesondere das Recht auf eigenständige Lebensführung, sowie auf soziale Eingliederung und auf Teilhabe am Leben der Gemeinschaft.

         Beratung, schulische und berufliche Bildung soll soweit wie möglich im Rahmen des allgemeinen Systems erfolgen.

‑       Klarstellung, dass das Recht auf Schutz der Familie auch Einelternfamilien umfasst.

‑       Verbesserung des Schutzes der Kinder und Jugendlichen außerhalb der Arbeitswelt.

Aus dem von Österreich am 4. Dezember 1990 unterzeichneten Zusatzprotokoll zur Europäischen Sozialcharta vom 5. Mai 1988 wurden folgende Rechte übernommen:

‑       Chancengleichheit und Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

‑       Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer/innen oder ihrer Vertreter/innen.

‑       Beteiligung der Arbeitnehmer/innen oder ihrer Vertreter/innen an der Festlegung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsumwelt.

‑       Das Recht älterer Menschen auf sozialen Schutz.

Folgende neue Rechte wurden verankert:

‑       Das Recht auf Schutz bei Kündigung.

‑       Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer/innen bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers/ihrer Arbeitgeberin.

‑       Das Recht der Arbeitnehmer/innen auf Würde am Arbeitsplatz, das auch den Schutz vor sexueller Belästigung umfasst.

‑       Das Recht der Arbeitnehmer/innen mit Familienpflichten auf Chancengleichheit und Gleichbehandlung.

‑       Schutz der Arbeitnehmervertreter/innen im Betrieb.

‑       Information und Anhörung der Arbeitnehmervertreter/innen in den Verfahren bei Massenentlassungen.

‑       Schutz gegen Armut und soziale Ausgrenzung.

‑       Recht auf Wohnung.

Die Europäische Sozialcharta (revidiert) wurde so abgefasst, dass sie zwar eine eigenständige Übereinkunft darstellt, jedoch dem gleichen Überwachungsmechanismus wie die Charta von 1961 unterliegt.

Die Europäische Sozialcharta (revidiert) sieht nicht die Kündigung der alten Charta vor. Nimmt jedoch ein Vertragsstaat die Bestimmungen der Europäischen Sozialcharta (revidiert) an, so finden die entsprechenden Bestimmungen der ursprünglichen Charta und ihres Protokolls auf diesen Staat keine Anwendung mehr. Die Staaten sind damit nicht gleichzeitig durch Verpflichtungen auf verschiedenen Ebenen gebunden.

Durch die Ratifikation der Europäischen Sozialcharta (revidiert) verpflichtet sich jede Vertragspartei

         a) Teil I als eine Erklärung der Ziele anzusehen, die sie entsprechend dem einleitenden Satz jenes Teils mit allen geeigneten Mitteln verfolgen wird;

         b) mindestens sechs der folgenden neun Artikel als für sich bindend anzusehen: 1, 5, 6, 7, 12, 13, 16, 19 und 20;

         c) zusätzlich so viele Artikel oder Absätze des Teils II auszuwählen und als für sich bindend anzusehen, dass die Gesamtzahl der Artikel oder Absätze, durch die sie gebunden ist, mindestens sechzehn Artikel oder dreiundsechzig nummerierte Absätze beträgt.

Die Europäische Sozialcharta (revidiert) kann nicht ratifiziert werden, ohne zumindest die den Bestimmungen der Charta von 1961 entsprechenden und bereits angenommenen Bestimmungen zu ratifizieren.

Das Begutachtungsverfahren hat ergeben, dass Österreich das Ratifikationserfordernis erfüllt, da 6 Kernartikeln bzw. 76 nummerierten Absätzen (Mindesterfordernis: 16 Artikel, darunter 6 Kernartikel, oder 63 nummerierte Absätze) durch die innerstaatliche Rechtslage entsprochen wird.

Gemäß Artikel A Abs. 2 der Europäischen Sozialcharta (revidiert) sind dem Generalsekretär des Europarats gleichzeitig mit der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde jene Artikel oder Absätze zu notifizieren, zu deren Erfüllung sich der ratifizierende Staat nach Artikel A Absatz 1 lit. b und c verpflichtet. Diese Erklärung wird im Falle der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde durch Österreich die in den Erläuterungen zu Teil III, Artikel A der Charta als durch Österreich erfüllt angeführten Artikel bzw. Absätze anzuführen haben.

Es handelt sich um folgende Artikel und Absätze:

Gemäß Artikel A Absatz 1 lit. b: Artikel 1, 5, 12, 13, 16 und 20.

Gemäß Artikel A Absatz 1 lit. c: Artikel 2 Absätze 2, 3, 4, 5, 6 und 7, Artikel 3 Absätze 1, 2, 3 und 4, Artikel 4 Absätze 1, 2, 3 und 5, Artikel 6 Absätze 1, 2 und 3, Artikel 7 Absätze 1, 2, 3, 4, 5, 7, 8, 9 und 10, Artikel 8 Absätze 1, 3, 4 und 5, Artikel 9, Artikel 10 Absätze 1, 2, 3, 4 und 5, Artikel 11 Absätze 1, 2 und 3, Artikel 14 Absätze 1 und 2, Artikel 15 Absätze 1 und 3, Artikel 17 Absätze 1 und 2, Artikel 18 Absätze 1, 2 und 4, Artikel 19 Absätze 1, 2, 3, 5, 6, 7, 9 und 12, Artikel 25, Artikel 26 Absatz 1, Artikel 27 Absätze 1 und 2 und Artikel 28.

Damit sind die Voraussetzungen für die Ratifikation gegeben. Um jedoch Auslegungsschwierigkeiten, die sich aus dem Nebeneinander innerstaatlicher und völkerrechtlicher, nicht unmittelbar anwendbarer Normen ergeben könnten, zu vermeiden, ist bei der Ratifikation der Europäischen Sozialcharta (revidiert) von der Möglichkeit des Ausschlusses der generellen Transformation gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG Gebrauch zu machen.

Besonderer Teil:

Zu Teil I:

Dieser Teil entspricht Teil I der Charta von 1961 und enthält eine allgemeine Erklärung der Rechte und Grundsätze, mit denen die Ziele für die Politik der Vertragsparteien festgelegt werden, wobei jede Ziffer des Teils I einem Artikel in Teil II entspricht, der dieselbe Zahl trägt.

Wie in der Charta von 1961 enthält Teil I eine Erklärung politischer Art, die insgesamt angenommen werden kann, unabhängig davon, ob die entsprechenden Bestimmungen des Teils II angenommen werden. Die Verpflichtungen des Teils I beinhalten zwar, das Ziel im Auge zu behalten, nicht jedoch ununterbrochen konkrete Maßnahmen zu setzen. Es muss als selbstverständlich gelten, dass zur Setzung konkreter Maßnahmen jeweils geeignete wirtschafts- und sozialpolitische Voraussetzungen Grundbedingung sind (vgl. Sten. Prot. NR, XI. GP, 1339 d. Blg.).

Der Wortlaut der Absätze 8, 15 und 17 wurde den revidierten Artikeln 8, 15 und 17 der Charta von 1961 angepasst. Die Änderungen der Artikel 2, 3, 7, 10, 11, 12 und 19 hatten keine Änderungen in Teil I zur Folge. Die Absätze 20 bis 23 wurden aus dem Zusatzprotokoll von 1988 entnommen und nicht geändert. Die Absätze 24 bis 31 entsprechen den in der Europäischen Sozialcharta (revidiert) enthaltenen neuen Artikeln.

Zu Teil II:

Zu Art. 1 – Das Recht auf Arbeit:

Keine Änderung gegenüber der Charta von 1961. Alle Absätze dieses Artikels wurden von Österreich bereits 1969 ratifiziert.

Zu Art. 2 – Das Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen:

Absatz 1 wurde nicht geändert. Diese Bestimmung verpflichtet die Vertragsparteien, für eine angemessene tägliche und wöchentliche Arbeitszeit zu sorgen und die Arbeitswoche schrittweise zu verkürzen, soweit die Produktivitätssteigerung und andere mitwirkende Faktoren dies gestatten. Österreich hat diesen Absatz im Jahr 1969 nicht ratifiziert. Eine Ratifikation ist auch weiterhin nicht geplant.

Absatz 2 wurde nicht geändert und ist von Österreich bereits 1969 ratifiziert worden.

Absatz 3 sieht eine Verlängerung des in der Charta von 1961 vorgesehenen Jahresurlaubs von zwei auf vier Wochen vor und korrespondiert damit mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung. Diese Bestimmung wird durch die innerstaatliche Rechtslage (§ 2 Urlaubsgesetz (UrlG), BGBl. Nr. 390/1976 idgF, die sondergesetzlichen Regelungen für Arbeitnehmer/innen in der Privatwirtschaft sowie die bundes- und landesgesetzlichen Bestimmungen für öffentlich Bedienstete) erfüllt.

Absatz 4, der in der Charta von 1961 zusätzliche bezahlte Urlaubstage oder eine verkürzte Arbeitszeit für Arbeitnehmer/innen vorsieht, die mit gefährlichen oder gesundheitsschädlichen Arbeiten beschäftigt sind (wurde von Österreich ratifiziert), wurde geändert. Die Änderung dient dazu, die derzeitigen politischen Zielsetzungen wiederzugeben, wonach Gefahren, denen die Arbeitnehmer/innen ausgesetzt sind, beseitigt werden sollen und entspricht damit dem Konzept des EU-Rechts (Arbeitsschutzrahmenrichtlinie 89/391/EWG etc.). Zugrunde liegt der Gedanke, dass zusätzliche bezahlte Urlaubstage oder eine verkürzte Arbeitszeit nur gewährt werden sollen, wenn es nicht möglich gewesen ist, die Gefahren zu beseitigen oder hinreichend zu vermindern. Diese Bestimmung ist als Ergänzung zum revidierten Artikel 3 zu sehen, der den Akzent auf die Verhütung von Arbeitsunfällen legt und wird durch die innerstaatlichen Vorschriften über den technischen Arbeitnehmerschutz und den Verwendungsschutz (Bundesgesetz über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (ArbeitnehmerInnenschutzgesetz), BGBl. Nr. 450/1994 idgF, Landarbeitsgesetz (LAG) 1984, BGBl. Nr. 287 idgF, Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, BGBl. I Nr. 70/1999 idgF, und die einschlägigen Landesgesetze, weiters § 11 Abs. 4 und 6 sowie § 21 Arbeitszeitgesetz 1969, BGBl. Nr. 461 idgF, § 10a Urlaubsgesetz etc.) erfüllt.

Absatz 5 wurde nicht geändert und ist von Österreich bereits 1969 ratifiziert worden.

Absatz 6 ist eine neue Bestimmung und verpflichtet die Vertragsparteien sicherzustellen, dass Arbeitnehmer/innen schriftlich über die wesentlichen Punkte ihres Arbeitsvertrags oder ihres Arbeitsverhältnisses unterrichtet werden. Dies korrespondiert mit der Richtlinie 91/533/EWG (Nachweisrichtlinie) und ist innerstaatlich erfüllt (z. B. § 2 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993 idgF, § 7 Landarbeitsgesetz 1984, Dienstrechtsgesetze des Bundes und der Länder).

Absatz 7 ist eine neue Bestimmung und verpflichtet die Vertragsparteien dafür zu sorgen, dass Arbeitnehmer/innen, die Nachtarbeit verrichten, in den Genuss von Maßnahmen kommen, mit denen der besonderen Art dieser Arbeit Rechnung getragen wird. Der Erläuternde Bericht zur Europäischen Sozialcharta (revidiert) hält dazu Folgendes fest: Allgemein wird anerkannt, dass Nachtarbeit Arbeitnehmer/innen besonders beansprucht; dies hat zur Aufnahme dieses Absatzes in die Europäische Sozialcharta (revidiert) geführt. Ferner ist zu sagen, dass Artikel 8 Absatz 4 Buchstabe a der Charta von 1961 vorsieht, dass die Nachtarbeit von Frauen in gewerblichen Betrieben allgemein zu regeln ist, die entsprechenden Bestimmungen der Europäischen Sozialcharta (revidiert) Frauen aber nur mehr im Fall der Mutterschaft schützt. Die anderen ‑ zuvor durch Artikel 8 Absatz 4 Buchstabe a der Charta geschützten ‑ Frauen sind künftig von Artikel 2 Absatz 7 der Europäischen Sozialcharta (revidiert) ebenso wie Männer entsprechend dem Gleichheitsgrundsatz erfasst.

Diese Bestimmung korrespondiert mit dem Gleichbehandlungsrecht der EU sowie mit den Nachtarbeitsregelungen der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) und ist innerstaatlich erfüllt (Abschnitt 3a des Arbeitszeitgesetzes, BGBl. Nr. 461/1969 idgF, Dienstrechtsgesetze des Bundes und der Länder).

Zu Art. 3 – Das Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen:

Absatz 1 ist neu und wird durch das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl. Nr. 450/1994 idgF i.V.m. der Verordnung über die Geschäftsordnung des Arbeitnehmerschutzbeirats, BGBl. Nr. 30/1995 idgF, umgesetzt.

Gemäß § 91 ASchG ist zur Beratung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in grundsätzlichen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit und zu seiner Information über Organisation und Tätigkeit der Präventionszentren der Träger der Unfallversicherung ein Arbeitnehmerschutzbeirat einzurichten.

Dem Arbeitnehmerschutzbeirat gehören neben der Zentral-Arbeitsinspektorin Vertreter/innen des Verkehrs-Arbeitsinspektorats, der Bundesarbeitskammer, der Wirtschaftskammer Österreich, des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, der Vereinigung der Österreichischen Industrie, der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, der Österreichischen Ärztekammer und der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt an. Weiters gehören je ein/e Vertreter/in der Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen und der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter dem Arbeitnehmerschutzbeirat an, wenn der gesetzliche Aufgabenbereich dieser Institutionen durch den Beratungsgegenstand berührt wird. Ein/e Vertreter/in des Verbandes der Elektrizitätswerke Österreichs gehört dem Beirat dann an, wenn nach dem Beratungsgegenstand die Interessen der Elektrizitätswerke berührt werden.

Zu den Sitzungen des Arbeitnehmerschutzbeirats sind weiters die Verbindungsstelle der Bundesländer beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung sowie gegebenenfalls die nach dem Beratungsgegenstand in Betracht kommenden Bundesministerien einzuladen. Fachausschüsse können zur Vorberatung eingesetzt werden.

Ausgehend davon wurde der Arbeitnehmerschutzbeirat mit der Konzeption der nationalen Arbeitsschutzstrategie 2007 – 2012 beauftragt. Bei der österreichischen Arbeitsschutzstrategie sind alle Akteurinnen und Akteure des Arbeitsschutzes und im Wesentlichen die, deren Themen den Arbeitsschutz berühren, eingebunden.

Durch gemeinsame Planung im Rahmen der Arbeitsschutzstrategie sollen Ressourcen der einzelnen Institutionen optimal genutzt, die Zusammenarbeit gefördert und die einzelnen Ziele so aufeinander abgestimmt werden, dass daraus ein Optimum für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz resultiert. Für entscheidungsvorbereitende Aufgaben ist vom Arbeitnehmerschutzbeirat der Fachausschuss „Arbeitsschutzstrategie“ eingesetzt. Der Fachausschuss erarbeitet inhaltliche Vorschläge zu Themen und strukturelle Vorschläge zur Bearbeitung der Themen. Weiters fasst er die Evaluierung der Zielerreichung der Tätigkeit der Arbeitsgruppen zusammen und schlägt dem Arbeitnehmerschutzbeirat Verbesserungsmaßnahmen vor. Auf Grundlage inhaltlicher und struktureller Vorschläge des Fachausschusses sind für fünf zu bearbeitende Themenfelder fünf Arbeitsgruppen zur Ausarbeitung von Projekten vom Arbeitnehmerschutzbeirat eingesetzt.

Absatz 2 entspricht Artikel 3 Absätze 1 und 3 der Charta von 1961, Absatz 3 entspricht Artikel 3 Absätze 2 und 3 der Charta von 1961; beide Bestimmungen wurden bereits 1969 ratifiziert.

Absatz 4 ist neu und verpflichtet die Vertragsparteien, für alle Arbeitnehmer/innen die schrittweise Einrichtung betriebsärztlicher Dienste mit im Wesentlichen vorbeugenden und beratenden Aufgaben zu fördern. Diese Bestimmung wird durch das österreichische Arbeitnehmerschutzrecht für Arbeitnehmer/innen im privaten wie im öffentlichen Sektor erfüllt. So sind z. B. Arbeitgeber/innen nach dem 7. Abschnitt des ASchG verpflichtet, für eine sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung ihrer Arbeitnehmer/innen zu sorgen. Diese Betreuung muss durch besonders ausgebildete Sicherheitsfachkräfte und Arbeitsmediziner/innen erfolgen. Für die Erfüllung dieser Verpflichtung müssen betriebseigene Arbeitsmediziner/innen und Sicherheitsfachkräfte herangezogen werden; wenn Arbeitgeber/innen nicht über entsprechend fachkundiges Personal verfügen, können auch externe Arbeitsmediziner/innen und Sicherheitsfachkräfte oder ein arbeitsmedizinisches/sicherheitstechnisches Zentrum in Anspruch genommen werden. Für Arbeitsstätten bis 50 Arbeitnehmer/innen besteht zusätzlich die Möglichkeit der Betreuung durch Präventionszentren der Unfallversicherungsträger.

Zu Art. 4 – Das Recht auf ein gerechtes Arbeitsentgelt:

Die fünf Absätze des Artikels 4 wurden nicht geändert.

Absätze 1, 2, 3 und 5 wurden bereits 1969 ratifiziert.

Absatz 4, der die Vertragsparteien verpflichtet, das Recht aller Arbeitnehmer/innen auf eine angemessene Kündigungsfrist im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzuerkennen, wird nach wie vor nicht voll erfüllt und kann daher nicht ratifiziert werden. Nach der Auslegung dieser Bestimmung durch den Ausschuss für soziale Rechte sind die Fristen für Arbeiter/innen (z. B. sieht § 77 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl. Nr. 194 idgF, abdingbare zwei Wochen vor, manche Kollektivverträge sehen überhaupt keine Kündigungsfrist vor, §§ 1159 ff Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), JGS. Nr. 946/1811 idgF: in bestimmten Fällen, wenn keine Dienste höherer Art geleistet werden, überhaupt keine Kündigungsfrist bzw. Kündigung für den Schluss der Kalenderwoche, § 13 Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz 1962 (HGHAG), BGBl. Nr. 235/1962 idgF: 14 Tage für Hausgehilfen, abdingbar bis auf 1 Woche) zu kurz. Weiters wird vom Ausschuss für soziale Rechte angezweifelt, ob der Entlassungsgrund der Unfähigkeit mit der Charta in Einklang steht.

Zu Art. 5 – Das Vereinigungsrecht:

Dieser Artikel wurde nicht geändert und bereits 1969 ratifiziert.

Zu Art. 6 – Das Recht auf Kollektivverhandlungen:

Auch Artikel 6 wurde nicht geändert.

Absätze 1, 2 und 3 wurden bereits 1969 ratifiziert, nicht jedoch Absatz 4, der die Vertragsparteien verpflichtet, das Recht der Arbeitnehmer/innen und der Arbeitgeber/innen auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechts im Fall von Interessenkonflikten anzuerkennen.

Im Gegensatz zu anderen Staaten ist in Österreich das Recht des Arbeitskampfes und somit das Streikrecht – einschließlich dessen Beschränkungen – weder durch Gesetze noch durch Kollektivverträge systematisch verrechtlicht.

Einfachgesetzliche Normen, die sich ausdrücklich auf den Arbeitskampf beziehen, gibt es im österreichischen Recht nur vereinzelt und zu speziellen Problemen.

So wurde die Strafbarkeit der Führung eines Streiks und der Teilnahme an einem Streik bereits durch das Koalitionsgesetz, RGBl. Nr. 43/1870, aufgehoben. Gemäß § 9 Arbeitslosenversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 609/1977 idgF, gilt eine Beschäftigung in einem von Streik betroffenen Betrieb als nicht zumutbar, und gemäß § 13 dieses Gesetzes entfällt der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn die Arbeitslosigkeit die unmittelbare Folge eines Streiks oder einer Defensivaussperrung ist. Weiters ist eine Überlassung von Arbeitskräften in Betriebe, die von Streik oder Aussperrung betroffen sind, gemäß § 9 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, BGBl. Nr. 196/1988 idgF, untersagt. Für solche Betriebe dürfen gemäß § 10 Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 118/1975 idgF, auch keine Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden.

Hinzuweisen ist auf die Judikatur des EuGH, der im Rahmen seines Urteils vom 11. Dezember 2007, Rs C‑438/05, Viking Line, die Ansicht vertrat, dass das Recht auf Durchführung einer kollektiven Maßnahme einschließlich des Streikrechts als Grundrecht anzuerkennen ist, das fester Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ist.

Hinzuweisen ist auch auf die Entscheidung des EGMR im Fall Enerji Yapi-Yol Sen gegen die Türkei vom 21. April 2009, Beschwnr. 68.959/01. Der EGMR hat in diesem Urteil das Streikrecht als von Artikel 11 EMRK, der in Österreich in Verfassungsrang steht, geschützt anerkannt.

Die Arbeitnehmerseite hat sich für die Ratifikation des Artikels 6 Absatz 4 ausgesprochen. Da jedoch die Arbeitgeberseite der Ratifikation nicht zustimmen konnte, hat das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vorgeschlagen, eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel einzurichten, weitere Bestimmungen, insbesondere alle Hard Core Bestimmungen der revidierten Charta, zu ratifizieren..

Zu Art. 7 – Das Recht der Kinder und Jugendlichen auf Schutz:

Absatz 1 wurde nicht geändert. Er setzt das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung mit 15 Jahren fest, vorbehaltlich von Ausnahmen für Kinder, die mit bestimmten leichten Arbeiten beschäftigt werden, welche weder ihre Gesundheit noch ihre Moral noch ihre Erziehung gefährden. Dieser Absatz wurde bislang nicht ratifiziert, kann jedoch nun aufgrund mittlerweile eingetretener Änderungen der Rechtslage ratifiziert werden.

Die Voraussetzungen für die Ratifikation wurden durch die Novelle BGBl. I Nr. 79/1997 zum Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz (KJBG) 1987, BGBl. Nr. 599, und im Bereich der Land- und Forstwirtschaft durch die Novelle BGBl. I Nr. 101/1998 zum Landarbeitsgesetz 1984 geschaffen. Das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung ist nunmehr einheitlich mit 15 Jahren oder späterer Beendigung der Schulpflicht festgesetzt. Ausnahmen sind nur zulässig für leichte und vereinzelte Tätigkeiten, die ungefährlich und überdies nur unter strengen Auflagen zulässig sind, weiters – entsprechend Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 94/33/EG über den Jugendarbeitsschutz – für Minderjährige, die die Schulpflicht vollendet haben und in einem Lehrverhältnis oder im Rahmen eines Ferial- oder Pflichtpraktikums beschäftigt werden. Diese Ausnahmen stehen laut Stellungnahme des Sekretariats der Europäischen Sozialcharta vom 7. Jänner 2010 mit der Europäischen Sozialcharta (revidiert) in Einklang.

Absatz 2 wurde geändert. Das in der Charta von 1961 nicht näher bestimmte Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung in bestimmten Berufen, die als gefährlich oder gesundheitsschädlich gelten, wurde in der Europäischen Sozialcharta (revidiert) auf 18 Jahre festgesetzt. Diese Bestimmung lehnt sich an die Richtlinie 94/33/EG über den Jugendarbeitsschutz an und wird erfüllt.

Durch die aufgrund des § 23 Abs. 2 KJBG (im Bereich der Land- und Forstwirtschaft ist die maßgebliche Bestimmung § 109a Abs. 2 LAG bzw. die dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen der Länder) erlassene Verordnung über Beschäftigungsverbote und -beschränkungen für Jugendliche (KJBG-VO), BGBl. II Nr. 436/1998 idgF, ist für Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres einerseits die Beschäftigung in bestimmten Betrieben verboten, andererseits sind Arbeiten mit gefährlichen Arbeitsstoffen, Arbeiten unter physikalischen Einwirkungen, Arbeiten unter psychischen und physischen Belastungen, Arbeiten mit gefährlichen Arbeitsmitteln sowie sonstige gefährliche und belastende Arbeiten und Arbeitsvorgänge verboten oder von Bedingungen abhängig gemacht. Die Beschäftigungsverbote sind im Einzelnen ausgeführt. Zusätzliche Beschäftigungsverbote und ‑beschränkungen können die zuständigen Behörden im Einzelfall mit Bescheid für Arbeiten vorschreiben, die mit besonderen Gefahren für Sicherheit, Gesundheit und Sittlichkeit Jugendlicher verbunden sind.

Absatz 3 wurde nicht geändert und bereits 1969 ratifiziert.

Absatz 4 wurde geändert. Die durch diese Bestimmung über die Regelung der Arbeitszeit vorgeschriebene Altersgrenze wurde von den in der Charta von 1961 vorgesehenen 16 Jahren auf 18 Jahre angehoben. Dieser Absatz wird durch die von den für Erwachsene geltenden Regelungen abweichenden Arbeitszeitregelungen für Jugendliche (§§ 10 ff KJBG, § 109 LAG, § 5 HGHAG) erfüllt.

Absatz 5 wurde nicht geändert und bereits 1969 ratifiziert.

Absatz 6 wurde ebenso wenig geändert, eine Ratifikation dieser Bestimmung, wonach die Zeit, die Jugendliche während der normalen Arbeitszeit mit Zustimmung des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin für die Berufsausbildung verwenden, als Teil der täglichen Arbeitszeit gilt, ist jedoch weiterhin nicht möglich. Diese Bestimmung wird in Österreich nur hinsichtlich der Unterrichtszeit der Lehrlinge in der Berufsschule erfüllt. Nach der Auslegung durch den Ausschuss für soziale Rechte ist diese Bestimmung jedoch nicht auf Lehrverhältnisse beschränkt, sondern gilt auch für eine freiwillige Berufsausbildung. Nach österreichischem Recht ist aber ein/e Arbeitgeber/in, der/die den Jugendlichen für eine zusätzliche, gesetzlich nicht geforderte Berufsausbildung frei gibt, nicht verpflichtet, diese Zeit auf die Arbeitszeit anzurechnen.

Absatz 7 wurde geändert. Die Dauer des bezahlten Jahresurlaubs für jugendliche Arbeitnehmer/innen wurde von den in der Charta vorgesehenen drei Wochen auf vier Wochen verlängert. Diese Bestimmung wird durch § 2 Urlaubsgesetz, § 67 LAG, § 4 Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz 1972, BGBl. Nr. 414 idgF, § 18 Schauspielergesetz 1922, BGBl. Nr. 441 idgF, § 9 Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz 1962, sowie die dienstrechtlichen Bestimmungen des Bundes und der Länder erfüllt.

Absätze 8 bis 10 wurden nicht geändert und bereits 1969 ratifiziert.

Zu Art. 8 – Das Recht der Arbeitnehmerinnen auf Mutterschutz:

Um dem Gleichheitsgrundsatz zu entsprechen, wurde diese Artikel 8 der Charta von 1961 (der 1969 in seiner Gesamtheit ratifiziert wurde) entsprechende Bestimmung so geändert, dass sie Frauen ausschließlich im Fall der Mutterschaft schützt. Dies ergibt sich insbesondere aus der Änderung der Überschrift und des einleitenden Satzes. Wie in der Überschrift dieser Bestimmung ausgeführt, findet diese nur auf Arbeitnehmerinnen Anwendung.

In Absatz 1 wurde im Vergleich zur Charta von 1961 die Dauer des Mutterschaftsurlaubs von zwölf auf vierzehn Wochen verlängert. Diese Bestimmung ist erfüllt, da in Österreich die Gesamtdauer des Mutterschaftsurlaubs in jedem Fall mindestens 16 Wochen beträgt (§§ 3 und 5 Mutterschutzgesetz 1979 (MSchG), BGBl. Nr. 221 idgF).

Absatz 2 verlängert die Mindestdauer des Kündigungsschutzes für Schwangere im Vergleich zu der entsprechenden Bestimmung der Charta von 1961. Die Dauer erstreckt sich von dem Zeitpunkt, zu dem eine Frau ihren Arbeitgeber/ihre Arbeitgeberin von der Schwangerschaft in Kenntnis setzt, bis zum Ende ihres Mutterschaftsurlaubs.

Diese Bestimmung wurde gegenüber der alten Charta wesentlich geändert. Die neue Bestimmung erfasst auch den Fall, dass die Kündigung vor Beginn der Schwangerschaft ausgesprochen wurde. Wenn die Frau z. B. am vorletzten Tag der Kündigungsfrist schwanger wird, ist sie nach der revidierten Sozialcharta kündigungsgeschützt. Dies entspricht nicht der österreichischen Rechtslage, nach der eine Kündigung nur dann rechtsunwirksam ist, wenn dem Arbeitgeber die Tatsache der Schwangerschaft entweder schon bekannt war oder ihm binnen fünf Arbeitstagen nach Zustellung der Kündigung bekannt gegeben wird (§ 10 Abs. 2 MSchG). Absatz 2 kann daher nicht ratifiziert werden.

Absatz 3 wurde nicht geändert und bereits 1969 ratifiziert.

Absatz 4 ändert Art. 8 Abs. 4 lit. a der Charta von 1961 und wird ebenfalls erfüllt. Der diesem Absatz zugrunde liegende Gedanke, dass eine Regelung der Nachtarbeit von Frauen im Fall der Mutterschaft erforderlich ist, wurde aus dem IAO‑Übereinkommen Nr. 171 (Nachtarbeit) von 1990 und der Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG übernommen. Dieser Absatz ist daher enger als Art. 8 Abs. 4 lit. a der Charta von 1961, der die Regelung der Nachtarbeit von Frauen im Allgemeinen betrifft; gleichzeitig ist er in seinem Geltungsbereich weiter, da er die Regelung der Nachtarbeit nicht auf gewerbliche Betriebe begrenzt.

Absatz 5 ändert Art. 8 Abs. 4 lit. b der Charta von 1961 und begrenzt das Verbot der Beschäftigung von Frauen mit Untertagearbeiten in Bergwerken und mit allen sonstigen Arbeiten von gefährlicher, gesundheitsschädlicher oder beschwerlicher Art auf den Fall der Mutterschaft, wobei geeignete Maßnahmen zum Schutz der Rechte dieser Frauen im Bereich der Beschäftigung zu treffen sind (Versetzung oder Beurlaubung unter Zahlung des Arbeitsentgelts und ohne Verlust ihrer Stellung, der Betriebszugehörigkeit oder des Zugangs zum beruflichen Aufstieg). Auch Absatz 5 wird durch die Regelungen des österreichischen Mutterschutzrechts erfüllt.

Zu Art. 9 – Das Recht auf Berufsberatung:

Dieser Artikel wurde nicht geändert und bereits 1969 ratifiziert.

Zu Art. 10 – Das Recht auf berufliche Bildung:

Absätze 1 bis 3 wurden nicht geändert; Absatz 5 entspricht Absatz 4 der Charta von 1961; diese Absätze wurden bereits 1969 ratifiziert.

Absatz 4 ist neu; dieser Bestimmung liegt der Gedanke zugrunde, dass es notwendig ist, besondere Maßnahmen zur Umschulung und Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen zu treffen, da deren Möglichkeiten der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt besonders begrenzt sind.

Dieser Absatz wird erfüllt, da Maßnahmen zur Umschulung und Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen ein zentraler Bestandteil der österreichischen Arbeitsmarktpolitik sind. Unter den bewährten Instrumenten finden sich personenbezogene Förderungsmaßnahmen, wie Eingliederungsbeihilfen (zeitlich befristete Lohnsubventionen zur Förderung der Einstellung von Langzeitarbeitslosen oder von Langzeitarbeitslosigkeit bedrohten Personen) und projektorientierte Integrationsmaßnahmen. Darüber hinaus werden in gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten zeitlich befristete Beschäftigungsverhältnisse in gesellschaftlich nützlichen Tätigkeitsbereichen geschaffen und in sozialökonomischen Beschäftigungsbetrieben relativ marktnahe, aber doch auch geschützte Transitarbeitsplätze geboten. Eine weitere Form der Integration von Langzeitarbeitslosen liegt in der gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlassung, wobei Arbeitslose über gemeinnützige Trägerorganisationen zur entgeltlichen Arbeitsleistung Dritten zur Verfügung gestellt werden und eine dauerhafte Arbeitsmarktintegration angestrebt wird.

Zu Art. 11 – Das Recht auf Schutz der Gesundheit:

Absätze 1 und 2 wurden nicht geändert und bereits 1969 ratifiziert.

Absatz 3 entspricht Art. 11 Abs. 3 der Charta von 1961, dem die Worte „sowie Unfälle“ hinzugefügt wurden. Die Vertragsparteien werden aufgefordert, eine Politik der Unfallverhütung zu verfolgen, wobei jedoch der Staat entscheiden kann, welche Maßnahmen er zu diesem Zweck trifft.

Dieser Absatz wird erfüllt. Österreich ist im Rahmen der Europäischen Union bereits die Verpflichtung zur Mitwirkung auf dem Gebiet der öffentlichen Verhütung von Unfällen im Privatbereich eingegangen. Aktivitäten in Zusammenhang mit der Verhütung von Verletzungen werden national vorwiegend über das „Institut Sicher Leben/ISL“ im Kuratorium für Verkehrssicherheit umgesetzt.

Zu Art. 12 – Das Recht auf Soziale Sicherheit:

Absätze 1, 3 und 4 wurden nicht geändert und bereits 1969 ratifiziert.

Absatz 2 wurde geändert und nimmt nunmehr Bezug auf die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit. Der Unterschied zwischen dem IAO‑Übereinkommen Nr. 102 und der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit betrifft die Mindestanzahl der Teile, die für die Ratifikation dieser Übereinkünfte angenommen werden müssen (drei für das Übereinkommen Nr. 102; sechs für die Europäische Ordnung). Es wird somit ein höheres Niveau der Sozialen Sicherheit als Maßstab festgelegt. Dieses Niveau wird durch das österreichische System jedenfalls erfüllt.

Zu den Artikeln 13 und 14 – Das Recht auf Fürsorge und das Recht auf Inanspruchnahme sozialer Dienste:

Diese Artikel wurden nicht geändert und bereits 1969 ratifiziert.

Zu Art. 15 – Das Recht behinderter Menschen auf Eigenständigkeit, soziale Eingliederung und Teilhabe am Leben der Gemeinschaft:

Der Schutz der Behinderten wurde im Vergleich zur Charta von 1961 erweitert. Er bezieht sich nun nicht mehr nur auf die Ausbildung und berufliche Eingliederung oder Wiedereingliederung, sondern sieht das Recht der behinderten Menschen auf Eigenständigkeit und soziale Eingliederung sowie auf Teilhabe am Leben der Gemeinschaft vor. Ziel der Vertragsparteien muss es sein, eine kohärente Politik für behinderte Menschen zu entwickeln. Die Bestimmung beruht auf einem modernen Ansatz, der dem der Empfehlung Nr. R (92) 6 des Ministerkomitees des Europarats hinsichtlich der Art und Weise entspricht, wie der Schutz der behinderten Menschen sicherzustellen ist, z. B. dadurch, dass vorgesehen wird, die Beratung und schulische und berufliche Bildung soweit möglich eher im Rahmen des allgemeinen Systems als durch Sondereinrichtungen bereit zu stellen.

Absatz 1 wird erfüllt. Dem Recht auf schulische Integration ist durch die 11. Novelle zum Schulorganisationsgesetz 1988, BGBl. Nr. 242/1962 idgF, Rechnung getragen worden.

Absatz 2 kann derzeit nicht ratifiziert werden. Zu Absatz 2 und Artikel E (Teil V) in Verbindung mit dem im Anhang festgelegten persönlichen Geltungsbereich der Europäischen Sozialcharta (revidiert) ist darauf hinzuweisen, dass dem Kreis der begünstigten Behinderten im Sinne des § 2 Bundesgesetz über die Einstellung und Beschäftigung Behinderter (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970 idgF, bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen nur österreichische Staatsbürger, anerkannte Flüchtlinge, Staatsbürger von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie rechtmäßig beschäftigte türkische Staatsbürger angehören können.

Im Vergleich dazu umfasst der persönliche Geltungsbereich der Europäischen Sozialcharta (revidiert) auch bestimmte Staatsangehörige von Vertragsstaaten der Europäischen Sozialcharta (revidiert), die nicht Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind.

Wenngleich Artikel 15 Absatz 2 primär Förderungsmaßnahmen zur Unterstützung der beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen im Auge zu haben scheint, zählt das Recht auf Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten mit den damit einhergehenden Rechtsfolgen (insbesondere qualifizierter Kündigungsschutz und Anrechnung auf die gesetzliche Quotenregelung) doch eindeutig zu den Arbeitsbedingungen, hinsichtlich derer eine Ungleichbehandlung auf Grund der Staatsangehörigkeit problematisch erscheint.

Zu Absatz 3 ist auf das am 1. Jänner 2006 in Umsetzung der Richtlinie 2000/87/EG betreffend die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf in Kraft getretene Österreichische Behindertengleichstellungspaket zu verweisen. Als Folge der dabei getroffenen legislativen Maßnahmen (Schaffung eines Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes, Novellierung des Behinderteneinstellungsgesetzes bzw. Bundesbehindertengesetzes) besteht nunmehr ein Diskriminierungsschutz sowohl im Arbeitsleben wie darüber hinaus im sozialen Leben, soweit eine Zuständigkeit des Bundes vorliegt. Das Behindertengleichstellungspaket geht damit weit über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus.

Im Ergebnis werden damit die Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen am Leben der Gemeinschaft wesentlich verbessert, und kontinuierlich der Tatsache Rechnung getragen, dass Menschen mit Behinderungen aktive Teilnehmer der Gesellschaft sind, und nicht primär als Empfänger/innen von sozialen und finanziellen Hilfsleistungen angesehen werden.

Zu Art. 16 – Das Recht der Familie auf sozialen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Schutz:

Der Wortlaut dieses Artikels wurde nicht geändert; er wurde bereits 1969 ratifiziert.

Da jedoch der Schutz der „Mütter“ in Artikel 17 der Charta von 1961 in dem neu gefassten Artikel 17 der Europäischen Sozialcharta (revidiert) nicht beibehalten wurde, erfasst Artikel 16 nunmehr auch diese Gruppe. Hervorzuheben ist, dass die betreffenden „Mütter“ allein stehend sein, aber auch in einer Partnerbeziehung leben können. Der besondere Schutz gilt für Frauen, die von Artikel 8 nicht erfasst sind und nicht durch ein System der Sozialen Sicherheit geschützt sind, das ihnen die erforderliche finanzielle Unterstützung während einer angemessenen Zeit vor und nach der Entbindung sowie angemessene ärztliche Versorgung während der Entbindung gewährt. Im Anhang zur Europäischen Sozialcharta (revidiert) wird klargestellt, dass der gewährte Schutz auch Einelternfamilien erfasst.

Zu Art. 17 – Das Recht der Kinder und Jugendlichen auf sozialen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Schutz:

Dieser Artikel wurde geändert.

Während in der Charta von 1961 der allgemeine Schutz der Kinder in Artikel 7 enthalten ist, der fast ausschließlich den Schutz der Kinder bei der Arbeit betrifft, bietet Artikel 17 der Europäischen Sozialcharta (revidiert) Kindern und Jugendlichen außerhalb der Arbeitswelt Schutz und stellt auf die spezifischen Bedürfnisse ab, die sich aus der Gefährdung dieses Personenkreises ableiten. Der Anhang zur Europäischen Sozialcharta (revidiert) stellt klar, dass Artikel 17 alle Personen unter 18 Jahren erfasst, sofern nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht die Volljährigkeit nicht früher erreicht wird; dies gilt unbeschadet der anderen besonderen Bestimmungen der Europäischen Sozialcharta (revidiert), insbesondere des Artikels 7. Dies schließt weiters nicht die Verpflichtung ein, bis zu dem vorstehend genannten Alter eine allgemeine Schulpflicht sicherzustellen.

Diese Bestimmung schützt die Kinder ungeachtet solcher Umstände wie z. B. ihrer Rechtsstellung bei der Geburt oder des Familienstandes ihrer Eltern. Das Wort „gesetzlichen“ wurde in der Überschrift eingefügt, wodurch die Spruchpraxis des Ausschusses für soziale Rechte bestätigt wird, der zu Folge bestimmte Rechte, wie z. B. das Erbrecht der Kinder, von Artikel 17 erfasst sind.

Absatz 1, dessen Inhalt sich hinsichtlich der Kinder mit Artikel 17 der Charta von 1961 in der Auslegung durch den Ausschuss für soziale Rechte deckt und der schon bisher als vollinhaltlich erfüllt angesehen wurde, wird durch die bundes- und landesgesetzlichen Jugendschutzbestimmungen und die in Österreich bestehenden Instrumente zur Jugendförderung erfüllt.

Absatz 2, der die Vertragsparteien verpflichtet, Kindern und Jugendlichen eine unentgeltliche Schulbildung in der Primar- und Sekundarstufe zu gewährleisten sowie den regelmäßigen Schulbesuch zu fördern, wird durch die Bestimmungen des Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetzes, BGBl. Nr. 163/1955 idgF, und des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962 idgF, erfüllt.

Zu Art. 18 – Das Recht auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien:

Dieser Artikel wurde nicht geändert.

Absätze 1, 2 und 4 wurden bereits 1969 ratifiziert.

Eine Ratifikation des Absatz 3, der die Vertragsparteien verpflichtet, die Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer/innen zu liberalisieren, ist nach wie vor nicht möglich, da es der Ausschuss für soziale Rechte für unvereinbar mit dem Geist der Liberalität hält, dass z. B. Beschäftigungsbewilligungen auf eine/n bestimmte/n Arbeitgeber/in (ein bestimmtes Unternehmen oder eine bestimmte Tätigkeit) bezogen werden oder es dem/der Arbeitnehmer/in verwehrt ist, im ersten Jahr der Beschäftigung den Arbeitsplatz zu wechseln (Bestimmungen, die auch im österreichischen Ausländerbeschäftigungsgesetz enthalten sind).

Weiters kann Absatz 3 selbst vor dem Hintergrund des einschränkenden Charakters von Punkt 18 des Teiles I in der Weise verstanden werden, dass nicht nur bestehende Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsrechts zu liberalisieren sind, sondern auch der öffentliche Dienst als spezifischer Arbeitsmarkt für ausländische Arbeitnehmer (unter welchen Bedingungen und Einschränkungen auch immer) zu öffnen ist. Auch dieser Aspekt spricht gegen eine Ratifikation des Absatzes 3.

Zu Art. 19 – Das Recht der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familien auf Schutz und Beistand:

Absätze 1 bis 10 wurden nicht geändert; es wurden aber zwei neue Absätze angefügt.

Absätze 1, 2, 3, 5, 6 und 9 wurden bereits 1969 ratifiziert. Anzumerken ist, dass der Anhang zu Absatz 6 betreffend die Familienzusammenführung für drittstaatsangehörige Fremde dahingehend geändert wurde, dass nunmehr das Recht auf Familiennachzug für nach österreichischem Recht minderjährige Kinder besteht. Der Anhang zur Charta von 1961 sieht diesbezüglich das 21. Lebensjahr vor.

Absatz 4 ist hinsichtlich lit. a und b erfüllt; lit. c ist jedoch weiterhin nicht erfüllt hinsichtlich der Gleichbehandlung von Ausländern/Ausländerinnen in Bezug auf die Unterkunft, insbesondere hinsichtlich geförderter Eigentumswohnungen und Eigenheime sowie hinsichtlich der Vergabe von Gemeindewohnungen.

Absatz 7 normiert die Gleichbehandlung von Ausländern/Ausländerinnen hinsichtlich der Beschreitung des Rechtswegs und ist im Jahr 1969 nicht ratifiziert worden. Gemäß der Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz ist diese Bestimmung jedoch aufgrund mittlerweile eingetretener Änderungen der Rechtslage erfüllt und kann somit ratifiziert werden.

Absatz 8 steht weiterhin nicht mit dem geltenden österreichischen Fremdenrecht in Einklang. Nach dieser Bestimmung sind Ausweisungen auf Sachverhalte beschränkt, welche die „Sicherheit des Staates gefährden oder gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder die Sittlichkeit verstoßen“.

Das geltende österreichische Fremdengesetz geht jedoch wesentlich über diese angeführten Tatbestände hinaus. Von einer Ausweisung betroffen sein können auch Fremde, welche der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen und im ersten Jahr ihrer Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sind oder welche länger als ein Jahr, aber kürzer als acht Jahre niedergelassen sind und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sind. Darüber hinaus können ‑ unter Beachtung der Regelung der Aufenthaltsverfestigung ‑ auch mangelnde Unterhaltsmittel, Versicherungsschutz oder ortsübliche Unterkunft Gründe für die Erlassung einer Ausweisung sein.

Absatz 10, der den in Artikel 19 vorgesehenen Schutz auf Selbständige erstreckt, kann mangels Erfüllung der Absätze 4, 8 und 11 weiterhin nicht ratifiziert werden.

Absatz 11 verpflichtet die Vertragsparteien, für Wanderarbeitnehmer/innen und ihre Familien den Unterricht zum Erlernen der Landessprache des Aufnahmestaates zu fördern und zu erleichtern. Gemäß dem Erläuternden Bericht zur Europäischen Sozialcharta (revidiert) wird diese Bestimmung für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Wanderarbeitnehmer/innen bei der Arbeit und für die Garantie ihrer sonstigen Rechte in Bezug auf die Arbeit ebenso wie für die Erleichterung ihrer Integration und die ihrer Familienangehörigen für wichtig erachtet.

Diese Bestimmung wird nur hinsichtlich schulpflichtiger Kinder erfüllt. Hinsichtlich der Erwachsenen wird dieser Absatz allerdings nicht vollständig erfüllt; dies betrifft insbesondere Familienangehörige, v.a. Frauen, die nicht dem Arbeitsmarkt angehören und für die es daher keine AMS-Maßnahmen gibt.

Absatz 12, der die Vertragsparteien verpflichtet, soweit durchführbar den Unterricht in der Muttersprache des Wanderarbeitnehmers/der Wanderarbeitnehmerin für dessen/deren Kinder zu fördern und zu erleichtern, wird erfüllt. Gemäß dem Erläuternden Bericht zur Europäischen Sozialcharta (revidiert) ist es für Kinder der Wanderarbeitnehmer/innen wichtig, ihr kulturelles und sprachliches Erbe zu bewahren, insbesondere um ihnen im Fall der Rückkehr des Wanderarbeitnehmers/der Wanderarbeitnehmerin die Möglichkeit zur Wiedereingliederung zu geben.

Muttersprachlicher Unterricht ist in allgemein bildenden Schulen im Lehrplan verankert. Ziel ist die Entfaltung der Bikulturalität und die Entwicklung der Zweisprachigkeit. Die Lehrkräfte für muttersprachlichen Unterricht werden von den österreichischen Schulbehörden angestellt. Es werden derzeit 14 Sprachen angeboten, wobei österreichweit der größte Anteil auf Serbisch, Kroatisch und Türkisch entfällt; es wird aber z. B. auch Persisch oder Chinesisch angeboten.

Zu Art. 20 – Das Recht auf Chancengleichheit und Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts:

Dieser Artikel entspricht Art. 1 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Sozialcharta vom 5. Mai 1988, das bislang nicht ratifiziert worden ist, und verpflichtet die Vertragsparteien, die Anwendung des Rechts auf Gleichbehandlung zu gewährleisten oder zu fördern, um damit der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die betreffende Verpflichtung durch ein Tätigwerden sowohl des Staates (Rechtsvorschriften) als auch der Sozialpartner (Kollektivverträge) oder von Einzelpersonen (Verträge) erfüllt werden kann.

Artikel 20 normiert ein Diskriminierungsverbot beim Zugang zur Beschäftigung, beim Kündigungsschutz und der beruflichen Wiedereingliederung, bei der Berufsberatung und beruflichen Ausbildung, Umschulung und beruflichen Rehabilitation, bei den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich des Entgelts sowie beim beruflichen Werdegang, einschließlich des beruflichen Aufstiegs.

Während hinsichtlich der von Artikel 20 erfassten Bereiche die Gleichstellung – sei es durch ausdrückliche Diskriminierungsverbote bzw. Gleichbehandlungsgebote oder durch geschlechtsneutrale Formulierungen, insbesondere durch die Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, sowie aufgrund der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zugunsten von Frauen – in gesetzlicher Hinsicht bereits im Jahr 1989 im Zuge der Prüfung der Ratifizierbarkeit des Zusatzprotokolls als gegeben festgestellt wurde, wurde diese Bestimmung insbesondere wegen der bestehenden Einkommensunterschiede (Einkommensdifferenz 1989: 40%) als nicht erfüllt angesehen.

Dazu ist festzuhalten, dass Einkommensdifferenzen zwischen Männern und Frauen auch in anderen Staaten, die diesen Artikel bereits ratifiziert haben, bestehen.

In Österreich lag der geschlechtsspezifische Einkommensunterschied der gänzlich unbereinigten mittleren Bruttojahreseinkommen im Jahr 2007 bei 40,7%. Die Differenz hat sich in den letzten 10 Jahren leicht, um 1,3 Prozentpunkte, vergrößert. Der geschlechtsspezifische Einkommensunterschied ist im oberen Einkommensbereich (3. Quartil: 33,7%) kleiner als im unteren (1. Quartil: 55,9%). Zu einem großen Teil sind die Einkommensunterschiede auf Teilzeitarbeit zurückzuführen, die weit überwiegend von Frauen ausgeübt wird.

Werden nur ganzjährig Vollzeitbeschäftigte betrachtet, so beträgt der geschlechtsspezifische Einkommensunterschied der mittleren Bruttojahreseinkommen 21,5% (Allgemeiner Einkommensbericht 2008).

Im Hinblick auf die Lohnentwicklung der untersten Einkommensgruppen ist auf die zwischen der Wirtschaftskammer Österreich und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund abgeschlossene Rahmenvereinbarung über eine Umsetzung des Mindestlohnes von € 1.000,--/Monat auf Vollzeitbasis in den Branchenkollektivverträgen bis 2009 hinzuweisen. Diese Maßnahme soll der Stärkung des österreichischen Arbeitsmarktes dienen. Dieses Übereinkommen wurde in den Branchenkollektivverträgen weitgehend umgesetzt. Auch in den nicht von der Wirtschaftskammer repräsentierten Branchen erfolgte die Umsetzung durch Kollektivverträge oder andere Instrumente der kollektiven Rechtsgestaltung.

Im Anhang zu Art. 20 ist unter anderem festgehalten, dass

‑       Fragen der Sozialen Sicherheit sowie die Bestimmungen über Leistungen bei Arbeitslosigkeit, bei Alter und an Hinterbliebene vom Geltungsbereich dieses Artikels ausgenommen werden können;

‑       Bestimmungen über den Schutz der Frau, insbesondere hinsichtlich der Schwangerschaft, der Entbindung und der Zeit nach der Entbindung, nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Artikels gelten (v.a. Mutterschutzgesetz 1979);

‑       dieser Artikel der Annahme besonderer Maßnahmen zur Beseitigung von tatsächlich bestehenden Ungleichheiten nicht entgegensteht. § 8 Gleichbehandlungsgesetz sieht vor, dass die in Gesetzen, in Verordnungen, in Instrumenten der kollektiven Rechtsgestaltung oder in generellen, mehrere Arbeitnehmer/innen umfassende Verfügungen des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin getroffenen Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten im Sinne des Art. 7 Abs. 2 B‑VG, nicht als Diskriminierungen im Sinne dieses Gesetzes gelten;

-       vom Geltungsbereich dieses Artikels oder einiger seiner Bestimmungen berufliche Tätigkeiten ausgenommen werden können, die aufgrund ihrer Art oder der Bedingungen ihrer Ausübung nur Personen eines bestimmten Geschlechts übertragen werden können.

Artikel 20 zählt zu den Kernartikeln der Europäischen Sozialcharta (revidiert). Der Ratifikation steht kein rechtliches Hindernis entgegen.

Zu Art. 21 und 22 – Das Recht auf Unterrichtung und Anhörung sowie das Recht auf Beteiligung an der Festlegung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsumwelt:

Diese Artikel entsprechen Art. 2 Abs. 1 bzw. Art. 3 Abs. 1 des Zusatzprotokolls von 1988.

Artikel 21 betrifft die Unterrichtung der Arbeitnehmer/innen oder ihrer Vertreter/innen über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens sowie deren Anhörung zu beabsichtigten Entscheidungen, welche die Interessen der Arbeitnehmer/innen erheblich berühren könnten, insbesondere zu Entscheidungen, die wesentliche Auswirkungen auf die Beschäftigungslage im Unternehmen haben könnten.

Artikel 22 verpflichtet die Vertragsparteien, es den Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen oder ihren Vertretern/Vertreterinnen zu ermöglichen, einen Beitrag zu leisten zur Festlegung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen, der Arbeitsorganisation und der Arbeitsumwelt, zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit im Unternehmen, zur Schaffung sozialer und sozio-kultureller Dienste und Einrichtungen des Unternehmens sowie zur Überwachung der Einhaltung der einschlägigen Vorschriften.

Diese Artikel wurden 1989 nicht ratifiziert, weil die Informations-, Anhörungs- und Beteiligungsrechte nach dem Arbeitsverfassungsgesetz 1974 (ArbVG), BGBl. Nr. 22 idgF, und dem LAG nur durch den Betriebsrat ausgeübt werden können, d.h. dass sie in jenen Betrieben nicht gewährleistet sind, in denen zwar die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betriebsrats gegeben sind, jedoch keiner bestellt ist (nicht betriebsratspflichtige Kleinstbetriebe bis 4 Beschäftigte können gem. Pkt. 6 des Anhangs zu Art. 21 und 22 vom Geltungsbereich dieser Artikel ausgenommen werden).

Im Hinblick auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ist die Möglichkeit zur Ausübung der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer/innen davon unabhängig, ob ein Betriebsrat besteht oder nicht. Aus den §§ 10 bis 13 ASchG geht hervor, dass die Arbeitnehmer/innen unter den dort geregelten Bedingungen in allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes zu beteiligen sind, auch wenn keine Belegschaftsorgane bestehen. Artikel 22 lit. a ist daher teilweise (Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsumwelt), lit. b zur Gänze (Schutz der Gesundheit und der Sicherheit im Unternehmen) und lit. d teilweise erfüllt (soweit es sich um die Beteiligung in Arbeitnehmerschutzfragen handelt).

Hinsichtlich der übrigen in den Artikeln 21 und 22 geregelten Bereiche ist jedoch auch Art. I Abs. 2 zu berücksichtigen, der bestimmt, dass diese Artikel dann als erfüllt gelten, wenn diese Bestimmungen auf die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer/innen – das sind nach dem case law des Ausschusses für soziale Rechte 80% der Arbeitnehmer/innen im öffentlichen und im privaten Sektor – Anwendung findet. Artikel 21 und 22 (ausgenommen der Bereich Sicherheits- und Gesundheitsschutz) können daher nur dann ratifiziert werden, wenn für mindestens 80% aller Arbeitnehmer/innen, die in betriebsratspflichtigen Betrieben beschäftigt sind, auch tatsächlich ein Betriebsrat bestellt ist.

Nach Angaben des ÖGB waren im Jahr 1999 ca. 3 Millionen Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 4 Beschäftigten unselbständig erwerbstätig. In dieser Zahl enthalten sind alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst, bei Gemeinden, Post, Bahn usw., nicht enthalten sind Arbeitnehmer/innen in nach dem ArbVG nicht betriebsratspflichtigen Betrieben.

Von diesen 3 Millionen Beschäftigten werden ziemlich genau 1.631.800 von einem Betriebsrat vertreten, weitere 530.000 durch eine Personalvertretung. Stellt man diese ca. 2.160.000 vertretenen Beschäftigten der Gesamtzahl von 3 Millionen unselbständig Erwerbstätigen gegenüber, ergibt das einen Vertretungsgrad von etwa 72% (Schwankungsbreite nicht mehr als 2% nach oben oder nach unten).

Eine Ratifikation der Artikel 21 und 22 ist daher nicht möglich.

Zu Art. 23 – Das Recht älterer Menschen auf sozialen Schutz:

Dieser Artikel entspricht Artikel 4 des Zusatzprotokolls von 1988 und wurde bislang nicht ratifiziert. Er verpflichtet die Vertragsparteien, geeignete Maßnahmen zu ergreifen oder zu fördern, die älteren Menschen die Möglichkeit geben sollen, so lange wie möglich vollwertige Mitglieder der Gesellschaft zu bleiben sowie ihre Lebensweise frei zu wählen und in ihrer gewohnten Umgebung, solange sie dies wollen und können, ein eigenständiges Leben zu führen, und zwar durch die Bereitstellung ausreichender Mittel, um ein menschenwürdiges Leben führen und aktiv am öffentlichen, sozialen und kulturellen Leben teilnehmen zu können, durch Bereitstellung von Informationen über entsprechende Dienste und Einrichtungen und deren Inanspruchnahme, durch Bereitstellung entsprechender Wohnungen oder Hilfen zur Anpassung der Wohnungen sowie durch gesundheitliche Versorgung und die Dienste, die aufgrund ihres Zustands erforderlich sind. Älteren Menschen, die in Heimen leben, ist angemessene Unterstützung unter Achtung ihres Privatlebens sowie die Beteiligung an der Festlegung der Lebensbedingungen im Heim zu gewährleisten.

Auch wenn die meisten Landesregierungen (die Umsetzung dieses Artikels fällt hauptsächlich in die Zuständigkeit der Länder) in ihren Stellungnahmen davon ausgegangen sind, dass kein besonderer Anpassungsbedarf besteht, wird ‑ da nur jene neuen Artikel ratifiziert werden sollen, die österreichweit vollinhaltlich erfüllt werden und daher keine zusätzlichen Mehraufwendungen für die Gebietskörperschaften nach sich ziehen können – aufgrund der Stellungnahme der Wiener Landesregierung von einer Ratifikation dieses Artikels vorerst Abstand genommen.

So ist etwa die in Artikel 23, dritter Anstrich bei der angemessenen Unterstützung von in Anstalten lebenden älteren Menschen geforderte Achtung ihres Privatlebens derzeit zumindest hinsichtlich der öffentlichen Wiener Pflegeheime in dem der Europäischen Sozialcharta (revidiert) in der Auslegung durch den Ausschuss für soziale Rechte zu Art. 4 des Zusatzprotokolls von 1988 entsprechenden Ausmaß nicht gegeben. Der Forderung nach Einzelzimmern kann nicht entsprochen werden. Es sind jedoch derzeit Bemühungen mit dem Ziel im Gange, die vorgegebenen Zimmerstandards in den Krankenhäusern und in den Pflegeheimen bzw. Pflegestationen dergestalt zu verbessern, dass eine Maximalbelegung von vier Personen unterschritten wird. Die vorgesehene Teilnahme an der Festlegung der Lebensbedingungen in der Anstalt wird ebenfalls in Angriff genommen. Derzeit beschäftigt sich auch eine Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung einer Regelung für „Heimverträge“, mit welchen vertraglich festgehaltene Standards in Form von exakten Leistungsbeschreibungen geschaffen werden sollen, um einen effektiven Schutz der Persönlichkeitsrechte alter Menschen in Heimen zu gewährleisten.

Zu Art. 24 – Das Recht auf Schutz bei Kündigung:

Artikel 24 ist eine neue Bestimmung und verpflichtet die Vertragsparteien zur Anerkennung des Rechts der Arbeitnehmer/innen, nicht ohne einen triftigen Grund gekündigt zu werden, der mit ihrer Fähigkeit oder ihrem Verhalten zusammenhängt oder auf betrieblichen Erfordernissen beruht, zur Anerkennung des Rechts auf eine angemessene Entschädigung oder einen anderen zweckmäßigen Ausgleich im Falle unrechtmäßiger Kündigung sowie zur Sicherstellung des Rechts, Kündigungen ohne triftigen Grund bei einer unparteiischen Stelle anfechten zu können.

Im Falle der Ratifizierung dieser Bestimmung bestünde in Österreich ein erheblicher Anpassungsbedarf. Nach österreichischer Rechtslage bedarf nur die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Entlassung oder Austritt eines besonderen Grundes. Die Kündigung bedarf keiner besonderen Gründe, um gerechtfertigt zu sein. Es gilt der Grundsatz der freien Kündbarkeit, wonach es abgesehen von gewissen gesetzlichen (insbesondere allgemeiner und besonderer Kündigungsschutz) oder vertraglich vereinbarten Einschränkungen im freien Ermessen der Vertragspartner liegt, das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung bestimmter Termine und Fristen durch Kündigung zu beenden.

Die österreichische Rechtslage sieht aber eine Reihe von Einschränkungen der Kündigungsfreiheit vor. § 105 Arbeitsverfassungsgesetz sieht die Möglichkeit der Anfechtung der Kündigung vor, wenn diese aus einem verpönten Motiv erfolgt ist. Aufgelistet sind hier etwa betriebsverfassungsrechtliche Tätigkeiten vor allem im Vorfeld einer Betriebsratswahl und die offenbar nicht unberechtigte Geltendmachung vom/von der Arbeitgeber/in in Frage gestellter Ansprüche.

Das Anfechtungsverfahren sieht nur die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses vor. Schadenersatzregelungen sind keine vorgesehen. Kündigungsentschädigung kann nur dann geltend gemacht werden, wenn die Kündigung termin- oder fristwidrig erfolgt ist oder eine ungerechtfertigte Entlassung ausgesprochen wurde. Diese ist bis zu jenem Zeitpunkt zu berechnen, bis zu dem das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß hätte gekündigt werden müssen.

Das Gleichbehandlungsgesetz sieht unter anderem ein Verbot der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses auf Grund des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung vor. Im Falle einer diskriminierenden Beendigung steht der betroffenen Person die Wahlmöglichkeit offen, entweder die Beendigung anzufechten oder diese gegen sich gelten zu lassen und Schadenersatz geltend zu machen.

Das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz bietet Schutz bei diskriminierender Beendigung – dieser besteht bei Vertragsbediensteten nicht nur in der Möglichkeit der Beschreitung des Klagewegs bzw. bei Beamt/innen des Verwaltungswegs, sondern auch aus Schadenersatz, der sich aus Vermögensschaden und (fast immer) immateriellen Schaden zusammensetzt.

Auch wenn die österreichische Rechtsordnung gewisse Einschränkungen der Kündigungsfreiheit vorsieht, ist Artikel 24 dennoch nicht zur Gänze durch die derzeitige Rechtslage gedeckt.

Artikel 24 kann daher nicht ratifiziert werden,

Zu Art. 25 – Das Recht der Arbeitnehmer auf Schutz bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers:

Diese neue Bestimmung lehnt sich an das IAO-Übereinkommen Nr. 173 über den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers von 1992 und an die Richtlinie 80/987/EWG über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers an. Im Anhang zur Europäischen Sozialcharta (revidiert) wird ausgeführt, welche Arten von Forderungen mindestens zu schützen sind. Weiters ist vorgesehen, dass die innerstaatlichen Rechtsvorschriften den geschützten Betrag begrenzen können, der nichtsdestoweniger eine sozial vertretbare Höhe erreichen muss.

Der Schutz von Forderungen der Arbeitnehmer/innen bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers/ihrer Arbeitgeberin ist gesetzlich im Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz – IESG 1977, BGBl. Nr. 324 idgF, verankert. Das IESG bezweckt eine sozialversicherungs- und lohn- bzw. gehaltsrechtliche Sicherung von Ansprüchen der Arbeitnehmer/innen im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin. Versichertes Risiko ist die Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes von Ansprüchen in einer möglichen Insolvenz ihres Arbeitgebers/ihrer Arbeitgeberin. Das durch Artikel 25 der Europäischen Sozialcharta (revidiert) geschaffene Recht ist in Österreich hinreichend umgesetzt.

Zu Art. 26 – Das Recht auf Würde am Arbeitsplatz:

Ziel dieses neuen Artikels ist es, den Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen das Recht auf Würde am Arbeitsplatz und in Verbindung mit der Arbeit zu garantieren. Der Artikel unterstreicht die Notwendigkeit, das Bewusstsein und die Vorbeugung hinsichtlich sexueller Belästigung und Schikane zu fördern. Der Anhang hält fest, dass dieser Artikel die Vertragsparteien nicht dazu verpflichtet, Rechtsvorschriften zu erlassen, allerdings sind sie verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um Arbeitnehmer/innen zu schützen. Die beiden in diesem Artikel enthaltenen Absätze können getrennt angenommen werden.

Absatz 1 verpflichtet die Vertragsparteien, in Beratung mit Organisationen der Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen das Bewusstsein, die Aufklärung und die Vorbeugung hinsichtlich sexueller Belästigung am Arbeitsplatz oder in Verbindung mit der Arbeit zu fördern und alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um Arbeitnehmer/innen vor solchem Verhalten zu schützen. Diese Bestimmung ist durch die Gleichbehandlungsgesetze, aber auch durch die Einrichtung und Tätigkeit der Gleichbehandlungsanwaltschaften und die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit in Österreich erfüllt.

Gemäß § 6 Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) wird ein/e Arbeitnehmer/in aufgrund des Geschlechts diskriminiert, wenn er/sie im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber/von der Arbeitgeberin selbst oder von einem Dritten sexuell belästigt wird oder der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin es schuldhaft unterlässt, die entsprechende Abhilfe (wie z. B. Ermahnung, Versetzung bis zur Kündigung oder Entlassung der belästigenden Person) zu schaffen. Eine sexuelle Belästigung liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betreffende Person schafft oder dies bezweckt, oder wenn der betroffenen Person aufgrund der Zurückweisung oder Duldung eines derartigen Verhaltens Nachteile bezüglich Berufsausbildung, Beschäftigung, Beförderung oder Entlohnung erwachsen. Eine Diskriminierung liegt auch bei Anweisung zur sexuellen Belästigung einer Person vor.

Als Sanktion bei Diskriminierung durch sexuelle Belästigung ist in § 12 Abs. 11 GlBG ein Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens sowie ein Anspruch auf angemessenen Ersatz des immateriellen Schadens für die erlittene persönliche Beeinträchtigung normiert, der mindestens 720 Euro beträgt.

Im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B‑GlBG), BGBl. Nr. 100/1993 idgF, wird die sexuelle Belästigung in § 8 B‑GlBG definiert und disziplinarrechtlich gemäß § 43 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG), BGBl. Nr. 333 idgF, geahndet.

Absatz 2 verpflichtet die Vertragsparteien, in Beratung mit Organisationen der Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen das Bewusstsein, die Aufklärung und die Vorbeugung hinsichtlich verwerflicher oder ausgesprochen feindseliger und beleidigender Handlungen, die am Arbeitsplatz oder in Verbindung mit der Arbeit wiederholt gegen einzelne Arbeitnehmer/innen gerichtet werden, zu fördern und alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um Arbeitnehmer/innen vor solchem Verhalten zu schützen (Schutz vor „Mobbing“). Im Anhang wird klargestellt, dass Abs. 2 sexuelle Belästigung nicht erfasst. Im Erläuternden Bericht zur Europäischen Sozialcharta (revidiert) wird als Beispiel für solches Verhalten (verbale Belästigung oder gezielte Einschüchterung, die keine sexuelle Belästigung darstellt) ein/e Arbeitnehmer/in genannt, der/die aufgrund der feindseligen Einstellung des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin und/oder der Kollegen/Kolleginnen ständig von Besprechungen über die Arbeitsorganisation, an denen die Kollegen/Kolleginnen teilnehmen, ausgeschlossen wird. Ein anderes Beispiel wäre das eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin, dem/der aus ähnlichen Gründen kein Büro oder keine Aufgaben zugeteilt werden, die seiner/ihrer Stellung und seinem/ihrem Aufgabenbereich entsprechen.

Das Gleichbehandlungsgesetz verbietet jede Belästigung auf Grund des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung. Auch hier greift die Tätigkeit der Gleichbehandlungsanwaltschaft.

Weiters enthält das Gleichbehandlungsgesetz auch ein Verbot der Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen. Von diesem Auffangtatbestand sind vor allem Benachteiligungen bei der Arbeitszeiteinteilung, der Zuordnung von Arbeitsaufgaben und der Arbeitsmittel umfasst.

Die Regelungen des Gleichbehandlungsgesetzes erfassen jedoch nicht alle Formen des Mobbings. In diesem Fall wäre vor allem die Fürsorgepflicht des /der Arbeitgebers/Arbeitgeberin heranzuziehen.

Im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz wird „Mobbing“ zwischen den Geschlechtern oder auf Grund anderer Diskriminierungstatbestände gemäß § 8a oder § 16 B‑GlBG disziplinarrechtlich ebenfalls gemäß § 43 BDG 1979 geahndet. Darüber hinaus ist die Aufnahme einer speziellen Dienstpflicht in das BDG 1979 geplant, welche jegliches „Mobbing“ (auch jenes zwischen Personen desselben Geschlechts) ahndet.

Es wird zwar im Anhang zu Art. 26 klargestellt, dass dieser Artikel die Vertragsparteien nicht dazu verpflichtet, Rechtsvorschriften zu erlassen, aufgrund des Berichtsformulars zu Art. 26 wurde im Zuge des Begutachtungsverfahrens aber festgestellt, dass von einer Ratifikation des Artikels 26 Abs. 2 vorerst Abstand genommen werden sollte, da eine den Europarat zufriedenstellende Beantwortung aller Fragen nicht möglich sein wird.

Zu Art. 27 – Das Recht der Arbeitnehmer mit Familienpflichten auf Chancengleichheit und Gleichbehandlung:

Diese neue Bestimmung sieht die Chancengleichheit und Gleichbehandlung der Arbeitnehmer/innen mit Familienpflichten vor und wurde in Anlehnung an das IAO-Übereinkommen Nr. 156 (Arbeitnehmer/innen mit Familienpflichten) von 1981 und an die Empfehlung Nr. 165 (Arbeitnehmer/innen mit Familienpflichten) abgefasst.

Gemäß Absatz 1 sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen mit Familienpflichten den Verbleib bzw. den Wiedereintritt in das Erwerbsleben nach durch Familienpflichten bedingter Abwesenheit zu ermöglichen, einschließlich Maßnahmen im Bereich Berufsberatung und berufliche Ausbildung. Es ist weiters bei den Beschäftigungsbedingungen und der Sozialen Sicherheit ihren Bedürfnissen Rechnung zu tragen und es sind öffentliche oder private Dienste zu entwickeln oder zu fördern, insbesondere Kindertagesstätten und andere Arten der Betreuung. Absatz 2 regelt den Anspruch auf Elternurlaub und Absatz 3 sieht vor, dass Familienpflichten als solche kein Kündigungsgrund sein dürfen.

Absätze 1 und 2 sind durch die österreichische Rechtslage, die zahlreiche Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie vorsieht, sowie im Hinblick auf die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für Wiedereinsteiger/innen bzw. in Bezug auf die Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen erfüllt.

Hinsichtlich der in Abs. 1 lit. a geforderten Maßnahmen, es Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen mit Familienpflichten zu ermöglichen, erwerbstätig zu werden und zu bleiben, ist etwa auszuführen, dass gemäß § 14 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz für Arbeitnehmer/innen mit Betreuungspflichten von nahen Angehörigen, die sich aus der familiären Beistandspflicht ergeben, die Möglichkeit der Vereinbarung einer Herabsetzung der Normalarbeitszeit besteht. Darüber hinaus ist auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Familienhospizkarenz gemäß §§ 14a ff AVRAG hinzuweisen. Demnach können Arbeitnehmer/innen zum Zweck der Sterbebegleitung naher Angehöriger oder der Begleitung schwersterkrankter im gemeinsamen Haushalt lebender Kinder für eine gewisse Dauer ihre Arbeitszeit ändern oder ihr Arbeitsverhältnis karenzieren lassen. Weiters ist auf den in § 16 Urlaubsgesetz normierten Freistellungsanspruch unter Fortzahlung des Entgelts zur Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden erkrankten nahen Angehörigen oder wegen der notwendigen Betreuung des eigenen Kindes (Wahl- oder Pflegekindes), weil die Betreuungsperson aus schwerwiegenden Gründen ausgefallen ist, hinzuweisen.

Für den Bereich der in Abs. 1 lit. a angesprochenen beruflichen Ausbildung wird auf die Möglichkeit der Arbeitnehmer/innen hingewiesen, mit ihrem Arbeitgeber/ihrer Arbeitgeberin eine Bildungskarenz gemäß § 11 AVRAG zu vereinbaren. Erfolgt die Bildungskarenz im Anschluss an eine durch Familienpflichten bedingte Abwesenheit des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin, kann dies wesentlich dazu beitragen, den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben zu erleichtern.

Was die in Abs. 1 lit. b genannten Beschäftigungsbedingungen für Arbeitnehmer/innen mit Familienpflichten betrifft, ist unter anderem im Arbeitsverfassungsgesetz die Pflicht des Betriebsinhabers/der Betriebsinhaberin zur Beratung über Maßnahmen der betrieblichen Frauenförderung bzw. der Vereinbarkeit von Betreuungspflichten und Beruf (§ 92b ArbVG) sowie die Ermächtigung zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung über Maßnahmen der betrieblichen Frauenförderung (Frauenförderpläne) sowie Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Betreuungspflichten und Beruf (§ 97 Abs. 1 Z 25 ArbVG) festgelegt.

Hinsichtlich der in Abs. 1 lit. c angesprochenen Dienste ist festzuhalten, dass der bedarfsgerechte und kontinuierliche Ausbau der Kinderbetreuung vor allem für unter Dreijährige und unter Berücksichtigung flexibler Formen der Kinderbetreuung wie etwa Tageseltern mit dem Ziel eines flächendeckenden Angebots ein zentrales politisches Anliegen darstellt.

Der in Abs. 2 festgelegten Verpflichtung, für jeden Elternteil die Möglichkeit vorzusehen, innerhalb eines auf den Mutterschaftsurlaub folgenden Zeitraums für die Betreuung eines Kindes einen Elternurlaub zu erhalten, wird durch die Bestimmungen der §§ 15 ff Mutterschutzgesetz, und durch die §§ 2 ff Väter-Karenzgesetz (VKG), BGBl. Nr. 651/1989 idgF, sowie durch die entsprechenden Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes und durch die dienstrechtlichen Regelungen entsprochen.

Eine geeignete Maßnahme, Eltern den Verbleib im Erwerbsleben bzw. den Wiedereintritt zu ermöglichen, wird abgesehen von den arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen auch durch das Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG), BGBl. I Nr. 103/2001 idgF, gesetzt.

Durch die angebotenen verschiedenen Modelle (je kürzer die Bezugsdauer desto höher der Monatsbetrag) und die Zuverdienstgrenze von 16.200 Euro pro Jahr stehen den Eltern unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung, diesen Zeitraum der Kleinstkindphase zu gestalten und dadurch eine bestmögliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen.

Da mit dem Bezug des Kinderbetreuungsgeldes auch eine Krankenversicherung verbunden ist, wird auch der sozialen Absicherung Rechnung getragen.

Es werden vom Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend auch bewusstseinsbildende Maßnahmen wie z. B. das Audit Beruf und Familie und der Bundeswettbewerb „Frauen- und familienfreundlichster Betrieb“ (demnächst Umwandlung in einen Staatspreis) angeboten.

Absatz 3, wonach sich die Vertragsparteien verpflichten zu gewährleisten, dass Familienpflichten als solche kein triftiger Grund für eine Kündigung sein dürfen, wird nicht erfüllt. Arbeitnehmer/innen, die einen Elternurlaub oder eine Teilzeitbeschäftigung nach dem MSchG, VKG oder gleichartigen Bestimmungen in Anspruch nehmen, sind zwar grundsätzlich bis vier Wochen nach Ende der Karenz oder der Teilzeitbeschäftigung kündigungs- und entlassungsgeschützt, im Übrigen gilt aber der Grundsatz der freien Kündbarkeit (vgl. Ausführungen zu Art. 24).

Das Gleichbehandlungsgesetz verbietet u.a. jede Diskriminierung in der Arbeitswelt auf Grund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- und Familienstand. Danach dürfen z. B. das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe bzw. der Umstand, ob man Kinder hat, nicht zum Anlass für eine Benachteiligung genommen werden. Das Diskriminierungsverbot umfasst auch das Verbot einer diskriminierenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Begriff der Familienpflichten ist jedoch weiter gefasst als jener des Ehe- und Familienstandes.

Zu Art. 28 – Das Recht der Arbeitnehmervertreter auf Schutz im Betrieb:

Diese neue Bestimmung verpflichtet die Vertragsparteien sicherzustellen, dass Arbeitnehmervertreter/innen im Betrieb gegen Benachteiligungen, einschließlich Kündigung, geschützt sind und ihnen Erleichterungen gewährt werden, die geeignet sind, ihnen die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu ermöglichen, wobei das im jeweiligen Land vorherrschende System der Arbeitsbeziehungen sowie die Erfordernisse, Größe und Leistungsfähigkeit des jeweiligen Betriebs berücksichtigt werden.

Das Recht der Arbeitnehmervertreter/innen auf Schutz im Betrieb und Erleichterungen, die ihnen zu gewähren sind, ist in Österreich durch die Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) und die entsprechenden Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes über die Rechtsstellung der Mitglieder des Betriebsrats erfüllt (§§ 115 bis 122 ArbVG).

Gemäß § 115 Abs. 3 ArbVG dürfen Mitglieder des Betriebsrats in Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränkt und wegen dieser, insbesondere hinsichtlich des Entgelts und der Aufstiegsmöglichkeiten, nicht benachteiligt werden.

Nach § 116 ArbVG ist den Mitgliedern des Betriebsrats, unbeschadet einer Bildungsfreistellung nach § 118 ArbVG, die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten erforderliche Freizeit unter Fortzahlung des Entgelts zu gewähren. § 117 ArbVG sieht für Betriebe mit einer bestimmten Beschäftigtenzahl die gänzliche Freistellung einzelner Betriebsratsmitglieder von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Entgelts vor. Die §§ 118 und 119 regeln die Bildungsfreistellung der Betriebsratsmitglieder.

Die Betriebsratsmitglieder genießen außerdem gemäß §§ 120 bis 122 ArbVG einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz. Sie dürfen bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit nur nach vorheriger Zustimmung des Gerichts gekündigt oder entlassen werden, wobei Voraussetzung für eine Zustimmung des Gerichts ist, dass einer der im Gesetz taxativ aufgezählten Kündigungs- oder Entlassungsgründe vorliegt.

Die Rechte und Pflichten der Personalvertreter sind im Bundes-Personalvertretungsgesetz (PVG), BGBl. Nr. 133/1967 idgF, geregelt. Gemäß § 25 Abs. 1 zweiter Satz PVG dürfen die Leiter der Dienststellen die Personalvertreter in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränken und sie aus diesem Grunde auch nicht benachteiligen.

Nach § 25 Abs. 4 PVG steht den Personalvertretern unter Fortzahlung ihrer Dienstbezüge die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten notwendige freie Zeit zu. Darüber hinaus erfolgen über Antrag der Zentralausschüsse im Bereich eines jeden Zentralausschusses in Abhängigkeit von den Beschäftigtenzahlen Dienstfreistellungen. Durch Verordnung kann bestimmt werden, dass über die im § 25 Abs. 4 PVG genannten Zahlen hinaus Bedienstete unter Fortzahlung der laufenden Bezüge mit Ausnahme von Entschädigungen für solche Aufwendungen, die durch die Dienstfreistellung in Wegfall kommen, vom Dienste freizustellen sind, wenn dies auf Grund des besonderen Arbeitsanfalles und der dadurch entstehenden besonderen Arbeitsbelastung der Personalvertreter notwendig ist. Die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen ist in § 25 Abs. 6 PVG, ein besonderer Versetzungs- und Kündigungsschutz ist in § 27 PVG geregelt.

Zu Art. 29 – Das Recht auf Unterrichtung und Anhörung in den Verfahren bei Massenentlassungen:

Nach diesem neuen Artikel verpflichten sich die Vertragsparteien sicherzustellen, dass die Arbeitgeber/innen die Arbeitnehmervertreter/innen vor Massenentlassungen unterrichten und dazu hören. Bei Abfassung dieses Artikels wurden die Richtlinie 98/59/EG über Massenentlassungen (genauer deren Vorgängerrichtlinien 92/56/EWG und 75/129/EWG) sowie das IAO-Übereinkommen Nr. 158 über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von 1982 beachtet. Die Unterrichtung und Anhörung muss sich auf die Möglichkeit erstrecken, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu verringern und ihre Folgen zu mildern, beispielsweise soziale Maßnahmen, die Hilfe für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der betroffenen Arbeitnehmer/innen bieten.

Dieser Artikel wird nur im privaten Sektor erfüllt.

Das Recht auf Unterrichtung und Anhörung in den Verfahren bei Massenentlassungen ist durch die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten erfasst. Bei geplanten Massenkündigungen, für die eine Meldepflicht nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969 idgF, vorgesehen ist (§ 45a Abs. 3 letzter Satz AMFG verlangt den Nachweis der Konsultation des Betriebsrats gemäß § 109 Abs. 1 Z 1a und Abs. 1a ArbVG für den Fall, dass ein/e Arbeitgeber/in beabsichtigt, Arbeitsverhältnisse i.S.d. § 45a Abs. 1 AMFG aufzulösen), ist der/die Betriebsinhaber/in gemäß § 109 ArbVG verpflichtet, den Betriebsrat ehestmöglich, jedenfalls aber so rechtzeitig in Kenntnis zu setzen, dass eine Beratung über deren Gestaltung noch durchgeführt werden kann. Der Betriebsrat kann Vorschläge zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung von für die Arbeitnehmer/innen nachteiligen Folgen von Maßnahmen bei einer Betriebsänderung erstatten.

Über Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung der nachteiligen Folgen einer Betriebsänderung kann gemäß § 97 Abs. 1 Z 4 ArbVG eine erzwingbare Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden. Artikel 29 wird erfüllt.

Allerdings findet die Richtlinie 98/59/EG über Massenentlassungen keine Anwendung auf Arbeitnehmer öffentlicher Verwaltungen oder von Einrichtungen des öffentlichen Rechts (oder in Mitgliedstaaten, die diesen Begriff nicht kennen, von gleichwertigen Stellen). Insofern gibt es keine diesbezüglichen Umsetzungsschritte im Dienstrecht.

Artikel 29 kann daher nicht ratifiziert werden.

Zu Art. 30 – Das Recht auf Schutz gegen Armut und soziale Ausgrenzung:

Dieser neue Artikel sieht einen umfassenden und koordinierten Ansatz mit dem wesentlichen und klar umrissenen Ziel der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung vor. Für Personen, die in sozialer Ausgrenzung oder Armut leben oder Gefahr laufen, in eine solche Lage zu geraten, sowie für deren Familien ist der tatsächliche Zugang insbesondere zur Beschäftigung, zu Wohnraum, zur Ausbildung, zum Unterricht, zur Kultur und zur Fürsorge zu fördern. Er sieht ebenfalls vor, dass die dazu getroffenen Maßnahmen überprüft und an neue Verhältnisse angepasst werden.

Zweck dieses Artikels ist es gemäß dem Erläuternden Bericht zur Charta nicht, die rechtlichen Gesichtspunkte des Schutzes, wie er durch andere Artikel der Europäischen Sozialcharta (revidiert) geboten wird, zu wiederholen, wenngleich die Vertragsparteien in ihrer Berichterstattung zu diesem Artikel auf Informationen verweisen können, die zu anderen Bestimmungen übermittelt wurden.

Der Ausdruck „Armut“ erstreckt sich in diesem Zusammenhang auf Personen, die sich in unterschiedlichen Situationen befinden, angefangen von möglicherweise seit Generationen fortbestehender äußerster Armut bis hin zu vorübergehenden Notlagen, die die Gefahr der Armut mit sich bringen. Der Ausdruck „soziale Ausgrenzung“ bezieht sich auf Personen, die aufgrund einer Häufung von Benachteiligungen oder aufgrund eines Zusammentreffens verschiedener Faktoren in Armut leben. Soziale Ausgrenzung trifft oder droht aber auch Personen, die zwar nicht arm sind, aber etwa wegen langer Erkrankung, Familientrennung, Gewalttaten, der Entlassung aus einer Haftanstalt oder Auffälligkeiten, die insbesondere auf Alkohol- oder Drogenabhängigkeit zurückzuführen sind, keinen Zugang mehr zu bestimmten Rechten oder Diensten haben.

Hervorzuheben ist, dass dieser Artikel nicht ausdrücklich die Garantie eines Mindesteinkommens erwähnt. Der Grund hierfür liegt darin, dass ein solcher Schutz bereits in Artikel 13 vorgesehen ist und unter lit. a dieser Bestimmung wieder aufgenommen wird, wo der „tatsächliche Zugang zur Fürsorge“ erwähnt wird.

Unter den nach Artikel 30 übernommenen Verpflichtungen finden sich eine Reihe von Maßnahmen, die finanzielle Leistungen einschließen können und die sowohl Personen betreffen, die in einer Situation der Ausgrenzung leben, als auch Personen, die Gefahr laufen, in eine solche Situation zu geraten.

Die nach Artikel 30 lit. b vorgesehene Überprüfung der Maßnahmen ist allgemeiner Art, und jede Vertragspartei entscheidet, wie hier entsprechend den innerstaatlichen Verhältnissen verfahren werden soll. Damit die in dieser Bestimmung vorgesehenen Maßnahmen wirksam sind, kann die Überprüfung Beratungen mit den Sozialpartnern und verschiedenen anderen Organisationen einschließen, darunter auch Organisationen, die Menschen vertreten, welche in Armut oder sozialer Ausgrenzung leben.

Es ist unbestritten, dass in Österreich vieles zur Vermeidung von Armut und sozialer Ausgrenzung getan wird, dies vor allem auch im Hinblick auf die bestehende Methode der offenen Koordinierung auf EU-Ebene in diesem Bereich. Dennoch ist von einer Ratifikation dieser Bestimmung in Hinblick auf die Problematik der Förderung des Zugangs zu Wohnraum für Migrantinnen und Migranten vorerst Abstand zu nehmen. Siehe dazu im Detail unter Artikel 31.

Zu Art. 31 – Das Recht auf Wohnung:

Um ein Recht auf Wohnung zu gewährleisten, verpflichtet diese Bestimmung die Vertragsparteien, Maßnahmen mit dem Ziel zu ergreifen, die Obdachlosigkeit schrittweise zu beseitigen, den Zugang zu Wohnraum mit ausreichendem Standard zu fördern und die Wohnkosten für Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, so zu gestalten, dass sie tragbar sind. Wohnraum mit „ausreichendem Standard“ bedeutet nach dem Erläuternden Bericht zur Charta Wohnraum, der im Hinblick auf gesundheitliche Anforderungen einen annehmbaren Standard aufweist.

Es obliegt den zuständigen Behörden der einzelnen Staaten, auf nationaler Ebene annehmbare innerstaatliche Wohnnormen festzulegen.

Absätze 1 und 2, wonach sich die Vertragsparteien verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, die darauf gerichtet sind, den Zugang zu Wohnraum mit ausreichendem Standard zu fördern und der Obdachlosigkeit vorzubeugen und sie mit dem Ziel der schrittweisen Beseitigung abzubauen, können im Hinblick auf den im Anhang zur Charta definierten persönlichen Geltungsbereich der Charta, wonach die Artikel 1 bis 17 und 20 bis 31, vorbehaltlich Artikel 12 Abs. 4 und Artikel 13 Abs. 4, Staatsangehörige anderer Vertragsstaaten insoweit einschließen, als sie ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben oder hier ordnungsgemäß beschäftigt sind, nicht ratifiziert werden.

Die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten mit rechtmäßigem gewöhnlichen Aufenthalt oder ordnungsgemäßer Beschäftigung in Österreich ist insbesondere nach den Bestimmungen der Wohnbauförderungsgesetze der Länder nicht ausreichend gewährleistet (keine Gleichbehandlung hinsichtlich geförderter Eigentumswohnungen und bei der Wohnbeihilfe). Weiters besteht keine Gleichbehandlung hinsichtlich des Zugangs zu Gemeindewohnungen. Diese Rechtslage wird vom Ausschuss für soziale Rechte bereits im Zusammenhang mit Artikel 16 kritisiert.

Absatz 3 verpflichtet dazu, die Wohnkosten für Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, so zu gestalten, dass sie tragbar sind. Aufgrund der Formulierung ist davon auszugehen, dass es hier nicht um den Sozialhilfebereich geht, sondern dass bezweckt wird, eine sozial gestaffelte Mietzinsregelung im innerstaatlichen Recht zu verankern. Abs. 1 und 2 geben das Ziel vor (Zugang zu Wohnraum fördern und Obdachlosigkeit vorbeugen bzw. abbauen), Abs. 3 ist ein dritter Weg, und zwar über die Kostenseite (Wohnkosten sind Miete und Betriebskosten). Diese Bestimmung kann nicht ratifiziert werden.

Das österreichische Mietrecht sieht zwar in partieller Einschränkung der Privatautonomie verschiedene Regelungskreise über die Begrenzung des höchstzulässigen Mietzinses vor, doch knüpfen diese Regelungen im Wesentlichen an sachliche Kriterien (z. B. an das Alter des Gebäudes oder den Ausstattungszustand der Wohnung), nicht aber an Umstände in der Person des Mieters/der Mieterin (also vor allem dessen soziale Schutzwürdigkeit) an.

Der engste mietzinsrechtliche Regelungskreis, nämlich das Richtwertsystem, ist insgesamt kein taugliches Instrument, um mittellosen oder ökonomisch wenig leistungsfähigen Personen im Einzelfall einen finanziell tragbaren Mietzins zu garantieren. Auch die sozial bedürftigen Personen zustehende Mietzinsbeihilfe stellt keine Garantie dar, Wohnkosten jedenfalls tragbar zu machen.

Mietzinsregelungen, die auf persönliche Kriterien, insbesondere auf die soziale Schutzwürdigkeit des Mieters/der Mieterin abstellen, sind dem österreichischen Recht fremd. Im Mietrechtsbereich würde die Ratifikation dieser Bestimmung nicht nur einen Anpassungsbedarf auslösen, sondern eine völlige Systemänderung erfordern.

Zu Teil III:

Zu Art. A:

Absatz 1 legt das Mindestausmaß an Verpflichtungen fest, das ein Staat anlässlich der Ratifikation der Europäischen Sozialcharta (revidiert) zu übernehmen hat und folgt dem gleichen Aufbau wie die entsprechende Bestimmung der Charta von 1961.

Österreich erfüllt, wie aus den vorstehenden Bemerkungen zu entnehmen ist, folgende Artikel bzw. Absätze des Teils II:

Artikel 1 (Kernartikel) Absätze 1, 2, 3 und 4; Artikel daher voll erfüllt;

Artikel 2 Absätze 2, 3, 4, 5, 6 und 7 (teilerfüllt);

Artikel 3 Absätze 1, 2, 3 und 4 (voll erfüllt);

Artikel 4 Absätze 1, 2, 3 und 5 (teilerfüllt);

Artikel 5 (Kernartikel, voll erfüllt);

Artikel 6 (Kernartikel) Absätze 1, 2 und 3 (teilerfüllt);

Artikel 7 (Kernartikel) Absätze 1, 2, 3, 4, 5, 7, 8, 9 und 10 (teilerfüllt);

Artikel 8 Absätze 1, 3, 4 und 5 (teilerfüllt);

Artikel 9 (Artikel voll erfüllt);

Artikel 10 Absätze 1, 2, 3, 4 und 5 (voll erfüllt);

Artikel 11 Absätze 1, 2 und 3 (voll erfüllt);

Artikel 12 (Kernartikel) Absätze 1, 2, 3 und 4 (voll erfüllt);

Artikel 13 (Kernartikel) Absätze 1, 2, 3 und 4 (voll erfüllt);

Artikel 14 Absätze 1 und 2 (voll erfüllt);

Artikel 15 Absätze 1 und 3 (teilerfüllt);

Artikel 16 (Kernartikel, voll erfüllt);

Artikel 17 Absätze 1 und 2 (voll erfüllt);

Artikel 18 Absätze 1, 2 und 4 (teilerfüllt);

Artikel 19 (Kernartikel) Absätze 1, 2, 3, 5, 6, 7, 9 und 12 (teilerfüllt);

Artikel 20 (Kernartikel, voll erfüllt);

Artikel 25 (Artikel voll erfüllt);

Artikel 26 Absatz 1 (teilerfüllt);

Artikel 27 Absätze 1 und 2 (teilerfüllt);

Artikel 28 (Artikel voll erfüllt);

Österreich erfüllt aufgrund der derzeit geltenden Rechtslage 6 Kernartikel bzw. 76 nummerierte Absätze des Teils II der Europäischen Sozialcharta (revidiert). Nach Artikel A Abs. 1 ist im Falle der Ratifikation Teil I als eine Erklärung der Ziele anzusehen, die die Vertragspartei entsprechend dem einleitenden Satz jenes Teils mit allen geeigneten Mitteln verfolgen wird, und es sind mindestens 16 Artikel, darunter sechs Kernartikel oder 63 nummerierte Absätze, zu übernehmen.

In Österreich sind daher die Voraussetzungen für die Ratifikation gegeben.

Absätze 2, 3 und 4 folgen sinngemäß den entsprechenden Bestimmungen der Charta von 1961.

Bezüglich des Ausschlusses der generellen Transformation bei der Ratifikation der Europäischen Sozialcharta (revidiert) durch Österreich wird auf die diesbezüglichen Ausführungen am Ende des Allgemeinen Teils der Erläuterungen hingewiesen.

Zu Art. B:

Absatz 1 bestimmt, dass eine Vertragspartei der Charta von 1961 oder des Zusatzprotokolls von 1988 die Europäische Sozialcharta (revidiert) nicht ratifizieren kann, ohne mindestens die den Bestimmungen der Charta von 1961 oder gegebenenfalls des Zusatzprotokolls von 1988 entsprechenden Bestimmungen, durch die sie gebunden war, zu ratifizieren. Es wird sichergestellt, dass die Verpflichtungen aus den älteren Instrumenten durch die Verpflichtungen aus der Europäischen Sozialcharta (revidiert) ersetzt werden. In der Praxis bedeutet das, dass die Teile I und II der Europäischen Sozialcharta (revidiert) für die Staaten, die die Europäische Sozialcharta (revidiert) ratifiziert haben, an die Stelle der Teile I und II der Charta von 1961 treten. Für die Klarheit und Rechtssicherheit ist es von grundlegender Bedeutung, dass Staaten nicht durch zweierlei Gruppen materieller Bestimmungen gebunden sind, von denen sich einige aufgrund der Revision der Charta widersprechen können.

Durch Absatz 2 wird vermieden, dass ein Staat bei der Ratifikation der Europäischen Sozialcharta (revidiert) einige Bestimmungen der Charta von 1961 stillschweigend kündigt. Im Erläuternden Bericht zur Europäischen Sozialcharta (revidiert) wird dazu ausgeführt, dass Staaten, die eine über die Mindestanzahl hinausgehende Zahl von Bestimmungen der Charta von 1961 ratifiziert haben, versucht sein könnten, bei der Ratifikation der Europäischen Sozialcharta (revidiert) einige Bestimmungen der Europäischen Sozialcharta (revidiert), welche den Bestimmungen der Charta aus 1961 entsprechen und die sie zuvor angenommen haben, als nicht mehr bindend anzusehen. Dies könnte z. B. auf Bestimmungen zutreffen, hinsichtlich derer die Überwachungsorgane der Auffassung sind, dass sie die betreffenden Staaten nicht einhalten. Es besteht zwar immer die Möglichkeit, vor der Ratifikation der Europäischen Sozialcharta (revidiert) einige Bestimmungen der Charta von 1961 nach den einschlägigen Bestimmungen zu kündigen. Die Kündigung muss jedoch ausdrücklich erfolgen und nicht stillschweigend.

Zu diesem Zweck wird im Anhang zu Art. B Abs. 2 ausgeführt, welche Bestimmungen der Europäischen Sozialcharta (revidiert) den Bestimmungen der Charta von 1961 entsprechen, wobei der Ausdruck „entsprechen“ im Sinne von „ersetzen“ verwendet wird.

Jeder Artikel oder Absatz der Europäischen Sozialcharta (revidiert) entspricht den Bestimmungen der Charta von 1961, die die gleiche Artikel- oder Absatzzahl tragen, mit einigen Ausnahmen, die im Anhang angeführt werden. Die Artikel 20, 21, 22 und 23 entsprechen den Artikeln 1 bis 4 des Zusatzprotokolls von 1988.

Zu Teil IV:

Zu Art. C:

Es wird klargestellt, dass die Erfüllung der in der Europäischen Sozialcharta (revidiert) enthaltenen rechtlichen Verpflichtungen der gleichen Überwachung wie jener der Charta von 1961 unterliegt.

Zu Art. D:

Absatz 1 stellt klar, dass ein Staat, der das Zusatzprotokoll über Kollektivbeschwerden vor der Ratifikation der Europäischen Sozialcharta (revidiert) ratifiziert hat, verpflichtet ist, die Überwachung seiner Verpflichtungen aus der Europäischen Sozialcharta (revidiert) durch das im Protokoll vorgesehene Verfahren anzuerkennen.

Mit Absatz 2 soll Staaten, die die Europäische Sozialcharta (revidiert) vor der Ratifikation des Zusatzprotokolls über Kollektivbeschwerden ratifizieren, die Möglichkeit gegeben werden, durch eine Erklärung ihre Zustimmung, durch das Protokoll gebunden zu sein, zum Ausdruck zu bringen. Aus Gründen der Vereinfachung ist es deshalb möglich, dass ein Staat bei der Ratifikation der Europäischen Sozialcharta (revidiert) erklärt, durch das Zusatzprotokoll über Kollektivbeschwerden gebunden zu sein.

Von dieser Möglichkeit wird kein Gebrauch gemacht.

Es ist geplant, das Begutachtungsverfahren betreffend Ratifikation des Zusatzprotokolls über Kollektivbeschwerden nach Abschluss des Ratifikationsverfahrens betreffend die Europäische Sozialcharta (revidiert) einzuleiten.

Zu Teil V:

Zu Art. E:

Mit diesem neuen Artikel wird die Spruchpraxis des Ausschusses für soziale Rechte in Bezug auf die Charta von 1961 bestätigt, nämlich dass der Erwägungsgrund in der Präambel betreffend das Diskriminierungsverbot für alle Bestimmungen der Charta gilt.

Damit ist eine Diskriminierung wegen eines in diesem Artikel angeführten Grundes im Hinblick auf alle in der Charta enthaltenen Rechte nicht zulässig.

Dieser Artikel beruht auf Artikel 14 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, in dem eine umfangreichere Aufzählung von Gründen enthalten ist. Durch den Zusatz „insbesondere“ wird in Artikel E darauf hingewiesen, dass die Liste der Gründe, deretwegen keine Diskriminierung stattfinden darf, nicht erschöpfend ist.

Der Anhang zu diesem neuen Artikel, der Diskriminierung insbesondere wegen Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Gesundheit, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, Geburt oder sonstigem Status verbietet, sieht vor, dass eine sachlich und sinnvoll begründete unterschiedliche Behandlung nicht als diskriminierend angesehen wird. Der Erläuternde Bericht zur Europäischen Sozialcharta (revidiert) nennt als Beispiel für eine sachliche und sinnvolle Begründung etwa das Erfordernis eines bestimmten Alters oder einer bestimmten Eignung für den Zugang zu bestimmten Bildungseinrichtungen. Während die nationale Herkunft kein hinnehmbarer Grund für eine Diskriminierung darstellt, kann das Erfordernis einer bestimmten Staatsangehörigkeit unter gewissen Umständen, z. B. für das Recht auf Beschäftigung in den Streitkräften oder in der öffentlichen Verwaltung, hingenommen werden. Weiters darf diese Bestimmung nicht so ausgelegt werden, als werde mit ihr der persönliche Geltungsbereich der Europäischen Sozialcharta (revidiert) erweitert, der im Anhang zu dieser Übereinkunft bestimmt wird und Ausländer/innen nur insofern einschließt, als sie Staatsangehörige anderer Vertragsparteien sind und ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der betreffenden Vertragspartei haben oder dort ordnungsgemäß beschäftigt sind.

Die Europaratsexperten haben im Rahmen eines Informationsseminars zur Europäischen Sozialcharta (revidiert) im November 2009 eindeutig klargestellt, dass Artikel E auf Artikel 14 der EMRK basiert und schon bisher als Erwägungsgrund die Auslegung aller relevanten Vorschriften der Charta mitgeprägt hat. Wenn Österreich kein Problem im Zusammenhang mit Artikel 14 EMRK hat, stellt auch Artikel E kein Problem dar. Im Monitoring wird Artikel E nicht sehr stark herangezogen, da das Diskriminierungsverbot in verschiedenen Bestimmungen der Charta bereits konkret ausformuliert ist (Artikel 1, 8, 20, 27 etc.). Artikel E unterscheidet sich auch stark vom 12. Zusatzprotokoll zur EMRK, da das Zusatzprotokoll ein Diskriminierungsverbot außerhalb des Geltungsbereichs der EMRK verankert. Artikel E ist demgegenüber rein akzessorisch (wie Artikel 14 EMRK) und wird durch die Bestimmungen des österreichischen Gleichbehandlungsrechts erfüllt.

Zu Art. F, G und H:

Diese Artikel entsprechen sinngemäß Teil V Artikel 30, 31 und 32 der Charta von 1961 (Notstandsklausel, zulässige Einschränkungen und Verhältnis zwischen der Charta und dem innerstaatlichen Recht sowie internationalen Übereinkünften).

Zu Art. I:

Absatz 1 nennt die Mittel zur Durchführung der Artikel 1 bis 31. Die einschlägigen Bestimmungen des Teils II Artikel 1 bis 31 sind unbeschadet der in diesen Artikeln vorgesehenen Mittel zur Durchführung durch Gesetz oder sonstige Vorschriften, durch Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern/Arbeitgeberinnen oder Organisationen der Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen, durch eine Kombination dieser beiden Verfahren oder durch andere geeignete Mittel durchzuführen.

Nach dem Erläuternden Bericht zur Europäischen Sozialcharta (revidiert) wird damit nicht in die Spruchpraxis des Ausschusses für soziale Rechte eingegriffen, der in manchen Fällen eine bestimmte Form der Durchführung, z. B. durch Gesetze, fordert. Der Ausdruck „werden durchgeführt“ zeigt an, dass die gewählte Methode wirksam sein muss.

Absatz 2 sieht im Hinblick auf Artikel 2 Absätze 1, 2, 3, 4, 5 und 7, Artikel 7 Absätze 4, 6 und 7, Artikel 10 Absätze 1, 2, 3 und 5 und Artikel 21 und 22 vor, dass diese Bestimmungen als erfüllt gelten, wenn sie auf die überwiegende Mehrheit der betreffenden Arbeitnehmer/innen Anwendung finden.

Der Ausschuss für soziale Rechte hat in ständiger Spruchpraxis festgelegt, dass der Ausdruck „überwiegende Mehrheit“ 80% bedeutet.

Im Anhang wird klargestellt, dass Arbeitnehmer/innen, die nach dem Anhang zu den Artikeln 21 und 22 ausgenommen sind, bei der Festlegung der betreffenden Arbeitnehmer/innen nicht berücksichtigt werden (vgl. dazu die Erläuterungen zu Art. 21 und 22).

Zu Art. J:

Der mit Artikel J korrespondierende Artikel 36 der Charta von 1961 wurde nie angewendet, weil er u.a. zu eng gefasst war. Die nunmehrige Änderungsklausel, die eine Weiterentwicklung des Vertrags ermöglicht, lehnt sich an Wortlaute an, die in der Vertragspraxis des Europarats bereits für andere europäische Verträge verwendet wurden. Im Anhang wird zu dieser Bestimmung festgehalten, dass der Ausdruck „Änderung“ dahin zu verstehen ist, dass er auch die Aufnahme neuer Artikel in die Charta erfasst.

Nach Absatz 1 wird jede Änderung der Teile I und II zur Erweiterung der durch diese Charta garantierten Rechte und jede von einer Vertragspartei oder dem Regierungsausschuss vorgeschlagene Änderung der Teile III bis VI dem Generalsekretariat des Europarats mitgeteilt und vom Generalsekretär den Vertragsparteien übermittelt.

Nach Absatz 2 werden alle Änderungen vom Regierungsausschuss geprüft und nach Anhörung der Parlamentarischen Versammlung dem Ministerkomitee zur Genehmigung vorgelegt. Das Ministerkomitee beschließt mit Zweidrittelmehrheit; danach wird der Wortlaut an die Vertragsparteien zur Annahme übermittelt.

Betrifft die Änderung die Teile I und II, tritt diese Änderung für die Vertragsparteien, die sie angenommen haben, in Kraft, sobald drei Staaten den Generalsekretär davon unterrichtet haben, dass sie die Änderungen annehmen. Für Vertragsparteien, die die Änderung später annehmen, tritt sie einen Monat nach Unterrichtung des Generalsekretärs von der Annahme in Kraft.

Demgegenüber treten die Änderungen der Teile III bis VI erst in Kraft, wenn sie von allen Vertragsparteien der Europäischen Sozialcharta (revidiert) angenommen wurden.

Zu Teil VI:

Zu Art. K bis O:

Teil VI enthält die Schlussklauseln. Sie wurden in Anlehnung an die vom Ministerkomitee des Europarats angenommenen Muster-Schlussklauseln für die im Rahmen der Organisation abgefassten Verträge formuliert.

Zum Anhang:

Der Anhang bildet gemäß Artikel N der Europäischen Sozialcharta (revidiert) einen integralen Bestandteil derselben.

Der persönliche Geltungsbereich der Europäischen Sozialcharta (revidiert) wird im Anhang bestimmt, wonach die Artikel 1 bis 17 und 20 bis 31 ‑ vorbehaltlich Artikel 12 Abs. 4 und Artikel 13 Abs. 4 – Ausländer/innen nur insoweit einschließen, als sie Staatsangehörige anderer Vertragsparteien sind und ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der betreffenden Vertragspartei haben oder dort ordnungsgemäß beschäftigt sind, mit der Maßgabe, dass die genannten Artikel im Sinne der Artikel 18 und 19 auszulegen sind.

Diese Auslegung hindert die Vertragsparteien nicht, auch anderen Personen entsprechende Rechte zu gewähren.

Weiters ist festgehalten, dass jede Vertragspartei Flüchtlingen im Sinne des am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und des Protokolls vom 31. Januar 1967, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet gewöhnlich aufhalten, eine Behandlung gewähren, die so günstig wie möglich ist, in keinem Fall aber weniger günstig ist, als in Verpflichtungen der Vertragspartei aus dem oben erwähnten Abkommen oder aus anderen gültigen internationalen Übereinkünften vorgesehen, die auf solche Flüchtlinge anwendbar sind.

Jede Vertragspartei wird weiters Staatenlosen im Sinne des am 28. September 1954 in New York beschlossenen Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet gewöhnlich aufhalten, eine Behandlung gewähren, die so günstig wie möglich, in keinem Fall aber weniger günstig ist, als in Verpflichtungen der Vertragspartei aus der oben erwähnten Übereinkunft oder aus anderen gültigen internationalen Übereinkünften vorgesehen, die auf solche Staatenlose anwendbar sind.

Die übrigen im Anhang enthaltenen Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen der Charta wurden in den vorliegenden Erläuterungen zu den jeweiligen Artikeln und Absätzen entsprechend berücksichtigt.