Erläuterungen

Allgemeiner Teil

I. Zielsetzungen:

Der geltende Rechtszug über drei Instanzen für das Verfahren über die Aufhebungsklage gegen einen Schiedsspruch stellt einen erheblichen Nachteil im Wettbewerb der Schiedsorte dar. Nach dem Vorbild anderer europäischer Rechtsordnungen soll daher der Instanzenzug für das Verfahren über die Aufhebungsklage gegen einen Schiedsspruch verkürzt werden. Dabei soll eine Konzentration der Aufhebungsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof als die attraktivste Lösung vorgesehen werden. Einen bloß eine Instanz umfassenden Rechtszug weist soweit ersichtlich lediglich die Schweiz auf, während in anderen vergleichbaren Schiedsplätzen ein Rechtszug über (zumindest) zwei Instanzen besteht. Der Oberste Gerichtshof soll erste und letzte Instanz sein. Damit wir die Attraktivität Österreichs im internationalen Vergleich als Schiedsort gesteigert.

Konzentriert man die Aufhebungsverfahren beim Obersten Gerichtshof, so ist es aber auch zweckmäßig, alle anderen im Zusammenhang mit einem Schiedsverfahren stehenden Verfahren, wie etwa die Verfahren über eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Schiedsspruchs nach § 612 sowie die Verfahren in Angelegenheiten nach dem dritten Titel (Bildung des Schiedsgerichts), dem Obersten Gerichtshof zuzuweisen. Damit sollen die angestrebte Beschleunigung und die Ausbildung besonderer Fachkompetenz an zentraler Stelle auch auf die anderen dem Schiedsverfahren angelagerten Verfahren vor staatlichen Gerichten erstreckt werden. Für Konsumenten und in Arbeitsrechtssachen soll es bei der geltenden Rechtslage bleiben.   

II. Finanzielle Auswirkungen:

Verfahren über Aufhebungsklagen gegen Schiedssprüche werden nicht statistisch erfasst; für eine Schätzung der Mengenstruktur ist man daher auf Rückmeldungen der Gerichte auf der Basis einer Befragung von Entscheidungsorganen angewiesen. Nach diesen Rückmeldungen gab es bei den vier Oberlandesgerichten als zweite Instanz im Jahr 2008 sechs Aufhebungsverfahren, im Jahr 2009 neun, im Jahr 2010 vier und im Jahr 2011 sechs derartige Verfahren. Die Summe der Streitwerte betrug ca. 2,8 Millionen Euro, 4,1 Millionen Euro, 4,3 Millionen Euro und im Jahr 2011 115,6 Millionen Euro. Dies entspricht Einnahmen aus Gerichtsgebühren für die erste (1,2% + 2.525 Euro) und zweite (1,8% + 3.620 Euro) Instanz von ca 90.000 Euro (2008), 130.000 Euro (2009), 140.000 Euro (2010) und 3,5 Mio Euro (2011). Unter der Annahme, dass diese Verfahren bis zum Obersten Gerichtshof (Gerichtsgebühren 2,4% + 4.827 Euro) geführt wurden oder werden, entspricht dies Einnahmen aus Gerichtsgebühren von 160.000 Euro (2008), 230.000 Euro (2009), 240.000 Euro (2010) und 6,3 Millionen Euro (2011). Die geringe Anzahl der Verfahren und hohe einzelne Streitwerte (etwa: ein Verfahren mit Streitwert 110 Millionen Euro aus dem Jahr 2011) bewirken hohe Schwankungen in den Einnahmen aus Gerichtsgebühren und machen eine zuverlässige Prognose der zukünftigen Entwicklung schwierig. 

Die vorgeschlagene neu festzusetzende Gebühr trägt der mit der Neuregelung verbundenen Kumulierung der Aufgaben und der hochkarätigen Besetzung Rechnung. Aufgrund der Synergieeffekte ist aber nur ein geringerer Betrag als bei bisheriger Ausnützung des gesamten Instanzenzugs vorzusehen. Die Verkürzung auf nur eine Instanz führt daher dazu, dass Gebühreneinnahmen entfallen. Diese werden einerseits durch die angesprochenen Synergieeffekte, andererseits längerfristig durch die zu erwartende Erhöhung der Anzahl von in Österreich abzuhandelnden Schiedsverfahren und daran anschließenden Gerichtsverfahren wettgemacht, sodass in weiterer Folge sogar mit Gebührenmehreinnahmen zu rechnen ist. Aufgrund der nicht vorhersehbaren Zahl von Klagen und der ebenso ungewissen Höhe der Streitwerte können weder ein konkreter Einnahmenentfall noch allfällige Erhöhungen verlässlich im Voraus berechnet werden.

Angesichts der geringen Zahl an Aufhebungsverfahren, des Umstandes, dass das Schwergewicht auch im Aufhebungsverfahren auf Rechtsfragen liegt, und der Möglichkeit, sich bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch der Beweisaufnahme durch einen ersuchten oder beauftragten Richter zu bedienen, ist eine nennenswerte Mehrbelastung des Obersten Gerichtshofs nicht zu erwarten.

Die mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf allenfalls verbundenen Mehrkosten werden in dem für das Bundesministerium für Justiz vorgegebenen Budgetrahmen bedeckt, allfällige Mindereinnahmen werden vom Bundesministerium für Justiz getragen.

III. Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das vorgeschlagene Bundesgesetz hinsichtlich der Artikel 1 und 4 auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B‑VG („Zivilrechtswesen“), hinsichtlich der Artikel 2 und 3 auf Art. 10 Abs. 1 Z 4 B-VG („Bundesfinanzen, insbesondere öffentliche Abgaben, die ausschließlich oder teilweise für den Bund einzuheben sind“) und auf § 7 Abs. 1 F-VG 1948.


Besonderer Teil

Zu Art. 1 (Änderung der Zivilprozessordnung):

Zu Z 1 und 2 (§§ 615 und 616 Abs. 1 ZPO):

Nach Angaben aus der schiedsverfahrensrechtlichen Praxis bilde der geltende Rechtszug über drei Instanzen für das Verfahren über die Aufhebungsklage gegen einen Schiedsspruch einen erheblichen Nachteil im Wettbewerb der Schiedsorte. Ungeachtet des Umstandes, dass Österreich, was die rasche Abwicklung zivilgerichtlicher Verfahren betreffe, im Spitzenfeld vergleichbarer Rechtsordnungen liege, habe die bloße Existenz dreier Instanzen abschreckende Wirkung auf das Zielpublikum des Schiedsrechts – den an einer raschen und endgültigen Erledigung interessierten Parteien. Eine differenzierte Darstellung, die auch die spezifischen Vorteile der österreichischen Gerichtsbarkeit einerseits und die Aufgabenteilung in einem ausdifferenzierten Instanzenzug andererseits beinhalte, sei in der üblicherweise kurzen Diskussion über die Frage des auszuwählenden Schiedsrechts gegenüber oft auch rechtsunkundigen und „internationalen“ Parteien nicht möglich. In diesem Stadium der Überlegungen stünden Fragen der Schnelligkeit und der Kosten – die sich bei einem Wegfall zweier Instanzen ebenfalls reduzierten – im Vordergrund. Nach dem Vorbild anderer europäischer Rechtsordnungen soll daher der Instanzenzug für das Verfahren über die Aufhebungsklage gegen einen Schiedsspruch verkürzt werden. Dabei wird die Konzentration der Aufhebungsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof als die attraktivste Lösung vorgeschlagen. Einen bloß eine Instanz umfassenden Rechtszug weist die Schweiz auf, während in anderen vergleichbaren Schiedsplätzen ein Rechtszug über (zumindest) zwei Instanzen besteht. Mit einer Verkürzung des Instanzenzugs kann sich Österreich im Wettbewerb der Schiedsorte einen wichtigen Vorteil verschaffen.

Nach dem vorliegenden Entwurf wird dem Obersten Gerichtshof lediglich ausnahmsweise in einer kleinen Anzahl an Fällen die Kompetenz übertragen, (auch) in erster und (nicht bloß in) letzter Instanz zu judizieren: Die Verkürzung des Instanzenzugs ist damit auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der – zumindest behauptete – Wunsch der Parteien vorliegt, die Angelegenheit gerade nicht durch staatliche Gerichte inhaltlich entscheiden zu lassen. Die dem Höchstgericht dabei übertragenen Aufgaben bestehen demgemäß auch nicht in einer Entscheidungstätigkeit in der Sache oder Überprüfung derselben, sondern – etwa im Fall der Aufhebungsklage – in der Wahrung von Rechtsschutzgarantien von besonderer Wichtigkeit einerseits oder der nach Art. 6 EMRK nicht minder wichtigen Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit dieses Zweiges der Streitentscheidung durch Mitwirkung an der Bildung des Schiedsgerichts.

Dem Obersten Gerichtshof soll daher – entgegen seiner sonst auf die Entscheidung über Rechtsfragen beschränkten Funktion – im Zivilverfahren erstmals auch die Aufgabe zukommen, ein Beweisverfahren über die für die Entscheidung relevanten Tatfragen in der Sache selbst durchzuführen. Da das Verfahren, das der Oberste Gerichtshof nun durchzuführen hat, funktionell ein erstinstanzliches Verfahren ist, ist die Anwendung der Bestimmungen über das Verfahren vor den Gerichtshöfen erster Instanz anzuordnen.

Wenn die Aufhebungsverfahren beim Obersten Gerichtshof konzentriert werden, ist es weiters zweckmäßig, auch die Verfahren über eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Schiedsspruchs nach § 612 ZPO sowie die Verfahren in Angelegenheiten nach dem dritten Titel (Bildung des Schiedsgerichts) dem Obersten Gerichtshof zuzuweisen. Damit wird die angestrebte Beschleunigung und Verbesserung der Attraktivität Österreichs sowie die Ausbildung besonderer Fachkompetenz an zentraler Stelle auch auf die anderen dem Schiedsverfahren angelagerten Verfahren vor staatlichen Gerichten erstreckt. Von der Änderung der Zuständigkeiten sollen jedoch die besonders geregelten Zuständigkeiten für die Vollziehung vorläufiger oder sichernder Maßnahmen nach § 593 Abs. 3 ZPO und für die Rechtshilfe nach § 602 ZPO unberührt bleiben; diese Materien sind zweckmäßigerweise nach wie vor von den Bezirksgerichten zu vollziehen.

Da die Verfahren im Zusammenhang mit der Bildung des Schiedsgerichts im außerstreitigen Verfahren abzuführen sind, ist auch hier die Anwendung der Bestimmungen des Außerstreitgesetzes über das Verfahren erster Instanz anzuordnen.

Zu Z 3 (§ 617 Abs. 8 bis 11 ZPO):

§ 617 enthält schon bisher Sonderbestimmungen für Konsumenten. Diese werden erweitert, indem die für Schiedsverfahren allgemein vorgesehene Verkürzung des Instanzenzuges (Änderungen in den §§ 615 und 616 ZPO) für Verfahren, in denen ein Verbraucher Partei ist, nicht übernommen wird, sondern die geltende Rechtslage unverändert beibehalten wird. Die Konzentration der Aufgaben der Gerichte in Schiedssachen beim Obersten Gerichtshof soll insbesondere eine Anpassung für Verfahren in Angelegenheiten der (internationalen) Handelsschiedsgerichtsbarkeit bewirken; sie ist jedoch nicht auf diese oder auf beiderseitige Unternehmergeschäfte beschränkt, sondern soll darüber hinaus jedenfalls in allen anderen (allgemeinen) Verfahren anzuwenden sein. Ausgeschlossen soll die Verkürzung des Instanzenzugs aber dort sein, wo sich die Frage einer Über- und Unterordnung (Unternehmer – Konsument) stellt. Verfahren, in denen ein Konsument Partei ist, sollen diesem neuen Regime daher nicht unterstellt und damit auch in diesen Fällen keine Verkürzung des Instanzenzugs vorgesehen werden. Dies entspricht auch den Ergebnissen des Begutachtungsverfahrens.

Die bisher in den §§ 615 und 616 Abs. 1 ZPO angesiedelten Bestimmungen sollen daher in die Abs. 8 bis 10 des § 617 ZPO transferiert werden; weil § 616 ZPO nun die Verfahren regelt, in denen kein Konsument Partei ist, muss aus systematischen Gründen die (Weiter-)Geltung des § 616 Abs. 2 ZPO zu § 617 Abs. 11 ZPO angeordnet werden.

Zu Z 4 (§ 618 ZPO):

Aufgrund des Begutachtungsverfahrens soll die vorgeschlagene Beibehaltung des dreistufigen Instanzenzugs für Verfahren, in denen ein Konsument Partei ist, auch für Verfahren in Arbeitsrechtssachen gelten. Auch in diesen stellt sich die Frage der Über- und Unterordnung und besteht ein besonderes Schutzbedürfnis für eine der Parteien. Es soll daher auch in diesen Fällen keine Verkürzung des Instanzenzugs vorgesehen werden.

Es kann wie bisher im Wesentlichen mit einer Verweisung auf § 617 ZPO vorgegangen werden. Die Besonderheiten arbeitsrechtlicher Verfahren hinsichtlich von Gerichtsorganisation, Verfahrensrecht und der besonderen Besetzung der Spruchkörper beim Obersten Gerichtshof sollen ausdrücklich beibehalten werden.

Zu Art. 2 (Änderung des Gerichtsgebührengesetzes):

Die Konzentration der Aufhebungsverfahren sowie aller anderen im Zusammenhang mit einem Schiedsverfahren stehenden Verfahren beim Obersten Gerichtshof gemäß § 615 ZPO erfordert gebührenrechtliche Anpassungen. Die Änderungen in den Tarifposten 3 und 12 sollen dem Umstand Rechnung tragen, dass der Oberste Gerichtshof – entgegen seiner sonst auf die Entscheidung über Rechtsfragen beschränkten Funktion – im Zivilverfahren erstmals auch die Aufgabe erhalten soll, ein Beweisverfahren über die zur Entscheidung relevanten Tatfragen in der Sache selbst durchzuführen. Mit den Aufgaben der Beweiswürdigung und der Tatsachenfeststellung übernimmt er nunmehr Agenden der ersten und zweiten Instanz. Gleiches gilt in Ansehung der Verfahrensgestaltung und rechtlichen Beurteilung unabhängig von der Bedeutung der Rechtsfrage. Da der Oberste Gerichtshof als erst- und letztinstanzliches Gericht die Aufgaben aller drei Instanzen in sich vereinigt, müssen auch die Pauschalgebühren dieser Aufgabenkumulation Rechnung tragen. Unter Berücksichtigung von Synergieeffekten kann dabei mit einer Hundersatzgebühr von 5% des Werts des Streitgegenstandes das Auslangen gefunden werden. Angesichts der Komplexität der dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung übertragenen Materie im Zusammenhang mit der hochkarätigen Besetzung des Tribunals soll auch eine Mindestgebühr festgesetzt werden, die von der Bewertung durch den Kläger bzw. die Parteien unabhängig ist. Der Besetzung entsprechend sollen sich daher auch die Gebühren für außerstreitige Verfahren im Zusammenhang mit der Besetzung eines Schiedsgerichts, dessen Entscheidung nur vom Obersten Gerichtshof überprüft werden kann, entsprechend erhöhen. Auch wenn durch diese Maßnahmen ein Einnahmenausfall in Folge des einstufigen Instanzenzuges nicht vermieden werden kann, wird sich dieser jedoch in Grenzen halten (im Durchschnitt der letzten vier Jahre wäre mit nicht viel mehr als 100 000 Euro im Jahr an Gebührenausfall zu rechnen), wobei diesem Entfall eine entsprechende Entlastung der Gerichte erster und zweiter Instanz gegenübersteht.

Mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz Justiz (VAJu) soll die Zuständigkeit für die Vorschreibung von Gebühren aus Verfahren, die beim Obersten Gerichtshof in erster Instanz anhängig sind, ab 1. Jänner 2014 geschaffen werden. Eine darüber hinausgehende Anpassung des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes ist daher an dieser Stelle nicht erforderlich.