Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, wird die zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit verfassungsrechtlich verankert (Verwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshof). Mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33, wird deren Einführung zum Jahr 2014 einfachgesetzlich vorbereitet. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf werden Regelungen im Besatzungsschädengesetz, im Entschädigungsgesetz ČSSR, sowie im Verteilungsgesetz Bulgarien vorgeschlagen, um – zusammen mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz – Bundesministerium für Finanzen, BGBl. I Nr. 70/2013, – die Materiengesetze im Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Finanzen an das ab 1. Jänner 2014 geltende System der Verwaltungsgerichtsbarkeit vollständig anzupassen.

Nach der derzeit geltenden Rechtslage ist die Bundesentschädigungskommission nach dem Besatzungsschädengesetz, BGBl. Nr. 126/1958, zur Entscheidung über Ansprüche nach folgenden Bundesgesetzen berufen:

-       Entschädigungsgesetz ČSSR, BGBl. Nr. 452/1975, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 9/2010

-       Kriegs- und Verfolgungssachschädengesetz, BGBl. Nr. 127/1958, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 305/1959,

-       Umsiedler- und Vertriebenenentschädigungsgesetz, BGBl. Nr. 177/1962,

-       Anmeldegesetz, BGBl. Nr. 12/1962, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 375/1979 sowie

-       Aushilfegesetz, BGBl. Nr. 712/1976.

Den praktisch bedeutsamsten Anwendungsfall stellt das Entschädigungsgesetz ČSSR dar, da noch nicht alle Verfahren nach diesem Bundesgesetz wegen der schwierigen Erbensuche im Ausland abgeschlossenen sind.

Der (erstinstanzlichen) Zuständigkeit der Bundesentschädigungskommission nach den genannten Bundesgesetzen ist ein bei den Finanzämtern angesiedeltes Vergleichsverfahren, in der Praxis als Anbotsverfahren oder Prüfungsverfahren bezeichnet, vorgelagert.

Die Bundesentschädigungskommission ist eine gemäß § 20 Abs. 1 des Besatzungsschädengesetzes eingerichtete weisungsfreie Kollegialbehörde nach Art. 133 Z 4 B-VG. Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG in Verbindung mit der Anlage Abschnitt A Z 9 wird die Bundesentschädigungskommission nach § 20 Abs. 1 des Besatzungsschädengesetzes mit 1. Jänner 2014 aufgelöst. Ab 1. Jänner 2014 ist daher eine Ersatzregelung erforderlich, da ‑ wie erwähnt – derzeit noch nicht alle Verfahren abgeschlossen sind und eine förmliche Aufhebung der genannten Gesetze wegen Gegenstandslosigkeit somit erst mittelfristig angezeigt erscheint.

Bereits im Begutachtungsentwurf eines Verwaltungsgerichtsbarkeitsanpassungsgesetzes – Bundesministerium für Finanzen vom 29. Jänner 2013 war ein Vorschlag für eine Anpassung des Entschädigungsgesetzes ČSSR an die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 enthalten (467/ME XXIV. GP 4): Es wurde vorgeschlagen, die Zuständigkeiten der Bundesentschädigungskommission nach dem Entschädigungsgesetz ČSSR unter Beibehaltung des vorgeschalteten Vergleichsverfahrens vor dem Finanzamt auf das Bundesverwaltungsgericht zu übertragen. Gegen diese Konstruktion wurden im Begutachtungsverfahren jedoch verfassungsrechtliche Bedenken dahingehend geäußert, dass eine derartige Zuständigkeit eines Verwaltungsgerichts von Art. 130 B-VG nicht vorgesehen sei.

Aufgrund der Komplexität der Angelegenheit wurde die Materie daher einer neuerlichen umfassenden rechtlichen Überprüfung unterzogen, in die auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes eingebunden wurde.

Basierend auf den Ergebnissen dieser rechtlichen Überprüfung schlägt der Gesetzesentwurf nunmehr folgende Nachfolgeregelung ab dem 1. Jänner 2014 vor:

-       Die Bundesentschädigungskommission nach dem Besatzungsschädengesetz soll in ihrer bisherigen Zusammensetzung und nach den bisherigen Verfahrensregeln wieder errichtet werden.

-       Das Vergleichsverfahren vor dem Finanzamt soll beibehalten werden.

-       Über Beschwerden gegen Bescheide der Bundesentschädigungskommission erkennt das Bundesverwaltungsgericht.

Dieser Konstruktion liegen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die Erläuterungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (ErlRV 1618 XXIV.GP 21) enthalten im Zusammenhang mit der Weiterführung der bei den unabhängigen Verwaltungsbehörden, die mit 1. Jänner 2014 aufgelöst werden, anhängigen Verfahren folgende Ausführungen: „[Der Übergang dieser Zuständigkeit auf die Verwaltungsgerichte] gilt nur für Verfahren, die nach der neuen Rechtslage […] in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte fallen oder diesen zugewiesen werden können. Soweit den sonstigen unabhängigen Behörden auch Zuständigkeiten zukommen, die nicht gemäß Art. 130 Abs. 1 auf die Verwaltungsgerichte übergehen und diesen auch nicht gemäß Art. 130 Abs. 2 übertragen werden können, ist durch Gesetz zu regeln, von welchen Behörden diese Aufgaben künftig – allenfalls weisungsfrei (vgl. Art. 20 Abs. 2 B-VG […]) – besorgt werden sollen; in diesem Zusammenhang können aufgelöste Behörden auch wieder errichtet werden.“ Auch Richter sollen weiterhin einer kollegialen Verwaltungsbehörde angehören können, wenn diese die Kategorien des Art. 20 Abs. 2 B-VG erfüllt (ErlRV 1618 XXIV. GP 9).

Die Bundesentschädigungskommission ist eine seit Jahrzehnten bewährte Einrichtung. Daher soll diese in der bestehenden Form wieder errichtet werden.

Bei der Zuständigkeit der Bundesentschädigungskommission nach dem Besatzungsschädengesetz handelt es sich um eine Schiedsaufgabe im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Z 4 (Z 3 neu) B-VG, zu deren Besorgung ein Verwaltungsorgan durch Bundesgesetz weisungsfrei gestellt werden kann (vgl. in diesem Sinne bereits die Typisierung der Bundesentschädigungskommission als „Schiedsinstanz“ bei Grabenwarter/Holoubek, Demokratie, Rechtsstaat und Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag, ZfV 2000 194 [199]). Damit kann sich die Weisungsfreistellung der Entschädigungskommission auf Art. 20 Abs. 2 Z 3 B-VG in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 stützen.

Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, wird auch die Bundesverteilungskommission nach § 17 des Verteilungsgesetzes Bulgarien, BGBl. Nr. 129/1964, mit 1. Jänner 2014 aufgelöst (siehe Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG in Verbindung mit der Anlage Abschnitt A Z 11). Auch hier ist eine Ersatzregelung erforderlich.

Der Zuständigkeitsbereich der Bundesverteilungskommission erstreckt sich ‑ neben dem Verteilungsgesetz Bulgarien ‑ auf folgende gesetzliche Regelungen:

-       Verteilungsgesetz DDR, BGBl. Nr. 189/1988, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/1997,

-       Verteilungsgesetz Polen, BGBl. Nr. 75/1974, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 155/1976, sowie das

-       Verteilungsgesetz Rumänien, BGBl. Nr. 71/1965 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 78/1966.

Dem Verfahren vor der Bundesverteilungskommission ist ein Verfahren vor dem Finanzamt, vergleichbar mit dem der Bundesentschädigungskommission vorgeschaltenen Verfahren, vorgelagert. Aus den gleichen Erwägungen soll daher die Bundesverteilungskommission als weisungsfreie Kollegialbehörde, der auch richterliche Mitglieder angehören, wieder errichtet werden. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass verspätete Anträge oder Wiederaufnahmeanträge ab dem 1. Jänner 2014 nicht mehr behandelt werden könnten, da eine Entscheidung durch ein Verwaltungsgericht nicht vorgesehen ist. Eine förmliche Aufhebung der genannten Gesetze wegen Gegenstandslosigkeit erscheint derzeit noch nicht angezeigt.

Kompetenzgrundlage:

Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10. Abs. 1 Z 15 B-VG („Kriegsschadenangelegenheiten“).

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der europäischen Union:

Die vorgesehenen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Die Kundmachung des im Entwurf vorliegenden Bundesgesetzes bedarf der Zustimmung der Länder gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG.


Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Besatzungsschädengsetzes)

Zu Z 1 und 2(§§ 20 bis 26):

Im Zusammenhang mit der Wiedererrichtung der Bundesentschädigungskommission werden die maßgeblichen Bestimmungen des Besatzungsschädengesetzes, welche die Zusammensetzung, Bestellung und Entlohnung der Mitglieder sowie das Verfahren vor der Bundesentschädigungskommission zum Inhalt haben, einer Rechtsbereinigung zugeführt. Durch Streichung des bisherigen § 20 Abs. 4 bzw. des 2 Satzes in § 22 Abs. 1 soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass keine Finanzlandesdirektionen mehr existieren. Mangels praktischer Relevanz soll auch § 26 aufgehoben werden.

Auf Grund der verfassungsrechtlichen Vorgaben für weisungsfreie Verwaltungsorgane (Art. 20 Abs. 2 B-VG) soll ein Aufsichtsrecht der Bundesminister für Finanz und Justiz vorgesehen werden. Das in § 20 Abs. 4 vorgesehene Abberufungsrecht aus wichtigem Grund richtet sich nach den in § 21 geregelten Bestellungsrechten.

Für das Verfahren vor der Bundesentschädigungskommission soll – wie auch bisher – das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz gelten. Eine ausdrückliche Anordnung im Gesetzestext erübrigt sich auf Grund der Generalklausel des Art. I Abs. 2 EGVG in der Fassung des Art. 5 Z 2 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013.

Das aufgrund der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 neu zu schaffende Bundesverwaltungsgericht soll die Entscheidungen (in Form von Bescheiden) der Bundesentschädigungskommission überprüfen können. Obwohl diese Zuständigkeit unmittelbar aus Art. 131 Abs. 2 B-VG folgt, wird im Interesse der einfacheren Rechtsanwendung vorgeschlagen, diese Zuständigkeit im Abs. 6 ausdrücklich klarzustellen.

Zu Z 4 (§ 30 Abs. 2 bis 5):

Die Bestimmungen enthalten die im Zusammenhang mit der Wiedererrichtung der Bundesentschädigungskommission maßgeblichen Übergangsregelungen.

Zu Artikel 2 (Änderung des Entschädigungsgesetzes ČSSR)

Zu Z 1 (§ 35):

Die Anrufbarkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich aus dem neu geregelten § 20 Abs. 5 des Besatzungsschädengesetzes bzw. des VwGH ummittelbar aus Art. 133 B-VG. § 35 zweiter Satz („Die Bestimmungen der §§ 20 bis 26 des Besatzungsschädengesetzes sind mit der Maßgabe, dass die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig ist, anzuwenden.“) kann daher gestrichen werden.

Zu Z 2 (§ 36 Abs. 2 und 3):

Durch den vorgeschlagenen Entfall des § 36 Abs. 2 und 3 wird die Tatsache berücksichtigt, dass keine neuen Anträge auf Entschädigung mehr gestellt werden können.

Zu Z 4, 6 und 9 (§ 42 Abs. 1 und § 42a Abs. 2 und 7):

Schilling- werden durch Eurobeträge ersetzt.

Zu Z 3, 5, 6, 7 und 8 (§ 41, § 42a Abs. 1, § 42a Abs. 2, Abs. 5 und Abs. 6)

Mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Übertragung einzelner Aufgaben der Finanzlandesdirektion an Finanzämter und Zollämter (Aufgaben-Übertragungs-Verordnung), BGBl. II Nr. 166/2004, wurden die bis 30. April 2004 wahrgenommenen Aufgaben der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland bei der Vollziehung des Entschädigungsgesetzes ČSSR ab 1. Mai 2004 dem Finanzamt Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf übertragen. Mit der Novelle des Entschädigungsgesetzes ČSSR BGBl. I Nr. 9/2010 wurde die Wortfolge „Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland durch die Wortfolge „zuständigen Finanzamt“ ersetzt. Da eine solche Änderung bei den §§ 36, 41 und 42a Entschädigungsgesetz ČSSR bisher nicht erfolgt ist, wird diese nunmehr nachgeholt.

Zu Artikel 3 (Änderung des Verteilungsgesetzes Bulgarien)

Zu Z 1 (§ 17):

Zur Feststellung der im § 1 Abs. 3 des Verteilungsgesetzes Bulgarien genannten Mittel wird die Bundesverteilungskommission wieder errichtet. Die Bundesverteilungskommission ist zudem für Ansprüche nach den Verteilungsgesetzen DDR, Polen und Rumänien zuständig, die diesbezüglich auf das Verteilungsgesetz Bulgarien verweisen.

Zu Z 2 (§ 18 Abs. 3):

§ 18 Abs. 3 soll entfallen, da keine Finanzlandesdirektionen mehr existieren.

Zu Z 3 (§ 18 Abs. 4 und 5):

Auf Grund der verfassungsrechtlichen Vorgaben für weisungsfreie Verwaltungsorgane (Art. 20 Abs. 2 B-VG) soll ein Aufsichtsrecht der Bundesminister für Finanz und Justiz vorgesehen werden. Das in § 18 Abs. 4 vorgesehene Abberufungsrecht aus wichtigem Grund richtet sich nach den in § 19 Verteilungsgesetz Bulgarien vorgesehenen Bestellungsrechten.

Das aufgrund der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 neu zu schaffende Bundesverwaltungsgericht soll die Entscheidungen (in Form von Bescheiden) der Bundesverteilungskommission überprüfen können. Obwohl diese Zuständigkeit unmittelbar aus Art. 131 Abs. 2 B-VG folgt, wird im Interesse der einfacheren Rechtsanwendung vorgeschlagen, die diese Zuständigkeit im Abs. 5 ausdrücklich klarzustellen.

Zu Z 5 (§ 39 Abs. 4 bis 6):

Die Bestimmungen enthalten die im Zusammenhang mit der Wiedererrichtung der Bundesverteilungskommission maßgeblichen Übergangsregelungen.