1094 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (1076 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeitskräfte­überlassungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz - LSDB-G)

Das Regierungsprogramm der Bundesregierung für die XXIV. Gesetzgebungsperiode sieht vor dem Hintergrund zusammen wachsender Arbeitsmärkte in Europa eine Verbesserung und Systematisierung der Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping vor. Derartige Maßnahmen sollen nach dem Regierungsprogramm und dem NAP für Integration vor dem Auslaufen der bestehenden Übergangsfristen für neue EU-Mitgliedstaaten wirksam werden und ein Unterlaufen kollektivvertraglich festgesetzter Löhne verhindern.

Auch die Sozialpartner haben im Maßnahmenpaket „Arbeitsmarkt – Zukunft 2010“ unter dem Punkt „Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping“ u.a. die gesetzliche Verankerung einer behördlichen Kontrolle der tatsächlichen Auszahlung der Mindestlöhne an Arbeitnehmer/innen bzw. die Pflicht zum Bereithalten von Lohnunterlagen am Beschäftigungsort bzw. an der Baustelle in deutscher Sprache vorgeschlagen.

Entsprechend dem Regierungsprogramm wurden beginnend mit Februar 2009 Verhandlungen mit den Sozialpartnern, den zuständigen Bundesministerien und dem Hauptverband der österreichischen Sozial­versicherungsträger geführt; im Sommer 2010 erfolgte ein Begutachtungsverfahren, in dem vorerst keine abschließende Einigung der Sozialpartner und der beteiligten Ressorts erzielt werden konnte. Nach weiteren Sozialpartnerverhandlungen liegt nunmehr eine Einigung der Österreichischen Sozialpartner (getroffen im Rahmen des „Bad Ischler Dialogs 2010“) zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping und zur Schaffung eines kriteriengeleiteten Zuwanderungsmodells (Rot-Weiß-Rot-Karte) vor.

Entsprechend den Vorgaben des Regierungsprogramms und der Sozialpartnereinigung soll die im AVRAG neu vorgesehene Kontrolle des Grundlohns nicht nur auf Entsendungen aus dem EWR-Raum beschränkt werden, sondern auch auf Entsendungen aus Drittstaaten und auf alle Fälle der grenz­überschreitenden Arbeitskräfteüberlassung zur Anwendung kommen.

Die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping soll aber nicht bei Entsendungen und grenzüberschreitenden Überlassungen enden, sondern auch für bereits in Österreich ansässige Arbeitnehmer/innen im gleichen Ausmaß erfolgen. Denn gerade auch Arbeitnehmer/innen mit niedrigem Qualifikationsniveau und/oder Migrationshintergrund, die schon längere Zeit in Österreich arbeiten, geraten durch neu zuwandernde Arbeitskräfte unter „Lohndruck“; gerade diese Arbeitskräfte unternehmen aus Angst vor Verlust ihres Arbeitsplatzes erfahrungsgemäß nur selten rechtliche Schritte im Falle einer Unterentlohnung, noch werden Beratungsangebote der gesetzlichen oder freiwilligen Interessenvertretungen betreffend das ihnen zustehende Mindestentgelt in Anspruch genommen.

Die Normierung einer Verwaltungsstrafbestimmung bei einer Unterschreitung des Grundlohns hat nicht die Verhängung von Geldstrafen zum Ziel, sondern soll den in Österreich beschäftigten Arbeitnehmer/innen jenes Mindestentgelt sicherstellen, das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zusteht. Der Verwaltungsstraftatbestand soll in diesem Sinne nicht Arbeitgeber/innen pönalisieren, sondern primär präventive Wirkung entfalten.

Im Einzelnen beinhaltet der Entwurf basierend auf dem Sozialpartnervorschlag folgende Maßnahmen:

–      Kontrolle des nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohns laut Einstufung (ohne Zulagen) für nach Österreich überlassene oder entsandte Arbeitnehmer/innen durch die Wiener Gebietskrankenkasse als Kompetenzzentrum LSDB; Sachverhaltsermittlung durch die Organe der Abgabenbehörden.

–      Betretungs-, Einsichts- und Befragungsrechte der zuständigen Organe der Abgabenbehörden für Ermittlungszwecke.

–      Erfordernis der Bereithaltung von Lohnunterlagen in deutscher Sprache bei Entsendungen und grenzüberschreitenden Überlassungen.

–      Feststellung und Strafanzeige von Unterschreitungen des Grundlohns auch für dem ASVG unterliegende Arbeitnehmer/innen durch die zuständigen Träger der Krankenversicherung.

–      Feststellung und Strafanzeige von Unterschreitungen des Grundlohns im Baubereich auch durch die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse.

–      Einführung eines Verwaltungsstrafverfahrens bei Unterentlohnung, bei Vereitelung der Kontrolle oder bei Nichtbereithalten der Unterlagen in deutscher Sprache.

–      Untersagung der Dienstleistung von ausländischen Arbeitgeber/innen bei wiederholter Bestrafung oder bei gravierenden Verstößen wegen Unterentlohnung.

–      Anordnung einer Sicherheitsleistung zur Sicherstellung der Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens und des Vollzugs einer Geldstrafe.

–      Erweiterung des Katalogs an gerichtlichen Straftaten um den Straftatbestand „Sachwucher“, bei dessen Verwirklichung ein/e Antragsteller/in nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG) seine/ihre Ansprüche gegenüber dem Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) verliert als auch dem IEF gegenüber regresspflichtig wird.

–      Anpassungen im LAG, AÜG und ASVG.

Zwei Jahre nach In-Kraft-Treten sollen die neu geschaffenen Bestimmungen im Hinblick auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützen sich die Änderungen auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B–VG („Arbeitsrecht“ und „Sozialversicherungswesen“) und Art. 12 Abs. 1 Z 6 B–VG (Arbeiterrecht sowie Arbeiter- und Angestelltenschutz, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte handelt).

Finanzielle Erläuterungen:

Auf Grundlage der Daten zu den Entsendebewilligungen und den Kontrollen des BMF zur Ausländer­beschäftigung werden rund 8 000 Verstöße, die mit Lohndumping verbunden sein könnten, angenommen.

Wird nun unterstellt, dass die Betriebe dieser Beschäftigten nur deswegen zum Auftrag gekommen sind, da sie durch Lohndumping so billig anbieten konnten und anderenfalls ein österreichisches Unternehmen den Auftrag bekommen hätte, so ergibt sich ein entsprechender Beschäftigungsverlust in Österreich. Wird weiters angenommen, dass 70% dieser Beschäftigten aus Arbeitslosigkeit und 30% aus der stillen Reserve gekommen wären, so ergibt sich: Durch Lohndumping von ausländischen Firmen in Österreich entsteht jährlich ein volkswirtschaftlicher Schaden von rund 119 Millionen Euro.

Die dem Bund in Umsetzung dieses Vorhabens entstehenden Kosten stellen sich wie folgt dar:

–      Für die Errichtung des Kompetenzzentrums LSDB und die Schaffung der organisatorischen und EDV-technischen Voraussetzungen (datentechnischen Implementierung der §§ 7e und 7l AVRAG) ist von einer geschätzten Belastung in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro auszugehen. Die im Rahmen der Vorstudie „Lohn- und Sozialdumpingbekämpfung“ der WGKK ermittelten Kosten für den laufenden Betrieb des Kompetenzzentrums LSDB belaufen sich für das 1. Jahr (Rumpfjahr) auf voraussichtlich 800 000 Euro, ab dem 2. Jahr (Referenzjahr) und in den Folgejahren auf voraussichtlich 845 000 Euro. In der Stabilisierungsphase ist auf Basis der Erfahrungen der ersten Betriebswochen und der Reaktion der Außenwelt mit der Notwendigkeit von Anpassungen zu rechnen. Dadurch kommt es in diesem Zeitraum (Vergleichsprojekte rechnen mit mindestens sechs Monaten) gegenüber dem laufenden Betrieb zu erhöhten Aufwendungen. Die budgetäre Bedeckung im Jahr 2011 wird durch Umschichtung vorhandener Budgetmittel im BMASK bereit gestellt.

–      Den Organen der Abgabenbehörden in Vollziehung ihrer Aufgaben gemäß § 7f AVRAG entstehen 100 000 Euro Errichtungskosten und 600 Euro pro Fall. Diese Kosten sind vom BMF zu tragen.

Die Kosten, die den Trägern der Krankenversicherung in Vollziehung ihrer Aufgaben gemäß § 7g AVRAG entstehen, verursachen einen geschätzten Personalmehrbedarf von 42 Vollzeitbeschäftigungsäquivalente (unterschiedliche Einstufung laut Kollektivvertrag) und geschätzte Lohn- und Lohnnebenkosten von rund 3,2 Millionen Euro pro Jahr. Die EDV-Aufwendungen für den ASVG-Bereich lassen sich nicht abschätzen. Derzeit werden Gespräche zur Neugestaltung des Verwaltungskostendeckels geführt; die hier aufgeworfenen Fragen sollen im Rahmen dieser Gespräche diskutiert werden.

Der Mehraufwand bei den Bezirksverwaltungsbehörden ist derzeit nicht abschätzbar; er kann nur an Hand realer Bezugsgrößen nach dem In-Kraft-Treten der neuen Regelungen beurteilt werden.

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 15. März 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Franz Riepl die Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Sigisbert Dolinschek, Mag. Birgit Schatz, August Wöginger und Johann Hechtl sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Ein von den Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen eingebrachter Abänderungsantrag fand keine Mehrheit (für den Antrag: G , dagegen: S,V,F,B ).

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S,V dagegen: F,G,B ) angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1076 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2011 03 15

                                     Franz Riepl                                                                     Renate Csörgits

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau