2077 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über den Antrag 782/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterzeichnung des Berichts des Weltagrarrates

Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 23. September 2009 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Der Weltagrarbericht "IAASTD" (International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development) wurde 2002 von der Weltbank, der FAO und anderen UN-Institutionen (UNDP, UNEP, UNESCO) initiiert. Regierungen, Organisationen der Vereinten Nationen, führende Forschungseinrichtungen, die Industrie und die Zivilgesellschaft einigten sich gemeinsam auf über 400 unabhängige WissenschaftlerInnen aus der ganzen Welt, die Antworten auf die Frage suchten, was an den bestehenden landwirtschaftlichen Produktionssystemen geändert werden muss, um Armut und Hunger in der Welt dauerhaft zu bekämpfen und zu klären, welche landwirtschaftlichen Produktionssysteme besonders geeignet sind, um eine gerechte und langfristig nachhaltige Entwicklung gewährleisten zu können.

Der Weltagrarbericht wurde in einem zwischenstaatlichen Prozess (ähnlich dem IPCC – International Panel on Climate Change) unter Beteiligung von VertreterInnen der Zivilgesellschaft (NGOs, KonsumentInnen und ProduzentInnen), der Industrie und Verwaltung begleitet und ausgehandelt. Im „Bureau“ des Assessment, einer Art Aufsichtsrat, waren (neben 22 RepräsentantInnen der Zivilgesellschaft und 8 VertreterInnen aus Institutionen) gewählte RepräsentantInnen aus 30 Staaten vertreten, unter anderem auch eine Vertreterin aus Österreich.

Nach vierjähriger Arbeit und zahlreichen regionalen und internationalen Konsultationen wurden der Bericht und seine fünf regionalen Unterberichte im April 2008 in Johannesburg vorgestellt. 58 Staaten haben den Weltagrarbericht unterzeichnet, 3 Staaten (USA, Kanada und Australien) haben den Bericht als „wertvollen Beitrag“ gewürdigt, dessen Unterzeichnung wegen inhaltlicher Vorbehalte jedoch verweigert.

Der Weltagrarbericht ist der bisher umfassendste Versuch, den Stand des Wissens und der Wissenschaft zur Bekämpfung von Hunger und Armut und der landwirtschaftlichen und ländlichen Entwicklung im Hinblick auf ihre langfristige Nachhaltigkeit zusammenzufassen. Mit dem Schwerpunkt auf die Verringerung des Hungers und der Armut sowie der Existenzsicherung konzentriert sich der IAASTD-Bericht insbesondere darauf, die Agrarwissenschaft und -technologie so auszurichten, dass die Situation der armen ländlichen Bevölkerung, vor allem der KleinbäuerInnen und LandarbeiterInnen verbessert wird. Er spricht Fragen an wie ökologische Folgen einer erhöhten Produktivität, ökologische und gesundheitliche Auswirkungen genmanipulierter Pflanzen, die Folgen des Ausbaus der biogenen Energie auf die Umwelt und die langfristige Verfügbarkeit und den Preis von Nahrungsmitteln oder die Auswirkungen des Klimawandels auf die landwirtschaftliche Produktion.

Die Kernaussage des IAASTD-Berichts ist: Um die Weltbevölkerung ausreichend zu ernähren, den Teufelskreis von Hunger und Armut zu durchbrechen, den ländlichen Raum zu erhalten und mehr Gleichheit zu erreichen, muss in der Landwirtschaft ein neuer Kurs eingeschlagen werden. Ein Kurs, der auf ein neues Verständnis der Zusammenhänge in der Landwirtschaft, sowie auch der Landwirtschaft im Ökosystem aufbaut. Die heutigen Anbaupraktiken, Methoden und Ziele müssen in all ihren Aspekten hinterfragt und mit den schon erarbeiteten- sowie mit neuen- Nachhaltigkeitsansätzen ersetzt und umgehend implementiert werden. Es muss ein Kurswechsel in der Landwirtschaft vorgenommen werden, unterstützt von neuer, und vor allem dem Kleinbauer/ der Kleinbäuerin angepasster und von diesen mitbestimmter Forschung.

2009 leiden laut Welternährungsorganisation FAO mehr Menschen als je zuvor auf diesem Planeten Hunger. Die industrielle Landwirtschaft stoßt mehr Treibhausgase als je aus, steigert ihren Wasserverbrauch weiterhin und trägt maßgeblich zur Beschleunigung des Artensterbens bei. Der Weltagrarbericht benennt die Ursachen dieser Misere, aber auch Wege aus der Krise.

Österreich war im Aufsichtsrat des Weltagrarrates durch eine Vertreterin repräsentiert. Dennoch hat Österreich den Weltagrarbericht nicht unterzeichnet. Die Ergebnisse des Berichtes wurden einer breiten Öffentlichkeit nicht kommuniziert, eine öffentliche Diskussion fand nicht statt.“

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag erstmals in seiner Sitzung am 9. März 2010 in Verhandlung genommen und einstimmig beschlossen, diesen Antrag zur weiteren Vorbehandlung dem Unterausschuss des Außenpolitischen Ausschusses zur Entwicklungszusammenarbeit zuzuweisen.

Der Unterausschuss befasste sich in seinen Sitzungen am 12. Oktober 2011, 30. Mai 2012 und 4. Oktober 2012 mit der gegenständlichen Materie. In der Sitzung vom 4. Oktober 2012 legten die Abgeordneten Petra Bayr, Franz Glaser, Dr. Andreas Karlsböck, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber und Gerhard Huber beschloss der Unterausschuss gemäß § 35a Abs. 2 GOG eine Neufassung des Entschließungsantrages vor, der von den Mitgliedern des Unterausschusses einstimmig angenommen wurde.

Der Neufassung war folgende Begründung beigegeben:

„Landwirtschaft stellt in vielen Schwerpunktregionen und Partnerländern Österreichs die wichtigste Lebensgrundlage dar. So sind etwa in Afrika noch zwei Drittel der Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt. In den Transformationsländern bzw. urbanisierten Staaten ist der Anteil von armen und unterernährten Personen in den ländlichen Gebieten auch weiterhin sehr hoch.

Der seinerzeit unter anderem von Seiten der Weltbank und der FAO initiierte Weltagrarbericht „International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development (IAASTD)“ gilt als Versuch, zur Umsetzung des Ansatzes einer ökologisch nachhaltigen und sozial gerechten Landwirtschaft im Hinblick auf die Absicherung der Existenzgrundlagen armer Bevölkerungsgruppen und vor allem von Frauen beizutragen. Er behandelt Fragen wie die ökologischen Folgen einer erhöhten Produktivität, die ökologischen und gesundheitlichen Auswirkungen genmanipulierter Pflanzen, die Folgen des Einsatzes fossiler Energie in der Landwirtschaft auf die Umwelt sowie die langfristige Verfügbarkeit und den Preis von Nahrungsmitteln oder die Auswirkungen des Klimawandels auf die landwirtschaftliche Produktion.

In diesem Bericht gibt es zahlreiche Entsprechungen mit den Prämissen, Zielen und Prioritäten der österreichischen Agrar- und Entwicklungspolitik:

-       Ressourcen, die negativen Auswirkungen der globalen Erwärmung sowie nach wie vor weitverbreitete Unter- und Mangelernährung betrifft die gesamte Weltbevölkerung.

-       Der entscheidende Faktor zur Bekämpfung von Hunger und Unterernährung ist die Verfügbarkeit von ausreichenden und gesunden Nahrungsmitteln.

-       Die besten Garanten für die lokale Ernährungssicherheit sowie die nationale und regionale Ernährungssouveränität sind vielfach kleinbäuerliche Strukturen. Die Multifunktionalität ihrer landwirtschaftlichen Systeme mit ihren ökologischen und sozialen Leistungen muss anerkannt und gezielt gefördert werden.

-       Es ist vor allem in Entwicklungsländern darauf zu achten, dass die öffentliche Agrarforschung sich an der Praxisnähe orientiert, sich mit den Herausforderungen, denen sich die LandwirtInnen (und dabei vor allem der Frauen) identifiziert und sie an den Entwicklungen beteiligt.

Österreich wird hinsichtlich seiner Agrar- und Entwicklungspolitik sowohl von Seiten der Europäischen Kommission als auch vom Development Assistance Committee (DAC) der OECD ein besonderer Mehrwert zuerkannt, der sich unter anderem aus den speziellen Absätzen der Nachhaltigkeit, Regionalität, den kleinbäuerlichen Strukturen und der biologischen Wirtschaftsweise ableitet. Diese Österreich auf internationaler Ebene zugeschriebene Vorbildfunktion legt eine aktive Beteiligung an Diskussionen und Initiativen im Sinne des weiteren Verfolgs des Weltagrarberichts nahe.“

 

In seiner Sitzung vom 27. November 2012 berichtete der Abgeordnete Franz Glaser den Mitgliedern des Außenpolitischen Ausschusses über das Ergebnis der Beratungen des Unterausschusses.

An der Debatte beteiligten sich der Abgeordnete Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber.

 

Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag in der erwähnten Neufassung der Abgeordneten Petra Bayr, Franz Glaser, Dr. Andreas Karlsböck, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber und Gerhard Huber einstimmig beschlossen.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2012 11 27

                                   Franz Glaser                                                                      Dr. Josef Cap

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann