1125 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (1055 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über bestimmte Aspekte der grenzüberschreitenden Mediation in Zivil- und Handelssachen in der Europäischen Union erlassen sowie die Zivilprozessordnung, das IPR-Gesetz und das Suchtmittelgesetz geändert werden

I. Zielsetzungen

1. Die Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden Mediations-Richtlinie oder auch nur Richtlinie), ABl. Nr. L 136 vom 24. Mai 2008, S. 3, ist bis 21. Mai 2011 umzusetzen; hiervon ausgenommen ist Art. 10, dem spätestens bis  21. November 2010 nachzukommen ist.

Ziel der Mediations-Richtlinie ist es, die Attraktivität der Mediation zu erhöhen, um damit den Zugang zum Recht im Europäischen Justizraum zu verbessern. Es soll damit aber nicht nur der Zugang zum Gerichtssystem, sondern auch der Zugang von Einzelpersonen und Wirtschaftsteilnehmern zu geeigneten Streitschlichtungsverfahren gefördert werden.

Die Richtlinie will für diejenigen Bereiche, in denen sich Berührungspunkte zwischen Mediationsverfahren und Gerichtsverfahren ergeben können, europaweit einheitliche Vorgaben oder Mindeststandards schaffen. Im Einklang mit diesem allgemeinen Ziel gibt die Richtlinie keine Einzelheiten zum Mediationsverfahren selbst vor. Vielmehr beschränkt sie sich darauf, bestimmte wesentliche Grundfragen, die insbesondere in einem Gerichtsverfahren nach gescheiterter Mediation auftreten können, zu regeln. Der Ablauf des eigentlichen Mediationsverfahrens wird aber nicht geregelt.

2. Das Regierungsprogramm sieht zur Umsetzung der Mediations-Richtlinie Folgendes vor: „Österreich besitzt mit dem Zivilrechts-Mediations-Gesetz ein fortschrittliches und gut funktionierendes Gesetz. Die Regelungen der Richtlinie müssen in das österreichische System eingebettet werden, wobei die Errungenschaften des österreichischen Mediationswesens nicht gefährdet werden dürfen.“

In Österreich gilt schon seit dem Jahr 2004 das Zivilrechts-Mediations-Gesetz (ZivMediatG), mit dem das Ziel verfolgt wurde, die Anerkennung und Etablierung der Mediation in Österreich zu fördern. Dieses Bundesgesetz soll für die „eingetragenen“ Mediatoren und für die von diesen durchgeführten Mediationsverfahren weiterhin maßgeblich sein. Da die Richtlinie keinen derart hohen Standard vorsieht, insbesondere keine Vorgaben für die Qualifikation der Mediatoren enthält, sondern lediglich verlangt, dass diese die Mediation auf wirksame, unparteiische und sachkundige Weise durchzuführen haben, soll die Richtlinie zur Wahrung der hohen österreichischen Standards nur im zwingend erforderlichen Ausmaß umgesetzt werden.

3. Der Entwurf schlägt vor, hiefür ein eigenes Bundesgesetz zu erlassen. Dessen Anwendungsbereich soll in Übereinstimmung mit der Richtlinie und zur Wahrung der in Österreich bestehenden Standards auf grenzüberschreitende Sachverhalte im EU-Raum beschränkt werden. Die neuen Bestimmungen sollen daher – mit Ausnahme der Bestimmungen über die „Vollstreckbarmachung“ schriftlicher Mediationsvereinbarungen – nur für grenzüberschreitende, zivil- oder handelsrechtliche Streitigkeiten zwischen Personen gelten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt jeweils in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union haben. Allerdings sollen die österreichischen Umsetzungsregelungen – abweichend von der Richtlinie – auch dann anwendbar sein, wenn eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Dänemark hat.

Der Entwurf enthält weiters auf der Grundlage der Richtlinie Legaldefinitionen zu den Begriffen Mediation und Mediator. Danach ist unter Mediation ein strukturiertes Verfahren zu verstehen, in dem zwei oder mehr Streitparteien mit Hilfe eines Mediators versuchen, eine Vereinbarung über die Beilegung einer Streitigkeit zu erzielen. Mediator ist eine dritte Person, die ersucht wird, eine Mediation auf wirksame, unparteiische und sachkundige Weise durchzuführen. Geregelt werden auch die Aspekte der Vertraulichkeit des Mediationsverfahrens und der Verjährung des Anspruchs während des Mediationsverfahrens. Auch dabei übernimmt der Entwurf die Vorgaben der Richtlinie. Zur Vertraulichkeit wird vorgesehen, dass Mediatoren – sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren – in Gerichts- oder Schiedsverfahren, die Aussage zu Informationen, die sich aus einem Mediationsverfahren ergeben, verweigern müssen. Eine Ausnahme besteht hier nur dann, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder zur Umsetzung oder Vollstreckung der erzielten Vereinbarung erforderlich ist. Der Problematik einer allfälligen Verjährung begegnet die Richtlinie und damit auch der Entwurf mit der Festlegung, dass der Beginn und die gehörige Fortsetzung einer Mediation den Ablauf der Verjährung hemmen.

Der Entwurf enthält darüber hinaus eine Bestimmung über die „Vollstreckbarmachung“ einer schriftlichen Mediationsvereinbarung. Die Parteien sollen – wie von der Richtlinie vorgesehen – die Möglichkeit haben, über ihre in einem Mediationsverfahren getroffene schriftliche Vereinbarung einen vollstreckbaren Titel zu erlangen. Dies kann durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs erfolgen und soll auch bei rein innerstaatlichen Mediationsverfahren ohne grenzüberschreitenden Bezug möglich sein. Aus diesem Grund soll die entsprechende Bestimmung in die ZPO aufgenommen werden. Daneben besteht – wie schon noch geltender Rechtslage – die Möglichkeit, einen Notariatsakt aufzunehmen.

4. Darüber hinaus enthält der Entwurf eine Bestimmung, mit der die bestehende Regelung in § 53 IPR-Gesetz ergänzt wird. Dies ist erforderlich, um eine Lücke zu schließen, die ansonsten mit Inkrafttreten des Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 entstehen würde und eine Änderung der kollisionsrechtlichen Anknüpfung der elterlichen Verantwortung zur Folge hätte.

5. Schließlich schlägt der Entwurf redaktionelle Anpassungen im Suchtmittelgesetz (SMG) vor, darunter die Behebung eines Redaktionsversehens im Budgetbegleitgesetz 2011.

II. Finanzielle Auswirkungen

Die vorgeschlagenen Änderungen der ZPO werden zu einem geringfügigen Planstellenmehrbedarf bei den Gerichten führen. Es ist damit zu rechnen, dass die Teilnehmer an einer Mediation, die nach geltendem Recht auf das Instrument des vollstreckbaren Notariatsakts zurückgreifen oder lediglich eine vertragliche Regelung treffen, die keinen Exekutionstitel darstellt, auf Grund der hier geschaffenen Bestimmung einen gerichtlichen Vergleich schließen werden, damit ihre außergerichtlich getroffene Vereinbarung vollstreckt werden kann. Die Möglichkeit, einen vollstreckbaren Titel zu erlangen, kann insbesondere in oder nach Wirtschaftsmediationen, Umweltmediationen, Mediationen in Pflegschaftssachen, Mediationen im Pflege- und Gesundheitsbereich (ärztliche Kunstfehler), Mediationen in Nachbarschaftskonflikten sowie Mediationen zur Erzielung eines außergerichtlichen Tatausgleichs relevant sein. Genaue Zahlen über die österreichweit durchgeführten Mediationsverfahren sind nicht verfügbar, es liegen lediglich Grobschätzungen von Mediatoren vor. Den zahlenmäßig größten Bereich bilden nach diesen Angaben die Wirtschaftsmediationen mit etwa 10.000 Fällen pro Jahr. Im Bereich des Tatausgleichs finden zirka 9.000 Mediationsverfahren jährlich statt. Schätzungsweise in der Hälfte der Fälle der Wirtschaftsmediationen kommt es zu einer schriftlichen Vereinbarung, wobei davon etwa 20 % für diese Regelung einen Exekutionstitel anstreben. Dabei ist davon auszugehen, dass von einem Teil nach wie vor auf das bereits bestehende Instrument des Notariatsakts zurückgegriffen werden wird, ein anderer Teil aber in Zukunft bei Gericht einen prätorischen Vergleich abschließen wird. Geht man davon aus, dass dies die Hälfte ist, so kommt man auf 500 Anwendungsfälle pro Jahr aus diesem Bereich. Im Bereich des Tatausgleichs ist mit einem geringeren Bedürfnis nach einer vollstreckbaren Vereinbarung zu rechnen; bei 10 % wären dies 900 Fälle pro Jahr. Aus Mediationsvereinbarungen nach ärztlichen Kunstfehlern könnten etwa 350 Anwendungsfälle entstehen. Weitere zu erwartende 500 Fälle aus den übrigen in Frage kommenden Mediationsgebieten ergeben insgesamt jährlich 2.250 gerichtliche Vergleiche nach Abschluss einer schriftlichen Mediationsvereinbarung. Ausgehend von einem durchschnittlichen Arbeitsaufwand pro Fall von einer halben bis einer ganzen Stunde, beträgt der Mehraufwand eine richterliche Vollzeitkapazität.

Es ist davon auszugehen, dass sich der Sachaufwand in jenem Umfang bewegen wird, wie er auch jetzt schon für gerichtliche Vergleiche (insbesondere prätorische Vergleiche in zivilgerichtlichen Verfahren und Vergleiche in Außerstreitverfahren) anfällt. Dieser Aufwand wird durch die Gerichtsgebühren abgedeckt werden.

Die Änderungen im Bereich des IPR-Gesetzes und des SMG werden hingegen keine finanziellen Auswirkungen haben.

Die mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf verbundenen Mehrkosten werden in dem für das Bundesministerium für Justiz vorgegebenen Budgetrahmen bedeckt.

III. Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Die Umsetzungsbestimmungen zur Mediations-Richtlinie 2008/52/EG sind richtlinienkonform ausgestaltet.

Die übrigen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union.

 

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 23. März 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordnete Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher die Abgeordnete Mag. Daniela Musiol.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer und Dr. Johannes Jarolim einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Die vorgeschlagene Änderung dient der Bereinigung eines im Rahmen der SMG-Novelle 2007 (BGBl. I Nr. 110/2007) unterlaufenen Redaktionsversehens: So fordert der Wortlaut des § 42 Abs. 1 SMG neben einer Verurteilung nach § 27 Abs. 1 oder 2 oder § 30 Abs. 1 oder 2 SMG, dass der Täter ‚wegen einer mit einer höchstens sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten Handlung verurteilt‘ wird. Die §§ 27 Abs. 1 und 30 Abs. 1 SMG sehen aber eine Strafdrohung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe vor, sodass der Anwendungsbereich des § 42 SMG (unbeabsichtigt) auf die §§ 27 Abs. 2 und 30 Abs. 2 SMG beschränkt ist.

Darüber hinaus ist durch die SMG-Novelle 2007 auch die zuvor in § 27 Abs. 2 Z 2 letzter Satz aF und nun in § 27 Abs. 5 nF SMG geregelte Privilegierung für Beschaffungskriminalität, wonach ein gewerbsmäßig oder als Mitglied einer kriminellen Vereinigung handelnder Täter, der selbst an Suchtmittel gewöhnt ist und die Tat vorwiegend deshalb begeht, um sich für den eigenen Gebrauch ein Suchtmittel oder ein Mittel zu dessen Erwerb zu verschaffen, nur nach § 27 Abs. 1 aF SMG zu bestrafen war, ungewollt dem Anwendungsbereich des § 42 SMG entzogen worden.

Dieses Versehen beruht wohl (auch) darauf, dass die in § 42 Abs. 1 aF SMG geforderte Verurteilung wegen einer mit höchstens sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung auf Grund der dort zitierten §§ 27 Abs. 1 und 30 Abs. 1 aF SMG, die ohnehin nur einer Strafdrohung von bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe aufwiesen, verzichtbar war (vgl. dazu auch Rosbaud in Hinterhofer/Rosbaud, SMG, Rz 6 zu § 42).

Die versehentlich erfolgte Einschränkung der Anwendbarkeit der Auskunftsbeschränkung nach § 42, die die Wiedereingliederung eines Rechtsbrechers bei Verurteilungen wegen geringfügiger Suchtmitteldelikte erleichtern bzw. seine Ausgrenzung vermeiden soll, soll nun dadurch beseitigt werden, dass im Rahmen einer Tatbegehung nach § 27 oder § 30 SMG generell auf die Verurteilung zu einer sechs Monate nicht übersteigenden Freiheitsstrafe abgestellt wird (zum Ganzen Litzka/Matzka/Zeder, SMG 2. Auflage, § 42 Rz 5). Dies entspricht auch der Systematik des § 6 Abs. 2 und 3 Tilgungsgesetz, wo ebenso auf die tatsächlich verhängte Strafe und nicht auf die Strafdrohung abgestellt wird.“

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer und Dr. Johannes Jarolim einstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2011 03 23

                    Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher                                          Mag. Heribert Donnerbauer

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann