1245 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 1480/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Notwendigkeit eines gesetzlichen Mindestlohns als Grundvoraussetzung zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping

Die Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 30. März 2011 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

Um zu verhindern, dass es im Zuge der Öffnung des Arbeitsmarktes zu einer Verstärkung des Lohn- und Sozialdumpings in Österreich kommt, legt die Regierung das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSDB-G) vor. Lohn- und Sozialdumping ist eine sozialpolitisch unerwünschte Erscheinung, die nicht nur ArbeitnehmerInnen das ihnen zustehende Entgelt für die erbrachte Arbeitsleistung vorenthält, sondern auch einen fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen untergräbt.

Das neue LSDB-G soll sicherstellen, dass ArbeitnehmerInnen nicht unter dem ihnen für ihre Arbeitsleistung zustehenden Entgelt entlohnt werden bzw. dass ihnen dieses Entgelt nicht vorenthalten wird. Um zu kontrollieren, ob Unterentlohnung vorliegt, verweist das LSDB-G auf den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn laut Einstufung.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass dieser Grundlohn es Vollzeit-Erwerbstätigen ermöglichen soll, ihre Existenz zu sichern. Die Republik Österreich hat sich in mehreren internationalen Übereinkommen – darunter etwa durch Ratifikation der europäischen Sozialcharta (Art. 4) – dazu verpflichtet, gegen Ausbeutung vorzugehen und für gerechtere Arbeitsentgelte zu sorgen. Die derzeit hierzulande als Basis geltenden Mindestlöhne vieler Kollektivverträge erfüllen die Anforderung – bei Vollzeitbeschäftigung – ‚ArbeitnehmerInnen und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard zu sichern‘ offenkundig nicht.

Einem aktuellen Expertenbericht[1] der EU zufolge fällt in Österreich bereits jedeR sechzehnte ArbeitnehmerIn unter den Begriff der Erwerbstätigenarmut (‚In-Work poverty‘); d. h. 248.000 Menschen sind, obwohl sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen, nicht in der Lage, sich selbst und ihre Familien ausreichend zu versorgen. Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten, die über kein entsprechendes Einkommen verfügen, ist mit 183.000 Menschen hierzulande erschreckend hoch.

Im Vorblatt zum LSDB-G wird festgehalten, dass ‚ein Abgleiten in Armut trotz Arbeit (‚working poor‘)‘ durch dieses neue Gesetz verhindert wird. Basis dafür wäre allerdings eine noch zu schaffende, allgemein gültige gesetzliche Mindestlohnregelung. Die Sozialpartnerverhandlungen haben bisher nicht wesentlich zur Verbesserung der Situation beigetragen; vielmehr wurde mit Lohnerhöhungen im Bereich der Inflationsanpassung die bestehende Problematik weiter fortgeschrieben. In (an der Beschäftigung gemessen) wichtigen Branchen liegen die Mindestlöhne nach wie vor deutlich unter jenen € 1.300,- brutto/Monat welche als Minimum zur Existenzsicherung gelten[2].

Auch in den Kollektivvertragsverhandlungen der letzten Monate konnte das erklärte Ziel des ÖGB, ein Mindestlohn von € 1.300,- brutto/Monat, vielfach nicht erreicht werden. Dies belegt auch nachfolgende Tabelle, die beispielhaft die Ergebnisse einiger Verhandlungen wiedergibt:

 

Branche

Mindestlohn alt in €

Mindestlohn neu in €

(in Kraft treten des neuen KV)

Handel

1.186,- bzw. 1.217,-

1.213,- bzw. 1.244,-

(1.1.2011)

Bäckereigewerbe

1.012,60

1.030,32

(1.10.2010)

FriseurInnen

1.122,50

1.145,-

(1.3.2011)

Werbung-/Marktkommunikation

1.207,40

1.231,60

(1.1.2011)

Private Bildungseinrichtungen

1.200,-

1.230,-

(1.1.2011

Systemgastronomie/Mc Donald´s

 

1.211,-

(neuer KV, wird mit 1.5.2011 in Kraft treten)

Ganz abgesehen davon sind nicht alle Beschäftigungsverhältnisse in Österreich kollektivvertraglich geregelt.

Um existenzsichernde Einkommen bei Vollzeitarbeit zu ermöglichen und damit gleichzeitig einen fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen zu garantieren, ist es in Zusammenhang mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz daher unumgänglich auch eine gesetzliche, allgemein gültige Untergrenze für die Entlohnung von in Österreich beschäftigten ArbeitnehmerInnen einzuführen. Niemand sollte derzeit in Österreich unter 7,50 Euro brutto/Stunde (bei 14 Monatsentgelten) arbeiten müssen.

Da nach diesem ersten und wichtigen Schritt der Schaffung eines LSDB-G nicht nur die Verstärkung des Phänomens des Lohn- und Sozialdumpings verhindert werden soll, sondern allgemein Rahmenbedingungen gefördert werden sollen, welche Lohn- und Sozialdumping auch längerfristig nachhaltig eindämmen bzw. verunmöglichen und dadurch fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen und existenzsichernde Arbeit erlauben, stellen die unterfertigten Abgeordneten gegenständlichen Entschließungsantrag.

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 8. Juni 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Birgit Schatz die Abgeordneten Ing. Christian Höbart, Dr. Martin Bartenstein, Sigisbert Dolinschek, Ing. Norbert Hofer und Dr. Sabine Oberhauser, MAS sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag unter Berücksichtigung des von der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz eingebrachten Abänderungsantrages keine Mehrheit (für den Antrag: F,G,B dagegen: S,V ).

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer gewählt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2011 06 08

                         Mag. Gertrude Aubauer                                                         Renate Csörgits

                                  Berichterstatterin                                                                           Obfrau



[1]             Frazer/Marlier (2010): In-Poverty And Labour Market Segmentation in the EU: Key Lessons. CEPS/INSEAD Report des EU Netzwerks unabhängiger Experten für Soziale Integration im Auftrag der GD Beschäftigung, Soziales und Integration.

[2]             Als existenzsichernder Arbeitslohn wird von der Wissenschaft ein allgemein gültiger Mindestlohn in der Höhe von 60 – 66% des Durchschnittslohns angesehen, das wäre in Österreich (bei 14 Monatsentgelten) für 2010 ein Wert von rd. 7,50 Euro brutto/Stunde.