252 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 441/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend die fehlerhafte Anrechung angeblicher PartnerInneneinkommen in der Notstandshilfe

Die Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 17. Februar 2009 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Beim Vollzug des Arbeitslosenversicherungsrechtes durch das AMS werden Bestimmungen über die Einbeziehung von Einkommen vermeintlicher oder tatsächlicher LebensgefährtInnen zum Nachteil der AntragstellerInnen ausgelegt.

Die Fehlerquelle liegt sowohl in der Beurteilung der jeweiligen Lebenssituation durch das AMS wie auch in der für die AntragstellerInnen nicht eindeutig nachvollziehbare Frage, ob sie in einer Lebensgemeinschaft leben.

Bei der Berechnung von Ansprüchen aus der Notstandshilfe senkt ein etwaiges Partnereinkommen die Ansprüche der AntragstellerInnen. Aus diesem Grund werden die Anspruchsberechtigten bei der Antragstellung gefragt, ob sie in einer Lebensgemeinschaft leben. Wird diese Frage bejaht und liegt ein Einkommen der oder des vermeintlichen Partners/Partnerin in der Lebensgemeinschaft vor, reduziert sich der Notstandshilfeanspruch.

Diese Vorgangsweise des AMS widerspricht jedoch der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Der VwGH hat erkannt, dass Einkommen anderer in der selben Wohnung lebenden Personen nur dann bei der Berechnung von Ansprüchen einbezogen werden können, wenn der oder die AntragstellerIn gegenüber dieser Person entweder

- einen Unterhaltsanspruch hat oder

- tatsächlich Unterhaltsleistung (auch ohne Anspruch) erfolgen.

AntragstellerInnen ist die rechtliche Bedeutung der Frage bei deren Beantwortung selbstverständlich nicht bewusst. Sie beantworten subjektiv nicht die Frage, ob sie Unterhaltsansprüche gegen den Partner haben oder von dieser/m tatsächlich finanziell unterstützt werden, sondern eine emotional besetzte Frage: Ja, ich lebe mit einem Menschen zusammen, den ich liebe.

Auf diese Weise werden die Ansprüche der AntragstellerInnen in rechtlich nicht vertretbarer Weise verkürzt. Ihnen wird ein Einkommen zugerechnet, das sie gar nicht haben.

Es kann nicht vorausgesetzt werden, dass AntragstellerInnen der rechtliche Inhalt einer etwaigen Aussage, sie lebten in einer Lebensgemeinschaft, bewusst ist. Das Wort ‚Lebensgemeinschaft’ bezeichnet im Verständnis vieler Menschen zuallererst Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft, ohne jedoch auf eine Wirtschaftsgemeinschaft abzustellen.

Das AMS leistet keinen Beitrag zur Aufklärung der Menschen. In den FAQs des AMS zu Notstandshilfe ist zu lesen: ‚Ausschlaggebend für die Berücksichtigung des Einkommens Ihres/ Ihrer Lebensgefährten/Lebensgefährtin ist nicht die getrennte Kontenführung, da diese meist auch im Falle einer Ehe vorliegt, sondern es sind vielmehr die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft maßgebend, die zu einer Verringerung der Lebenskosten führen.’

Was also eigentlich eine Lebensgemeinschaft genau ist, wird nicht erläutert und bleibt für die Informationssuchenden somit unverständlich.

Auch im Antragsformular selbst wird nur nach dem Vorhandensein einer Lebensgemeinschaft gefragt. Was darunter zu verstehen ist, wird nicht erklärt.

Es ist für die AntragstellerInnen ohne unzumutbar hohem Aufwand nicht möglich, zu wissen, welche Frage sie also beantworten.

Angesichts eines sich glücklicherweise (wenn auch leider zu langsam) ändernden Rollenbildes von Frauen in unserer Gesellschaft ist etwa nicht nur denkbar, sondern auch wahrscheinlich, dass eine Reihe von finanziellen und organisatorischen Notwendigkeiten im Zusammenwohnen und Zusammenleben von Menschen zwar gemeinschaftlich erledigt werden, die anfallenden Kosten jedoch unabhängig von den jeweiligen Einkünften der Einzelpersonen zu gleichen Teilen aufgebracht werden. Aus einer solchen Form des Zusammenlebens mag sich zwar eine Lebensgemeinschaft im Sinne einer Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft ergeben, keinesfalls jedoch eine Wirtschaftsgemeinschaft, da von keiner Seite finanzielle Leistungen an die andere erfolgen.

Es steht der Behörde nicht zu, willkürliche Annahmen über die Gestaltung der Lebenszusammenhänge von Menschen zu treffen und daraus rechtliche Folgen abzuleiten, die einzig auf die Schaffung oder Verstärkung von Abhängigkeiten abzielen und auf diese Weise ein Bild von Lebensgemeinschaften zur Grundllage ihrer Gesetzesauslegung und ihres Vollzugs zu machen, das nicht nur nicht der Realität entspricht, sondern auch noch eine ganz spezifische – nämlich nicht partnerschaftliche – Form der Lebensgemeinschaft propagiert und erzwingt.

Die Lösung des Problems ist höchst einfach: Das AMS muss die allgemeine Frage nach dem Vorliegen einer Lebensgemeinschaft durch zwei Fragen ersetzen bzw. diese ergänzen:

- Haben Sie gegenüber Ihrem Mitbewohner/Ihrer Mitbewohnerin einen Unterhaltsanspruch?

- Trägt Ihr Mitbewohner/Ihre Mitbewohnerin regelmäßig zu ihrem Lebensunterhalt bei?

Wird eine der beiden Fragen bejaht, liegt ein einzuberechnendes Einkommen vor, ansonsten nicht.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 23. Juni 2009 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordnete Mag. Birgit Schatz die Abgeordneten Werner Amon, MBA, Dr. Martin Bartenstein, Franz Riepl, Karl Öllinger, Dietmar Keck, Ulrike Königsberger-Ludwig, Mag. Josef Lettenbichler sowie der  Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Josef Muchitsch gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2009 06 23

                                Josef Muchitsch                                                                 Renate Csörgits

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau