Vorblatt

Problem:

Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben am 19. November 2008 die Richtlinie 2008/99/EG über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht (ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 28) erlassen. Durch diese Richtlinie werden die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, einen EU-weiten Mindeststandard für bestimmte vorsätzlich oder grob fahrlässig begangene Handlungen zu schaffen, die die Umwelt schädigen, diese Verhaltensweisen als Straftaten zu betrachten und unter Strafe zu stellen.

Wenngleich Österreich den Großteil der Vorgaben bereits durch das geltende Umweltstrafrecht erfüllt, besteht doch ein gewisser Anpassungsbedarf.

Ziel:

Zur Umsetzung der in der Richtlinie vorgegebenen Maßnahmen in nationales Recht sollen die strafrechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Umwelt im StGB angepasst und neue Strafbestimmungen eingeführt werden.

Inhalt/Problemlösung:

In Entsprechung der Richtlinie über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht sollen einige Tatbestände des Siebten Abschnittes des Besonderen Teils des StGB angepasst werden. Zudem sollen neue Strafbestimmungen gegen den unerlaubten Umgang mit Stoffen, die zum Abbau der Ozonschicht beitragen (§§ 177d und 177e) sowie gegen die Schädigung des Tier- oder Pflanzenbestandes und von Lebensräumen in geschützten Gebieten (§§ 181f bis 181i) eingeführt werden.

Entsprechend der bisherigen Regelung des § 30 Abs. 1 Z 5 bis 8 StPO soll für sämtliche der neu eingeführten Tatbestände die Zuständigkeit des Landesgerichts vorgesehen werden (§ 30 Abs. 1 Z 5a, 5b, 6a, 8a und 8b StPO).

Alternativen:

Keine.

Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

– Finanzielle Auswirkungen:

Die Einführung neuer bzw. die Ausweitung bestehender strafrechtlicher Tatbestände des Strafgesetzbuches können zu einem nicht näher quantifizierbaren Mehraufwand im Bereich der Sicherheits- und Justizbehörden führen.

– Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

– – Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Auswirkungen auf die Beschäftigung oder den Wirtschaftsstandort Österreich sind durch den Gesetzentwurf nicht zu erwarten.

– – Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Bürger/innen und für Unternehmen:

Für Bürger/innen oder Unternehmen werden keine sie belastenden Informationsverpflichtungen geschaffen.

– Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

Durch die vorgeschlagenen Änderungen und die neu eingeführten Straftatbestände soll der Schutz der Umwelt gestärkt werden.

– Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Keine

– Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Der vorliegende Entwurf dient der vollständigen Umsetzung der Richtlinie 2008/99/EG über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

I. Allgemeines

a) Europarechtliche Vorgabe

Mit der Fertigstellung der Konvention des Europarates zum Schutz der Umwelt durch das Strafrecht vom 4. November 1998 (Convention on the Protection of the Environment through Criminal Law, ETS Nr. 172) wurde ein erster Schritt zu einer europäischen Rechtsvereinheitlichung auf diesem Gebiet unternommen. Die Europarats-Konvention sieht die Schaffung von einheitlichen Mindeststandards im Umweltstrafrecht vor, indem sie die Verpflichtung zur Kriminalisierung bestimmter vorsätzlicher und fahrlässiger umweltschädigender Verhaltensweisen enthält. Dieses Übereinkommen wurde seither von 14 Mitgliedstaaten, darunter am 7. Mai 1999 von Österreich unterzeichnet, bisher jedoch nur von Estland ratifiziert.

Im Februar 2000 legte das Königreich Dänemark eine Initiative für einen EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der schweren Umweltkriminalität vor.

Der Rat „Justiz und Inneres“ einigte sich am 28. September 2000 darauf, dass bei Umweltstraftaten gemeinschaftliche Rechtsvorschriften festgelegt werden sollten.

Schließlich legte die Europäische Kommission im Jahr 2001 einen Vorschlag für eine Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt vor.

Am 27. Jänner 2003 verabschiedete der Rat jedoch stattdessen ausgehend von der Initiative Dänemarks aus dem Jahr 2000 den Rahmenbeschluss 2003/80/JI über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht. Der Europäische Gerichtshof erklärte diesen Rahmenbeschluss in seinem Urteil vom 13. September 2005 (Rechtssache C-176/03) wegen Verstoßes gegen Art. 47 EU-Vertrag für nichtig.

Am 30. November 2005 nahm die Europäische Kommission eine Mitteilung an, in der sie auf die Folgen des Urteils in der Rechtssache C-176/03 und die Notwendigkeit einging, einen neuen Legislativvorschlag im Bereich Umweltkriminalität anzunehmen.

Am 9. Februar 2007 legte die Europäische Kommission einen neuen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht vor.

Der Rat nahm schließlich am 24. Oktober 2008 – im Anschluss an eine Einigung mit dem Europäischen Parlament in erster Lesung – die geänderte Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt an (Richtlinie 2008/99/EG vom 19. November 2008 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt), welche am 6. Dezember 2008 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde (ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 28). Die Richtlinie trat am 26. Dezember 2008 in Kraft und bedarf der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten.

Der seinerzeitige Rahmenbeschluss beinhaltete einen Katalog von insgesamt sieben Tatbeständen, von denen sich fünf weitgehend, zum Teil wortgleich, an die Europaratskonvention angelehnt hatten. Die Richtlinie übernahm diese sieben Tatbestände mit geringfügigen Formulierungsmodifikationen und sieht zusätzlich zwei neue Tatbestände (Art. 3 lit. e und lit. h) vor, welche mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Strafen geahndet werden sollen. Dazu kommen Bestimmungen über Beteiligung und Anstiftung, sowie über die Verantwortlichkeit von und Sanktionen gegen juristische Personen, welche jedoch im Gegensatz zu jenen gegen natürliche Personen nicht strafrechtlicher Natur sein müssen.

 

b) Umsetzungsbedarf im österreichischen Strafrecht

1. Änderungen des Strafgesetzbuches

Die Vorgaben der Richtlinie werden von Österreich bereits in weiten Teilen erfüllt, weil durch die Umsetzung der Europarats-Konvention zum Schutz der Umwelt durch das Strafrecht bzw. die geplante Umsetzung des seinerzeitigen Rahmenbeschlusses durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2006, BGBl. I Nr. 56/2006 bereits ein hohes Schutzniveau besteht. Änderungen sind daher nur in Teilbereichen erforderlich.

Ein Merkmal sämtlicher in der Richtlinie aufgezählter Tatbestände ist zunächst die Verwaltungsakzessorietät, wonach die in Art. 3 aufgezählten Straftaten unter Strafe gestellt werden sollen, wenn sie rechtswidrig begangen werden. Als „rechtswidrig“ definiert die Richtlinie in Art. 2 lit. a einen Verstoß gegen einen in Anhang A oder B aufgeführten Rechtsakt oder einen Verstoß gegen ein Gesetz, eine Verwaltungsvorschrift eines Mitgliedstaates oder eine Entscheidung einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaates, das oder die der Umsetzung oder Anwendung der in Anhang A oder B der Richtlinie genannten Rechtsakte der Gemeinschaft dient. Die Vorgaben der Richtlinie entsprechen daher dem verwaltungsakzessorisch ausgegestalteten System des österreichischen Umweltstrafrechts.

Entsprechend der Vorgaben von Art. 3 der Richtlinie, sind nunmehr folgende Anpassungen des StGB vorzunehmen:

aa)   Gemäß Art. 3 lit. b der Richtlinie soll die Sammlung, Beförderung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen, einschließlich der betrieblichen Überwachung dieser Verfahren und der Nachsorge von Beseitigungsanlagen sowie der Handlungen, die von Händlern oder Maklern übernommen werden (Bewirtschaftung von Abfall) unter Strafe gestellt werden, wenn diese den Tod oder eine schwere Körperverletzung von Personen oder erhebliche Schäden hinsichtlich der Luft-, Boden- oder Wasserqualität oder an Tieren oder Pflanzen verursacht oder verursachen kann. Nach Art. 3 lit. c soll die Verbringung von Abfällen, sofern diese Tätigkeit unter Art. 2 Nummer 35 der Verordnung  1013/2006/EG über die Verbringung von Abfällen fällt und in nicht unerheblicher Menge erfolgt, sanktioniert werden.

         Im Hinblick auf die genannten Bestimmungen in Art. 3 lit. b und c der Richtlinie soll daher § 181b StGB geändert bzw. entsprechend angepasst werden.

bb)   Infolge der Vorgaben in Art. 3 lit. e der Richtlinie, wonach die Herstellung, Bearbeitung, Handhabung, Verwendung, der Besitz, die Lagerung, der Transport, die Einfuhr, Ausfuhr oder Beseitigung von Kernmaterial oder anderen radioaktiven Stoffen, die den Tod oder eine schwere Körperverletzung von Personen oder erhebliche Schäden hinsichtlich der Luft-, Boden- oder Wasserqualität oder an Tieren oder Pflanzen verursacht oder verursachen kann, unter Strafe zu stellen ist, wird eine Ergänzung der diesbezüglichen Bestimmung im österreichischen Strafgesetzbuch (§ 177b StGB) vorgeschlagen.

cc)   Die nach Art. 3 lit. f der Richtlinie unter Strafe zu stellenden Handlungen (Tötung, Zerstörung, Besitz oder die Entnahme) in Bezug auf Exemplare geschützter wildlebender Tier- oder Pflanzenarten sind in Österreich bisher nicht gerichtlich strafbar. Die in den einzelnen Landesgesetzen enthaltenen verwaltungsrechtlichen Vorschriften zum Schutz dieser Tiere und Pflanzen sollen daher durch die vorgeschlagenen Bestimmungen der §§ 181f und 181g StGB ergänzt werden.

dd)   Nach Art. 3 lit. h der Richtlinie ist zudem jedes Verhalten, das eine erhebliche Schädigung eines Lebensraumes innerhalb eines geschützten Gebiets verursacht, unter Strafe zu stellen, sodass Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend nicht eine entsprechende Erweiterung in den §§ 180 Abs. 2 und 181 Abs. 2 StGB samt entsprechender Begriffsbestimmung in § 74 Abs. 1 Z 11 StGB, sondern gleichfalls die Schaffung entsprechender neuer Tatbestände (§§  181h, 181i StGB) vorgeschlagen wird.

ee)   Die Produktion, Einfuhr, Ausfuhr, das Inverkehrbringen oder die Verwendung von Stoffen, die zum Abbau der Ozonschicht führen, war bisher durch das Chemikaliengesetz 1996 verwaltungsrechtlich sanktioniert. Entsprechend Art. 3 lit. i der Richtlinie sollen nunmehr entsprechende gerichtlich strafbare Tatbestände in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden (§§ 177d und 177e StGB).

Zusammenfassend werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

-       Anpassung des § 177b Abs. 1 bis 3 StGB;

-       Schaffung von Straftatbeständen über den unerlaubten Umgang mit Stoffen, die zum Abbau der Ozonschicht beitragen (§§ 177d und 177e StGB);

-       Modifizierung und Erweiterung des § 181b Abs. 1 und 3 StGB sowie Verankerung der Strafbarkeit des grob fahrlässigen Verbringens von Abfällen in Abs. 3 des § 181c StGB;

-       Einführung von Tatbeständen gegen die „Schädigung des Tier- oder Pflanzenbestandes“ (§§ 181f und 181g StGB);

-       Einfügung von Tatbeständen gegen die „Schädigung von Lebensräumen in geschützten Gebieten“ (§§ 181h und 181i StGB).

2. Änderungen der Strafprozessordnung

Im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Tatbestände wird entsprechend den bisherigen Regelungen in § 30 1 Z 5 bis 8 StPO die Aufnahme dieser Bestimmungen in den Katalog jener Delikte, die trotz ihrer Strafdrohung nicht in die sachliche Zuständigkeit der Bezirksgerichte fallen, vorgeschlagen (§ 30 Abs. 1 Z 5a, 5b, 6a, 8a und 8b StPO).

Finanzielle Auswirkungen:

Die Einführung neuer bzw. die Ausweitung bestehender strafrechtlicher Tatbestände des Strafgesetzbuches können mit einem nicht näher quantifizierbaren Mehraufwand im Bereich der Sicherheits- und Justizbehörden verbunden sein.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreichs:

Keine.

Kompetenzgrundlage:

Die Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Besonderheiten des Normsetzungsverfahrens:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Der vorliegende Entwurf dient der vollständigen Umsetzung der Richtlinie 2008/99/EG über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht.


Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)

Zu Art. 1 Z 1 (§ 177b Abs. 1 bis 3 StGB):

Art. 3 lit. e der Richtlinie verlangt, dass die rechtswidrige Herstellung, Bearbeitung, Handhabung, Verwendung, der Besitz, die Lagerung, der Transport, die Einfuhr, Ausfuhr oder Beseitigung von Kernmaterial oder anderen radioaktiven Stoffen, die den Tod oder eine schwere Körperverletzung von Personen oder erhebliche Schäden hinsichtlich der Luft-, Boden- oder Wasserqualität oder an Tieren oder Pflanzen verursacht oder verursachen kann, unter Strafe zu stellen ist.

§ 177b sanktioniert bereits die Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder sonstige Verwendung, Aufbewahrung, Beförderung, Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr, wobei Abs. 1 als reines Tätigkeitsdelikt über die Vorgaben der Richtlinie hinausgeht.

Hinsichtlich der in der Richtlinie enthaltenen Tathandlungen des Besitzes und der Beseitigung bedarf es zur vollständigen Umsetzung jedoch einer entsprechenden Erweiterung des § 177b durch Aufnahme dieser Tathandlungen. Im Hinblick auf das umfassende Begriffsverständnis des „Besitzens“, das jedenfalls auch das „Aufbewahren“ umfasst (vgl  Aicher-Hadler in WK2 §§ 177a, 177c Rz 10), soll Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend die gesonderte Nennung des „Aufbewahrens“ als Unterfall des „Besitzens“ entfallen; die Streichung des Wortes „sonst“ vor „verwendet“ dient im Wesentlichen der redaktionellen Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Richtlinie.

Zu Art. 1 Z 2 (§ 177b Abs. 3 StGB):

Bei der Schaffung der (zusätzlichen) Qualifikation für die gewerbsmäßige Begehung im Sinne des § 70 handelt es sich um ein Nachvollziehen gegenüber dem Außenhandelsgesetz 2011, BGBl I Nr 26/2011 (vgl dort § 79 Abs. 2 Z 1).

Zu Art. 1 Z 3 (§§ 177d und 177e StGB):

Art. 3 lit. i der Richtlinie gibt den Mitgliedstaaten vor, die Produktion, Einfuhr, Ausfuhr, das Inverkehrbringen oder die Verwendung von Stoffen, die zum Abbau der Ozonschicht führen, unter Strafe zu stellen.

Derzeit sieht § 71 Abs. 1 Z 5 Chemikaliengesetz 1996, welches wiederum auf die Verordnung 2037/2000/EG über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen, verweist, die mit Wirkung vom 1. Jänner 2010 durch die – inhaltlich weitgehend unverändert gebliebene - 1005/2009/EG ersetzt wurde, dafür verwaltungsrechtliche Sanktionen vor. Entsprechend der Vorgaben der gegenständlichen Richtlinie soll nunmehr ein gerichtlicher Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden, wobei – im Lichte der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens – die vorsätzliche Tatbegehung mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen und die (grob) fahrlässige Begehungsweise mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bestraft werden sollen. Gleichfalls als Ergebnis des Begutachtungsverfahrens soll im Einklang mit der gegenständlichen Richtlinie die gerichtliche Strafbarkeit fahrlässigen Verhaltens erst bei grober Fahrlässigkeit einsetzen. Die Streichung des Wortes „sonst“ vor „verwendet“ dient im Wesentlichen der redaktionellen Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Richtlinie.

„Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht beitragen“ werden grundsätzlich jene Stoffe sein, die in Anhang I sowie in Anhang II Teil A der vorstehend erwähnten EG-Verordnung aufgezählt sind.

Durch die in § 71 Abs. 1 des Chemikaliengesetzes enthaltene Subsidiaritätsklausel zugunsten des gerichtlichen Strafrechts ist eine Doppelbestrafung wegen einer Handlung, die auch dem Verwaltungsstraftatbestand unterfallen würde, nicht möglich.

Zu Art. 1 Z 4 (§ 181b Abs. 1 StGB):

Gemäß Art. 3 lit. b der Richtlinie soll die Sammlung, Beförderung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen, einschließlich der betrieblichen Überwachung dieser Verfahren und der Nachsorge von Beseitigungsanlagen sowie der Handlungen, die von Händlern oder Maklern übernommen werden (Bewirtschaftung von Abfall) unter Strafe gestellt werden, wenn diese den Tod oder eine schwere Körperverletzung von Personen oder erhebliche Schäden hinsichtlich der Luft-, Boden- oder Wasserqualität oder an Tieren oder Pflanzen verursacht oder verursachen kann.

Die Tätigkeiten „sammeln“, „befördern“, „verwerten“ und „beseitigen“ werden dabei entsprechend den Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2010 (AWG 2010) auszulegen sein. Gemäß § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2010 ist „Abfallsammler“ unter anderem auch jede Person, welche über die Abholung oder Entgegennahme der von Dritten erzeugten Abfälle rechtlich verfügt; damit sind auch die in der Richtlinie genannten „Handlungen, die von Händlern oder Maklern übernommen werden (Bewirtschaftung von Abfall)“ vom Begriff „Sammlung“ im österreichischen Recht umfasst. Soweit im Begutachtungsverfahren der „Wegfall“ der Tatbegehungsform des „Behandelns“ hinterfragt wurde, ist darauf hinzuweisen, dass diese Tatbegehungsform auch in der Richtlinie nicht (mehr) ausdrücklich erwähnt wird, dass aber andererseits unter „Abfallbehandlung“ im Sinne des AWG 2010 jedes Verwertungs- oder Beseitigungsverfahren, einschließlich der Vorbereitung vor der Verwertung oder Beseitigung zu verstehen ist. Es ist daher mit der Neufassung insofern keine inhaltliche Einschränkung verbunden.

Zu Art. 1 Z 5 (§ 181b Abs. 3 StGB):

Nach Art. 3 lit. c der Richtlinie soll die Verbringung von Abfällen, sofern diese Tätigkeit unter Art. 2 Nummer 35 der Verordnung 1013/2006/EG über die Verbringung von Abfällen fällt und in nicht unerheblicher Menge erfolgt, sanktioniert werden. Die dort beschriebene Verbringung, soll sowohl bei einer einzigen illegalen Verbringung einer nicht unbedeutenden Menge an Abfällen als auch bei mehreren, offensichtlich zusammenhängenden illegalen Verbringungen tatbestandsmäßig sein.

Was unter „Verbringung“ iS des Abs. 3 zu verstehen ist, wird in Art. 2 Nummer 34 der Verordnung definiert, wobei – zum Unterschied vom „Befördern“ des Abs. 1 (bzw. vom „Transport“ iS von Art. 2 Nummer 33 der Verordnung) – im Wesentlichen ein grenzüberschreitendes Element verlangt wird. Danach meint  „Verbringung“ den Transport von zur Verwertung oder Beseitigung bestimmten Abfällen, der erfolgt oder erfolgen soll a) zwischen zwei Staaten oder b) zwischen einem Staat und überseeischen Ländern und Gebieten oder anderen Gebieten, die unter dem Schutz dieses Staates stehen, oder c) zwischen einem Staat und einem Landgebiet, das völkerrechtlich keinem Staat angehört, oder d) zwischen einem Staat und der Antarktis oder e) aus einem Staat durch eines der oben genannten Gebiete oder f) innerhalb eines Staates durch eines der oben genannten Gebiete und der in demselben Staat beginnt und endet, oder g) aus einem geografischen Gebiet, das nicht der Gerichtsbarkeit eines Staates unterliegt, in einen Staat.

„Illegale Verbringung“ iS von Art. 2 Nummer 35 der Verordnung 1013/2006/EG über die Verbringung von Abfällen ist jede Verbringung von Abfällen, die a) ohne Notifizierung an alle betroffenen zuständigen Behörden gemäß dieser Verordnung erfolgt oder b) ohne die Zustimmung der betroffenen zuständigen Behörden gemäß dieser Verordnung erfolgt oder c) mit einer durch Fälschung, falsche Angaben oder Betrug erlangten Zustimmung der betroffenen zuständigen Behörden erfolgt oder d) in einer Weise erfolgt, die den Notifizierungs- oder Begleitformularen sachlich nicht entspricht, oder e) in einer Weise erfolgt, die eine Verwertung oder Beseitigung unter Verletzung gemeinschaftlicher oder internationaler Bestimmungen bewirkt, oder f) den Artikeln 34, 36, 39, 40, 41 und 43 der Verordnung widerspricht oder g) in Bezug auf eine Verbringung von Abfällen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 und 4 h gekennzeichnet ist, dass die Abfälle offensichtlich nicht in den Anhängen III, IIIA oder IIIB der Verordnung aufgeführt sind oder Art. 3 Abs. 4 der Verordnung verletzt wurde oder die Verbringung der Abfälle auf eine Weise geschieht, die dem in Anhang VII der Verordnung aufgeführten Dokument sachlich nicht entspricht.

Die Anfügung soll jedoch keine Privilegierung dieser grenzüberschreitenden Beförderungen bedeuten, sondern nur insoweit zum Tragen kommen, als nicht ohnehin schon bereits Strafbarkeit nach Abs. 1 (oder 2) gegeben ist (zumal „Beförderung“ iS der Abs. 1 und 2 „Verbringung“ iS des Abs. 3 mit einschließt). Erfasst werden sollen jene Fälle, in denen das Verbringen zwar im vorstehenden Sinn illegal erfolgt, dennoch aber keine abstrakte Gefährdung (geschweige denn eine tatsächliche Schädigung) vorliegt – sei es, weil es sich um ungefährliche Abfälle handelt, sei es, weil der Transport sicher abgewickelt wird; dafür verlangt der Tatbestand das Verbringen einer nicht unerheblichen Menge an Abfall. Diese Menge wird im Falle der (sicheren) Verbringung gefährlicher Abfälle jedenfalls bei einem Gefährdungspotential im Sinne des § 180 Abs. 1 Z 1 bis 4 gegeben sein.

Zu Art. 1 Z 6 (§ 181c Abs. 3 StGB):

Entsprechend den Vorgaben der Richtlinie 2008/99/EG soll auch das grob fahrlässige Verbringen von Abfällen entgegen Art. 2 Nummer 35 der Verordnung 1013/2006/EG über die Verbringung von Abfällen gerichtlich strafbar werden.

Die Strafdrohung orientiert sich an der auch sonst vorgesehenen Abstufung (bis zu 2 Jahre Freiheitsstrafe bei Vorsatz, bis sechs Monate bei „leichter“ Fahrlässigkeit) und sieht daher für die grobe Fahrlässigkeit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe vor (vgl auch § 7 Abs. 1 bis 3 ArtHG 2009 auf der einen sowie § 7 Abs. 5 ArtHG 2009 auf der anderen Seite).

Zu Art. 1 Z 7 (§§ 181f bis 181i StGB):

Nach Art. 3 lit. f der Richtlinie sind Tötung, Zerstörung, Besitz oder Entnahme von Exemplaren geschützter wildlebender Tier- oder Pflanzenarten unter Strafe zu stellen.

Eine Strafbarkeit muss jedoch erst dann vorgesehen werden, wenn die Schädigung erhebliche quantitative bzw. wesentliche Auswirkungen auf die geschützte Art zur Folge hat. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Die Definition der geschützten wildlebenden Tier- oder Pflanzenarten findet sich in Art. 2 lit. b i der Richtlinie. Demnach sollen jene Tierarten erfasst sein, die in Art. 12 Abs. 1 (Anhang IV lit. a) der Richtlinie 92/43/EWG (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) aufgezählt sind bzw. jene Vogelarten, die Art. 4 Abs. 2 oder Anhang I der (nunmehrigen neuen Vogelschutz-) Richtlinie 2009/147/EG unterliegen. Bei den Pflanzenarten handelt es sich um Arten, die dem Geltungsbereich des Art. 13 Abs. 1 (Anhang IV lit. b) der Richtlinie 92/43/EWG (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) unterliegen.

Die in den einzelnen Landesgesetzen enthaltenen verwaltungsrechtlichen Vorschriften zum Schutz dieser geschützten Tier- oder Pflanzenarten sollen daher durch die vorgeschlagenen Bestimmungen der §§ 181f bis 181g ergänzt werden, wobei hinsichtlich der Einschränkung darauf verwiesen wird, dass je nach Gefährdungsgrad bereits ein Exemplar eine „erhebliche Menge“ darstellen kann.

Die bei den Tierarten zusätzlich erwähnten Entwicklungsformen sind zwar in der Richtlinie 2008/99/EG nicht ausdrücklich genannt, doch lässt sich aus den Tatbegehungsformen (zerstören, entnehmen) schließen, dass sich die Kriminalisierungsverpflichtung auch darauf erstrecken soll.

Nach Art. 3 lit. h der Richtlinie ist jedes Verhalten, das eine erhebliche Schädigung eines Lebensraumes innerhalb eines geschützten Gebiets verursacht, unter Strafe zu stellen. Die Kriminalisierungsverpflichtung geht damit – worauf auch im Begutachtungsverfahren hingewiesen wurde – insofern über den Tatbestand des § 180 hinaus, als nach dieser Bestimmung nur die darin genannten Kontaminierungen strafbar sind, während etwa Schädigungen durch Lärm nicht erfasst wären.

Es sollen daher entsprechende Tatbestände geschaffen werden, wobei der Entwurf davon ausgeht, dass bei einem Zusammentreffen mit § 180 letzterer vorgeht.

Die Strafdrohungen orientieren sich iW an der vergleichbaren Bestimmung des § 7 ArtHG 2009.

Zu Art. 1 Z 8 und 9 (§§ 183a Abs. 1 und 183a Abs. 2 StGB):

Die neuen Tatbestände sollen auch in die Regelungen zum Irrtum über Rechtsvorschriften und behördliche Aufträge in § 183a sowie über die Tätige Reue in § 183b aufgenommen werden, wobei letztere Bestimmung aufgrund der einschließenden Verweisung keiner Änderung bedarf.

Zu Artikel 2 (Änderung der Strafprozessordnung 1975)

Zu § 30 Abs. 1 Z 5a, 5b, 6a, 8a und 8b StPO:

Die neu geschaffenen Tatbestände des vorsätzlichen unerlaubten Umgangs mit Stoffen, die zum Abbau der Ozonschicht beitragen (§ 177d StGB), des grob fahrlässigen unerlaubten Umgangs mit Stoffen, die zum Abbau der Ozonschicht beitragen (§ 177e StGB), des vorsätzlichen umweltgefährdenden Behandelns und Verbringens von Abfällen nach § 181b Abs. 3 StGB, der grob fahrlässigen Schädigung des Tier- oder Pflanzenbestandes (§ 181g StGB) sowie der grob fahrlässigen Schädigung von Lebensräumen in geschützten Gebieten (§ 181i StGB) sollen trotz ihrer Strafdrohungen im Hinblick auf ihre Komplexität und die oftmals schwierigen Beweisfragen entsprechend der bereits bisher gemäß § 30 Abs. 1 Z 5 bis 8 StPO in die Zuständigkeit der Landesgerichte fallenden Umweltdelikte in den Deliktskatalog des § 30 Abs. 1 StPO aufgenommen werden.