Vorblatt

Probleme:

1.      Die wiederholten Bedrohungen und Angriffe gegen Organe der Gerichtsbarkeit zeigen die Bedeutung, die der Gewährleistung von Sicherheit in Gerichtsgebäuden zukommt. Derzeit erfolgt keine einheitliche und systematische Dokumentation sicherheitsrelevanter Vorfälle.

2.      Teilnehmer/innen am elektronischen Rechtsverkehr erhalten eine elektronische Bestätigung für die Einbringung. Dennoch ist derzeit noch eine Übermittlung von Rubriken an Einbringer/innen vorgesehen.

3.      Die Sozialversicherungsträger nehmen bisher nicht am elektronischen Rechtsverkehr teil.

4.      Die bisherige Formulierung des § 89c Abs. 5 und 6 führte mitunter zur irrigen Rechtsmeinung, wonach sich auch die Anführung von „Eingaben“ nur auf das Grundbuchs- und Firmenbuchverfahren beziehe.

5.      Die Nichtbeachtung der Verpflichtung zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr stellt nur den Verstoß gegen eine bloße Ordnungsvorschrift dar. Sie hat daher keine verfahrensrechtlichen Folgen.

6.      Nach einer im Laufe des Jahres 2012 vorgesehenen technischen Umstellung des elektronischen Rechtsverkehrs werden Zustellung im elektronischen Rechtsverkehr nicht mehr gebündelt kurz nach Mitternacht, sondern laufend sofort durchgeführt. Dies würde im Hinblick auf durch die Zustellung ausgelöste Fristen zu einer Verschlechterung für Teilnehmer/innen am elektronischen Rechtsverkehr führen.

Ziele:

1.      Sicherheitsrelevante Vorfälle sollen einheitlich und systematisch dokumentiert werden.

2.      Entfall der Übermittlung von Rubriken an Einbringer/innen, die ihr Anbringen elektronisch eingebracht haben.

3.      Einbeziehung der Sozialversicherungsträger in den elektronischen Rechtsverkehr.

4.      Verhinderung von Missverständnissen über den Anwendungsbereich.

5.      Das gesetzeswidrige Absehen von der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs durch zur Nutzung Verpflichtete soll – als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift – zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen.

6.      Verhinderung einer Verschlechterung für Teilnehmer/innen am elektronischen Rechtsverkehr und Beibehaltung des Status quo trotz technischer Umstellungen beim ERV.

Inhalte:

1.      Erfassung von Angriffen und ernstzunehmenden Drohungen in der Verfahrensautomation Justiz.

2.      Aufnahme einer gesetzlichen Klarstellung, wonach die Übermittlung von Rubriken an Einbringer/innen bei elektronischen Anbringen unterbleiben kann.

3.      Einführung der verpflichtenden Teilnahme der Sozialversicherungsträger am elektronischen Rechtsverkehr.

4.      Beseitigung der missverständlichen Formulierung zugunsten einer übersichtlichen Auflistung aller zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr Verpflichteten.

5.      Schaffung einer gesetzlichen Bestimmung, wonach ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr wie ein Formmangel zu behandeln ist, der zu verbessern ist.

6.      Der jeweils auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des/der Empfänger/in folgende Werktag, wobei Samstage nicht als Werktage gelten, wird als Zustellungszeitpunkt elektronisch übermittelter gerichtlicher Erledigungen und Eingaben festgelegt.

Alternativen:

Beibehaltung des derzeitigen unbefriedigenden und teilweise nicht mehr der Realität entsprechenden Rechtszustands.

Finanzielle Auswirkungen:

Ein allfälliger geringer Mehraufwand durch die Erfassung sicherheitsrelevanter Vorfälle in der Verfahrensautomation Justiz wird durch die Ausweitung und Stärkung des elektronischen Rechtsverkehrs und die dadurch möglichen Einsparungen kompensiert. Die übrigen Bestimmungen haben keine finanziellen Auswirkungen.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Die vorgeschlagenen Regelungen dienen der Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und der Effizienzsteigerung und tragen daher zu einer Stärkung des guten Rufes der Republik Österreich als Wirtschaftsstandort und zu einem Ausbau der bestehenden Vorreiterstellung der österreichischen Justiz bei der Anwendung moderner Informationstechnologie bei.

Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen:

Zusätzliche Verwaltungslasten für Bürgerinnen und Bürger oder Unternehmen sind nicht vorgesehen. Die Ausweitung der verpflichtenden Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr auf die Sozialversicherungsträger führt zu einer Vereinfachung und – jedenfalls nach der Umstellungsphase – zu einer Effizienzsteigerung bei der Einbringung bzw. Zustellung.

Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

Das Regelungsvorhaben ist nicht klimarelevant.

Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Die vorgeschlagenen Regelungen dienen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit und tragen insofern zu einer Stärkung des Vertrauens der Allgemeinheit in die korrekte und effiziente Aufgabenwahrnehmung öffentlicher Einrichtungen bei.

Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Das EU-Recht enthält keine (expliziten) gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu dieser Materie.


Erläuterungen

Zu Z 1 (§ 15 GOG):

Mit der vorgeschlagenen Bestimmung soll die Grundlage dafür geschaffen werden, dass für die Sicherheit in Gerichtsgebäuden gefährliche Umstände in der Verfahrensautomation Justiz eingetragen werden, um rasch und angemessen auf Bedrohungen reagieren und das Erfordernis von Sicherheitsvorkehrungen beurteilen zu können. Damit kann gleichzeitig das erforderliche Datenmaterial vorgehalten werden, um die regelmäßig gestellten parlamentarischen Anfragen zur Sicherheit in Gerichtsgebäuden zufriedenstellend beantworten zu können.

Zu Z 2 (§ 89a Abs. 2 GOG):

Da Teilnehmer/innen im elektronischen Rechtsverkehr eine elektronische Bestätigung für die Einbringung erhalten, besteht keine Notwendigkeit mehr für die Übermittlung von Rubriken. Zudem bedürfen elektronische Eingaben bereits seit Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs (BGBl. Nr. 343/1989) keiner Gleichschriften und Rubriken (§ 89c Abs. 1 GOG).

Zu Z 3 (§ 89c Abs. 5 und 6 GOG):

Mit dem bisherigen § 89c Abs. 5 werden Rechtsanwält/innen und Notar/innen, mit dem bisherigen § 89c Abs. 6 Kredit- und Finanzinstitute (§ 1 Abs. 1 und 2 BWG) und inländische Versicherungsunternehmen (§ 1 Abs. 1 VAG) verpflichtet, Eingaben und im Original vorzulegende Beilagen im Grundbuchs- oder Firmenbuchverfahren, welche elektronisch eingebracht werden dürfen, nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten im elektronischen Rechtsverkehr einzubringen.

Verpflichtende Teilnahmen am elektronischen Rechtsverkehr haben sich in der Praxis bewährt und führten zu bedeutenden Einsparungen (Porto, Entfall von Dateneingaben, Manipulationsaufwand etc.) für die Justiz. Dieses Einsparungspotential soll nun auch in weiteren Bereichen genutzt werden. Könnten die 100 größten Nicht-ERV-Einbringer/innen für den elektronischen Rechtsverkehr gewonnen werden, wären Einsparungen von etwa 150.000 Euro pro Jahr möglich. Ein weiterer Schritt zum Ausbau des ERV stellt nun die – nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten bestehende – Verpflichtung für die Sozialversicherungsträger (§§ 23 bis 25 ASVG, § 15 GSVG, § 13 BSVG, § 9 B-KUVG, § 4 NVG), die Pensionsinstitute (§ 479 ASVG), die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (§ 14 BUAG), die Pharmazeutische Gehaltskasse (§ 1 Gehaltskassengesetz 2022), der Insolvenz-Entgelt-Fonds (§ 13 IESG) und die IEF-Service GmbH (§ 1 IEFG) und für den Hauptverband der gesetzlichen Sozialversicherungsträger (§ 31 ASVG) dar, deren Eingaben großteils noch nicht elektronisch übermittelt werden.

Von der Aufnahme eines den bisherigen § 89c Abs. 5 und 6 nachgebildeten Abs. 7 für die neuaufzunehmenden gesetzlichen Sozialversicherungen wurde abgesehen. Hingegen werden im neugefassten § 89c Abs. 5 alle verpflichtenden ERV-Teilnehmer/innen zusammen gefasst.

Die in den bisherigen § 89c Abs. 5 und 6 verwendete Wendung „Eingaben und im Original vorzulegende Beilagen im Grundbuchs- oder Firmenbuchverfahren …“ führte mitunter zur irrigen Rechtsmeinung, dass sich auch die Eingaben nur auf das Grundbuchs- oder Firmenbuchverfahren beziehen. Die Neufassung trägt zur Klarstellung bei und entspricht auch der bereits bestehenden Praxis, dass Beilagen auch außerhalb des Grundbuchs- oder Firmenbuchverfahren elektronisch vorgelegt werden. Die gemeinsame elektronische Übernahme von Eingaben und Beilagen trägt wesentlich zur Reduzierung von Manipulationsaufwand bei.

Die Nichtbeachtung der bisherigen § 89c Abs. 5 und 6 stellte lediglich einen Verstoß gegen eine bloße Ordnungsvorschrift dar, die keine verfahrensrechtlichen Folgen hatte (RIS-Justiz RS0124335). Die Ansicht, dass sie eine zwingend einzuhaltende Formvorschrift darstellt, deren Verletzung zu einem Verbesserungsverfahren und bei Nichtverbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führt, wurde bisher vom OGH abgelehnt.

Nunmehr soll vorgesehen werden, dass die im neugefassten § 89c Abs. 5 genannten ERV-Teilnehmer/innen in Hinkunft den elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden müssen. Der zwingende Charakter dieser Vorschrift soll dadurch klargestellt werden, dass die Nichtbeachtung wie ein Formmangel zu behandeln ist, der zu verbessern ist.

Zu Z 4 (§ 89d Abs. 2)

Bisher erfolgen die Zustellungen im elektronischen Rechtsverkehr (ERV) nur einmal täglich gebündelt, und zwar erst kurz nach Mitternacht. Die Konsequenzen des Zugehens in den elektronischen Verfügungsbereich des/der Empfänger/in wurden daher erst nach Mitternacht ausgelöst, gleichsam so, als ob das Geschäftsstück erst nach Mitternacht in Papierform zugestellt worden wäre.

Im Laufe des Jahres 2012 soll nun der ERV so umgestellt werden, dass die meisten Zustellungen (wie im E-Mail-Verkehr üblich) sofort erfolgen. Das würde – ohne Anpassung der Zustellungsregelungen – bedeuten, dass z.B. ein an eine/n berufliche/n Parteienvertreter/in knapp vor Mitternacht im ERV zugestelltes Geschäftsstück als mit diesem Zeitpunkt in dessen/deren elektronischen Verfügungsbereich gelangt anzusehen wäre, obgleich zu solchen Zeiten Rechtsanwaltskanzleien in der Regel nicht mehr „besetzt“ sind.

Die mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf vorgeschlagene Verschiebung des Zustellungszeitpunkts auf den dem elektronischen Empfang folgenden Werktag (wobei Samstage hier nicht als Werktage gelten) löst diese Schwierigkeiten und vermeidet eine Verschlechterung des Status quo und damit eine mögliche Benachteiligung für die ERV-Teilnehmer/innen.

Überdies stellt die von Seiten der beruflichen Parteienvertreter/innen schon mehrfach geforderte Änderung eine Annäherung an die elektronische Zustellung nach dem Zustellgesetz dar, die im Hinblick auf die Koppelung von ERV und Zustellservice des Bundes, die ebenfalls im Laufe des Jahres 2012 erfolgen wird, erforderlich ist.