Vorblatt

Problem:

In den vergangenen 10 Jahren ist die Anzahl der armutsgefährdeten Menschen kontinuierlich gestiegen.

Ziele der Gesetzesinitiative:

Zur Herstellung eines bundesweit einheitlichen Mindeststandards und harmonisierter landesgesetzlicher Regelungen in der Sozialhilfe sowie weiters zur Armutsbekämpfung soll das Instrument der Bedarfsorientierten Mindestsicherung eingeführt werden. Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist ein Gesamtpaket und besteht aus einem Bündel von Maßnahmen in den Bereichen der Sozialhilfe, der Arbeitslosen-, der Kranken- und der Pensionsversicherung.

Um die inhaltliche Ausgestaltung und Finanzierung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung langfristig sicherzustellen, ist ein Zusammenwirken aller Gebietskörperschaften erforderlich.

Inhalt:

Mit der gegenständlichen Vereinbarung sollen gemeinsame Zielsetzungen und Grundsätze für eine Bedarfsorientierte Mindestsicherung zwischen dem Bund und den Ländern festgelegt werden.

Alternativen:

Keine

Finanzielle Auswirkungen:

Der Bund und die Länder tragen die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Finanzierungsanteile selbst.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Im Rahmen der Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung soll ein Fokus auch auf die Reintegration von LeistungsempfängerInnen in den Arbeitsmarkt gerichtet werden. Durch gezielte Weiterbildungsangebote und Fördermaßnahmen sollen die Vermittlungschancen der LeistungsbezieherInnen am Arbeitsmarkt wesentlich verbessert und somit die Verweildauer in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung verkürzt werden.

Darüber hinaus wird die Kaufkraft bestimmter Bevölkerungsgruppen durch die Anhebung der Höhe der bisherigen Leistungen der Sozialhilfe auf das Niveau der Mindeststandards der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und den Ausbau der mindestsichernden Elemente im Arbeitslosenversicherungsgesetz gestärkt.

Beides wird positive Auswirkungen auf den Beschäftigungsstandort Österreich haben.

Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Unternehmen:

Es sind keine Informationsverpflichtungen für Unternehmen vorgesehen.

Auswirkungen in umweltpolitischer, konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung trägt durch ihre Leistungen und flankierenden Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensumstände und damit zur Armutslinderung bei.

Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Wie den Statistiken zu entnehmen ist, sind derzeit mehr Frauen und hier vor allem Alleinerzieherinnen von Armut betroffen. Diesem Umstand soll in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entgegengewirkt werden, indem die Leistungshöhe in der Sozialhilfe für AlleinerzieherInnen jenen von Alleinstehenden angepasst wird. Die Ausgestaltung der Äquivalenzrelationen in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung folgt einem emanzipatorischen Ansatz, welcher für (Ehe)Partner jeweils Leistungen in selber Höhe vorsieht. Darüber hinaus kommt auch der Ausbau der mindestsichernden Elemente im Arbeitslosenversicherungsgesetz Frauen zugute.

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

EU-Konformität ist gegeben.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Eine der wesentlichen Zielsetzungen der österreichischen Bundesregierung ist eine weitere Verstärkung der Armutsbekämpfung zur Senkung der Zahl der armutsgefährdeten Menschen in Österreich. Laut „European Union Statistics on Income and Living Conditions“ (EU-SILC) 2006, zu Deutsch: „Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen“, sind in Österreich fast 13% der Bevölkerung armutsgefährdet (rund 1 Mio. Personen). Ohne Sozialtransfers wären rund 43% der Bevölkerung armutsgefährdet. Die Armutsgefährdung wird über das Einkommen definiert. Dabei gelten 60% des Median-Äquivalenzeinkommens als Armutsgefährdungsschwelle. Menschen, bei denen zur Einkommensarmut noch weitere Deprivationsfaktoren hinzutreten, gelten als armutsverfestigt (rund 6% der Bevölkerung). Diese Deprivationsfaktoren lassen sich in mehrere Gruppen gliedern: Zum einen geht es um mangelnde Teilhabe im Bereich der Gesundheit und des Wohnens. Daneben sind als primäre Benachteiligungen in zentralen Bereichen der Lebensführung Geldmangel für neue Kleidung oder unerwartete Zahlungen, Schwierigkeiten bei der Warmhaltung der Wohnung usw. anzusehen. Sekundäre Benachteilungen sind ein erzwungener Verzicht auf gesellschaftlich erstrebenswerte Güter wie PC, Mobiltelefon oder Internet.

Die Unterstützung von in wirtschaftliche Bedrängnis gekommenen Menschen durch gesetzliche Sozialleistungen reicht bis zum Gesetz vom 3. Dezember 1863 (RGBl. Nr. 105/1863), betreffend die Regelung der Heimatverhältnisse und den dazu ergangenen Landesarmengesetzen zurück. Die Armenversorgung lag zu jener Zeit in erster Linie in der Verantwortung der Gemeinden und privaten Institutionen, die mit dieser Aufgabe allerdings schwer überlastet waren.

Das derzeitige Sozialhilferecht in Österreich knüpft insofern an diese Regelungen an, als der Kompetenztatbestand „Armenwesen“ nach Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG von der „Armenversorgung“ nach § 22 des Heimatgesetzes und den Armengesetzen der Länder ausgeht. Dieser Kompetenztatbestand bildet auch heute noch (iVm Art. 15 Abs. 6 B-VG) die wesentlichste Grundlage für die Umsetzung des Vorhabens einer Bedarfsorientierten Mindestsicherung auf Landesebene. Soweit die Grenzen des Armenwesens überschritten sind, gründet sich die Zuständigkeit der Länder auf die subsidiäre Kompetenz nach Art. 15 Abs. 1 B-VG.

Nach dem Inkrafttreten der Kompetenzartikel hätte der Bund gemäß § 3 Abs. 2 Übergangsgesetz 1920 binnen drei Jahren ein Grundsatzgesetz erlassen sollen. Das ist jedoch nicht geschehen. Die Länder haben daher im Jahre 1928 den IV. Abschnitt des alten Heimatgesetzes als Landesgesetze übernommen. Im Jahre 1938 wurden in Österreich deutsche Fürsorgevorschriften eingeführt, die später aufgrund des § 2 Rechtsüberleitungsgesetz, StGBl. Nr. 6/1945, in vorläufige Geltung gesetzt wurden. Da der Bund von seiner Kompetenz zur Grundsatzgesetzgebung erneut keinen Gebrauch machte, konnten die Landesgesetzgeber mit Ablauf des 20. Oktober 1948 die fürsorgerechtlichen Bestimmungen frei regeln.

Das in Angelegenheiten des Armenwesens auf Bundesebene damals zuständige Bundesministerium für Inneres hat wiederholt im Zusammenwirken mit dem Bundesministerium für soziale Verwaltung Entwürfe für ein Fürsorgegrundsatzgesetz erstellt. Dabei stellte sich heraus, dass der Kompetenztatbestand „Armenwesen“ für eine der Entwicklung der öffentlichen Fürsorge gerecht werdende Regelung zu eng war.

Im Jahre 1967 legte das Bundesministerium für Inneres erneut den Entwurf eines Fürsorgegrundsatzgesetzes vor, der von den Ländern als unzureichend abgelehnt wurde. Ein Jahr später teilte dieses Ressort mit Note vom 13. Dezember 1968, GZ 208.673-31/1968, mit, dass es auf die Erlassung eines solchen Bundesgrundsatzgesetzes verzichte. Es bleibe den Ländern überlassen, auf der Grundlage des § 3 Abs. 2 Übergangsgesetz 1920 moderne Landesgesetze auf dem Gebiet der Fürsorge zu schaffen. In der Folge ergriffen die Länder die Initiative. Von der LandessozialreferentInnenkonferenz wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die einen gemeinsamen Musterentwurf ausarbeitete. Auch das Land Vorarlberg legte einen Gesetzesentwurf vor.

Die einzelnen Bundesländer haben sodann in den 1970er-Jahren eigene Landessozialhilfegesetze verabschiedet, die sich im Lauf der Jahrzehnte trotz ursprünglicher Anlehnung an den Musterentwurf unterschiedlich entwickelt haben und heute in manchen oft wesentlichen Eckpunkten voneinander abweichen. So zeigen sich Unterschiede beispielsweise bei dem Inhalt und Ausmaß der Leistungen, den Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung, dem Kreis der anspruchsberechtigten Personen oder den Kostenersatzbestimmungen.

Bereits in den LandessozialreferentInnenkonferenzen der 1980er-Jahre war das Thema Neugestaltung des Sozialhilferechts erneut Gegenstand intensiver Debatten. Im Rahmen der länderinternen Arbeitsgruppe „Neue Wege in der Sozialpolitik“, deren Bericht allerdings nicht veröffentlicht wurde, war bereits angedacht, unter dem Druck des zunehmenden Risikos der Pflegebedürftigkeit und des damit einhergehenden Anstiegs der Kosten für die Gebietskörperschaften, die so genannte offene Sozialhilfe und den Pflegebereich voneinander zu trennen. Während es im Bereich der Pflege mit der Einführung der Pflegevorsorge 1993 zu einer völligen Neugestaltung und auch weitgehenden Vereinheitlichung der Leistungen gekommen ist, gab es in der offenen Sozialhilfe in weiterer Folge wenige Ansätze für eine Harmonisierung. Seitens des Sozialministeriums wurde aber immer wieder vor allem auf die unterschiedlichen Richtsatzhöhen und Kostenersatzbestimmungen hingewiesen.

In der Zwischenzeit sah sich die Sozialhilfe mit gestiegenen und völlig veränderten Anforderungen konfrontiert. Stand in den 1970er und 1980er-Jahren noch das Prinzip der Individualität, also die Überbrückung von individuellen außergewöhnlichen Notlagen der Hilfebedürftigen, im Vordergrund, so gilt es nunmehr verstärkt, auch regelmäßig wiederkehrenden Risikolagen zu begegnen, die insbesondere durch die Zunahme der Zahl arbeitsloser Menschen, das Ansteigen atypischer Beschäftigungsverhältnisse oder das Aufbrechen traditioneller Familienstrukturen ausgelöst sind.

Diese Entwicklungen finden sich nicht nur in Österreich, sondern in der gesamten Europäischen Union. Der Europäische Rat von Lissabon beschloss daher im März 2000 die so genannte offene Methode der Koordinierung, um bis 2010 die Beseitigung der Armut und sozialer Ausgrenzung nachhaltig voranzutreiben. Mit einem weiteren Beschluss vom Dezember 2000 in Nizza wurde als zusätzliches Instrument die Ausarbeitung von nationalen Aktionsplänen gegen Armut und soziale Ausgrenzung vereinbart.

Mit den neuen Entwicklungen intensivierte sich auch die innerstaatliche Debatte über eine einheitliche Mindestsicherung. So hat der Nationalrat auf Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 1. Oktober 1997 eine Entschließung verabschiedet, in der die damalige Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, aufgefordert wurde, mit den Ländern Gespräche über die Weiterentwicklung der Sozialhilfe aufzunehmen.

Bei der LandessozialreferentInnenkonferenz am 20. November 1997 wurde ausdrücklich das Interesse an der Weiterentwicklung der Sozialhilfegesetzgebung unter Maßgabe des Konsultationsmechanismus bekundet. Die Länder haben dabei ihre Bereitschaft zur Mitarbeit betont, für eine bundeseinheitliche Regelung allerdings keinen Bedarf gesehen. In der Folge wurde ein Querschnittsvergleich der entsprechenden Strukturen in Form einer Studie angeregt, welche 1998 an Univ.-Prof. Dr. Walter Pfeil von der Universität Salzburg vergeben wurde. Im Dezember 1999 fasste die LandessozialreferentInnenkonferenz den Beschluss, eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Sozialministeriums zur Vereinheitlichung der Qualitätsstandards einzusetzen.

Auf die öffentliche Präsentation der aktualisierten Studie von Univ.-Prof. Dr. Pfeil im Herbst 2001 folgten schließlich bis zum Mai 2003 12 Sitzungen der Arbeitsgruppe „Weiterentwicklung des Sozialhilferechts“ mit VertreterInnen der Länder. Die Ergebnisse wurden im Juni 2003 in Form eines Berichtes der LandessozialreferentInnenkonferenz vorgelegt. Der Bericht wurde zustimmend zur Kenntnis genommen und als geeignetes Instrument angesehen, um eine Harmonisierung der verschiedenen Bundes- und Landesleistungen mit Mindestsicherungselementen herbeizuführen. Gleichzeitig signalisierte die LandessozialreferentInnenkonferenz ihre Bereitschaft zur raschen Umsetzung der Vorschläge im Rahmen einer Art. 15a B-VG Vereinbarung unter der Maßgabe, dass auch der Bund bereit wäre, in seinem Zuständigkeitsbereich entsprechende Mindeststandards zu definieren und diese in die Vereinbarung einzubringen.

In Folge wurde Univ.-Prof. Dr. Pfeil damit beauftragt, einen Entwurf einer Art. 15a B-VG Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über gemeinsame Maßnahmen der sozialen Mindestsicherung auf der Grundlage des Berichtes und des Beschlusses der LandessozialreferentInnenkonferenz auszuarbeiten. Im März 2004 wurde dieser Entwurf anlässlich einer Enquete der Volksanwaltschaft präsentiert. Die LandessozialreferentInnenkonferenz forderte im Juni 2004 den Bund (namentlich BMSG, BMGF und BMWA) auf, ihre grundsätzliche Position vorzulegen, die sowohl Vorstellungen über die finanziellen Mindeststandards enthalten, als auch im Besonderen auf die Fragen der Weiterentwicklung der Notstandshilfe und der Krankenversicherung für SozialhilfeempfängerInnen eingehen solle.

Da die Länder weitere Schritte von entsprechenden Erklärungen des Bundes abhängig gemacht haben, jedoch weder vom damaligen BMSG noch vom BMWA ein Verbesserungsbedarf im Bereich der Ausgleichzulagenrichtsätze bzw. des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe gesehen wurde, entstand eine sozialpolitische Pattsituation. Nach einer neuerlichen Beschlussfassung im Jahre 2006 im Hinblick auf die Einbeziehung der SozialhilfeempfängerInnen in die gesetzliche Krankenversicherung kam es zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe im damaligen BMGF, die ihre Arbeit Ende 2006 abgeschlossen hat. Im Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode aus dem Jahr 2007 wurde ein neuer Anlauf unternommen, da die Sozialdemokratische Partei Österreichs und die Österreichische Volkspartei Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zu einem der vorrangigen Ziele der neuen Bundesregierung erklärt haben. Die Idee einer Bedarfsorientierten Mindestsicherung hat dadurch einen prominenten Platz auf der politischen Agenda gefunden.

In Folge dessen wurde im Februar 2007 die Arbeitsgruppe „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“ im damaligen Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz eingerichtet, welche unter Beteiligung aller relevanten Ressorts auf Bundesebene, der Sozialpartner und der übrigen Gebietskörperschaften (Länder, Städte, Gemeinden) Grundlagen für ein neues bundesweites Mindestsicherungsmodell erarbeitet hat. Die Arbeitsgruppe wurde erneut von Univ.-Prof. Dr. Walter Pfeil wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“ sind in den vorliegenden Entwurf für eine Vereinbarung nach Art. 15a B-VG eingeflossen.

Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung besteht nicht nur aus einer Harmonisierung und inhaltlichen Weiterentwicklung der bestehenden Sozialhilferegelungen der Länder, sondern ist ein Gesamtpaket, das sich aus mehreren unterschiedlichen Maßnahmen zusammensetzt und auch nachhaltige Beiträge des Bundes beinhaltet. Deren Umsetzung wird vor allem auf dem Kompetenztatbestand „Sozialversicherungswesen“ nach Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG beruhen, der – wie das schon lange bewährte Beispiel der Ausgleichszulage in der Pensionsversicherung belegt – auch bedarfsorientierte Leistungen ermöglicht, sofern diese nur an versicherungsmäßig geregelten Grundleistungen anknüpfen.

Als erster Schritt zur Einführung einer Bedarfsorientierten Mindestsicherung und gewissermaßen als Vorleistung des Bundes haben die Ausgleichszulagenrichtsätze sowohl für 2007 als auch für 2008 eine außerordentliche Erhöhung erfahren. Darüber hinaus sollen nun die im Rahmen der Ausgleichszulagen vorgesehenen Leistungen für Kinder erhöht werden. Auch die Länder haben im selbem Zeitraum ihre Sozialhilferichtsätze angehoben.

Der nächste Beitrag des Bundes betrifft eines der Herzstücke der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, die stärkere Verknüpfung des Bezuges von Geldleistungen zur Existenzsicherung mit Maßnahmen zur (Wieder-)Eingliederung der jeweiligen BezieherInnen in das Erwerbsleben. Zu diesem Zweck werden zum einen gleichzeitig mit der Anhebung und Harmonisierung der landesrechtlichen Leistungen die mindestsichernden Elemente in der Arbeitslosenversicherung insbesondere im Hinblick auf die Notstandshilfe verstärkt.

Die ursprünglich geplante Version des One-Stop-Shops beim Arbeitsmarktservice (AMS) in der Form, dass auch Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nach dem Vorbild der Ausgleichszulage zur Aufstockung allenfalls nicht bedarfsdeckender Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) beansprucht werden können, konnte leider vorerst nicht realisiert werden. In der nunmehrigen Ausgestaltung des One-Stop-Shops sollen die AMS-Geschäftsstellen auch Anlaufstellen für die Geltendmachung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung werden, bei denen die Anspruchsberechtigten die erforderliche Information erhalten sowie die entsprechenden Anträge abgeben können. Diese sind an die für die Wohnadresse zuständigen Landesstellen weiterzuleiten, die dann die entsprechenden Maßnahmen nach Landesrecht zu treffen haben. Der Bund übernimmt weiters die Verpflichtung, in seinen arbeitsmarktpolitischen Anstrengungen BezieherInnen von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung mit anderen Arbeitsuchenden gleichzustellen, auch wenn diesen keine Ansprüche nach AlVG zukommen.

All diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, einerseits den Zugang zum letzten Netz der sozialen Sicherheit zu erleichtern und andererseits Hemmschwellen für die Inanspruchnahme der Leistungen abzubauen, sowie gleichzeitig den zur Gewährleistung einer Bedarfsdeckung erforderlichen Verwaltungsaufwand zu minimieren. Vor allem sollen die BezieherInnen von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung durch die angestrebte Verschränkung mit dem AMS rascher und nachhaltiger (wieder) in das Erwerbsleben eingegliedert werden können. Damit sollen nicht nur kurzfristige Perspektiven für die LeistungsbezieherInnen eröffnet, sondern auch mittel- und langfristige sozialökonomische Effekte bewirkt werden. Mittelfristige Effekte können dadurch erzielt werden, dass die Verweildauer in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung deutlich verkürzt werden kann; längerfristige Effekte entstehen insbesondere durch den Erwerb von Pensionsversicherungszeiten aufgrund einer Erwerbstätigkeit, die eine eigene Absicherung im Alter ermöglichen.

Auch die Einbeziehung nicht krankenversicherter BezieherInnen von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in die gesetzliche Krankenversicherung, die gemäß § 9 ASVG im Verordnungsweg umzusetzen sein wird, soll maßgeblich zur Verbesserung der Lebenssituation dieser Personengruppe beitragen, da damit ein uneingeschränkter Zugang zur Gesundheitsversorgung gewährleistet wird.

Insgesamt trägt die Bedarfsorientierte Mindestsicherung der Erkenntnis Rechnung, dass das Sozialsystem auch eine beträchtliche Produktivkraft darstellt: Auch wenn die Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung mit nicht unwesentlichen Mehraufwendungen für alle beteiligten Gebietskörperschaften verbunden ist, so darf diese Reform dennoch nicht auf ihre ausgabenseitige Dimension reduziert und dabei auf die Chancen und positiven Wechselwirkungen, die diese neue Maßnahme auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt haben wird, vergessen werden. Die geplanten staatlichen Mehrausgaben für die Bedarfsorientierte Mindestsicherung sind Mittel, die direkt dem unteren Einkommensdrittel zugute kommen. Damit wird die Kaufkraft dieser Menschen in Bezug auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse gestärkt, wodurch sich wiederum eine Beschleunigung des Privatkonsums ergibt, der in den letzten Jahren hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Diese volkswirtschaftlichen Effekte werden sich positiv auf die österreichische Wirtschaft und den heimischen Arbeitsmarkt niederschlagen.

Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung wird in weiterer Folge zu einer Erhöhung der Steuereinnahmen im Wege der Konsumsteuern führen. Eine Steuerinzidenz im Bereich der Einkommensteuer ist nicht gegeben, da bei Menschen, die Bedarfsorientierte Mindestsicherung beziehen, von keiner Steuerpflicht auszugehen ist (siehe auch § 3 EStG 1988) und sich im Vergleich zur jetzigen Sozialhilfe keine Änderung ergibt.

Die Grundlage für die finanzielle Kostentragung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung wurde im Finanzausgleich 2008-2013 geschaffen. Die gemeinsamen Nettozusatzkosten für Länder und Gemeinden für die beiden Jahre der damals noch in Aussicht genommenen Geltungsdauer der Vereinbarung (2009 und 2010) wurden mit jeweils 50 Mio. Euro gedeckelt. Im Falle einer Überschreitung der im Finanzausgleich vereinbarten Deckelung im Evaluierungszeitraum sind zwischen Bund, Ländern und Gemeinden über die künftige Kostentragung erneut Verhandlungen zu führen.

Mit der gegenständlichen Vereinbarung werden neue Wege in der Sozialpolitik beschritten. Der Inhalt der Vereinbarung stellt nicht einen kleinsten gemeinsamen Nenner der derzeitigen Sozialhilfegesetze der Länder dar, sondern trägt in vielerlei Hinsicht einer modernen Sozialgesetzgebung Rechnung. Damit soll  ein weiterer Meilenstein in der Sozialpolitik gesetzt werden.

Finanzielle Erläuterungen

Der Bund und die Länder tragen grundsätzlich die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Finanzierungsanteile.

Finanzielle Auswirkungen auf Seiten des Bundes pro vollem Kalenderjahr:

Anhebung des Erhöhungsbetrages für Kinder

in der Pensionsversicherung                                                                                                          ca.   2 Mio. Euro

Ausbau der mindestsichernden Elemente im Bereich

des Arbeitslosenversicherungsgesetzes                                                                                  ca. 107 Mio. Euro

Aufwandsersatz des Bundes in der Krankenversicherung                                                       ca. 22 Mio. Euro

Anhebung des Erhöhungsbetrages für Kinder in der Pensionsversicherung:

Im Jahr 2008 wurde für rund 15.000 Kinder von AusgleichzulagenbezieherInnen ein Erhöhungsbetrag geleistet. Der Erhöhungsbetrag ist im Jahr 2009 mit 80,95 Euro bemessen. Um den jährlichen Mindeststandard für minderjährige Kinder in Höhe von 18 vH des Mindeststandards für Alleinstehende gemeinsam mit dem Kinderzuschuss zu erreichen, wird der für Kinder von AusgleichszulagenempfängerInnen geltende Erhöhungsbetrag außerordentlich anzuheben sein. Dies würde einen budgetären Mehraufwand von rund 2 Mio. Euro jährlich bedingen.

Ausbau der mindestsichernden Elemente im Arbeitslosenversicherungsgesetz:

Eine Berechnung des Bundesrechenzentrums anhand der Bezieherdaten des Jahres 2008 hat für den Ergänzungsbetrag Nettomehrkosten von 60,1 Mio. Euro ergeben. Diesem Betrag sind die Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 7,65 Prozent und der Kostenersatz an die Gebietskrankenkassen für das Krankengeld hinzuzurechnen. Dadurch ergäbe sich für das Jahr 2008 ein Mehraufwand von 13,5 Prozent. Der Bruttomehraufwand läge somit bei 68,2 Mio. Euro.

Die Arbeitslosigkeit ist von 2008 auf 2009 um 26,1 Prozent angestiegen. Für das Jahr 2010 wird ein weiterer Anstieg um 13,1 Prozent erwartet. Diesen Anstieg berücksichtigend ergäbe sich für 2010 ein Gesamtjahresaufwand von brutto 97,3 Mio. Euro. Entsprechend dem Inkrafttreten würde davon ein Drittel im Jahr 2010 zum Tragen kommen.

Für die Anrechnung des Partnereinkommens erst ab Überschreitung des Haushaltseinkommens mit einem Betrag von 1.091,14 Euro wurde bei 10.000 in Frage kommenden Haushalten davon ausgegangen, dass sich die Einkommensanrechnung durchschnittlich um 5 Euro täglich vermindert. Unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Notstandshilfe-Bezugsdauer von 183 Tagen würden somit Nettomehrkosten von 9,15 Mio. Euro entstehen. Zuzüglich der Krankenversicherungsbeiträge von 7,1% in Höhe von rund 686.000 Euro belaufen sich die Belastungen der Arbeitslosenversicherung für diese Maßnahme auf etwa 9,826 Mio. Euro.

Einbeziehung der nicht krankenversicherten SozialhilfeempfängerInnen in die gesetzliche Krankenversicherung:

Im Paktum zum Finanzausgleich 2008 bis 2013 wurde den Ländern durch den Bund ein Krankenversicherungsbeitragssatz in Aussicht gestellt, der sich an jenem Beitrag, wie er von und für AusgleichszulagenempfängerInnen im ASVG entrichtet wird, orientiert. Der Beitragssatz für AusgleichszulagenempfängerInnen nach dem ASVG beträgt unter Berücksichtigung der Pensionssonderzahlungen im Jahr 2009 82,72 Euro für Alleinstehende bzw. 124,03 Euro für Ehepaare, da für die Ehegattin/ den Ehegatten gem. § 51d Abs. 4 ASVG iVm § 2 der Richtlinien für die Befreiung vom Zusatzbeitrag für Angehörige 2005 – RZB 2005 (Amtl. Verlautbarung Nr. 143/2005) des Hauptverbandes kein Zusatzbeitrag zu leisten ist. Unter Zugrundelegung der von den Ländern übermittelten Daten kommen für die Einbeziehung in die gesetzliche Krankenversicherung hochgerechnet rund 21.700 Personen in Frage, die im Jahr 2008 einen Anspruch auf eine Leistung aus dem Titel „Hilfe bei Krankheit“ im Wege des so genannten „Sozialhilfekrankenscheins“ hatten. Darüber hinaus wurden im selben Jahr für rund 4.675 Personen (Höchst)Beiträge für die Selbstversicherung in der Krankenversicherung geleistet. Eigenen Angaben zufolge gaben die Länder für die extramurale Versorgung rund 29 Mio. Euro und für die Selbstversicherungsbeiträge rund 11,7 Mio. Euro aus, insgesamt also rund 40,7 Mio. Euro. Um den auf die Krankenversicherung zukommenden Mehraufwand und in weiterer Folge die Kosten des Aufwandsersatzes zu berechnen, kann der Aufwand der Länder im intramuralen Bereich unberücksichtigt bleiben, da mit dem Spitalskostenbeitrag, der an die Länder im Wege des Hauptverbandes aus den Beitragseinnahmen in der Krankenversicherung zum Zwecke der Spitalskostenfinanzierung überwiesen wird, die Aufwendungen im intramuralen Bereich pauschal abgegolten werden.

Legt man den Durchschnitt der Detailangaben von vier Ländern (darunter auch Wien) zu den Haushaltskonstellationen auf obige 21.700 Personen („SozialhilfekrankenscheinempfängerInnen“) um, so ergeben sich daraus rund 12.680 Alleinunterstützte, rund 5.180 AlleinerzieherInnen und rund 2.343 Paare. Unter der Annahme, dass zu jedem Alleinerzieher- bzw. Paarhaushalt zumindest ein Kind gehört, würden die Länder an Beiträgen für diese Personengruppen 22,5 Mio. Euro jährlich entrichten. Dazu kämen weitere rund 4,6 Mio. Euro für die ehemaligen selbstversicherten SozialhilfeempfängerInnen (Vorrang der Pflichtversicherung).

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass von diesen 27,1 Mio. Euro rund ein Drittel wieder an die Länder als Spitalskostenbeitrag zur Krankenanstaltenfinanzierung zurückfließt, würde der Krankenversicherung nach Verbleib der Netto-Beiträge in Höhe von 18,2 Mio. Euro eine mögliche Finanzierungslücke in Höhe von 22 Mio. Euro erwachsen, für die der Bund bereit ist, Aufwandsersatz zu leisten.

Finanzielle Auswirkungen auf Seiten der Länder:

Die gemeinsamen Nettozusatzkosten für Länder und Gemeinden werden mit 50 Mio. Euro pro Jahr gedeckelt. Im Falle einer Überschreitung der im Finanzausgleich vereinbarten Deckelung von 50 Mio. Euro im Evaluierungszeitraum sind zwischen Bund, Ländern und Gemeinden über die künftige Kostentragung erneut Verhandlungen zu führen.

Besonderer Teil

Zu Art. 1 (Ziele):

Auf Grundlage des der Österreichischen Bundesverfassung innewohnenden bundesstaatlichen Prinzips kommen die Vertragsparteien überein, eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung zur verstärkten Bekämpfung und weitest möglichen Vermeidung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu schaffen.

Die Länder werden daher auf Grundlage des Art. 12 B-VG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 6 B-VG bzw. des Art. 15 Abs. 1 B-VG die entsprechenden Regelungen im selbständigen Wirkungsbereich treffen. Der Bund wird seine Zuständigkeit zur Umsetzung der ihn in der gegenständlichen Vereinbarung betreffenden Maßnahmen im Wesentlichen auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG stützen.

Diese Mindestsicherung hat vor allem durch Geldleistungen zu erfolgen, die eine Deckung der Grundbedürfnisse ermöglichen sollen. Dies muss aber Hand in Hand mit anderen Maßnahmen gehen, weil das vorrangige Ziel nicht die Alimentierung der betreffenden Personen sein kann, sondern in deren weitest möglicher (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt bestehen muss. Da es sich dabei zum Teil um relativ arbeitsmarktferne Menschen handelt, wird es mitunter einer sehr behutsamen, auf die individuelle Situation Bedacht nehmenden Heranführung an den (nicht notwendigerweise ersten) Arbeitsmarkt bedürfen.

Zu Art. 2 (Grundsätze):

Solange die unmittelbare (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht möglich oder noch nicht gelungen ist, muss es Ziel der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sein, durch die Deckung der in Art. 2 Abs. 1 aufgezählten Bedarfe Personen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen. Die Deckung des Lebensunterhaltes einschließlich des Wohnbedarfs sowie Hilfe bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung stellen klassische Leistungsbereiche der derzeitigen so genannten „offenen Sozialhilfe“ der Länder dar. Daher wird auch klargestellt, dass die Bestimmungen der Länder hinsichtlich der Ausgestaltung der stationären Sozialhilfe (im Rahmen von Pflegeheimen etc.) oder der übrigen in den Sozialhilfegesetzen üblicherweise geregelten Bereiche durch die Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht berührt werden.

Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung soll nach Art. 2 Abs. 1 grundsätzlich in Form einer pauschalierten Geldleistung erbracht werden. Um in einer auf den Prinzipien der Geldwirtschaft beruhenden Gesellschaft die Fähigkeit zur Selbsthilfe wieder zu erlangen, ist es zur Wahrung der eigenen Menschenwürde notwendig, frei über die Art und Weise der Bestreitung des Lebensunterhaltes entscheiden zu können. Das schließt im Einzelfall die Deckung der erforderlichen Mindeststandards durch Sachleistungen oder durch Kostenübernahmeregelungen nicht aus (vgl. Art. 10 Abs. 6 bzw. Art. 11 Abs. 2).

Für Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind grundsätzlich hoheitliche Rechtsansprüche vorzusehen, die es den AntragstellerInnen ermöglichen, im Wege eines regulären Instanzenzuges gegen einen Bescheid des jeweiligen Entscheidungsträgers vorzugehen. Die entsprechenden verfahrensrechtlichen Vorkehrungen sind vor allem nach Maßgabe des Art. 16 zu treffen. Vom Prinzip des Rechtsanspruches kann nach dieser Vereinbarung nur in bestimmten Fällen abgegangen werden. Dazu zählen zunächst die in den Art. 11 Abs. 1 und 12 vorgesehenen Leistungen, die jeweils auch im Rahmen des Privatrechts möglich sein sollen.

Daneben verpflichten sich die Vertragsparteien nach Maßgabe des Art. 16 Abs. 3 zur Vorsorge für bestimmte Maßnahmen bzw. Strukturen, aus denen jedoch keine gesonderten individuellen Rechtsansprüche resultieren (müssen). Das gilt vor allem für die verschiedenen (freilich oftmals Leistungsansprüche flankierenden) Beratungs- und Betreuungsangebote, wie sie nach Art. 2 Abs. 3 insbesondere im Hinblick auf eine nachhaltige Prävention grundsätzlich zu gewährleisten sind und in der Folge in den Art. 16 Abs. 3 und 17 Abs. 3 konkretisiert werden. Keine individuellen Rechtsansprüche vorzusehen sind weiters bei der Umsetzung der Verpflichtungen nach den Art. 7 oder 17. Zu den Maßnahmen, die zu einer weitest möglichen und dauerhaften (Wieder-)Eingliederung in das Erwerbsleben gehören, zählen insbesondere die Maßnahmen nach Art. 7 Abs. 1 und Art. 17.

Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung basiert – wie bisher die Sozialhilfe der Länder – auf dem Prinzip der Subsidiarität und unterscheidet sich damit elementar von einem bedingungslosen Grundeinkommen. Der Einsatz der eigenen Mittel sowie der eigenen Arbeitskraft sollen daher unter Berücksichtigung der in Art. 13 und Art. 14 formulierten Ausnahmen nach wie vor eine wesentliche Voraussetzung für den Bezug der Leistungen darstellen. Auch die Verankerung von „Bemühungspflichten“ etwa im Hinblick auf die Rechtsverfolgung (vgl. Art. 13 Abs. 2) ist diesem Subsidiaritätsverständnis zu unterstellen. Ebenfalls unverändert sollen die Regelungen auf Bundesebene bleiben, die vor allem die Einkommensanrechnung bzw. Unterhaltsberücksichtigung bei Ausgleichszulage und Notstandshilfe betreffen.

Mit den bundesweit einheitlichen Mindeststandards in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung soll das österreichische Sozialsystem armutsfest gestaltet werden. Die festgelegten Mindeststandards können daher nach Abs. 4 zweiter Satz, sei es z.B. zur Setzung besonderer sozialpolitischer Schwerpunkte oder auch zur Wahrung bereits bestehender höherer Standards, von den Vertragsparteien in ihren jeweiligen Gesetzen oder Verordnungen auch überschritten werden. In diesem Sinne hat sich bereits in den Diskussionen um die Höhe der Geldleistungen abgezeichnet, dass die meisten Bundesländer, die jetzt höhere Richtsätze für Kinder vorsehen, diese unbedingt beibehalten wollen. Besserstellungen durch Vertragsparteien sollen aber auch hinsichtlich der sonstigen Rahmenbedingungen, wie z.B. bei den Ausnahmekriterien für den Einsatz des Einkommens oder der Arbeitskraft, möglich sein.

Die daraus allenfalls resultierenden Unterschiede sind letztlich dem grundsätzlich gleichwertigen Nebeneinander mehrerer Gesetzgeber im System der Österreichischen Bundesverfassung geschuldet und begründen damit für sich genommen keine verfassungsrechtlichen Bedenken insbesondere auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz.

In Abs. 4 dritter Satz wird schließlich noch der Grundsatz eines „Verschlechterungsverbotes“ statuiert, demzufolge das bisherige haushaltsbezogene Leistungsniveau durch die in Umsetzung dieser Vereinbarung zu erlassenen Regelungen nicht verschlechtert werden darf. Da diese vielfach zu Systemumstellungen führen werden, haben die Vertragsparteien durch geeignete Rechtsvorschriften und Maßnahmen sicherzustellen, dass sich das jeweilige haushaltsbezogene Leistungsniveau zur Deckung der Bedarfe nach Art. 3 in Summe insgesamt nicht verringert. Die Verankerung des Verschlechterungsverbotes als allgemeiner Grundsatz soll überdies unterstreichen, dass weder systematisch noch im Einzelfall Parallelrechnungen zwischen alter und neuer Rechtslage angestellt werden müssen oder Einzelpersonen dahingehend ein Recht ableiten können. Unter Berücksichtigung dessen, dass es sich bei den Mindeststandards in dieser Vereinbarung lediglich um den Kernleistungsbereich der offenen Sozialhilfe handelt (s. Art. 3), wäre klarstellend anzuführen, dass Leistungen, die bisher im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gewährt wurden, nunmehr weder mit Rechtsansprüchen ausgestattet werden müssen, noch in den haushaltsbezogenen Leistungsvergleich einfließen.

Zu Art. 3 und Art. 12 (Erfasste Bedarfsbereiche und Zusatzleistungen):

In Art. 3 werden die jeweils erfassten Bedarfsbereiche näher umschrieben. Nach Abs. 1 gehört dazu zunächst der Lebensunterhalt. Dieser umfasst wie schon bisher in den meisten Ländern den regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und Strom sowie persönliche Bedürfnisse, welche eine angemessene soziale und kulturelle Teilnahme erlauben.

Grundsätzlich werden die hier angeführten Bedarfsbereiche durch die pauschalierte Geldleistung, die in Art. 10 näher festgelegt wird, abgedeckt. Damit soll eine angemessene gesellschaftliche Teilhabe der BezieherInnen einer Leistung aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gesichert sein. Sollten LeistungsempfängerInnen im Einzelfall besonders hohe Kosten z.B. durch eine Erkrankung entstehen, so können die Länder im Sinne des Art. 12 auch einmalige oder – je nach Bedarfslage - regelmäßige höhere Leistungen gewähren.

Ebenso können für spezifische Bedarfe, welche durch die pauschalierte Leistung nicht abgedeckt werden, wie etwa die Anschaffung eines neuen Kühlschranks oder erhöhte Heizkosten, weitere gezielte Einzelleistungen zumindest im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung der Länder zuerkannt werden. Dies muss aber nicht notwendigerweise in Form von Rechtsansprüchen erfolgen.

Der Wohnbedarf nach Art. 3 Abs. 2, an den dann in Art. 10 Abs. 1 und 11 angeknüpft wird, umfasst die Aufwendungen für Miete und allgemeine Betriebskosten, die regelmäßig auch Abgaben (z.B. Kanal- oder Abfallgebühren) beinhalten, welche aber zur Klarstellung gesondert angeführt werden. Zu den allgemeinen Betriebskosten gemäß § 21 MRG zählen beispielsweise auch die Wasserversorgung oder die Kanalräumung. Die Kosten für Heizung und Strom werden, wie bereits angeführt, durch die Leistungen zum Lebensunterhalt gedeckt. Die Verwendung des Begriffes „Wohnbedarf“ geht auf Anregungen im Begutachtungsverfahren zurück und stellt nicht nur eine Anpassung an eine zeitgemäße Terminologie dar, sondern korreliert auch besser mit dem Begriff „Wohnbeihilfe“. Darüber hinaus wurden im ursprünglichen Entwurf und in den Erläuterungen unterschiedliche Begriffe verwendet, die nunmehr einer Einheitlichkeit zugeführt wurden.

In Art. 3 Abs. 3 wird der Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung als Maßnahme im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung definiert. Dieser Schutz soll insbesondere gemäß Art. 8 durch Einbeziehung dort bisher nicht erfasster LeistungsbezieherInnen in die gesetzliche Krankenversicherung gewährleistet werden. Die BezieherInnen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung einschließlich der ihnen zugehörigen Angehörigen sollen somit einen uneingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten.

Zu Art. 4 (Personenkreis):

Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind jenen Personen zu gewähren, die auch nur einen Bedarfsbereich gemäß Art. 3 Abs. 1 oder Abs. 2 dieser Vereinbarung nicht für sich selbst bzw. für die mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden, ihnen gegenüber unterhaltsberechtigten Personen oder die mit ihnen in Lebensgemeinschaft lebenden Personen decken können. Damit wird gleichzeitig der Rahmen der jeweiligen Bedarfsgemeinschaft vorgegeben. Die Zugehörigkeit zu einer solchen ist entscheidend für die Berechnung des Bedarfs, insbesondere auch im Hinblick auf die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen.

Zu einer Bedarfsgemeinschaft zählen beispielsweise die im gemeinsamen Haushalt lebenden EhepartnerInnen bzw. LebensgefährtInnen und die unterhaltsberechtigten Kinder. Auch wenn - semantisch betrachtet - eine Bedarfsgemeinschaft implizit nur aus mindestens zwei Personen bestehen kann, wäre jedoch beispielsweise auch bei alleinunterstützten Personen in einer Haushalts- bzw. Wohngemeinschaft mit anderen, ihr gegenüber nicht unterhaltsberechtigten oder -verpflichteten Personen systemkonform von einer solchen auszugehen. Die Einteilung in eine „Bedarfsgemeinschaft“ innerhalb einer Haushalts- oder Wohngemeinschaft hat keine Auswirkung auf die Zuerkennung der für die jeweilige Haushaltskonstellation vorgesehenen Mindeststandard-Kategorie. In diesem Sinne würde etwa dieser Person, unabhängig davon, ob die anderen Mitbewohner ebenfalls eine Leistung aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung erhalten, ein Mindeststandard nach Art. 10 Abs. 3 Z 1 lit. a gebühren und nicht nach Art. 10 Abs. 2.

Wie bisher in der Sozialhilfe (allenfalls in Verbindung mit § 10 Abs. 4 AVG) soll es zwar bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung möglich sein, dass eine Person Leistungen auch für die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen geltend macht. Dies kann allerdings in Hinkunft nur mehr im Namen, also in Vertretung der betreffenden Person(en) erfolgen. In der Praxis hat nämlich die Beschränkung der Antragslegitimation auf eine Person der Bedarfsgemeinschaft nicht selten zu dem untragbaren Ergebnis geführt, dass weitere Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf die Dispositionen der (allein) antragsberechtigten Person angewiesen waren. Im Lichte eines gleichberechtigten und emanzipatorischen Zugangs zu den Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist es daher unabdingbar, zumindest jeder erwachsenen Person (großzügigere Regelungen, z.B. im Hinblick auf mündige Minderjährige sind natürlich wie bisher nicht ausgeschlossen) in der Bedarfsgemeinschaft die Möglichkeit eines gesonderten Antragsrechtes und damit verbunden gegebenenfalls einer gesonderten Parteistellung einzuräumen.

Dies kommt lediglich dort nicht in Betracht, wo die Bedarfsorientierte Mindestsicherung nur als Zusatzleistung zu einer an eine bestimmte Person geknüpfte Grundleistung (z.B. die Ausgleichszulage zu einer von bestimmten Versicherungszeiten abhängigen Pension oder der Familienzuschlag zum Arbeitslosengeld/zur Notstandshilfe) beansprucht werden kann. Reicht diese Leistung jedoch nicht aus, um den Bedarf des/der jeweiligen Partners/Partnerin zu decken, hat diese/r wie schon bisher die Möglichkeit, für sich Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nach den Art.  10 bis 12 geltend zu machen.

Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind nur jenen Personen zu gewähren, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich nachweisen. Mit dieser Anknüpfung in Art. 4 Abs. 1 soll unter anderem klargestellt werden, dass die Geldleistung nicht ins Ausland exportiert werden kann. Dies entspricht auch der Rechtslage nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149, S. 2). Nach deren Art. 4 Abs. 4 ist die Sozialhilfe explizit vom sachlichen Geltungsbereich ausgenommen. Gleiches gilt für die in Ermangelung einer Durchführungsverordnung freilich noch nicht in Geltung stehende Nachfolgeregelung im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Rates und des Europäischen Parlamentes vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (vgl. deren Art. 3 Abs. 5: „soziale und medizinische Fürsorge“).

An dieser Qualifikation ändert sich auch nichts, wenn Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung als Annex zu anderen Leistungen ausbezahlt werden sollten: Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 enthält in ihrem Art. 4 Abs. 2a die Kategorie „besondere beitragsunabhängige Geldleistung“ (ebenso in Hinkunft: Art. 70 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004), die von der Exportpflicht ausgenommen ist. Dieser Sonderstatus ist im Hinblick auf die Ausgleichszulage auch vom EuGH in der Rs Skalka (EuGH-Slg. 2004I-05613) bestätigt worden.

Im Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode war festgehalten, dass die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zur Vermeidung eines „Sozialtourismus“ an das Recht auf den dauernden Aufenthalt in Österreich gebunden sind. Mit dieser Anknüpfung soll klargestellt werden, dass Ansprüche auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung grundsätzlich nur für Personen in Betracht kommen, die zum unbefristeten Aufenthalt in Österreich berechtigt sind (Aufenthaltstitel: „Daueraufenthalt-EG“, „Daueraufenthalt-Familienangehöriger“ bzw. Aufenthaltsrecht kraft Gemeinschaftsrecht).

Diese allgemeine Festlegung wird durch die demonstrative Aufzählung in Art. 4 Abs. 3 der Vereinbarung konkretisiert und auf Grundlage europarechtlicher Bestimmungen um Ausnahmen zum oben angeführten Grundsatz des unbefristeten Aufenthaltsrechtes ergänzt. Obzwar das BMI in seiner Stellungnahme empfohlen hat, eine präzise Aufzählung der in Frage kommenden Aufenthaltstitel nach ihren gesetzlichen Rechtsgrundlagen im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG aufzunehmen, wurde im Hinblick auf die große und auch weiter zu erwartende Dynamik des Fremdenrechts davon Abstand genommen.

Die gesetzlichen Bestimmungen über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (NAG) sowie des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (Fremdenrechtspaket 2005) werden durch diese Vereinbarung nicht nur nicht berührt, vielmehr sind diese Gesetze auch zur Beurteilung und Feststellung eines rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich heranzuziehen. Unter Berücksichtigung aufrechter Aufenthaltstitel nach alten Rechtsgrundlagen, insbesondere der unbefristeten Niederlassungsbewilligung, und auf Grund europarechtlicher Erwägungen sind Personen von Art. 4 Abs. 3 dieser Vereinbarung erfasst, die einen aufrechten Aufenthaltstitel gemäß §§ 48, 49 bzw. § 81 NAG oder gleichzuhaltende Aufenthaltsberechtigungen besitzen.

Zu den Aufenthaltstiteln gemäß § 49 NAG ist klarstellend auszuführen, dass es sich bei diesen Titeln nicht um „dauernde“ im Sinne von unbefristeten Aufenthaltsberechtigungen handelt, sondern um für ein Jahr gültige Niederlassungsbewilligungen, die gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 NAG zu einer nicht bloß vorübergehenden befristeten Niederlassung berechtigen. Nach Art. 21 der Richtlinie 2003/109/EG („Daueraufenthaltsrichtlinie“) verfügen jedoch Drittstaatsangehörige, die in einem anderen EU-Staat zum Daueraufenthalt berechtigt sind, über die gleichen Rechte wie Drittstaatsangehörige mit Daueraufenthaltsrecht in Österreich, sofern sie über einen österreichischen Aufenthaltstitel verfügen, wobei auch ein befristeter Aufenthaltstitel ausreichend ist. Die in Umsetzung der Richtlinie ergangenen Regelungen über die Erteilung eines - quotenpflichtigen - Aufenthaltstitels an  langfristig Aufenthaltsberechtigte eines anderen EU-Staates in § 49 NAG sind daher auch unter Art. 4 Abs. 3 zu subsumieren.

Zu Art 4 Abs. 3 Z 3 ist zunächst festzuhalten, dass nur jene EWR-BürgerInnen einen Anspruch auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung haben sollen, die zu einem Aufenthalt im Inland berechtigt sind. Die Frage der Aufenthaltsberechtigung richtet sich dabei ausschließlich nach den entsprechenden fremdenrechtlichen Bestimmungen.

Weiters ist klarzustellen, dass die umfassende Gleichbehandlungspflicht nur denjenigen EWR-BürgerInnen und Schweizer Staatsangehörigen zukommt, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben (Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG). Für ihre Familienangehörigen ist das Vorhandensein eines abgeleiteten Freizügigkeitsrechts erforderlich.

Bei der Umsetzung des Art. 4 Abs. 3 sind auch europa- bzw. völkerrechtliche Vorgaben, insbesondere im Hinblick auf die Gleichstellung der subsidiär Schutzberechtigten (vgl. Art. 2 lit. e iVm Art. 28 der RL 2004/83/EG) zu beachten.

Die ausdrückliche Anführung der österreichischen Staatsangehörigen in Z 1 dient nur der Klarstellung, deren Familienangehörige aus Drittstaaten sind schon zur Vermeidung einer Inländerdiskriminierung (Art. 7 B-VG) gleichzustellen. Allerdings soll sich diese Gleichstellung nur auf die haushaltszugehörige so genannte „Kernfamilie“ gemäß § 47 Abs. 2 NAG (Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“) beschränken. Nicht davon erfasst sind demnach beispielsweise die Eltern, Großeltern oder Geschwister des/der Ehegatten bzw. Ehegattin des Zusammenführenden.

Für Personen, denen nach Art. 4 Abs. 3 dieser Vereinbarung kein Rechtsanspruch auf eine Leistung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zukommt und die in Abs. 4 ebenfalls beispielhaft aufgelistet werden, können die Länder wie bisher zur Vermeidung von Härten Leistungen ohne Rechtsanspruch und/oder in eingeschränktem Ausmaß vorsehen.

In diesem Zusammenhang wird schließlich auch klargestellt, dass die Verpflichtungen, die bereits aus der Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG resultieren, durch die vorliegende Vereinbarung nicht berührt werden. Der dort erfasste Personenkreis gehört damit grundsätzlich nicht zu den Adressaten von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung mit Rechtsanspruch. Wie bisher bleibt es den Ländern unbenommen, beispielsweise Asylberechtigten ab Zuerkennung ihrer Flüchtlingseigenschaft einen Rechtsanspruch einzuräumen.

Zu Art. 5 (Ausgleichszulage und vergleichbare Leistungen):

Die Ausgleichszulage in der Pensionsversicherung stellt die wohl bekannteste Sozialleistung des Bundes mit explizitem Bedarfssicherungscharakter dar. Art. 5 Abs. 1 verpflichtet den Bund, diese Leistungen beizubehalten und die Ausgleichszulagenrichtsätze nach den Vorgaben des Pensionsrechts und unter Berücksichtigung der Äquivalenzrelationen nach Art. 10 Abs. 2 und Abs. 3 Z 1 lit. a jährlich zu erhöhen.

Dies gilt sinngemäß auch für andere Bundesgesetze, die gleich gelagerte Leistungen bzw. Zulagen enthalten, wie etwa im Beamten-Pensionsrecht oder im Sozialen Entschädigungsrecht.

Gemäß Abs. 2 verpflichtet sich der Bund überdies, den Erhöhungsbetrag zum Ausgleichszulagenrichtsatz für Kinder im ASVG (im Ausmaß von 80,95 Euro für das Jahr 2009) und seinen Parallelgesetzen auf den Mindeststandard nach Art. 10 Abs. 3 Z 2 lit a anzuheben. Dies soll unter Berücksichtigung des bereits gemäß § 262 ASVG zusätzlich zur Pension gewährten, also der Bedarfsdeckung von Kindern dienenden Kinderzuschusses erfolgen. Diese Maßnahme soll die in der Pensionsversicherung enthaltenen mindestsichernden Elemente weiter stärken und stellt einen wichtigen Beitrag des Bundes zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung dar.

Zu Art. 6 (Arbeitslosenversicherung):

Im Regierungsprogramm ist der Ausbau der mindestsichernden Elemente im AlVG vorgesehen. Dies soll vor allem auf zwei Ebenen erfolgen: Zum einen soll das System der 60%-igen Nettoersatzrate für Alleinstehende, deren Arbeitslosengeldbezug unter dem täglichen Wert des Ausgleichszulagenrichtsatzes liegt (vgl. § 21 Abs. 4 und 5 AlVG), vollständig in der Notstandshilfe abgebildet werden, d.h. die Notstandshilfe beläuft sich dann grundsätzlich auf 95% der auf 60% erhöhten Nettoersatzrate. Bei Arbeitslosen mit Anspruch auf Familienzuschläge soll sogar die auf bis zu 80% erhöhte Nettoersatzrate als Berechnungsbasis für die Notstandshilfe herangezogen werden. Die Nettoersatzrate bei der Notstandshilfe wird damit auf bis zu 57% (bei BezieherInnen mit Anspruch auf Familienzuschlägen: 76%) des vorherigen durchschnittlichen Einkommens erhöht.

Die zweite Maßnahme betrifft die Anrechnung des PartnerInneneinkommens, die bei der Notstandshilfe immer wieder zu Härten geführt hat. Daher soll es in Hinkunft ausgeschlossen sein, dass diese Anrechnung zu einem Haushaltseinkommen führt, das unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Ehepaare (allenfalls zuzüglich der für Kinder vorgesehenen Erhöhungen) liegt. Eine Kürzung der Notstandshilfe kommt in diesen Fällen nur mehr insoweit in Betracht, als deren Höhe zusammen mit den sonstigen Einkünften der arbeitslosen Person und ihres Partners/ihrer Partnerin nicht unter dieser neuen erhöhten Grenze liegt. Kürzungen aus anderen Gründen, z.B. auf Grund der Aufrechnung eines vorangegangenen ungerechtfertigten Bezuges nach § 25 Abs. 4 AlVG bleiben unbenommen.

Beide Verbesserungen werden sich unmittelbar in der Höhe der Notstandshilfe niederschlagen und sind damit auch bei der Bemessung von Kranken- oder Wochengeldansprüchen nach § 41 AlVG zu berücksichtigen. Entsprechend der Höhe der Notstandshilfe werden aber auch höhere Krankenversicherungsbeiträge entrichtet.

Zu Art. 7 und 17 (One-Stop-Shop, Arbeitsfähigkeit und Arbeitsmarktintegration):

Die möglichst nachhaltige (Wieder-)Eingliederung aller arbeitsfähigen und arbeitsuchenden Personen in den Arbeitsmarkt bildet eine der wesentlichsten Maßnahmen zur Vermeidung und Bekämpfung von Armut und sozialer Ausschließung und kommt daher bereits im allgemeinen Programmsatz des Art. 1 sowie in den Grundsätzen nach Art. 2 Abs. 3 zum Ausdruck. Hier gilt es sicherzustellen, dass alle Arbeitsuchenden eine bestmögliche Betreuung und Förderung ihrer Fähigkeiten erfahren, damit ihre Chancen am Arbeitsmarkt deutlich verbessert werden können.

Das Arbeitsmarktservice ist schon jetzt für die Betreuung aller Arbeitsuchenden zuständig, unabhängig davon, ob sie Leistungsansprüche in der Arbeitslosenversicherung haben oder nicht. Angesichts der vielfältigen Probleme von Personen, die schon länger vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind oder aus sonstigen Gründen keine Ansprüche nach dem AlVG haben, müssen die Anstrengungen gerade für diese Personengruppen verstärkt werden. Art. 7 Abs. 1 enthält daher auch die Verpflichtung des Bundes, BezieherInnen einer Leistung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung denselben Zugang zu den Dienstleistungen des Arbeitsmarktservice gem. § 32 AMSG zu eröffnen. Es ist dafür Sorge zu tragen, diese Personen beim Zugang zu Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung anderen Arbeitsuchenden gleichzustellen und sie auf Grund ihrer besonderen Situation in die allgemeinen Zielvorgaben des AMS aufzunehmen. Evident ist, dass der Großteil der als arbeitsuchend vorgemerkten SozialhilfeempfängerInnen bereits derzeit zu einer der in den allgemeinen Zielvorgaben gem. § 59 AMSG angeführten Personengruppen gehört. Dazu zählen insbesondere Jugendliche und Ältere, Personen mit Ausbildungsdefiziten, WiedereinsteigerInnen oder Langzeitbeschäftigungslose.

Das schließt nicht aus, dass sich auch die Länder und sonstige Sozialhilfeträger an entsprechenden Maßnahmen und Projekten beteiligen, wie das – wie etliche erfolgreiche Projekte (nicht zuletzt die „Territorialen Beschäftigungspakte“) zeigen – ja schon bisher der Fall war. Diese Praxis soll durch das ausdrückliche Bekenntnis zur weiteren Zusammenarbeit auch auf regionaler Ebene in Art. 17 Abs. 3 bekräftigt und auf eine offizielle Grundlage gestellt werden. Dies wird durch das Bekenntnis der Vertragsparteien in Art. 17 Abs. 4 ergänzt, ihre Bemühungen und Maßnahmen zur Wiedereingliederung von arbeitslosen hilfebedürftigen Personen ins Erwerbsleben zumindest in ihrem bisherigen Ausmaß beizubehalten. Damit wird jedoch die Dispositionsfähigkeit der Vertragsparteien im Hinblick auf konkret bestehende Projektträgervereinbarungen nicht eingeschränkt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass arbeitsmarktpolitische Maßnahmen der Länder auf freiwilliger Basis erbracht werden und die grundsätzliche Kompetenzverteilung in diesem Bereich nicht in Frage gestellt wird. Damit der Bund seiner Verpflichtung gem. Art. 7 Abs. 1 nachkommen kann, sind zusätzliche Mittel sowohl für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur (Wieder-)Eingliederung von BMS-EmpfängerInnen ins Erwerbsleben als auch für die zur Umsetzung der Maßnahmen notwendige Personalausstattung des AMS nach Art. 17 Abs. 5 vorzusehen.

Bis die Arbeitsmarktintegration erfolgt ist und ein existenzsicherndes Einkommen zur Verfügung steht, sind die betreffenden Personen und ihre Angehörigen auf Leistungen zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Existenz angewiesen. Dies erfolgt zunächst durch Leistungen der Arbeitslosenversicherung, zum Teil auch durch Beihilfen zur Deckung des Lebensunterhaltes nach dem AMSG. Wenn jedoch damit die Bedarfe nach Art. 3 nicht gedeckt sind, müssen zusätzliche Leistungen in Anspruch genommen werden. Das betrifft vor allem die Sozialhilfe, die in den letzten Jahren in fast allen Bundesländern einen starken Anstieg von BezieherInnen zu verzeichnen hatte, die eigentlich bereits einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe haben („Aufstocker“).

Hier einen erleichterten Zugang zu den Leistungen sowie eine einheitliche Deckung der regelmäßigen Bedarfe und gleichzeitig eine Entlastung der Verwaltung zu gewährleisten, sind daher zentrale Elemente der Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Im Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode war die Erfassung aller arbeitsfähigen Personen, die auf Leistungen einer Bedarfsorientierten Mindestsicherung angewiesen sind, beim AMS als One-Stop-Shop vorgesehen. Damit soll eine möglichst enge Anbindung der EmpfängerInnen einer Bedarfsorientierten Mindestsicherung an das AMS sichergestellt werden. Dazu soll dort nach Art. 7 Abs. 2 zusätzlich zu der schon angesprochenen bevorzugten Nutzung des Dienstleistungsangebotes auch eine zusätzliche Anlaufstelle für alle arbeitsfähigen Personen geschaffen werden, unabhängig davon, ob sie Ansprüche nach dem AlVG haben oder nicht.

Die Geschäftsstellen des AMS haben demnach allen arbeitsfähigen und arbeitsuchenden Personen neben den in Art. 7 Abs. 1 vorgesehenen Leistungen jene Informationen anzubieten, die für die Antragstellung auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung insbesondere nach Art.  10 und 11 erforderlich sind. Dabei werden sie vorwiegend unter Verwendung von Informationsmaterial (allenfalls FAQs), Checklisten oä. vorgehen, die von den Ländern zur Verfügung zu stellen sind. Die beim AMS eingebrachten Anträge auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung (samt Beilagen) sollen ohne unnötigen Aufschub - nach einer Dokumentation über den Erhalt der Unterlagen - an den für die dem AMS bekannt gegebene Wohnadresse zuständigen Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung weitergeleitet werden, welcher dann das Verfahren nach den landesrechtlichen Vorschriften durchzuführen hat. Die Möglichkeit der Antragstellung bei anderen Stellen, insbesondere den Bezirksverwaltungsbehörden, wird davon nicht berührt. Der Auftrag an das AMS, die Anträge ungeprüft und im Sinne des § 6 AVG ohne unnötigen Aufschub weiterzuleiten, schließt die Prüfung der Antragsberechtigung oder die Vornahme von Verbesserungsaufträgen infolge fehlender Unterlagen für das Arbeitsmarktservice aus.

Klarstellend wäre darauf hinzuweisen, dass unter Art. 7 Abs 2 Z 2 keine aktive Übermittlung dieser Informationen vom Arbeitsmarktservice an die Länder zu verstehen ist. Der Bund wird vielmehr (auch in Umsetzung des Art. 18) einen automationsunterstützten Zugriff auf diese relevanten Daten ermöglichen.

Eine weitergehende Verschränkung zwischen AMS und Länderstellen war zwar angedacht, ist aber derzeit nicht realisierbar. Perspektivisch gesehen könnte jedoch die jetzige Etablierung des AMS als zusätzliche Anlaufstelle für alle arbeitsfähigen Personen als erster Schritt für eine Weiterentwicklung des One-Stop-Shops betrachtet werden. Weitere Ausbauoptionen könnten sodann Teil der inhaltlichen Evaluierung der Auswirkungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sein.

Unabhängig von der Reichweite der dem AMS im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung überantworteten Aufgaben ist die Prüfung der Arbeitsfähigkeit eine für das Funktionieren eines Zusammenwirkens zwischen AMS und Länderstellen ganz entscheidende Frage. Um hier unterschiedliche Beurteilungen und vor allem „negative Kompetenzkonflikte“ zu Lasten der Betroffenen zu vermeiden, soll die Beurteilung dieser keineswegs auf medizinische Aspekte beschränkten Frage (Art. 17 Abs. 2 definiert daher Mindestinhalte der jeweiligen Gutachten, wie sie sich etwa bereits im Wiener Modell „Berufliches Diagnosezentrum“ bewährt haben) indirekt einer Stelle „übertragen“ werden, deren Gutachten sowohl für das Arbeitsmarktservice als auch für die jeweiligen Landesstellen im Rahmen der Regelungen über den Sachverständigenbeweis (§ 52 AVG) verbindlich ist. Da bei psychisch kranken Menschen im Rahmen der Feststellung ihrer Arbeitsfähigkeit mitunter auch auf psychologische Gutachten zurückgegriffen wird, sollen auch diese – nicht medizinischen – Gutachten ebenfalls als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden können.

Um keine neuen Bürokratien zu schaffen, soll in Art. 17 Abs. 1 und 2 nur eine Verpflichtung festgeschrieben werden, entsprechende Vorkehrungen insbesondere im Hinblick auf solche Clearingaufgaben zu treffen. Ob diese jedoch etwa von den Amtsärzten, dem BBRZ oder anderen bereits bestehenden Stellen übernommen werden oder ob diese Aufgabe von der im Rahmen der Arbeitsgruppe „Invalidität im Wandel“ an der Schnittstelle zwischen Pensionsversicherungsanstalt und AMS angedachten „Gesundheitsstraße“ bei der Pensionsversicherungsanstalt wahrgenommen wird, soll den Entscheidungsträgern auf der jeweiligen regionalen Ebene überlassen bleiben. In den dafür getroffenen Verwaltungsübereinkommen können auch Fragen der Kostenverteilung geregelt werden.

Der Umstand, dass sich die Landesorganisationen des Arbeitsmarktservice für das Zustandekommen dieser Verwaltungsübereinkommen intern mit dem Arbeitsmarktservice Österreich abstimmen müssen, ergibt sich daraus, dass das Arbeitsmarktservice Österreich die Verantwortung für die Einhaltung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit hinsichtlich eines ordnungsgemäßen Budgetvollzuges der Arbeitsmarktpolitik trägt.

Zu Art. 8 (Krankenversicherung):

Die Einbeziehung nicht krankenversicherter SozialhilfeempfängerInnen in die gesetzliche Krankenversicherung war bereits im Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode vorgesehen. Diese Maßnahme, deren Notwendigkeit schon seit Längerem erkannt wurde, stellt einen wesentlichen Teil des Gesamtpaketes der Bedarfsorientierten Mindestsicherung dar. Sie erfolgt in dem Bewusstsein, dass prekäre Lebenssituationen vielfach krank machen und Erkrankungen es zugleich erschweren, Wege aus der Armut zu finden. Mit diesem Schritt soll der uneingeschränkte Zugang zur Gesundheitsversorgung für diese Personengruppe sichergestellt werden. Die Inanspruchnahme präventiver Gesundheitsmaßnahmen (wie z.B. Gesundenuntersuchungen) und eine frühzeitige Behandlung werden für die Zielgruppe durch diese Maßnahme wesentlich erleichtert. In Folge dessen kann es daher auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive zu einer Entlastung des österreichischen Sozialsystems kommen.

Laut Angaben der Länder verfügten 2008 hochgerechnet ca. 21.700 SozialhilfebezieherInnen über keine gesetzliche Krankenversicherung, die einen Anspruch auf eine Leistung aus dem Titel Hilfe bei Krankheit bzw. Schwangerschaft und Entbindung hatten. Rund 4.675 Personen wurden von den Sozialhilfeträgern zur Krankenversicherung im Rahmen einer Selbstversicherung zur Höchstbeitragsgrundlage von zuletzt 341,92 Euro angemeldet.

Diese Leistungen bzw. diese Art der Vorsorge wird in Hinkunft grundsätzlich entbehrlich sein, da alle BezieherInnen von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, die nicht bereits von einer Pflichtversicherung erfasst sind (z.B. wegen eines Bezuges von Notstandshilfe oder Kinderbetreuungsgeld), im Wege einer Verordnung gem. § 9 ASVG in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen werden sollen. Die daraus resultierende Pflichtversicherung hat Vorrang gegenüber einer allfälligen Selbstversicherung nach § 16 ASVG und auch gegenüber der Angehörigeneigenschaft nach § 123 ASVG. Umgekehrt sind natürlich die Angehörigen der einbezogenen Personen ebenfalls vom Krankenversicherungsschutz erfasst. Dieser beinhaltet die gleichen Vergünstigungen wie für AusgleichszulagenbezieherInnen, also nicht nur die Sachleistungen insbesondere im Rahmen der Krankenbehandlung, Anstaltspflege, Zahnbehandlung oder bei Mutterschaft, sondern auch etwa die Befreiung von der Rezeptgebühr sowie vom Serviceentgelt für die E-Card. Wo auch für AusgleichszulagenempfängerInnen Selbstbehalte z.B. für Heilbehelfe bestehen, werden diese auch für EmpfängerInnen einer bedarfsorientierten Länder-Leistung gelten.

Der von den Ländern bzw. den Sozialhilfeträgern für die einbezogenen Personen zu entrichtende Krankenversicherungsbeitrag entspricht jenem, der von und für AusgleichszulagenbezieherInnen zu entrichten ist, s. dazu auch unten bei Art. 20 Abs. 2. Dieser Beitrag beläuft sich derzeit auf das 1,8-fache von 5,1% des Ausgleichszulagenrichtsatzes für die entsprechende Haushaltskonstellation (vgl. § 73 Abs 1, 1a und 2 ASVG). Damit wären derzeit z.B. für eine alleinstehende Person rund 83 Euro, für ein Paar rund 124 Euro oder für eine/n Alleinerzieher/in mit zwei Kindern rund 112 Euro monatlich zu entrichten.

Sollte sich im Zuge der Abrechnungen herausstellen, dass die durch die Länder geleisteten Krankenversicherungsbeiträge den tatsächlichen Leistungsaufwand der Krankenversicherungsträger nicht abdecken können, so übernimmt der Bund die Differenz in Form eines Aufwandsersatzes, wofür eine gesetzliche Basis im ASVG zu schaffen ist. Damit soll die in § 75 ASVG angestrebte Kostenneutralität für die Gebietskrankenkassen erreicht werden.

Zu Art. 9 (Zuständigkeit der Länder):

Zur grundsätzlichen Subsidiarität der Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (vgl. Art. 2 Abs. 2) kommt noch die Subsidiarität von landesrechtlichen Leistungen gegenüber solchen, die auf Bundesrecht beruhen. Wenn die angestrebte Mindestsicherung daher nicht bereits über die Ausgleichszulage oder vergleichbare bundesrechtliche Mindeststandards (Art. 5) oder Leistungen der Arbeitslosenversicherung (Art. 6) gewährleistet ist, fällt deren Bereitstellung nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 2 und 3 nach Art. 9 Abs. 1 im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeit wie bisher im Rahmen der Sozialhilfe in die Verantwortung der Länder.

Welches Land dafür zuständig ist, soll sich nach Art. 9 Abs. 2 wie bisher nach dem Hauptwohnsitz, in Ermangelung eines solchen aus dem gewöhnlichen Aufenthalt der Person ergeben, die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung geltend macht. Im Falle von Wohnsitz- oder Aufenthaltsverlegungen in ein anderes Bundesland bestehende Ersatzansprüche zwischen den Ländern untereinander richten sich nach der bestehenden Kostenersatzvereinbarung nach Art. 15a B-VG.

Zu Art. 10 (Mindeststandards):

Die Vereinheitlichung der landesrechtlichen Geldleistungen zum Lebensunterhalt und deren Anhebung bei gleichzeitig stärkerer Pauschalierung zählt zu den weiteren Kernstücken der Bedarfsorientierten Mindestsicherung. An die Stelle der bisherigen Sozialhilferichtsätze, die im Einzelfall auch unter- oder (praktisch freilich nur sehr selten) überschritten werden konnten, sollen nun fixe Mindeststandards treten. Diese sollen außer bei mangelnder Arbeitswilligkeit (vgl. Art. 14 Abs. 4) und unter Berücksichtigung der Anrechnungsregelungen nach Art. 13 grundsätzlich in jedem Fall zur Verfügung stehen. Art. 10 Abs. 1 stellt klar, dass der Lebensunterhalt und auch zumindest ein Teil des angemessenen Wohnbedarfes (dazu unten bei Art. 11) durch entsprechende monatliche Geldleistungen sicherzustellen ist. An deren Stelle dürfen nur ausnahmsweise und vorübergehend Sachleistungen treten, was bei Leistungen mit Rechtsanspruch überdies stets einen Bescheid erfordert.

Ausgangswert für die Bemessung der neuen Mindeststandards ist nach Abs. 2 der aus dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende (§ 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG) abzüglich der Krankenversicherungsbeiträge (von derzeit 5,1%) resultierende Nettobetrag. Die Mindeststandards gebühren 12 Mal im Jahr.

Die Koppelung mit Art. 5 besteht nicht nur im Hinblick auf den Ausgangswert, sondern auch im Hinblick auf die Valorisierung der jeweiligen Beträge. Nach Art. 10 Abs. 5 verpflichten sich die Länder, ihre Mindeststandards mit demselben Prozentsatz zu erhöhen wie dies bei der Ausgleichszulage erfolgt. Aus verwaltungsökonomischen Gründen soll diese Erhöhung aber stets zu Beginn eines Kalenderjahres vorgenommen werden.

Der Ausgangswert für die Mindeststandards gilt nicht nur für Alleinstehende, sondern auch für AlleinerzieherInnen, also Personen, die nur mit ihnen gegenüber unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt leben. Mit dieser bereits derzeit in zwei Ländern ausdrücklich vorgenommenen Differenzierung soll der besonderen Armutsgefährdung gerade dieser Personengruppe Rechnung getragen werden, indem AlleinerzieherInnen ein höherer Mindeststandard gewährleistet wird als nach dem bisherigen Status als „Hauptunterstützte“.

Die Mindeststandards für alle anderen Personen werden in Art. 10 Abs. 3 mit Prozentsätzen dieses Ausgangswertes einheitlich festgelegt. Dabei wird in Anlehnung an EU-SILC davon ausgegangen, dass der Regelbedarf eines Haushalts mit zwei volljährigen Personen 150% dessen einer allein stehenden Person beträgt. Allerdings wird nicht mehr zwischen Haupt- und Mitunterstützten o.ä. unterschieden, sondern ein emanzipatorischer Ansatz verfolgt, nach dem jede dieser Person „gleich viel wert“ ist. Zwei Personen in einer Partnerschaft erhalten demnach zusammen 2 x 75% des Ausgangswertes. Diese Regelung korrespondiert mit dem nach Art. 4 Abs. 2 zu gewährleistenden selbständigen Antragsrecht, aber auch mit der allfälligen Anrechnung von Partnereinkommen nach Art. 13 Abs. 1.

Durch die Regelung in Art. 10 Abs. 3 Z 1 lit. a werden – wie schon bisher in einigen Ländern – auch bloße Haushalts- oder Wohngemeinschaften erfasst, da bei diesen ebenfalls regelmäßig von einem geringeren Aufwand für den Lebensunterhalt als bei allein lebenden Personen auszugehen ist. Es spielt also keine Rolle, ob zwischen den im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen unterhaltsrechtliche Beziehungen bestehen oder nicht.

Sehr wohl maßgebend ist dieser Umstand aber im Hinblick auf weitere dem Haushalt angehörende Personen: Deren Mindestbedarf wird wiederum in Anlehnung an EU-SILC in lit. b leg. cit. grundsätzlich mit 50% eines Alleinstehenden festgesetzt. Dies setzt jedoch voraus, dass auch andere Personen in diesem Haushalt Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung beanspruchen und dem dritten dort lebenden Erwachsenen gegenüber unterhaltspflichtig sind. Der 50%-Wert würde daher etwa für ein erwachsenes, aber nicht selbsterhaltungsfähiges Kind maßgebend sein, das bei seinen Eltern lebt. Der 50%-Wert gilt dagegen nicht, wenn drei Erwachsene z.B. in einer „bloßen“ Wohngemeinschaft miteinander leben, bei der eine wechselseitige Unterstützung nicht in einem dem familiären Zusammenhalt vergleichbaren Ausmaß angenommen werden kann; in dem praktisch wohl seltenen Fall, dass drei oder mehr BezieherInnen von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung eine Wohngemeinschaft eingehen, würde jede dieser Personen Anspruch auf 75% des Alleinstehenden-Mindeststandards haben.

Auch bei den Mindeststandards für Kinder ist eine Anlehnung an EU-SILC erfolgt. Bei den dortigen 30% handelt es sich jedoch um die Summe der einem Kind (bzw. für dieses) zur Verfügung stehenden Transferleistungen, also insbesondere einschließlich der im internationalen Vergleich relativ hohen Ansprüche auf Familienleistungen (Familienbeihilfe mit Mehrkind- und Altersstaffelung, Kinderabsetzbetrag im Steuerrecht etc.). Soweit solche Ansprüche bestehen, scheint es daher vertretbar, einen Mindeststandard in Höhe von 18% bzw. (ab dem vierten Kind) 15% des Ausgangswertes vorzusehen. Davon abgesehen sind natürlich höhere Standards auf Landesebene möglich (vgl. Art. 2 Abs. 4).

Zu einer Verbesserung der für Kinder vorgesehenen Mindeststandards soll es auch bei der Ausgleichszulage kommen, da der zu dieser gebührende Erhöhungsbetrag im Rahmen der Verpflichtungen des Bundes an die Werte nach Art. 10 Abs. 3 Z 2 lit. a anzupassen sein wird (vgl. Art. 5 Abs. 2).

Zu Art. 11 (Wohnbedarf):

Wie schon bisher in der Sozialhilfe gehört zum Lebensunterhalt auch die Deckung des Wohnbedarfes. Im Sinne der angestrebten Vereinheitlichung und Pauschalierung soll mit den nunmehrigen, im Vergleich zu den bisherigen Richtsätzen deutlich erhöhten Mindeststandards auch ein „Wohnkostenanteil“ im Hinblick auf den Bedarf nach Art. 3 Abs. 2 abgedeckt sein. Für diesen wird in Art. 11 Abs. 1 unter Zugrundelegung von Berechnungen insbesondere der Statistik Austria von einem Wert von grundsätzlich 25% der jeweiligen Mindeststandards ausgegangen.

Wenn mit dem Mindeststandard der angemessene Wohnbedarf nicht vollständig gedeckt werden kann, sollen die Länder wie schon bisher zusätzliche Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfes gewähren. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die angemessenen monatlichen Wohnkosten 25% der jeweiligen Mindeststandards nach Art. 10 überschreiten. Umgelegt auf einen Einpersonenhaushalt wäre dieser Referenzwert bei einem monatlichen Betrag von rund 183 Euro bzw. bei einem Haushalt mit zwei Erwachsenen bei ca. 275 Euro (beide Werte für 2009) bei einer zwölfmaligen Auszahlung der Mindeststandards erreicht.

Ob diese zusätzlichen Leistungen im Rahmen von Rechtsansprüchen oder nur auf Grundlage des Privatrechts abgedeckt werden, bleibt den Ländern überlassen. Damit besteht auch die Möglichkeit, höhere Wohnkosten über die nicht mit Rechtsansprüchen ausgestattete Landes-Wohnbauförderung abzudecken. Bei der Bemessung dieser zusätzlichen Leistungen wird wohl wie schon bisher in den meisten Ländern auf die Zahl der im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen und die daraus resultierende angemessene Wohnungsgröße sowie auf regionale Unterschiede bei den Wohnkosten pro m² Bedacht zu nehmen sein.

Von den Ländern unterschiedlich beurteilt und daher nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage einer Reduzierung der Mindeststandards nach Art. 10, wenn im Einzelfall der Wohnbedarf bereits gedeckt ist. Eine solche Kürzungsmöglichkeit soll nach dieser Vereinbarung im Hinblick auf in natura zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehende Leistungen nicht ausgeschlossen sein, sei es, weil diese von Dritten zur Verfügung gestellt werden, sei es weil der Wohnbedarf durch Nutzung des Eigenheims (also insofern Verwertung eines Vermögens im Sinne des Art. 13 Abs. 1) gedeckt ist. Ist der Wohnbedarf also anderweitig gedeckt bzw. besteht kein Wohnbedarf, kann die Höhe der Bedarfsorientierten Mindestsicherung um den vorhin genannten „Selbstbehalt“ reduziert werden. In Diskussion stand während der Beratungen in der Arbeitsgruppe „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“ auch die Frage, ob bei Immobilienbesitzern ein Abzug in selber Höhe vertretbar sei. Diese Frage wurde jedoch mit Hinweis auf die auch für diese Personengruppe bestehenden Aufwendungen im Zusammenhang mit Betriebskosten etc. eindeutig verneint.

Ob und inwieweit die Länder eine geleistete Wohnbeihilfe auf den 25%-igen Wohnkostenanteil anrechnen, bleibt ihnen überlassen. Da dazu in den Beratungen in der Arbeitsgruppe „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“ kein Konsens zwischen und mit den Ländern gefunden werden konnte, enthält die vorliegende Vereinbarung auch keine diesbezügliche Regelung. Es würde jedoch der Grundausrichtung dieser Vereinbarung widersprechen, die Wohnbeihilfe auf den Mindeststandard in einem Ausmaß anzurechnen, das über die Höhe des Selbstbehaltes – zulasten des Anteiles für den Lebensunterhalt - hinausgeht.

Die Deckung des zusätzlichen angemessenen Wohnbedarfs nach Art. 11 darf jedoch nicht als eine Art zwingende „Annexleistung“ zum Bezug eines Mindeststandards nach Art. 10 verstanden werden. Reicht das Einkommen der HilfewerberInnen gerade aus, um den eigenen Lebensunterhalt iSd Art. 3 Abs. 1 sowie den „Wohnkostenanteil“ nach Art. 11 Abs. 1 sicherzustellen, aber nicht die darüber hinausgehenden angemessenen Wohnkosten, so sollen die Länder diese Kosten dennoch abdecken. Der höhere Wohnbedarf könnte bei diesen Personen auch in Form einer Wohnbeihilfe aus den Mitteln der Wohnbauförderung gewährleistet werden.

Durch Art. 11 Abs. 2 soll die bisher bestehende Möglichkeit gewahrt bleiben, den Wohnbedarf durch direkte Auszahlung der entsprechenden Geldleistung an Vermieter sicherzustellen. Diese Variante soll freilich die Ausnahme bleiben und ist daher auf Fälle einer sonst drohenden Delogierung oder ähnlicher besonderer Umstände zu beschränken.

Zu Art. 13 (Berücksichtigung von Leistungen Dritter und eigenen Mitteln):

Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind wie schon bisher die Ausgleichszulage oder die Leistungen der Sozialhilfe subsidiär. Wenn ein Bedarf nach Art. 3 Abs. 1 oder 2 daher bereits anderweitig zumindest zum Teil gedeckt ist, reduziert sich die Leistung entsprechend. Als solche bedarfsdeckende Leistung Dritter ist grundsätzlich auch jener Teil der Einkünfte eines im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen oder eines Lebensgefährten/einer Lebensgefährtin anzusehen, der den für diese Person vorgesehenen Mindeststandard (in Höhe von 75% des Ausgangswertes) übersteigt. Bei Einkünften von Kindern kommt die Annahme, dass der über den jeweiligen Mindeststandard hinausgehende Teil des Einkommens zur Deckung des Bedarfes anderer Haushaltsangehöriger herangezogen werden kann, nicht in Betracht.

Das in Art. 13 Abs. 1 formulierte Anrechnungsprinzip wird in der Folge präzisiert, wobei Abs. 2 klarstellt, dass nicht nur die tatsächliche Bedarfsdeckung berücksichtigt werden kann, sondern bereits auch die Möglichkeit, einen Bedarf durch Inanspruchnahme der Leistungen Dritter zu decken. Eine solche Rechtsverfolgungspflicht kann aber nur angenommen werden, wenn die Geltendmachung gegenüber dem Dritten nicht offenbar aussichtslos oder unzumutbar ist. Ist also z.B. der Unterhaltsschuldner nicht zahlungsfähig, nicht greifbar oder würde die Rechtsverfolgung die Gefahr häuslicher Gewalt bedeuten oder ist gar bereits ein Betretungsverbot nach § 38a SPG verhängt worden, besteht in der Regel eine uneingeschränkte Vorleistungspflicht für den Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, um eine sofortige Bedarfdeckung zu gewährleisten.

Unter Umständen ist an eine Übertragung der Ansprüche an den Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung im Wege einer Legalzession zu denken, aber auch hier ist mit einer allfälligen Rechtsverfolgung im Einzelfall behutsam umzugehen, um familiärer (außerhäuslicher) Gewalt nicht Vorschub zu leisten.

Art. 13 Abs. 3 geht von der bereits bisher in der Sozialhilfe geltenden Prämisse aus, dass grundsätzlich alle Einkünfte zu berücksichtigen sind, die der Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung geltend machenden Person aus welchem Rechtstitel auch immer zur Verfügung stehen (Mieteinnahmen, Sozialversicherungsleistungen etc.). Wie bereits bisher sind davon in Z 1 bis 3 bestimmte Einkunftsarten ausgenommen, die gleichsam einen kleinsten gemeinsamen Nenner der bisherigen Landesvorschriften darstellen. Wie auch sonst ist es den Ländern unbenommen, weitere Einkünfte von einer Anrechnung auszunehmen. Eine besondere Ausnahme findet sich im Übrigen in Art. 14 Abs. 5.

Eine Anrechnung ist nicht nur im Hinblick auf die Einkünfte möglich, die der betreffenden Person für sich zur Verfügung stehen, sondern auch auf solche, die der Deckung der Bedarfe der ihr nach Art. 4 Abs. 2 zugehörigen Personen dienen. Wie bisher dürfen freilich z.B. Unterhaltsleistungen, die vom nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteil für ein Kind erbracht werden und den für dieses vorgesehenen Mindeststandard nach Art. 10 Abs. 3 Z 2 übersteigen, nicht auf den Lebensunterhalt des betreuenden Elternteiles angerechnet werden (s. auch bereits oben bei Abs. 1).

Auch beim Vermögen ist zunächst davon auszugehen, dass eine Verpflichtung zu dessen Einsatz besteht, bevor Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Anspruch genommen werden können. Dies setzt aber eine Verwertbarkeit voraus, die nicht angenommen werden kann, wenn die Verwertung wirtschaftlich unsinnig wäre, weil diese etwa im Einzelfall mit großen Verlusten verbunden wäre.

In diese Richtung zielt auch die Generalklausel der Ausnahme in Art. 13 Abs. 4, die durch einige Beispiele konkretisiert wird: Die Z 1 und Z 2 betreffen im Grunde nur bereits bestehende Ausnahmen im Hinblick auf Gegenstände, die eigentlich zum Lebensunterhalt notwendig sind, Z 3 ist als ausdrückliche Verfestigung einer weithin geübten Praxis bei der Behandlung von Kraftfahrzeugen als Vermögenswerte anzusehen.

Der in jedem Fall, also auch im Rahmen einer Verwertung zu gewährleistende Vermögensfreibetrag nach Z 4 und Z 5 bringt dagegen eine Neuerung für einige Länder. Aus dieser Ausnahme, die natürlich etwa im Hinblick auf unterschiedliche Familienkonstellationen großzügiger gefasst werden kann (Art. 2 Abs. 4), darf jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass weitergehende Ersparnisse (z.B. für eine Altersvorsorge) jederzeit verwertbar sind. Dies wird nicht zuletzt davon abhängen, wie lange und/oder in welchem Ausmaß Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung bezogen werden. Auch das Entlassungsgeld nach dem Strafvollzugsgesetz wird wohl angesichts des Vermögensfreibetrages als nicht zu verwertendes Vermögen anzusehen sein.

Genau hier setzt auch die andere, kumulativ zu beachtende ausdrückliche Einschränkung der Pflicht zur Vermögensverwertung in Art. 13 Abs. 4 Z 5 an, die in manchen Bundesländern bereits praktiziert wird. Demnach darf bis zu einer ununterbrochenen Bezugsdauer von sechs Monaten eine Vermögensverwertung nicht verlangt werden. Bis zu zwei Jahre zurückliegende, zumindest zwei Monate ununterbrochen andauernde frühere Bezugszeiten sind auf diese Sechsmonatsfrist anzurechnen. Ein Leistungsbezug ohne Einsatz eines grundsätzlich verwertbaren Vermögens ist damit erst wieder nach Ablauf von zwei Jahren möglich, in denen keine Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Anspruch genommen wurden. Wird vor Ablauf dieser Frist ein neuer Antrag gestellt, könnte eine Vermögensverwertung sofort verlangt werden. Würde also z.B. jemand ab September 2010 Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Anspruch nehmen, dürfte eine Vermögensverwertung nach dieser Bestimmung erst ab März 2011 verlangt werden; hätte diese Person aber in der Zeit seit September 2008 aber schon für mehr als zwei Monate ununterbrochen Leistungen in Anspruch genommen (ohne dass eine Vermögensverwertung verlangt worden wäre), dürfte eine Vermögensverwertung bereits ab Jänner 2011 verlangt werden.

Für Vermögen in Form von Grundstücken, Wohnungen oder Eigenheimen gelten in Art. 13 Abs. 4 und Abs. 5 unterschiedliche Vorgaben. Ist die Verwertung von Immobilien nicht möglich, weil die Wohnung etc. der Deckung des unmittelbaren eigenen Wohnbedarfes dient (ausdrückliche Ausnahme nach Abs. 5), kann wie bisher ein „nachträglicher Vermögenseinsatz“ durch grundbücherliche Sicherstellung der Ersatzforderung bewirkt werden. Sollte ein/e BezieherIn von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ausnahmsweise über weitere Immobilien verfügen, sind diese als verwertbares Vermögen anzusehen, das nicht der sechsmonatigen „Schonfrist“ nach Abs. 4 unterliegt. Ansonsten darf die Sicherstellung nach Abs. 5 in Hinkunft nur erfolgen, wenn der Leistungsbezug das vorgesehene zeitliche Ausmaß übersteigt.

Für derartige Ersatzforderungen gilt dann auch nicht die sonstige dreijährige Verjährungsfrist (vgl. Art. 15 Abs. 4). Gleiches ist bei Rückerstattungen der Fall, wenn vorhandenes Einkommen oder Vermögen bewusst nicht angegeben wurde, aber nachträglich hervorkommt (vgl. Art. 15 Abs. 1 letzter Satz).

Zu Art. 14 (Einsatz der Arbeitskraft):

Bei den Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung handelt es sich um kein arbeitsloses Grundeinkommen. Vielmehr steht es den Ländern frei, die Leistungen wie bisher in der Sozialhilfe vom Einsatz der Arbeitskraft abhängig zu machen. Dieser in Art. 14 Abs. 1 bekräftigte Grundsatz gilt gegebenenfalls auch für andere Haushaltsangehörige, die bei der Leistungsbemessung zu berücksichtigen sind und wird in der Folge durch die allgemeinen Kriterien des Abs. 2 sowie durch den Ausnahmekatalog des Abs. 3 konkretisiert. Die Möglichkeit der Erfüllung dieser Voraussetzung ist bei Drittstaatsangehörigen natürlich davon abhängig, dass sie einen Aufenthaltstitel besitzen, der zum Zugang zum Arbeitsmarkt berechtigt. Seit der Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. I. Nr. 78/2007, genießen auch subsidiär Schutzberechtigte einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt.

Abs. 2 orientiert sich dabei an den schon bisher bestehenden Kriterien, im Hinblick auf die Zumutbarkeit einer Beschäftigung wird nunmehr aber ausdrücklich auf die für die betreffende Person in der Arbeitslosenversicherung geltenden Maßstäbe (vgl. § 9 AlVG) abgestellt. Bestehen dort keine Ansprüche, sind die Zumutbarkeitskriterien wie bei der Notstandshilfe maßgebend, nach denen kein Berufsschutz mehr besteht. Damit soll ein weitest möglicher Gleichlauf mit der Arbeitslosenversicherung gewährleistet werden.

In Art. 14 Abs. 3 werden in – schon im Hinblick auf Art. 2 Abs. 4 – lediglich demonstrativer Weise Ausnahmetatbestände formuliert, bei deren Vorliegen trotz grundsätzlicher Arbeitsfähigkeit keine Pflicht zum Einsatz der Arbeitskraft besteht. Diese Ausnahmen sind zum Teil großzügiger als die Kriterien der Arbeitslosenversicherung, weil die Berücksichtigung familiärer Verpflichtungen im Rahmen einer Bedarfsorientierten Mindestsicherung – wie schon bisher in der Sozialhilfe – einen wesentlich höheren Stellenwert haben (müssen) als im AlVG, wo die Verfügbarkeit und die Vermittelbarkeit von Arbeitslosen im Mittelpunkt steht.

Bei den Ausnahmen in Abs. 3 wird teilweise auf bundesrechtliche Regelungen verwiesen (z.B. Regelpensionsalter 65/60 nach § 253 Abs. 1 ASVG), womit es bei den Landesgesetzgebern liegt, Konstruktionen zu wählen, die keine verfassungsrechtlich unzulässigen dynamischen Verweisungen enthalten. Durch die Formulierung der Ausnahme in Z 5 („vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen“ bzw. „zielstrebig“) soll klargestellt werden, dass eine neuerliche Ausbildung nach wiederholtem Abbruch anderer Ausbildungen grundsätzlich nicht ausnahmefähig ist. Auch ein Studium an einer Hochschule oder ähnlichen Einrichtung ist grundsätzlich nicht als Schul- oder Erwerbsausbildung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Z 5 zu sehen. Weitergehende Ausnahmen vom Einsatz der Arbeitskraft sind freilich auch hier möglich.

Der subsidiäre Charakter der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gebietet gerade beim Einsatz der Arbeitskraft, dass unzureichende Mitwirkung der die jeweiligen Leistungen geltend machenden Personen sanktioniert werden muss. Im Rahmen eines letzten sozialen Netzes kann jedoch grundsätzlich kein völliger Entfall der Leistungen in Betracht kommen. Die Kürzungsmöglichkeit wird daher in Art. 14 Abs. 4 auf die Hälfte der sonst gebührenden Leistungen beschränkt und zudem von einer vorherigen schriftlichen Ermahnung abhängig gemacht. Strengere Maßnahmen sind z.B. bei wiederholter Verweigerung zulässig. In all diesen Fällen darf es jedoch zu keiner Beeinträchtigung der Bedarfsdeckung der unterhaltsberechtigten Angehörigen der arbeitsunwilligen Person kommen. Auch bei Arbeitsunwilligen darf im Sinne einer Delogierungsprävention zumindest der zu gewährende Wohnbedarf nicht gekürzt werden.

Ein weiteres wesentliches Element der Bedarfsorientierten Mindestsicherung stellt der nach Art. 14 Abs. 5 vorzusehende Freibetrag aus Erwerbstätigkeit dar. Dieser soll zusammen mit den Maßnahmen nach den Art.  6 und 7 sowie der nunmehrigen Unzulässigkeit eines Kostenersatzes, wenn ein/e (frühere/r) LeistungsbezieherIn wieder erwerbstätig ist, jene Arbeitsanreize schaffen, die vielfach für eine erfolgreiche (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt notwendig, zumindest aber hilfreich sind.

Als einheitlicher Mindeststandard hat in jedem Fall ein Freibetrag in Höhe von 15% des monatlichen Nettoeinkommens zu verbleiben, wenn die betreffende Person vorher mindestens sechs Monate Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung bezogen hat. Die Höhe des Freibetrages ist gleichzeitig mit einer Unter- und einer Obergrenze versehen. Zur Sicherstellung einer möglichst nachhaltigen (Wieder-)Eingliederung ist der Freibetrag für zumindest 18 Monate einzuräumen, wenn auch die Erwerbstätigkeit für diesen Zeitraum weiter besteht. Höhere Freibeträge oder deren Einräumung über längere Zeiträume sind natürlich erneut unbenommen.

Zu Art. 15 (Ersatz):

Die Subsidiarität der Bedarfsorientierten Mindestsicherung hat auch eine nachwirkende Dimension. Wie in der Sozialhilfe sollen andere Möglichkeiten einer Deckung des jeweiligen Bedarfes zumindest im Nachhinein in Anspruch genommen werden können. Art. 15 formuliert dafür aber einige Begrenzungen, die zum Teil über die derzeitigen Sozialhilferegelungen hinausgehen. Dadurch sollen Hindernisse beseitigt werden, die bisher vielfach einer Inanspruchnahme von Leistungen und damit der eigentlich gebührenden und objektiv auch erforderlichen Bedarfsdeckung entgegengestanden sind.

Insbesondere der nun als bundesweiter Mindeststandard vorgesehene Entfall der Ersatzpflicht von (ehemaligen) LeistungsbezieherInnen, die wieder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen haben, ist als sozialpolitischer Meilenstein zu bewerten. Erfreulicherweise verzichten die Länder auf diese im Hinblick auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit kontraproduktive und den familiären Zusammenhalt meist unnötig belastende Ersatzpflicht.

Nach Abs. 1 dürfen (ehemalige) LeistungsbezieherInnen aber auch dann nicht mehr zum Ersatz herangezogen werden, wenn sie sich ein Vermögen aus eigenem Erwerb erwirtschaftet haben. Damit bestehen Ersatzpflichten (jeweils unter Berücksichtigung der Freigrenzen nach Art. 13 Abs. 4 Z 4) nur mehr bei geschenktem, ererbtem oä. Vermögen sowie bei ursprünglich schon vorhandenem Vermögen, dessen Verwertung vorerst nicht möglich oder zumutbar war, das aber im Rahmen der Möglichkeiten nach Art. 13 Abs. 5 grundbücherlich sichergestellt wurde. Insoweit ist auch eine grundsätzliche Ersatzpflicht der Erben eines/einer LeistungsbezieherIn möglich.

Art. 15 Abs. 2 stellt klar, dass wie bisher von Dritten mit kongruenten Leistungspflichten (allenfalls im Wege einer Legalzession) Ersatz verlangt werden darf. Das ist jedoch in den Fällen nach Abs. 3 nicht zulässig: Zu diesen Ausnahmen gehören nun nicht mehr nur Großeltern und Enkelkinder, sondern auch die Kinder von LeistungsbezieherInnen bzw. deren Eltern, wenn der Leistungsbezug eines Kindes nach Erreichung der Volljährigkeit erfolgt ist. Auch GeschenknehmerInnen oder NutznießerInnen von Vermögensübertragungen ohne adäquate Gegenleistung dürfen nicht mehr zum Ersatz für Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung herangezogen werden. Ersatzpflichten für stationäre Leistungen der Sozialhilfe bleiben dadurch natürlich ebenso unberührt wie zivilrechtliche Regelungen (z.B. in § 947 ABGB).

Eine weitere Begrenzung ergibt sich durch Abs. 4, der – wie schon bisher in den meisten Sozialhilfegesetzen – eine dreijährige Verjährungsfrist für alle Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung verlangt. Dies gilt nicht für innerhalb dieser Frist grundbücherlich sichergestellte Ersatzforderungen sowie für die nicht zum Ersatz im engeren Sinn zu zählenden Rückerstattungspflichten bei Erschleichung, bewusster Verheimlichung von eigenen Mitteln etc., auf die in Abs. 1 letzter Satz in klarstellender Weise hingewiesen wird.

Zu Art. 16 (Zugang zu den Leistungen und Verfahren):

Der Zugang zu den Leistungen und das für die Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehende Verfahrensrecht galten vielfach – und häufig zu Recht – als wesentliche Schwachstellen des Sozialhilferechts. In den letzten Jahren sind hier zum Teil grundlegende Änderungen erfolgt, die als „good practice“ – Modelle die gemeinsamen prozeduralen Mindeststandards im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung bilden sollen. Die dafür maßgebenden Grundsätze werden in Art. 16 Abs. 1 für alle Leistungen formuliert und in Abs. 2 in demonstrativer Weise für die mit Rechtsanspruch ausgestatteten Leistungen konkretisiert.

Dazu gehören zunächst auf Art. 11 Abs. 2 B-VG zu stützende, im Hinblick auf die besondere Zielgruppe auch fraglos erforderliche (und damit auch im engeren Sinn „unerlässliche“) Sonderregelungen zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht (Abs. 2 Z 1). Ein Verfahrensrecht, das auf die besonderen Bedürfnisse und die Vulnerabilität der LeistungswerberInnen und LeistungsbezieherInnen Bedacht nimmt, gehört aus der Sicht aller Armutsexperten zum (formalrechtlichen) Mindeststandard.

Wichtig sind insbesondere Vorkehrungen zur Sicherstellung, dass Anträge ohne Nachteile für die Betroffenen (wie Fristverlust oä.) bei allen aus Sicht der jeweiligen Landesgesetzgebung als geeignet erscheinenden Stellen möglich sein müssen, bei denen es sich nicht notwendigerweise um Behörden handeln muss (z.B. die in einigen Bundesländern eingerichteten Sozialberatungsstellen oder Sozialzentren); weiters dass die Antragstellung nicht nur von „Haushaltsvorständen“ erfolgen darf (vgl. bereits Art. 4 Abs. 2), dass Vertretungsmöglichkeiten auch in einer über § 10 AVG hinausgehenden Weise vorgesehen sein und schließlich besondere, auf die Möglichkeiten und Bedürfnisse auf Leistungen der Mindestsicherung der Betroffenen abgestellte Informations- und Manuduktionspflichten verankert werden müssen (Abs. 2 Z 2).

Nach Z 3 sind weiters Vorkehrungen zur Beschleunigung und Effektuierung der Verfahren zu treffen, zu denen vor allem eine nachhaltige Verkürzung der Entscheidungspflicht zumindest in erster Instanz gehört. Die nun in lit. b vorgesehene Maximalfrist von drei Monaten ändert natürlich nichts daran, dass die Entscheidungen im Sinne des Soforthilfegedankens unverzüglich zu treffen sind. Zu einer effektiven Soforthilfe gehört auch die schon jetzt in allen Ländern vorgesehene Verpflichtung, Leistungen erforderlichenfalls auch von Amts wegen anzubieten.

Schließlich muss vor allem sichergestellt sein, dass der Ausschluss von Berufungsverzichten oder der aufschiebenden Wirkung von Berufungen (Abs. 2 Z 4 lit. b und c) ebenso zum grundsätzlichen prozeduralen Mindeststandard gehören wie die Verpflichtung zur schriftlichen Erledigung in allen Instanzen. Während dies im Berufungsverfahren in jedem Fall durch Bescheid zu erfolgen hat, sollen förmliche Bescheide in der ersten Instanz dort entbehrlich sein, wo dem Antrag vollinhaltlich entsprochen wird oder wo es sich um Bagatellleistungen bzw. nur um Anpassungen an Änderungen auf gesetzlicher oder Verordnungsebene (insb. Valorisierung der Mindeststandards, Erhöhung von Freibeträgen) handelt. In allen anderen Fällen, insbesondere auch dann, wenn die betreffende Partei (ihre Vertretung) dies verlangt, ist auch in erster Instanz immer ein schriftlicher Bescheid zu erlassen. Dies gilt insbesondere auch für die Fälle einer ersatzweisen Sachleistung (vgl. bei Art. 10 Abs. 6).

Zur Verbesserung des Zugangs zu den Leistungen bedarf es aber noch weiterer Vorkehrungen. Besonders wichtig erscheinen dabei Einrichtungen und Maßnahmen, die ein individuelles Case-Management gewährleisten, wie sie in einigen Ländern schon bestehen. Die daher in Abs. 3 als bundesweiter Standard vorgesehenen niederschwelligen, dezentralen und bedarfsgerechten Beratungs- und Betreuungsangebote brauchen aber nicht von den Trägern der Bedarfsorientierten Mindestsicherung selbst bereitgestellt, sondern können auch durch Heranziehung anderer, allenfalls auch privater Träger gesichert werden. Hier könnte zudem das Zusammenarbeitsgebot nach Art. 17 Abs. 3 von besonderer Bedeutung sein.

Zu Art. 18 (Datenaustausch, Datenverwendung und Statistik):

Die in Abs. 1, erster Satz vorgesehene Abfrage und Übermittlung von Daten der AntragstellerInnen und LeistungsbezieherInnen durch die angeführten Behörden ist erforderlich, um den grundsätzlichen Leistungsanspruch sowie die Höhe der Leistung festzustellen. Die Daten dienen der Überprüfung der Angaben des/der AntragstellerIn bei Antragstellung sowie der laufenden Überprüfung bei Leistungsbezug, um insbesondere die missbräuchliche Inanspruchnahme hintan zu halten. Unter Berücksichtigung, dass zur Vornahme der Leistungsüberprüfung und –kontrolle mitunter umfassende Daten erhoben werden müssen, wird von einer konkreten Nennung der abzufragenden Daten in der Vereinbarung Abstand genommen, weil diese im Rahmen der Umsetzung dieser Vereinbarung in den jeweilig zu erlassenden Landesgesetzen erfolgen muss.

Für die Länder wäre beispielsweise die Übermittlung folgender Daten für die Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben von Interesse: Stammdaten über Vor- und Zunamen, Geburtsdatum und -ort, Sozialversicherungsnummer, Staatsangehörigkeit, Adresse, Aufenthaltsort, Familienstand, Ausbildung, Beruf, die letzte berufliche Verwendung; Beschäftigungsdaten wie Arbeitgeber, Verdienst, berufliche Verwendung; Leistungsbezugsdaten wie Beginn, Einstellungen und Sperren des Leistungsbezuges gemäß den §§ 10, 49 und 50 AlVG, Ende, Art, Höhe von finanziellen Leistungen, wie insbesondere Tagsätze, die Anzahl der Familienzuschläge, Beihilfen zu den Kurskosten sowie Informationen über die Teilnahme an Maßnahmen zur Wiedereingliederung, Beginn und Ende des Beschäftigungsverhältnisses oder Pensionsverfahren.

Insoweit sind in diesem Zusammenhang etwa bereits in den derzeitigen Sozialhilfegesetzen der Länder sowie in § 25 AMSG entsprechende Datenverwendungen vorgesehen.

Im Rahmen der Übermittlung der Daten wäre unter anderem eine automationsunterstützte Zugriffsmöglichkeit der Länder auf die Datenbestände der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices, wie sie etwa derzeit bereits im Rahmen der Kontrolle illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung (KIAB) gemäß § 27a Ausländerbeschäftigungsgesetz und § 89 EStG 1988 besteht, denkbar. Aus datenschutzrechtlichen Erwägungen sollte aber - wie in § 89 Abs. 3 EStG 1988 - der Abfragezeitraum unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes auf die letzten drei Monate beschränkt werden.

Mangels fehlender Anhaltspunkte für die Beurteilung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben der Anspruchswerber zur Zusammensetzung der Haushaltsgemeinschaft, kann es zur missbräuchlichen Inanspruchnahme von Geldleistungen kommen. Daher soll zum Zweck der Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben die Möglichkeit einer Verknüpfungsanfrage via Zentrales Melderegister vorgesehen werden, wobei gemäß § 16a Abs. 3 des Meldegesetzes die Auswählbarkeit aus der gesamten Menge aller im Zentralen Melderegister verarbeiteten Daten auch nach anderen Kriterien als dem Namen des An- oder Abgemeldeten erfolgen darf. Der Behörde soll es so ermöglicht werden, die Angaben der Anspruchswerber über im gemeinsamen Haushalt lebende Personen im Wege einer Verknüpfungsanfrage via ZMR, welche vom Bundesminister für Inneres zu ermöglichen ist, auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen.

Unter einer Fremdenbehörde im Sinne dieser Vereinbarung sind Behörden nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), dem Fremdenpolizeigesetz  und dem Asylgesetz zu verstehen.

Laut Art. 18 Abs. 2 sollen sich Bund und Länder auch die Gutachten zur Feststellung einer Arbeitsfähigkeit wechselseitig zur Verfügung stellen können. Diese Gutachten nach Art. 17 enthalten allerdings besonders schutzwürdige (sensible) Daten im Sinne des § 4 Z 2 DSG 2000. Die Nichtverwendung dieser Daten hätte zur Folge, dass wesentliche Voraussetzungen zur Wahrung des öffentlichen Interesses gesetzlich nicht umgesetzt werden könnten. Diese betreffen insbesondere Fragen der Rechtsträgerschaft, im Sinne der sachlichen Zuständigkeit, und damit auch Rechtsfolgen für die begutachteten Personen insbesondere dem erforderlichen Einsatz der Arbeitkraft und der eigenen Mittel als Voraussetzung für die Leistungsgewährung.

Die Feststellung der Arbeitsfähigkeit durch die in Art. 17 vorgesehenen „Clearinggutachten“ soll in erster Linie einen negativen Kompetenzkonflikt zwischen Bund (AMS) und Ländern in Einzelfällen hintanhalten. Die Nichtverwendung der Gutachten hätte zur Folge, dass die Feststellung der Arbeitsfähigkeit in strittigen Fällen zu einer Leistungsverweigerung für den/die BezieherIn von beiden Seiten führen könnte.

Im Sinne der gebotenen Verhältnismäßigkeit des Eingriffes kann die Mitteilung über den für die Feststellung der Arbeitsfähigkeit zu beurteilenden Status der Person nicht auf die „bloße“ Mitteilung der Arbeits(un)fähigkeit reduziert werden. Eine ganzheitliche Anamnese der in Frage kommenden Person ist insbesondere erforderlich, um in Folge abschließend abklären zu können, ob (Wieder)Eingliederungsmaßnahmen in das Erwerbsleben als erfolgversprechend zu bewerten sind.

In der gesetzlichen Umsetzung des Art. 18 Abs. 2 wäre zudem eine Beschränkung des Eingriffes in das Grundrecht auf Datenschutz insoweit vorgesehen, als nur jene Daten zu verwenden sind, die für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen und Überprüfungen erforderlich sind. Die Verwendung der Daten zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nach Art. 17 ist zudem auf jene Rechtsträger zu beschränken, die diese Gutachten zur Vollziehung ihrer Gesetze benötigen. Eine Übermittlung bzw. Verwendung der Daten an andere Dritte ist gesetzlich auszuschließen.

Zudem sind von den Vertragsparteien Maßnahmen zu treffen, die eine missbräuchliche Verwendung der Daten ausschließen. Insbesondere ist vorzusehen, dass Aufzeichnungen über die vorgenommen Datenübermittlungen geführt werden, um die Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten.

Die Sozial(hilfe)statistik der Länder, die alljährlich im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz anhand der von den Ländern zur Verfügung gestellten Daten von der Statistik Austria zusammengestellt wird, ist die bundesweit einzige Statistik im diesem Bereich, die regelmäßig in den Statistischen Nachrichten publiziert wird. Derzeit existiert keine einheitliche Grundlage, auf deren Basis die Ländermeldungen erfolgen. Dementsprechend relativ ist auch die Aussagekraft dieser Statistik. Darüber hinaus enthält die Statistik auch keine Merkmale der SozialhilfeempfängerInnen wie Alter oder Gründe der Hilfebedürftigkeit.

Die Beratungen zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung wurden daher zum Anlass genommen, in einer eigenen Unterarbeitsgruppe die Optimierungspotenziale in diesem Bereich eingehend zu erörtern. In einem konstruktiven Dialog zwischen Bund, Ländern und Experten der Statistik Austria ist es gelungen, einen Raster zu entwickeln, der Mindestvorkehrungen für den erforderlichen Informationsaustausch sowie die Erfassung und Verarbeitung der erforderlichen Daten unter Beachtung der Vorgaben des DSG 2000 trifft. Der genaue Inhalt und Umfang der nach Abs. 4 zur Verfügung zu stellenden Daten soll in einer Anlage zur Vereinbarung im Sinne der bisherigen Gespräche festgelegt werden. Die vom Bund bzw. von der Statistik Austria weiterhin zu erstellende Gesamtstatistik soll in Hinkunft einen Überblick über eine gesamtösterreichische, bundesländerweit vergleichbare und zuverlässige Datenlage unter anderem zur Anzahl und Haushaltsstruktur der LeistungsbezieherInnen, zur Dauer des Mindestsicherungsbezugs, zu den Einkunftsarten der leistungsbeziehenden Haushalte oder zur Höhe der geleisteten Unterstützung bieten. Grundlagenforschung und eine effiziente Sozialplanung sollen damit erleichtert werden. Perspektivisch soll damit eine Zusammenschau der mindestsichernden Leistungen des Bundes und der Länder ermöglicht werden.

Zu Art. 19 (Arbeitskreis für Bedarfsorientierte Mindestsicherung):

Wie im Rahmen der Pflegevorsorge soll auch für die Begleitung und Weiterentwicklung der bundesweiten Bedarfsorientierten Mindestsicherung ein permanenter Arbeitskreis eingerichtet werden. Dessen Aufgaben werden in Abs. 2 in demonstrativer Weise umschrieben, dazu könnte aber etwa auch die Evaluierung von in Umsetzung dieser Vereinbarung getroffenen Maßnahmen (z.B. im Bereich der Arbeitsmarktpolitik nach Art. 7 Abs. 1 oder Art. 17 Abs. 3) gehören.

Die für dieses Gremium gewählte Konstruktion orientiert sich am Arbeitskreis für Pflegevorsorge nach Art. 12 der Pflegevorsorge-Vereinbarung. Bei der Zusammensetzung wird das Gremium aber eher als Expertenrunde definiert, wie es etwa auch in der Kommission zur langfristigen Pensionssicherung in § 108e ASVG der Fall ist. Um im Sinne des Gender-Mainstreaming einen repräsentativen Anteil von Frauen in der Arbeitsgruppe zu erreichen, sollte bei der Nominierung von mehreren VertreterInnen durch eine entsendende Stelle (z.B. BMASK, BMF oder Österreichische Armutskonferenz) auch auf diesen Gesichtspunkt Rücksicht genommen werden.

Zu Art. 20 und 21 (Finanzierung):

Die Grundeinigung über die Finanzierung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung wurde bereits im Paktum über den Finanzausgleich 2008 bis 2013 getroffen. Dort wurde vereinbart, dass die beteiligten Gebietskörperschaften die in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich fallenden Finanzierungsanteile selbst tragen. Dieser Grundsatz wird nun in Art. 20 Abs. 1 bekräftigt, wobei die Zuständigkeit des jeweiligen Landes nach Art. 9 Abs. 2 zu bestimmen ist.

Auch die Regelung in Art. 20 Abs. 2 geht auf eine grundsätzliche Einigung im Finanzausgleichs-Paktum zurück. Dort haben sich die Länder zur Zahlung der Beiträge für die Einbeziehung der bei ihnen erfassten BezieherInnen von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in die gesetzliche Krankenversicherung verpflichtet. Diese soll im Wege einer Verordnung nach § 9 ASVG erfolgen. Im Hinblick auf die Höhe der Beiträge hat sich der Bund verpflichtet, dieselben Maßstäbe wie bei AusgleichszulagenbezieherInnen anzulegen. Die damit ausgehend von den jeweils nach Art. 10 maßgebenden Brutto-Mindeststandards zu entrichtenden 5,1% an „Dienstnehmeranteil“ (vgl. § 73 Abs. 1 und 1a ASVG in der Fassung der 68. ASVG-Novelle), zuzüglich des 0,8-fachen dieses Betrages als „Dienstgeberanteil“ (§ 73 Abs. 2 ASVG) stehen aber unter der Maßgabe, dass eine ausreichende Deckung der Aufwendungen der Krankenversicherungsträger auf Grund der jeweiligen Beiträge zu gewährleisten ist (vgl. § 75 ASVG). In die Beitragsgrundlage eines/r AusgleichszulagenempfängerIn fließen neben Pension samt Ausgleichszulage und Pensionssonderzahlungen auch die Kinderzuschüsse.

Art. 21 bekräftigt die im Paktum über den Finanzausgleich 2008 bis 2013 den Ländern und Gemeinden zugebilligte „Deckelung“ der Nettozusatzkosten auf jährlich 50 Mio. Euro. Diese kann nicht so verstanden werden, dass Leistungen bei Erreichen dieser Grenze eingestellt oder gekürzt werden können. Vielmehr wäre hier die in Art. 22 Abs. 3 und 4 vorgesehene Evaluierung abzuwarten und könnte erst dann der dort vorgesehene, ebenfalls bereits im Rahmen des Finanzausgleiches paktierte Nachverhandlungs-Mechanismus ausgelöst werden.

Der Bund geht davon aus, dass sich durch seine Leistungsverbesserungen im Rahmen des Ausbaus der mindestsichernden Elemente (Art. 6) sowie der Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik (Art. 7 und 17) für die Länder eine geringere Inanspruchnahme von mindestsichernden Leistungen ergibt. Weiters ergeben sich direkte Einsparungen im Bereich der Krankenhilfe der Länder durch die Einbeziehung nicht krankenversicherter BMS-EmpfängerInnen in die gesetzliche Krankenversicherung. Die Leistungserhöhungen auf Länderseite (Anhebung der Richtsätze auf das Niveau der Mindeststandards nach Art. 10; Differenzmethode) bewirken wiederum eine Aufwandssteigerung. Der Gesamteffekt dieser Maßnahmen wäre im Rahmen der Evaluierung darzustellen.

Zu Art. 22 bis 24 (Schlussbestimmungen):

Im Rahmen der Schlussbestimmungen dieser Vereinbarung regelt Art. 22 Abs. 1 zunächst deren Inkrafttreten. Dies setzt die entsprechenden Beschlüsse in den jeweiligen gesetzgebenden Körperschaften voraus. Sobald diese vorliegen, sind entsprechende Mitteilungen an das Bundeskanzleramt zu richten, das dann nach Abs. 2 alle Vertragsparteien in Kenntnis zu setzen hat. Die zur Umsetzung dieser Vereinbarung notwendigen Regelungen sind  mit dem Inkrafttreten der Vereinbarung in Geltung zu setzen. Die Geltungsdauer dieser Vereinbarung ist nach Art. 22 Abs. 3 zunächst bis zum Ende der laufenden Finanzausgleichsperiode begrenzt. Diese endet gemäß dem Finanzausgleichsgesetz 2008 mit Ablauf des 31. Dezember 2013, sofern sie nicht – wie bereits einmal beim Finanzausgleichsgesetz 1993, das um ein Jahr verlängert wurde, - ausgedehnt wird. In der Beilage zum Paktum Finanzausgleich 2008 wurde die Laufzeit der Art. 15a B-VG Vereinbarung auf vorläufig 2 Jahre festgelegt. Dieser Zeitraum wurde als erforderlich angesehen, um nach einer umfassenden Datenerhebung im ersten Jahr eine qualitätsvolle gemeinsame Evaluierung der Umsetzung und der daraus entstandenen Kosten vornehmen zu können. In Anbetracht der inzwischen verstrichenen Zeit erscheint es nunmehr sinnvoll, die Geltungsdauer der Vereinbarung mit dem Ende der laufenden Finanzausgleichsperiode zu verknüpfen. Die Evaluierungsergebnisse der Jahre 2011 und 2012 sind in die Verhandlungen über die nächste Finanzausgleichsperiode mit einzubeziehen. Über das Prozedere der Evaluierung ist noch eine gesonderte Vorgangsweise zu vereinbaren

Ergibt eine Evaluierung der Kosten nach Art. 22 Abs. 3, dass die vereinbarte „Deckelung“ im betreffenden Jahr nicht ausreicht, haben die Vertragsparteien entsprechend dem Paktum über den Finanzausgleich Verhandlungen aufzunehmen, um die Nettozusatzkosten wieder in den laut Art. 21 vorgesehen Rahmen zurück zu führen. Als zusätzliche Sicherheit für die Länder wurde vereinbart, dass dieser Mechanismus auch dann ausgelöst werden kann, wenn für ein einzelnes Land ein Nettomehraufwand von 30 Mio. Euro überschritten wird.

Die formellen Schlussbestimmungen in Art. 23 und 24 entsprechen den verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben. Die Einbeziehung der Verbindungsstelle entspricht einer zuletzt üblichen Praxis, jene von Gemeinde- bzw. Städtebund trägt dem Umstand Rechnung, dass Gemeinden und Städte auf Landesebene erheblich zur Finanzierung der Leistungen beizutragen haben.