Vorblatt

Problem:

Trotz der haftentlastenden Auswirkungen des Strafrechtsänderungsgesetzes 2008 sind die Justizanstalten in Österreich noch immer durch den hohen Häftlingsstand belastet. So wurden zum Stichtag 1.1.2010 8.365, zum Stichtag 1.2.2010 8.629, zum Stichtag 1.3.2010 8.719, zum Stichtag 1.4.2010 8.775 und zum Stichtag 1.5.2010 8.671 Personen in österreichischen Justizanstalten in Strafvollzug bzw. Untersuchungshaft (zum 1.5.2010 2.015 Personen) angehalten. Die Auslastung übersteigt daher wieder 100% der Belagsfähigkeit.

Ziel:

Sozial hinreichend integrierte Personen, die eine voraussichtlich zwölf Monate nicht übersteigende Strafzeit zu verbüßen haben, sollen diese zur Gänze (so genannte „Frontdoor-Variante“) oder teilweise (so genannte „Backdoor-Variante“) in Form von elektronisch überwachtem Hausarrest absolvieren können.

Auch für den Vollzug der Untersuchungshaft soll diese Form der Anhaltung eine Alternative bieten.

Inhalt /Problemlösung:

Durch Änderungen des StVG, der StPO 1975 und des BewHG soll der elektronisch überwachte Hausarrest als neue Vollzugsform für den Vollzug von Freiheitsstrafen und der Untersuchungshaft eingeführt werden. Elektronisch überwachter Hausarrest soll den Vollzug in der Anstalt im Ausmaß von bis zu zwölf Monaten ersetzen können, wobei der Rechtsbrecher seine Wohnung grundsätzlich nur für Zwecke seiner (der Resozialisierung dienenden) Beschäftigung sowie zur Beschaffung des notwendigen Lebensbedarfs und zur Inanspruchnahme notwendiger medizinischer Hilfe verlassen dürfen soll. Er soll durch geeignete Mittel der elektronischen Aufsicht überwacht und soweit betreut werden, als dies zur Erreichung des erzieherischen Strafzwecks erforderlich ist. Für den Bereich der Untersuchungshaft ergeben sich Besonderheiten wegen des Grundsatzes der Unschuldsvermutung.

Während das Gericht im Bereich der Untersuchungshaft ohnehin die Entscheidungskompetenz haben soll, soll es im Bereich des Strafvollzugs in die – an sich dem Anstaltsleiter zukommende – Entscheidung über die Vollzugsform insoweit eingebunden werden, als es im Urteil aussprechen können soll, dass ein elektronisch überwachter Hausarrest längstens für drei Monate bzw. bis zum rechnerisch frühestmöglichen Zeitpunkt einer bedingten Entlassung nicht zulässig ist.

Elektronisch überwachter Hausarrest soll als Haft besonderer Art nicht zum Ruhen der sozialversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche führen.

Alternativen:

Keine

Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

– Finanzielle Auswirkungen:

Nach aktuellen Berechnungen und Schätzungen erscheint bei durchgehend 300 Personen pro Jahr im elektronisch überwachten Hausarrest und gleichbleibendem InsassInnenstand die Annahme einer saldierten Ersparnis von EUR 1.119.820,-- vertretbar.

– Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

– – Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Die Vermeidung der nachteiligen Wirkungen des Vollzugs kurzer Freiheitsstrafen bzw. die Förderung der Beschäftigung bzw. der Berufsausbildung von Strafgefangenen dient dem Ziel der Reduktion sozial bedingter Arbeitslosigkeit. Der Strafvollzug bildet hervorragende Facharbeiter in verschiedensten Berufen aus; er bietet Jugendlichen eine Schul- und Berufsausbildung.

– – Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Bürger/innen und für Unternehmen:

Es werden keine wesentlichen Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Unternehmen verursacht. Es sind keine Informationsverpflichtungen für Bürger/innen vorgesehen.

– Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

Keine

– Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Die bessere Wiedereingliederung sollte die Inanspruchnahme sozialer Leistungen verringern helfen.

– Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die vorgesehenen Regelungen fallen nur insoweit in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union, als die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft (Rahmenbeschluss 2009/829/JI des Rates vom 23. Oktober 2009, ABl. L 294/20 v. 11.11. 20099 und von Urteilen in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird Rahmenbeschluss 2008/909/JI des Rates von 27. November 2008, ABl L 327/27 v. 5.12.2008), erleichtert werden kann.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Sozial hinreichend integrierte Personen, die eine voraussichtlich zwölf Monate nicht übersteigende Strafzeit zu verbüßen haben, sollen diese zur Gänze (so genannte „Frontdoor-Variante“) oder teilweise (so genannte „Backdoor-Variante“) in Form von elektronisch überwachtem Hausarrest absolvieren können. Auch für den Vollzug der Untersuchungshaft soll diese Form der Anhaltung eine Alternative bieten.

Durch Änderungen des StVG, der StPO 1975 und des BewHG soll der elektronisch überwachte Hausarrest als „Haft anderer Art“ für den Vollzug von Freiheitsstrafen und der Untersuchungshaft eingeführt werden.

Elektronisch überwachter Hausarrest soll den Vollzug in der Anstalt im Ausmaß von bis zu zwölf Monaten ersetzen können, wobei der Rechtsbrecher seine Wohnung grundsätzlich nur für Zwecke seiner (der Resozialisierung dienenden) Beschäftigung sowie zur Beschaffung des notwendigen Lebensbedarfs und zur Inanspruchnahme notwendiger medizinischer Hilfe verlassen dürfen soll. Er soll durch geeignete Mittel der elektronischen Aufsicht überwacht und soweit betreut werden, als dies zur Erreichung des erzieherischen Strafzwecks erforderlich ist. Für den Bereich der Untersuchungshaft ergeben sich Besonderheiten wegen des Grundsatzes der Unschuldsvermutung.

Während das Gericht im Bereich der Untersuchungshaft ohnehin die Entscheidungskompetenz haben soll, soll es im Bereich des Strafvollzugs in die – an sich dem Anstaltsleiter zukommende – Entscheidung über die Vollzugsform insoweit eingebunden werden, als es im Urteil aussprechen können soll, dass ein elektronisch überwachter Hausarrest längstens für drei Monate bzw. bis zum rechnerisch frühestmöglichen Zeitpunkt einer bedingten Entlassung nicht zulässig ist.

Der vorliegende Entwurf versteht sich als Umsetzung der Erfahrungen aus Modellversuchen. Der erste Modellversuch in Österreich fand 2006/2007 statt. Die Ausgangssituation für das zweite Modellprojekt war das Strafrechtsänderungsgesetz 2008, mit welchem die elektronische Aufsicht als Maßnahme zur Verhinderung eines Missbrauchs von Vollzugslockerungen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wurde.

In einem regional beschränkten Projektechtbetrieb wurde 2008 ein reines Vollzugsmodell in zwei Justizanstalten, das sich auf den Strafvollzug in gelockerter Form beschränkte, durchgeführt. Der Projektverlauf wurde äußerst positiv bewertet.

Das Ergebnis dieser Erfahrungen und der internationale Vergleich (im europäischen Raum vor allem Belgien, England und Schottland, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Schweden und Schweiz) mündeten schließlich in den vorliegenden Gesetzesentwurf.

Überdies erscheint diese andere Art der Haft auch für den Bereich der Untersuchungshaft einen Vollzug außerhalb der Anstalt und unter weitgehender Vermeidung der nachteiligen Wirkungen auf das soziale Leben des Betroffenen, jedoch unter voller Wahrung des Sicherungszweckes der Untersuchungshaft einsetzbar.

Als Inkrafttretenszeitpunkt soll der 1. September 2010 festgelegt werden, weil zu diesem Zeitpunkt die erforderliche Ausstattung der Justizanstalten mit geeigneten Mitteln der elektronischen Aufsicht sichergestellt werden kann.

Grundsatz soll sein, dass durch die elektronische Überwachung die Anwesenheit des Betroffenen in seiner Unterkunft technisch überwacht wird. In der Wohnung wird eine stationäre Einheit installiert, die mittels GSM bzw. Festnetz (wenn kein stabiles GSM-Netz vorhanden ist) ständig mit einem Server verbunden ist. Dieses Basisgerät kommuniziert mittels Radio Frequency (RF) mit einem am Fußgelenk des Betroffenen angebrachten Kunststoffband. Die RF-Reichweite kann auf verschiedene Entfernungen (Bewegungsradien) zur Basisstation eingestellt werden, sodass registriert wird wann sich die Person in welcher Entfernung zum Gerät aufhält. Sowohl Basisgerät als auch Fußgelenksband lösen bei Manipulation (z.B. Versuch das Band zu entfernen oder das Gerät vom ursprünglichen Aufstellungsort wegzubewegen) Alarm aus. Die Fußbänder sind stoß- und wasserdicht; sie sind unter herkömmlicher Kleidung (Socken, Hose) nicht sichtbar. Das Basisgerät kann zusätzlich mit Stimm-, Gesichts- und Alkoholkontrolle ergänzt werden, sodass im Bedarfsfall eine sehr engmaschige Kontrolle ermöglicht bzw. Missbrauch weitestgehend ausgeschlossen werden kann. Löst das Gerät Alarm aus, wird dieser sofort an die zuständige Justizanstalt weitergeleitet und die Justizwachebeamten halten Nachschau bzw. eine polizeiliche Fahndung wird ausgelöst. Ein Missbrauch des elektronisch überwachten Hausarrests soll (jedenfalls) zur Folge haben, dass die (weitere) Haft in der Justizanstalt zu verbringen ist.

Elektronisch überwachter Hausarrest soll als Haft besonderer Art nicht zum Ruhen der sozialversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche führen.

Finanzielle Auswirkungen:

Die Kostenschätzung beruht auf folgenden Annahmen:

1) gleichbleibender InsassInnenstand; 2) durchgehend 300 Personen pro Jahr im elektronisch überwachten Hausarrest; 3) EUR 5,-- Kosten für Technik pro Tag und überwachter Person (einschließlich umgelegter Kosten für Anschaffung, Schulung des Personals, Service etc; geschätzt unter Berücksichtigung von Erfahrungswerten aus dem Modellversuch); 4) EUR 17,23 Kosten für sozialarbeiterische Betreuung pro Tag und überwachter Person (laut Voranschlag des Vereins NEUSTART); 5) EUR 4,56 pro Tag und überwachter Person Einnahmenentfall durch Wegfall von Dienstverschaffungsverträgen (durchschnittliche Einnahmen eines Freigängers EUR 14.400 pro Jahr auf der Basis EUR 1.200 pro Monat; von den derzeit 370 Freigängern könnten vorerst  1/3  in den elektronisch überwachten Hausarrest wechseln, was einen theoretischen Einnahmenentfall von EUR 1,8 Millionen ergeben würde, wobei jedoch anzunehmen, dass der Großteil durch Nachrücken von Personen, die derzeit mangels ausreichender Freigängerplätze nicht zum Zug kommen können, die aber nicht für den elektronisch überwachten Hausarrest in Frage kommen, “nachbesetzt“ werden kann, sodass der Einnahmenentfall optimistisch lediglich mit EUR 0,5 Millionen [EUR 4,56 pro überwachter Person und Tag] geschätzt wird); 6) EUR 11,-- ersparte Grenzkosten pro Tag und überwachter Person; 7) EUR 11,-- Einnahmen Kostenersatz pro Tag und überwachter Person (unter der Annahme eines Kostendeckungsgrades von 50 %, dh dass rund die Hälfte der überwachten Personen in der Lage ist, zusätzlich zum einfachen Unterhalt die rund EUR 22,-- für Technik und sozialarbeiterische Betreuung ins Verdienen zu bringen); 8) Möglichkeit, durch Schließung von Außenstellen 100 Haftplätze einzusparen.

Daraus ergeben sich EUR 2.434.185 Bruttoausgaben (budgetäre Mehrausgaben) für Technik und sozialarbeiterische Betreuung (300 x 365 x 22,23); EUR 499.320 Einnahmenentfall (300 x 365 x 4,56); EUR 1.204.500 (300 x 365 x 11) Einnahmen Kostenbeitrag (budgetäre Mehreinnahmen); EUR 1.204.500 (300 x 365 x 11) Einsparung Grenzkosten und damit Nettokosten in Höhe von EUR 524.505,--. Da angenommen wird, dass durch den Einsatz des elektronisch überwachten Hausarrests bei gleich bleibendem InsassInnenstand kleinere Außenstellen geschlossen werden können, wodurch 100 Haftplätze eingespart werden können. Ausgehend von den derzeitigen Vollkosten pro Hafttag von EUR 101,10 können für solche eingesparten Haftplätze unter Berücksichtigung von ersparten Grenzkosten von EUR 11,-- pro Haftplatz die halben verbleibenden Kosten als Ersparnis lukriert werden, das wären insgesamt EUR 1.644.325 pro Jahr (EUR 101,10 – EUR 11,-- = EUR 90,10 : 2 = EUR 45,05 x 365 x 100).

Abzüglich der vorstehend errechneten Nettoausgaben von EUR 524.505,-- bedeutet dies eine saldierte Ersparnis von EUR 1.119.820,--.

Kompetenzgrundlage:

Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 und 11 B‑VG.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Besonderer Teil

Zu Art. 1 (Änderung des Strafvollzugsgesetzes):

Zu Z 1 (§ 17 StVG):

Mit der Änderung des § 17 Abs. 5 soll eine frühere Änderung redaktionelle nachvollzogen werden.

Zu Z 2 (§ 99 StVG):

In Anbetracht der Erfahrungen in den Modellversuchen sollen die technischen Gegebenheiten der elektronischen Aufsicht durch Verordnung der Bundesministerin für Justiz festgelegt werden, wobei das Abstellen auf den „Stand der Technik“ nicht zweckmäßig erscheint. Vielmehr soll es auf die technische Eignung und die Angemessenheit in Bezug auf den Zweck des Einsatzes ankommen.

Zu Z 3 (§§ 156b bis 156d StVG):

Zu § 156b:

In § 156b soll dargelegt werden, was unter Strafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest zu verstehen ist. Demnach bedeutet der Vollzug der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests, dass sich der Strafgefangene in seiner Unterkunft aufzuhalten hat, einer (geeigneten; siehe Abs. 2 erster Satz sowie § 156c Abs. 1 Z 2 lit. b) Beschäftigung nachgehen und sich angemessenen Bedingungen seiner Lebensführung außerhalb der Anstalt zu unterwerfen hat. Beschäftigung meint hier nicht (nur) eine unselbstständige Erwerbstätigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechtes, sondern stellt den Überbegriff für insbesondere unselbstständige und selbstständige Erwerbstätigkeit, aber auch andere der Resozialisierung dienende (auch unentgeltliche) Tätigkeiten wie Ausbildung, Kinderbetreuung, gemeinnützige Leistungen uä dar. Damit soll auch klargestellt werden, dass auch nicht (mehr) Berufstätige grundsätzlich für den elektronisch überwachten Hausarrest in Betracht kommen können, sofern sie eben einer sonstigen (vergleichbaren) sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Das Verlassen der Unterkunft ist dem Rechtsbrecher – soweit es sich nicht um die vorausgesetzte Beschäftigung handelt – nur in Ausnahmefällen möglich, nämlich zur Beschaffung des notwendigen Lebensbedarfs und zur Inanspruchnahme notwendiger medizinischer Hilfe.

Um die Einhaltung des Hausarrests gewährleisten zu können, ist der Rechtsbrecher durch geeignete Mittel der elektronischen Aufsicht zu überwachen. Gemäß § 20 ist die erzieherische Beeinflussung des Strafgefangenen ein wesentliches Element des Strafvollzuges.

Nach dem vorgeschlagenen § 156c Abs. 1 Z 4 soll der Strafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest nur bewilligt werden dürfen, wenn anzunehmen ist, dass der Verurteilte oder Strafgefangene diese Vollzugsform nicht missbrauchen werde. Ähnlich wie bei der bedingten Nachsicht oder bei der bedingten Entlassung (vgl. die §§ 43, 45, 46 und 47 einerseits sowie § 50 StGB andererseits) soll es jedoch ausreichen, dass diese positive Prognose (erst) unter Einbeziehung sozialarbeiterischer Betreuung (vgl. den vorgeschlagenen § 156d Abs. 2) erstellt werden kann. Soweit andere als sozialarbeiterische Betreuung erforderlich ist, soll dies zwar für sich genommen kein Ausschlussgrund sein, es soll darauf jedoch nur im Rahmen der Bedingungen für den Vollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest nach Abs. 2 Bedacht genommen werden können. Insbesondere müsste der Verurteilte oder Strafgefangene, sofern keine Deckung im Rahmen des Sozialversicherungsschutzes gegeben ist, für die Kosten einer solchen Betreuung selbst aufkommen. Vermag er dies nicht, wäre eine solche Betreuung aber erforderlich, wird Strafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest grundsätzlich nicht in Frage kommen. Eine subsidiäre Kostentragung durch den Bund soll jedenfalls nicht vorgesehen sein und wird auch eine Tragung im Wege der Sozialhilfe – anders als bei bedingter Nachsicht oder bedingter Entlassung – regelmäßig nicht in Betracht kommen.

Sozialarbeiterische Betreuung soll einem Betroffenen über die Vorbeugung gegen Missbrauch des elektronisch überwachten Hausarrests hinaus auch zuteil werden, soweit dies zur Erreichung des erzieherischen Zweckes des Strafvollzuges, also im Wesentlichen zur Vorbereitung auf ein straffreies Leben außerhalb der Anstalt auch ohne elektronische Überwachung, erforderlich ist.

Der Entwurf geht andererseits aber davon aus, dass eine sozialarbeiterische Betreuung nicht in jedem Fall notwendig sein wird, sondern Fälle denkbar sind, in denen der erzieherische Zweck des Strafvollzuges schon allein durch den Vollzug in Form des elektronisch überwachten Hausarrests selbst gewährleistet oder eine (sozialarbeiterische) Reintegrationshilfe (sonst) nicht erforderlich ist.

Da es sich beim elektronisch überwachten Hausarrest um eine Form des Vollzugs handelt, muss sich der Strafgefangene gewissen Einschränkungen in seiner Lebensführung unterwerfen, die dem Zweck des Strafvollzugs entsprechen sollen. Grundsätzlich soll das bedeuten, dass der Strafgefangene im Wesentlichen seiner Beschäftigung nachgeht und sich ansonsten in seiner Unterkunft aufhält. Durch Bedingungen sollen für den Strafgefangenen insbesondere die Zeiten, die er in der Unterkunft zu verbringen hat, sowie die Beschäftigungszeiten festgelegt werden. Das Ausmaß der Beschäftigung soll tunlichst der Dauer der Normalarbeitszeit (vgl. § 3 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz) entsprechen. Die Bedingungen haben aber etwa auch auf Wegzeiten oder auf die Durchführung einer Therapie Rücksicht zu nehmen. Im Zentrum des elektronischen überwachten Hausarrests soll so ein strukturierter Tagesablauf mit vereinbarten Tätigkeiten und Anwesenheitspflichten stehen, der jedoch auch ein gewisses Maß an Flexibilität gewährleisten soll, damit nicht jede geringe Überschreitung zu einem Widerruf dieser Vollzugsform führt.

Die Bundesministerin für Justiz soll ermächtigt sein, durch Verordnung Richtlinien für die Gestaltung der Bedingungen der Lebensführung außerhalb der Anstalt sowie über die Art und die Durchführung der elektronischen Überwachung, einschließlich der Festlegung jener Justizanstalten, die über Einrichtungen zur elektronischen Überwachung zu verfügen haben, zu erlassen (zur technischen Abwicklung nach dem derzeitigen Stand der Überlegungen siehe oben im allgemeinen Teil der Erläuterungen). Im Rahmen dieser Bedingungen ist (sohin) auch Raum für allenfalls erforderliche angemessene Vorgaben, die bei einer bedingten Strafnachsicht oder Entlassung als Weisungen erteilt werden könnten.

Wie auch beim Vollzug innerhalb der Anstalt soll der Strafgefangene dazu verpflichtet werden, einen Kostenbeitrag zu leisten. Dieser soll grundsätzlich in der Tragung der Kosten des technischen Aufwandes sowie der sozialarbeiterischen Betreuung bestehen. Die Höhe dieser Kosten (nach derzeitigen Schätzungen rund EUR 22,-- pro Tag) soll mit Verordnung festgelegt werden. Die Leistung eines Kostenbeitrags soll jedoch entfallen, soweit dadurch der zu einer einfachen Lebensführung notwendige Unterhalt des Strafgefangenen oder ihm gegenüber unterhaltsberechtigter Personen gefährdet wäre. Die Kosten sind vom Strafgefangenen monatlich im Nachhinein bis zum Fünften dese Folgemonats zu entrichten, wobei Säumnis für mehr als ein Monat einen Widerrufsgrund darstellt (§ 156c Abs. 2 Z 3). Über die Höhe der im Einzelfall zu tragenden Kosten entscheidet der Anstaltsleiter bei der Bewilligung (§ 156b Abs. 3 letzter Satz, § 156d Abs. 2).

Nicht sämtliche Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes können bei dieser Form des Strafvollzugs zur Anwendung kommen, es soll daher ausdrücklich auf jene Bestimmungen verwiesen werden, die (gegebenenfalls) sinngemäß gelten (weitere sinngemäß anzuwendende Normen finden sich verfahrensbezogen in den §§ 156c und 156d). Manche dieser Verweisungen sind doppelgesichtig, indem sie sowohl unmittelbar als auch sinngemäß anzuwenden sein können. Beispielsweise ergibt sich aus der Verweisung auf § 99, dass auch im Rahmen des elektronisch überwachten Hausarrests eine Strafunterbrechung möglich ist, andererseits aber auch, dass im Falle eines Widerrufs des elektronisch überwachten Hausarrests grundsätzlich wie bei einem Widerruf der Strafunterbrechung vorzugehen ist (also etwa insbesondere die Vorführung zu veranlassen ist). Aus der Verweisung aus § 106 ergibt sich, dass die Bestimmungen über Fluchten auch bei Fluchten aus dem elektronisch überwachten Hausarrest anzuwenden sind, wobei hier weder für die Justizwache noch für die Sicherheitsbehörden zusätzliche Verpflichtungen erwachsen sollen, sodass bei entsprechendem Naheverhältnis – allenfalls in Form einer „neuerlichen Nacheile“ (vgl. Drexler, StVG, Rz 3 zu § 106) – der oder die Vollzugsbedienstete einschreiten wird müssen, im Übrigen aber die Wiedereinbringung im Wege der nächsten Sicherheitsbehörde zu veranlassen sein wird. Aus dem Verweis aus § 149 ergibt sich, dass im Sinne dessen Abs. 5 vom elektronisch überwachten Hausarrest dann bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zu verständigen ist, wenn es sich dabei um das erste unbewachte Verlassen der Anstalt handelt.

Zu § 156c:

In § 156c soll bestimmt werden, in welchen Fällen die Vollzugsform des elektronisch überwachten Hausarrests in Frage kommt und wann diese Vollzugsform zu widerrufen sein soll.

Zu Abs. 1:

Formelle Grundvoraussetzung ist ein Antrag des Betroffenen. Dieser Antrag kann unter Umständen auch schon vor Strafantritt gestellt werden.

Im Übrigen sollen folgende Voraussetzungen für eine Bewilligung dieser Vollzugsform kumulativ gegeben sein müssen:

Materielle Grundvoraussetzungen sollen sein, dass es sich um eine oder mehrere zeitliche Freiheitsstrafen handelt und dass die noch zu verbüßende Strafzeit voraussichtlich zwölf Monate nicht übersteigen wird. Diese Voraussetzung wäre – soweit dem nicht ein Beschluss des Gerichts nach dem vorgeschlagenen § 266 StPO entgegensteht – jedenfalls erfüllt, wenn lediglich eine Freiheitsstrafe oder ein Strafenblock in der Dauer von maximal einem Jahr vollzogen wird bzw. vollzogen werden soll, weiters dann, wenn (sonst) bis zum urteilsmäßigen Strafende nur mehr ein Jahr oder weniger offen ist. Bei der Prüfung der zeitlichen Voraussetzungen für den Strafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest soll jedoch auch auf eine allfällige bedingte Entlassung Bedacht genommen werden. Hier kommt es darauf an, ob und gegebenenfalls wann der Betroffene nach Einschätzung des Anstaltsleiters bedingt entlassen wird.

Bei dieser Einschätzung wird der Anstaltsleiter wie auch bei der Überstellung in den Entlassungsvollzug nach § 145 Abs. 2 die Gerichtspraxis in seine Prognose einfließen lassen müssen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass Strafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest auch schon dann in Frage kommt, wenn die noch offene Strafzeit bis zur voraussichtlichen bedingten Entlassung nicht mehr als ein Jahr beträgt.

Dem Rechtsbrecher soll weiters im Inland eine geeignete Unterkunft zur Verfügung stehen müssen. Jedenfalls ungeeignet wäre eine Unterkunft, bei der die technischen Voraussetzungen für eine elektronische Überwachung nicht gegeben sind. Darüber hinaus wird eine Unterkunft nur dann geeignet sein, wenn den Wohnumständen sonst keine resozialisierungshemmenden Faktoren anhaften, was jedoch grundsätzlich nicht generell-abstrakt, sondern im Rahmen der Prüfung nach § 156c Abs. 1 Z 4 ins Kalkül zu ziehen sein wird. In diesem Sinn würde es beispielsweise nicht schaden, wenn ein Betroffener bei einem ehemaligen Komplizen Unterkunft nimmt, sofern dieser mittlerweile selbst in geordneten Verhältnissen lebt (und daher ein Missbrauch insofern nicht zu befürchten wäre).

Dass der Betroffene über die Wohnung dinglich oder bestandrechtlich verfügungsberechtigt ist, soll hingegen keine Voraussetzung sein, sondern soll es auch genügen, wenn die Wohnmöglichkeit von dritter Seite zur Verfügung gestellt wird, ohne dass damit ein Rechtsanspruch des Betroffenen verbunden wäre. In diesem Sinn wäre es beispielsweise ausreichend, wenn eine Wohnmöglichkeit bei einem Angehörigen nachgewiesen werden kann oder von einer karitativen Einrichtung zur Verfügung gestellt wird. Der Vorschlag geht überdies davon aus, dass nur eine Unterkunft in Betracht kommt. Ein Pendeln über Tagespendeln mit allabendlicher Rückkehr in die Unterkunft hinaus soll daher grundsätzlich ebenso ausscheiden wie ein Wochenendaufenthalt in einem Zweitwohnsitz (selbst wenn auch eine solche weitere Unterkunft für sich genommen nicht ungeeignet wäre). Anlassbezogen kann in diesem Zusammenhang allenfalls im Wege der sinngemäß anzuwendenden §§ 99, 99a oder 147 Abhilfe geschaffen werden, bei mittel- bis längerfristigen Änderungen (z.B. Saisonarbeit oder Besuch einer Berufsschule) mit Wechsel der Unterkunft und damit einhergehender Vollzugsortsänderung.

Wesentliches Element ist zudem, dass der Rechtsbrecher im Inland einer geeigneten Beschäftigung nachgeht, deren Umfang tunlichst das Ausmaß der Normalarbeitszeit erreichen sollte (siehe § 156b Abs. 2). Soweit die Voraussetzungen des § 156c Abs. 1 lit. c und d (sonst) erfüllt sind, sollen abgesehen von Erwerbstätigkeiten auch andere Formen von Beschäftigung als geeignet angesehen werden können, so etwa auch die Kinderbetreuung oder gemeinnützige Leistungen. Die Ausübung verschiedener Beschäftigungen, um das erforderliche angemessene Gesamtausmaß der Beschäftigungszeit zu erreichen, ist nicht ausgeschlossen. A priori wird grundsätzlich jeder rechtmäßigen Erwerbstätigkeit und jeder einer solchen dienenden Berufsausbildung die Eignung für den elektronisch überwachten Hausarrest zukommen, insbesondere dann, wenn es um die Forstsetzung einer bereits begonnenen Tätigkeit oder Ausbildung geht. Allerdings kann es aber beispielsweise an der Vereinbarkeit mit einer (ständigen) Unterkunft mangeln (z.B. Wochenpendeln, reisende Tätigkeit ohne tägliche Rückkehr an die Unterkunft). Hinsichtlich der späteren Verwertbarkeit einer angestrebten Berufsausbildung dürfen an die Eignung jedenfalls keine höheren Maßstäbe angelegt werden als an das im Vollzug dem Betroffenen zur Verfügung stehende Angebot. Ein allfälliges Spannungsverhältnis zwischen der Beschäftigung und der Persönlichkeit des Betroffenen oder dem Delikt, dessentwegen der Betroffene Strafzeit zu verbüßen hat, wird grundsätzlich nicht im Rahmen der generell-abstrakten Eignung der Beschäftigung, sondern im Rahmen der Prüfung nach § 156 Abs. 1 Z 4 StVG abzuklären sein.

Der Rechtsbrecher muss außerdem ein Einkommen beziehen, mit dem er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Wiewohl es üblich sein wird, muss das Einkommen nicht aus der vorausgesetzten Beschäftigung bezogen werden. Denkbar wäre zum Beispiel, dass ein unterhaltsberechtigter Minderjähriger seiner Ausbildung weiterhin nachgeht.

Darüber hinaus muss der Rechtsbrecher zumindest Kranken- und Unfallversicherungsschutz genießen. Auch dieser muss nicht notwendigerweise aus der ausgeübten Beschäftigung erfließen.

Alle zuletzt genannten Voraussetzungen müssen im Inland vorliegen. Hinsichtlich Unterkunft sowie Beschäftigung und Berufsausbildung ergibt sich dies aus der Notwendigkeit der Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen. „Im Inland“ bedeutet aber nicht, dass es sich um ein österreichisches Unternehmen handeln muss, bei dem die Beschäftigung ausgeübt wird, sofern nur der Beschäftigungsort des Betroffenen in Österreich gelegen ist; auch beim Einkommen kommt es nur darauf an, dass der Betroffene im Inland darüber verfügen kann, mag auch die Zahlungsanweisung aus dem Ausland erfolgen. Schließlich ist es auch für den Sozialversicherungsschutz nicht notwendig, dass der Betroffene österreichischen Sozialversicherungsschutz genießt, sofern er nur berechtigt ist, im Inland Leistungen in Anspruch zu nehmen.

Ein Widerrufsgrund soll auch die Säumigkeit mit der Zahlung des Kostenbeitrags sein, wobei hier ausdrücklich normiert ist, dass eine neuerliche Bewilligung des elektronisch überwachten Hausarrests frühestens dann in Betracht kommt, wenn die Rückstände bezahlt worden sind. Im Übrigen wird bei der Frage einer allfälligen neuerlichen Bewilligung des elektronisch überwachten Hausarrests insbesondere zu berücksichtigen sein, inwieweit bzw. ab wann der Widerrufsgrund (soweit nicht mit dem bloßen Wiedereintritt einer weggefallenen Voraussetzung das Auslangen gefunden werden kann, was insbesondere bei zwischenzeitiger unverschuldeter Beschäftigungslosigkeit der Fall sein wird) mit der Voraussetzung nach § 156c Abs. 1 Z 4 (wieder)vereinbar ist (was insbesondere dann zu prüfen sein wird, wenn etwa ein Verstoß gegen die Bedingungen eine Missbrauchsbefürchtung indiziert).

Da der elektronisch überwachte Hausarrest nicht nur Auswirkungen auf den Strafgefangenen hat, sondern auch massiv in die Lebensführung der mit ihm im gemeinsam lebenden Personen eingreift, soll vor Bewilligung die schriftliche Einwilligung sämtlicher im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen eingeholt werden.

Schließlich sollen vor Entscheidung über diese Vollzugsform die Wohnverhältnisse, das soziale Umfeld und allfällige Risikofaktoren vor dem Hintergrund von Aspekten wie Gefährlichkeit des Betroffenen, Art und Beweggrund der Anlasstat oder früherer Verurteilungen, dem nunmehrigen Lebenswandel und den Chancen auf ein redliches Fortkommen nach der Haft geprüft werden. Soweit nach dem Ergebnis dieser Prüfung (zu beachten wäre auch die zusätzliche Voraussetzung des § 156d Abs. 3) und bei Einhaltung der festgelegten Bedingungen (wobei die Wahrscheinlichkeit der Einhaltung der Bedingungen als Risikofaktor zu prüfen ist), Grund zur Annahme besteht, dass ein Missbrauch der Vollzugsform nicht zu befürchten ist, wäre der Antrag zu bewilligen.

Zu Abs. 2:

Die Anhaltung im elektronischen überwachten Hausarrest soll unter folgenden Umständen widerrufen werden: Eine für die Bewilligung notwendige Voraussetzung fällt weg, zu denken wäre hier etwa an den Verlust der Unterkunft oder des Arbeitsplatzes, wobei es auf ein Verschulden des Betroffenen nicht ankommen soll. Durch den Verweis auf § 145 Abs. 3 soll zum Ausdruck gebracht werden, dass der bloße Umstand, dass der Strafgefangene entgegen der Einschätzung des Anstaltsleiters nicht bedingt entlassen wurde (und aus der Gerichtsentscheidung womöglich ableitbar ist, dass die zeitlichen Voraussetzungen auch bis auf weiteres aus der Sicht des Vollzugsgerichts nicht vorliegen würden), für sich genommen nicht zum Widerruf des elektronisch überwachten Hausarrests führen können soll. Zu widerrufen wäre auch, wenn der Strafgefangene eine Anordnung oder eine festgelegte Bedingung nicht einhält. Dies muss entweder in schwerwiegender Weise, sodass eine Weiterführung nach den Zwecken des Strafvollzuges nicht mehr zielführend erscheint, oder trotz förmlicher Mahnung geschehen. Die Mahnung muss in förmlicher Weise, entweder mündlich oder durch Zustellung eines Schriftstücks, erfolgt sein. Sinn der Mahnung soll es sein, dem Strafgefangenen die festgelegten Bedingungen und Voraussetzungen für diese Vollzugsform noch einmal nachdrücklich in Erinnerung zu rufen und solcherart deren Befolgung einzumahnen. Mutwillige Nichtbefolgung ist jedoch nicht notwendig.

Da mit dem Vollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest auch intensive Einschränkungen und Belastungen für den Strafgefangenen einhergehen, soll es ihm möglich sein zu erklären, dass er die auferlegten Bedingungen nicht mehr einhalten könne.

Schließlich soll auch der dringende Verdacht, dass der Strafgefangene eine strafbare Handlung begangen habe, zu einem Widerruf der Vollzugsform führen können. Allerdings soll entweder der dringende Tatverdacht in Bezug auf eine während des elektronischen Hausarrests verübte Vorsatztat bestehen müssen, oder es muss sich um den dringenden Verdacht eines Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsdelikts handeln, dessen Verifizierung im Falle einer Verurteilung dazu führen würde, dass der Vollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest nicht mehr bewilligt würde, weil im Lichte dieser weiteren Tat eine günstige Prognose im Sinne des Abs. 1 Z 4 nicht mehr erstellt werden könnte; ob sich der Verdacht in einem solchen Fall auf eine während des elektronisch überwachten Hausarrests oder schon davor begangene strafbare Handlung richtet, wäre dabei irrelevant, sofern es sich nur um einen neu hervorgekommenen Verdacht handelt.

Zu § 156d:

Zu Abs. 1:

Zuständig für die Entscheidung über die Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest und dessen Widerruf ist der Leiter der Anstalt, in der zum Zeitpunkt der Antragstellung die Freiheitsstrafe vollzogen wird. Hat der Verurteilte die Freiheitsstrafe noch nicht angetreten (so genannte „Frontdoor-Variante“), so ist der Leiter derjenigen Justizanstalt zuständig, in der die Freiheitsstrafe zu vollziehen wäre. Dies jedoch nur dann, wenn sich die Unterkunft des Rechtsbrechers im Sprengel des Landesgerichts, in dem die betreffende Justizanstalt liegt, befindet und diese über die Möglichkeit einer elektronischen Überwachung verfügt. Wird der Rechtsbrecher in einer anderen Anstalt angehalten, kommt die Entscheidung über den elektronisch überwachten Hausarrest der Vollzugsdirektion zu, die auch – sofern der Antrag bewilligt wird – die erforderliche Änderung des Strafvollzugsortes zu verfügen hat (§ 10). Durch den Verweis auf § 135 Abs. 2 und Abs. 3 soll ermöglicht werden, dass der Verurteilte oder Strafgefangene vor der Entscheidung zu hören ist, dass für die Beurteilung von Risikofaktoren wie für Zwecke der Erstellung des Vollzugsplans Erhebungen durchgeführt werden können und dass nach der Entscheidung mit dem Betroffenen ein Gespräch über die maßgeblichen Erwägungen zu führen ist.

Zu Abs. 2:

Ein zentrales Element des elektronisch überwachten Hausarrests liegt in den festgelegten Bedingungen seiner Lebensführung außerhalb der Anstalt, die in § 156b Abs. 2 näher beschrieben werden. Zudem soll – soweit erforderlich – Betreuung durch eine in der Sozialarbeit erfahrene Person gewährt werden. Der Aufgabenbereich dieser Betreuung soll zum einen in der Unterstützung des Strafgefangenen bei der Einhaltung der festgelegten Bedingungen bestehen, zum anderen der erzieherischen Betreuung im Hinblick auf ein straffreies Leben ohne elektronische Überwachung dienen. Vgl im Übrigen oben bei § 156b sowie bei § 29c Bewährungshilfegesetz.

Zu Abs. 3:

Bei Personen, die wegen einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität oder Selbstbestimmung oder gegen Leib und Leben oder die Freiheit, wenn diese Tat begangen wurde, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, verurteilt wurden, soll zur Prüfung allfälliger Risikofaktoren und der Gefahr des Missbrauchs dieser Vollzugsform vor der Entscheidung eine Äußerung der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST) eingeholt werden.

Zu Abs. 4:

Idealerweise sollte bei der so genannten „Frontdoor-Variante“ innerhalb der Frist des § 3 Abs. 2 entschieden werden können. Da jedoch allenfalls umfangreiche Prüfungen der Voraussetzungen mit dem Antrag auf Vollzug des elektronisch überwachten Hausarrests einhergehen und Anträge womöglich erst knapp vor Verstreichen der Frist gestellt werden können, soll diese Frist bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag gehemmt werden, sofern der Antrag nicht offenbar aussichtslos ist. Die Aufnahme in den Vollzug soll sich bei Bewilligung des Antrags auf die Maßnahmen der §§ 131 Abs. 1 und 132 Abs. 4 bis 7 beschränken.

Der Entwurf begründet ein subjektives Recht des Strafgefangenen. Daher unterliegt eine allfällige ablehnende Entscheidung des Anstaltsleiters den Rechtsmittelmöglichkeiten des StVG.

Zu Art. 2 (Änderung der Strafprozessordnung):

Zu Z 1 bis Z 3 (§§ 173a, 174 Abs. 3 Z 8 und 176 Abs. 1 Z 2):

Mit diesen Bestimmungen soll in der Systematik des Haftrechts der StPO ermöglicht werden, dass Untersuchungshaft  durch elektronisch überwachten Hausarrest  vollzogen werden kann. Anders als bei der Haft anderer Art im Sinne des § 173 Abs. 4 StPO, die eben keine Untersuchungshaft darstellt (vgl. Kirchbacher/Rami, WKStPO § 173 Rz 61), sollen daher grundsätzlich die Bestimmungen der Untersuchungshaft anzuwenden sein; auch die besondere Ausprägung des Beschleunigungsgrundsatzes (§ 9 Abs. 2 StPO) soll durch die Anordnung des Hausarrests als besondere Art des Vollzugs der Untersuchungshaft nicht an Wirkung verlieren.

Eine Einordnung als gelinderes Mittel scheidet wegen des besonderen Eingriffs durch die weit in das Privat- und Familienleben eindringende Form der elektronischen Überwachung und der haftgleichen Beschränkung der Lebensführung aus.

Da es sich um eine besondere Art des Vollzugs der Untersuchungshaft handeln soll, ist auch die in Hausarrest zugebrachte Zeit als Vorhaft gemäß § 38 StGB auf Freiheitsstrafen und Geldstrafen anzurechnen.

Grundlegende Voraussetzung dieses Vollzugs der Untersuchungshaft ist, dass ihr Sicherungszweck nicht durch Anwendung gelinderer Mittel erfüllt werden kann, der Beschuldigte dennoch aber soweit sozial integriert ist, dass zu erwarten ist, er werde in Anbetracht der elektronischen Überwachung keine Handlungen setzen, deren Abwehr die Untersuchungshaft dient. Grundsätzlich sollen daher die Bestimmungen über die Untersuchungshaft sowohl hinsichtlich der Haftfristen als auch der Höchstdauer der Untersuchungshaft (§§ 175, 178 StPO) für den Hausarrest gelten, allerdings soll über die Fortsetzung der Untersuchungshaft durch elektronisch überwachten Hausarrest durch Beschluss ohne vorangegangene Haftverhandlung entschieden werden können.

Der Beschuldigte muss im Inland über einen Wohnsitz verfügen, der im Hinblick auf die Haftgründe auch für den Vollzug des Hausarrests geeignet ist, was etwa dann nicht der Fall wäre, wenn dem Beschuldigten eine Tatbegehung zum Nachteil von Mitbewohnern zur Last liegt und die Gefahr der Tatausführung oder der neuerlichen Tatbegehung besteht. Im Hinblick auf die Eingriffsintensität der elektronischen Überwachung soll diese besondere Art der Haft auch der Zustimmung des Beschuldigten bedürfen (§ 173a Abs. 1 StPO).

Das Verfahren zur Prüfung der Voraussetzungen soll grundsätzlich auf Antrag des Beschuldigten oder der Staatsanwaltschaft eingeleitet werden, nachdem über die Verhängung der Untersuchungshaft entschieden wurde, weil zunächst das Vorliegen von dringendem Tatverdacht und Haftgründen bzw. die Frage deren Subsituierbarkeit durch gelindere Mittel zu prüfen ist, die Frage der Geeignetheit des Vollzugs durch elektronisch überwachten Hausarrest jedoch Abklärungen erfordert, die regelmäßig nicht in der für die Vernehmung und Verhängung der Untersuchungshaft zur Verfügung stehenden Zeit vorgenommen werden können. Das Gericht soll den Beschuldigten im Zeitpunkt der Verhängung der Untersuchungshaft jedoch über die Möglichkeit einer solchen Antragstellung zu belehren haben (§ 174 Abs. 3 Z 8 StPO), im Übrigen jedoch diese Frage ohne zu Grunde liegenden Antrag nicht von Amts wegen zu beurteilen haben.

Wird ein Antrag auf diese Art des Vollzugs der Untersuchungshaft gestellt, so soll das Gericht vorläufige Bewährungshilfe anzuordnen und die Bewährungshilfe um Erhebung des sozialen Umfelds und des Grads der sozialen und beruflichen Integration des Beschuldigten zu ersuchen haben. Die Bewährungshilfe soll mit dem Beschuldigten Kontakt aufnehmen und mit ihm die Bedingungen des Hausarrests ausarbeiten, deren Einhaltung der Beschuldigte durch Gelöbnis zu bekräftigen haben soll. Der vorläufigen Bewährungshilfe obliegt es auch, die Wohnverhältnisse und das soziale und persönliche Umfeld zu erheben, was auch die Kontaktaufnahme mit Angehörigen und Mitbewohnern umfasst, weshalb die besondere Anordnung einer Verständigung dieser Personen entbehrlich erscheint. Diese Klärung des Umfelds beinhaltet aber auch opferbezogene Faktoren, sodass auch z.B. eine Bedingung formuliert werden kann, sich dem Opfer nicht zu nähern und jeden Kontakt mit ihm zu unterlassen. Anders als im Bereich des Strafvollzugs erscheint jedoch die Anordnung eines Zustimmungserfordernisses mit dem Charakter der Untersuchungshaft nicht vereinbar, weil z.B. auch die Weisung, sich an einem bestimmten Aufenthalt aufzuhalten, nicht an die Zustimmung anderer Personen geknüpft wird.

Dem Wesen des Hausarrests als Vollzug der Untersuchungshaft entspricht es, dass der Beschuldigte seine Wohnung nur zum Zweck der Ausübung einer Beschäftigung bzw. Ausbildung und zur Beschaffung von Gütern des täglichen Lebensbedarfs oder zur Inanspruchnahme medizinischer Versorgung auf der jeweils kürzesten Wegstrecke verlassen darf. Auch die Art der Beschäftigung bzw. Ausbildung muss eine solche sein, durch welche die Haftzwecke nicht gefährdet werden (§ 173a Abs. 2 StPO).

Über die Bewilligung des Hausarrests soll in einer Haftverhandlung zu entscheiden sein, was auch bedeutet, dass eine solche unverzüglich anzuberaumen wäre (§ 176 Abs. 1 Z 2 StPO). Spätestens in dieser Haftverhandlung soll die Bewährungshilfe über die Lebensverhältnisse des Beschuldigten, einschließlich seiner Beschäftigung bzw. Ausbildung zu berichten und der Beschuldigte seine Zustimmung zur elektronischen Überwachung mit dem Gelöbnis zu erklären haben, die ihm auferlegten Bedingungen des Vollzugs des Hausarrests nicht zu übertreten (§ 173a Abs. 2 StPO). Wird dem Antrag stattgegeben, so soll neben der fallführenden Kriminalpolizei auch die Sicherheitsbehörde unverzüglich zu verständigen sein, in deren Zuständigkeitsbereich der Hausarrest vollzogen werden soll (§ 173a Abs. 3 StPO).

Das Gericht soll jedenfalls auf Grund eines Antrags auf Vollzug der Untersuchungshaft durch elektronisch überwachten Hausarrest die in § 173a Abs. 2 erwähnten Erhebungen anzuordnen haben, es sei denn, dass ein solcher Vollzug der Untersuchungshaft mangels Wohnsitzes oder mangels Erfüllung des Sicherungszweckes (etwa wegen besonderer Gefährlichkeit iSd § 173 Abs. 3 zweiter Satz StPO) von vornherein ausscheidet. Im Beschwerdefall (§ 176 Abs. 5 iVm § 175 Abs. 4 StPO sinngemäß) gilt das sonst vorgesehene Verfahren. Richtet sich die Beschwerde ausdrücklich gegen die Haftfrage, so hat das OLG durch meritorische Entscheidung diejenige des Erstgerichts nicht bloß zu beurteilen, sondern zu ersetzen (14 Os 47/02, SSt 64/18; 14 Os 138/03, SSt 2003/81; 13 Os 46/05x, EvBl 2005/145, 681 = JBl 2006, 469 [Burgstaller]; 14 Os 59/06t, 60/06i, 61/06m, SSt 2006/47 = EvBl 2006/132, 690 = JBl 2007, 264 ua; Fabrizy StPO10 § 176 Rz 8). Das OLG hat daher die Haftfrage für den Zeitpunkt seiner Beschlussfassung neu zu beurteilen . Richtet sich die Beschwerde ausdrücklich gegen die Entscheidung über die Art des Vollzugs der Untersuchungshaft, so hätte das OLG unter Bedachtnahme auf neue Umstände (§ 89 Abs 2 zweiter Satz StPO) und auf das Überraschungsverbot und ggf. unter Anwendung des § 89 Abs. 5 StPO (d.h. durch entsprechende Aufträge an das Erstgericht) vorzugehen (siehe zu all dem Kirchbacher-Rami WK-StPO § 176 Rz 12).Dass § 173a Abs. 2 StPO die Entscheidung einer Haftverhandlung vorbehält, schadet im Übrigen nicht, gilt doch schon für die Fortsetzung der Untersuchungshaft gemäß § 175 Abs. 1 letzter Satz Gleiches, ohne dass das OLG verhalten wäre, seine Entscheidung in einer Haftverhandlung zu treffen.

Das Gericht soll den Hausarrest zu widerrufen und den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft anzuordnen haben, wenn der Beschuldigte erklärt, seine Zustimmung zu widerrufen. Der Hausarrest soll darüber hinaus auf Antrag der Staatsanwaltschaft zu widerrufen sein, wenn der Beschuldigte seinem Gelöbnis zuwider die Bedingungen nicht einhält oder wenn sonst hervorkommt, dass die Haftzwecke durch den Hausarrest nicht erreicht werden können. Mit der Durchführung der Überstellung in Untersuchungshaft soll die Kriminalpolizei beauftragt werden (§ 173a Abs. 4 StPO).

Soweit der Beschuldigte nicht seine Enthaftung beantragt, wird über die Fortsetzung der Untersuchungshaft in einer Haftverhandlung vor dem Ablauf der zuletzt im Beschluss über die Verhängung oder Fortsetzung des Hausarrests gesetzten Frist zu entscheiden sein.

Zu Z 4 (§ 266):

In dieser Bestimmung soll die Grundlage für den Ausspruch des erkennenden Gerichts geschaffen werden, dass die Freiheitsstrafe aus spezial- oder generalpräventiven Erwägungen nicht durch elektronisch überwachten Hausarrest vollzogen werden darf. Die zeitliche Wirkung eines solchen Ausspruchs soll mit dem frühestmöglichen Zeitpunkt einer bedingten Entlassung begrenzt werden. Es handelt sich bei diesem Ausspruch seinem Charakter nach um eine Strafzumessungsfrage, was dadurch unterstrichen wird, dass das Gericht die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, den Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat (§ 43 Abs. 1 letzter Satz StGB) zu berücksichtigen haben soll.

Der Hinweis auf bestimmte Tatsachen erfordert eine eingehende Begründung; generalpräventive Erwägungen sollen nur in wenigen Ausnahmefällen (vgl. § 46 Abs. 2 StGB) zum Ausschluss dieser Vollzugsform führen dürfen.

Da es sich um einen Teil des Strafausspruchs handelt, soll er mit Berufung wegen Strafe anzufechten sein.

Um jeden Zweifel einer Anwendung des § 31a StGB auszuschließen, soll im Abs. 2 besonders angeordnet werden, dass das Gericht seinen Ausspruch im Fall einer nachträglich bekannt gewordenen oder eingetretenen Änderung der Umstände aufheben können soll.

Zu Art. 3 (Änderung des Bewährungshilfegesetzes):

Mit der vorgeschlagenen Änderung des § 29 sowie der Einfügung des neu vorgeschlagenen § 29c soll die sozialarbeiterische Betreuung nach dem bewährten Muster der Konfliktregelung (§§ 29, 29a Bewährungshilfegesetz) und der Vermittlung gemeinnütziger Leistungen sowie Schulungen und Kursen (§§ 29, 29b Bewährungshilfegesetz) in das Bewährungshilfegesetz integriert werden. Dass der bisherige § 29c die Paragraphenbezeichnung 29d erhalten soll, ist lediglich eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu den Art. 4 bis 8 (Änderung des ASVG, GSVG, BSVG, B‑KUVG und NVG 1972):

Durch die vorgeschlagene Ausnahmeregelung soll sichergestellt werden, dass Personen, die ihre Freiheitsstrafe nicht in einer Vollzugsanstalt verbüßen, sondern in Form eines elektronisch überwachten Hausarrests („Fußfessel“), weiterhin ihre sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche lukrieren können.

Im Unterschied zum Strafvollzug in einer Haftanstalt, in deren Rahmen sowohl die Unterbringung als auch die gesundheitliche Versorgung auf Kosten der Strafjustiz erfolgt und aus diesem Grund der sozialversicherungsrechtliche Leistungsanspruch ruht, erhalten Personen, deren Anhaltung mittels elektronisch überwachten Hausarrests vorgenommen wird, keine derartige Versorgung, sodass sie weiterhin auf die entsprechenden Versicherungsleistungen aus der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung angewiesen sind.

Dem wird durch die vorgeschlagene Ausnahmeregelung bei der Bestimmung über das Ruhen bei Haft Rechnung getragen.

Zu Art. 9 (Änderung des AlVG):

Durch die vorgeschlagene Ergänzung der Sonderregelungen der Verfügbarkeit und der Arbeitslosigkeit soll klargestellt werden, dass Personen, die ihre Freiheitsstrafe nicht in einer Vollzugsanstalt verbüßen, sondern in Form eines elektronisch überwachten Hausarrests („Fußfessel“), während einer Berufsausbildung, welche die Voraussetzung für diese zeitlich begrenzte besondere Vollzugsform bildet, bei Erfüllung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung erhalten können.