Vorblatt

Problem:

Es hat sich erwiesen, dass das geltende System der Abschöpfung der Bereicherung nicht ausreicht, um Verbrechensgewinne effektiv zu Gunsten des Staates einziehen zu können.

Die Strafjustiz hat als Ausfluss der globalen Wirtschaftskrise eine Vielzahl hochkomplexer Verfahren im Bereich der Wirtschaftskriminalität zu bearbeiten und gleichzeitig die Herausforderungen der öffentlichen Erwartung nach rascher Aufklärung unter größtmöglicher Transparenz zu bewältigen. Insbesondere die Staatsanwaltschaft sieht sich trotz knapper werdender Personalressourcen und den gestiegenen Anforderungen wegen ihrer neuen Rolle als Leiterin des Ermittlungsverfahrens steigender Kritik ausgesetzt.

Die Zuständigkeit der Korruptionsstaatsanwaltschaft erweist sich in ihrer Abgrenzung zur Wirtschaftskriminalität als schwierig zu handhaben, was in der Zusammenarbeit mit anderen Staatsanwaltschaften zu Problemen geführt hat.

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft soll ausgebaut und mit der Zuständigkeit für komplexe Großverfahren im Bereich der Wirtschaftskriminalität ausgestattet werden

Ziel:

Im StGB sollen Maßnahmen gesetzt werden, um kriminell erwirtschaftetes Vermögen wirkungsvoll zugunsten des Staatshaushaltes einziehen zu können.

In der StPO und im StAG sollen gesetzliche Maßnahmen vorgenommen werden, die die Transparenz der Tätigkeit staatsanwaltschaftlicher Organe erhöhen, Strukturen zur  bundesweiten spezialisierten und zentralisierten Bekämpfung von schwerer Wirtschaftskriminalität und Korruption schaffen und stärken sowie neue Werkzeuge zur Verfolgung von Straftaten, deren Aufdeckung oder Nachweis sonst unwahrscheinlich wäre, zur Verfügung stellen. Im GOG soll eine entsprechende Regelung auf Gerichtsebene für die Führung von Hauptverfahren wegen großer und komplexer Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen geschaffen werden.

Inhalt/Problemlösung:

Der Entwurf schlägt folgende Maßnahmen vor:

         1. Neuordnung des Verfalls von Vermögenswerten, die durch oder für die Begehung von Straftaten erwirtschaftet wurden;

         2. Erhöhung der Transparenz besonders bedeutender staatsanwaltschaftlicher Enderledigungen durch deren Veröffentlichung und Begründung sowie Kontrolle durch den Rechtschutzbeauftragten und damit verbundene verbesserte Möglichkeiten, ungerechtfertigter Kritik entgegenzutreten und das Vertrauen in die unbeeinflusste und unvoreingenommene Tätigkeit der Strafverfolgungsorgane zu erhöhen;

         3. Steigerung der Effizienz der Staatsanwaltschaften und Gerichte, insbesondere in der Aufklärung und Beurteilung von Wirtschaftskriminalität, organisierter Kriminalität und Korruption durch Schaffung einer zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftstrafsachen und Korruption und entsprechender Gerichtsabteilungen beim Landesgericht für Strafsachen Wien;

         4. Einführung einer Kronzeugenregelung.

Alternativen:

Keine.

Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

– Finanzielle Auswirkungen:

Auch wenn der Entwurf eine effektivere Einziehung kriminell erworbenen Vermögens verfolgt, lassen sich die zusätzlichen Einnahmen seriös nicht prognostizieren; jedenfalls ist damit zu rechnen, dass der mit der effektiveren Anwendung verbundene Mehraufwand im Ermittlungsbereich durch die höheren Einnahmen aufgewogen werden kann.

Der Entwurf verfolgt grundsätzlich die Zielsetzung, durch bereits bestehende Strukturen der KStA Synergien zu nutzen und durch die Konzentration eine schlagkräftige Staatsanwaltschaft aufzubauen, die es ermöglichen soll, komplexe Verfahren im Bereich der Wirtschaftskriminalität und der Korruption zügiger und effizienter zu erledigen. Damit geht für die übrigen Staatsanwaltschaften und Gerichten ein Entlastungseffekt einher, weil vor allem kleinere Einheiten bei Anfall einer großen Wirtschaftsstrafsache derart ausgelastet waren, dass auch die Erledigung anderer Verfahren verzögert wurde. Mittel- und langfristig ist daher mit einem Entlastungseffekt zu rechnen, der sich durch die verstärkte Konzentration auf Maßnahmen der Gewinnabschöpfung auch einnahmenseitig positiv auswirken sollte, wobei sich exakte Zahlen seriös nicht prognostizieren lassen.

Experten sollen im Wege der Justizbetreuungsagentur angeworben werden, die gemäß § 2 Abs. 5a Justizbetreuungsagentur-Gesetz, BGBl. I Nr. 101/2008 idF BGBl. I Nr. 137/2009 Verträge über die Bereitstellung von Experten abzuschließen hat, deren spezifische Fachkenntnis innerhalb der Justiz nicht verfügbar, aber für die Bearbeitung komplexer oder besonders umfangreicher Ermittlungsverfahren oder gerichtlicher Verfahren zweckmäßig ist. So sollen der WKStA sieben derartige Experten zur Verfügung gestellt werden. Für diese Zwecke wurde im Justizbudget bereits Vorsorge durch die Bindung von 700 000 Euro getroffen.

Die Vorschläge zur Steigerung der Transparenz der Tätigkeit der Staatsanwaltschaften werden im Vergleich zur geltenden Rechtslage in geringfügigem Ausmaß zusätzliche Kapazitäten binden, die jedoch durch Rationalisierungen der Arbeitsabläufe zu schaffen sein werden. Die zusätzlichen Aufgaben des Rechtsschutzbeauftragten werden durch verstärkte Heranziehung seiner Stellvertreter zu bewältigen sein; aus dem Umstand, dass der vom Rechtschutzbeauftragten zu erledigende Arbeitsanfall durch die Bestimmungen des Budgetbegeleitgesetzes 2009 nahezu halbiert wurde (von 418 auf 262 Verfahren), ergibt sich, dass der zusätzliche Arbeitsanfall zu bewältigen sein wird. Daraus resultierende Mehraufwendungen durch die höhere Entschädigung können aus dem Justizbudget gedeckt werden.

Ob mit einem zusätzlichen Anfall an Fortführungsanträgen zu rechnen ist, lässt sich nicht genau abschätzen, weil auch zu erwarten sein wird, dass durch die verbesserten Informationsmöglichkeiten der Antragsberechtigten eine Reduktion nicht erfolgversprechender Anträge, nämlich solcher, die bisher mangels aussagekräftiger Verständigung aus „Vorsichtsgründen“ eingebracht wurden, eintreten wird.

Sämtliche mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf verbundenen Mehrkosten werden im für das BMJ vorgegebenen Budgetrahmen bedeckt werden.

– Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

– – Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

                Ein funktionierendes und Sicherheit vermittelndes Justizsystem ist ein wesentliches Element für die Attraktivität des österreichischen Wirtschaftsstandortes.

– – Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Bürger/innen und für Unternehmen:

                Für Bürger/innen oder Unternehmen werden keine sie belastenden Informationsverpflichtungen geschaffen.

– Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

Keine

– Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Keine

– Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Durch die Einführung des § 19a StGB kann der Rahmenbeschluss 2005/212/JI des Rates über die Einziehung von Erträgen, Tatwerkzeugen und Vermögensgegenständen aus Straftaten vom 24.2.2005, ABl. 2005 L 68, besser umgesetzt werden (insbesondere im Hinblick auf die Definition der „Einziehung“ [confiscation]).

Im Übrigen berühren die vorgesehenen Regelungen über die Schaffung der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption insoweit den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union, als die Konzentration im Bereich der Verfolgung von schweren Fällen der Wirtschaftskriminalität auch eine bessere justizielle Zusammenarbeit gewährleisten sollte, zumal solche Fälle stets einen Auslandsbezug aufweisen (z.B. leichtere Bildung von gemeinsamen Ermittlungsgruppen) .

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Die Vorschläge des vorliegenden Entwurfs weisen vier Schwerpunkte auf:

         1. Bessere und leichtere Handhabbarkeit der rechtlichen Möglichkeiten zur Abschöpfung der producta sceleris bzw. Einziehung der instrumenta sceleris (§§ 19a bis 20c StGB).

         2. Der in der Rechtsprechung des EGMR garantierte Anspruch der Öffentlichkeit, über Straffälle bedeutender Art informiert zu werden, soll nicht den Zufälligkeiten der politischen und medialen Entscheidung überlassen werden, sondern als Aufgabe der Staatsanwaltschaften gesetzlich verankert werden. Dabei geht es einerseits um Transparenz den Verfahrensbeteiligten, andererseits um Transparenz der interessierten Öffentlichkeit gegenüber. Der Entwurf greift hier auf die Vorschläge des von der Frau Bundesministerin Maga. Claudia Bandion-Ortner eingesetzten Expertenrates zurück, die dieser zu den Themen „Entwicklung von Vorschlägen und Strategien, wie die Transparenz von Entscheidungen der Staatsanwaltschaften und Aufsichtsbehörden erhöht werden kann - unter Wahrung der Rechte der Betroffenen und der Amtsverschwiegenheit“ sowie „Evaluierung der Funktionsfähigkeit der Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaften, auch anhand konkreter, im Einzelfall von der Bundesministerin für Justiz genannter Fälle“ erstattet hat.

         3. In den letzten etwa zehn bis fünfzehn Jahren ist die österreichische Justiz mit einer zunehmenden Zahl „großer“ Wirtschaftsstrafsachen befasst. Zu diesem erheblichen, aber rein quantitativen Anstieg treten qualitative Steigerungen hinzu. Die Fälle sind gekennzeichnet durch deutlich zunehmende internationale Verflechtungen der Beschuldigten, der beteiligten Unternehmen und der Transaktionen, durch oftmals gesteigerte Komplexität des Tatschemas, eingesetzter Finanzinstrumente und bilanzieller Fragen und den deutlich verstärkten Einsatz von Expertenkapazität zur Bearbeitung von Rechts- und Wirtschaftsfragen und von Journalisten und Medien. Traditionelle und auf Einzelentscheidungen beruhende Maßnahmen reichen zur Bewältigung dieser neuen bzw. veränderten Herausforderungen nicht mehr aus. Es wird daher vorgeschlagen, am Sitz der Oberstaatsanwaltschaft Wien eine Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption  zu schaffen, der die Aufgabe zufallen soll, Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen zügig und kompetent zu erledigen. Eine parallele Struktur soll auch für die gerichtliche Ebene vorgesehen werden (§§ 19 Abs. 1 Z 3, 20a, 20b, 28a, 32a StPO; § 2a StAG und § 32a GOG).

         4. Als Teil des vorliegenden strafrechtlichen Kompetenzpakets soll eine Kronzeugenregelung (§§ 209a und 209b StPO) eingeführt werden, die ein hohes Maß an Berechenbarkeit für die Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit aufweist, ausreichend Anreize bietet, sich als Kronzeuge zur Verfügung zu stellen, um in der Praxis anwendbares Werkzeug zu schaffen, den Nutzen eines Kronzeugen für die Strafverfolgung und die Zwecke des Strafrechts in den Vordergrund stellt sowie hinreichend Rechtsschutz gewährleistet sowie die besonderen Aspekte der schon bestehenden Kronzeugenprogramme im Wettbewerbs- und Kartellrecht berücksichtigt.

Als Inkrafttretenszeitpunkt wird der 1. Juni 2011 vorgeschlagen, um zu gewährleisten, dass die erforderlichen flankierenden Begleitmaßnahmen vorbereitet und in Angriff genommen werden, weil das strafrechtliche Kompetenzpaket auch durch Maßnahmen auf Ebene der Aus- und Fortbildung in für die Führung solcher Verfahren relevanten Sachthemen und der Bewusstseinsbildung begleitet werden muss. Schließlich wird auch für eine ausreichende Anzahl von wirtschaftlichen Fachexperten Sorge zu tragen sein. Der Nutzen verbesserten Möglichkeiten zur Einziehung kriminell erwirtschafteten Vermögens und der Kronzeugenregelung sollen den Strafverfolgungsbehörden jedoch bereits zum 1. Jänner 2011 zur Verfügung stehen. Die Kronzeugenregelung soll zunächst auf die Dauer von sechs Jahren befristet werden und vor einer Entscheidung über die Übernahme in den endgültigen Rechtsbestand einer umfassenden Evaluierung unterzogen werden.

Finanzielle Auswirkungen:

Die Berechnung der durch Umschichtungen im Bereich des Personalplans des Bundesministeriums für Justiz zur Verfügung zu stellenden Planstellen für die WKStA stützt sich auf folgende Überlegungen:

In der als Vergleichsbasis herangezogenen „Wirtschaftsgruppe“ der Staatsanwaltschaft Wien (mit Zuständigkeit nach der Geschäftsverteilung dieser Staatsanwaltschaft für Strafsachen sehr großen Umfangs oder besonderer Schwierigkeit wegen vermögensrechtlicher Schädigung im Zusammenhang mit unternehmerischer Tätigkeit, wobei die Bestimmung einer Strafsache zur Wirtschaftsstrafsache durch die Leiterin der StA und die Zuteilung an die Geschäftsabteilung durch die Gruppenleiterin erfolgt) sind 14 Abteilungen definiert, wovon 13 Abteilungen auch tatsächlich besetzt sind; aufgrund der vorgesehenen Gruppenleitertätigkeiten stehen derzeit (netto) 11,85 VZK zur Verfügung. 2009 sind in dieser Gruppe 363 Verfahren gegen 1.342 Beschuldigte angefallen, das Verhältnis beträgt daher 2,8 St-Akte mit 10,4 Beschuldigten je Monat je VZK der Wirtschaftsgruppe (ohne Gruppenleitung und administrativen Aufgaben). Im ersten Halbjahr 2010 (1. Jänner bis 31. Juli) sind in dieser Gruppe 197 Verfahren mit 625 Beschuldigten angefallen, das Verhältnis beträgt daher 2,4 St-Akte mit 7,5 Beschuldigten je Monat und VZK.

Auf Ebene des Landesgerichts für Strafsachen Wien sind derzeit sechs Geschäftsabteilungen für Anklagen und Strafanträge wegen Straftaten nach dem FinStrG, AktG, GmbHG, AußenhandelG, DevisenG, KartellG, Kreditwesen-/BankwesenG, KapitalmarktG und nach § 48b BörseG sowie wegen §§ 147 Abs. 3, 153 Abs. 2, 153d Abs. 2, 156 Abs. 2 StGB bei einem Schaden von über € 500.000,-- sowie nach § 159 Abs. 4 StGB (wobei der sich aus Spruch oder Begründung der Anklage ergebende Schaden ausschlaggebend ist) gegen erwachsene Straftäter eingerichtet, wobei diese Abteilungen zum Teil auch für sonstige Verfahren zuständig sind, sodass der VZK- Einsatz geringer zu bemessen wäre.

Nach einer Auswertung der VJsind im Sprengel der Oberstaatsanwaltschaft Wien 2.040 Verfahren wegen der in § 20a Abs. 1 Z 1 bis 4, 6 und 7 StPO des Entwurfs genannten Straftaten angefallen, wobei zu berücksichtigen ist, dass eine Auswertung nach dem Betrag des herbeigeführten Schadens nicht möglich ist, sodass auch Fälle enthalten sind, in denen der herbeigeführte Schaden das in § 20a Abs. 1 Z 1, 3 und 7 StPO erwähnte Ausmaß bei weitem nicht erreicht. Für den Sprengel der OStA Linz ergibt sich in diesem Bereich ein Anfall von 417 Verfahren, für die OStA Innsbruck von 476 und für die OStA Graz von 406 Verfahren.

Der WKStA werden einerseits nicht alle, aber doch die umfangreichsten und größten Wirtschaftsstrafsachen zugewiesen und sie soll diese andererseits verstärkt und zügig bearbeiten. Zudem erstreckt sich die örtliche Zuständigkeit der WKStA auf das ganze Bundesgebiet, so dass auch der bisher bei den Staatsanwaltschaften der Sprengel der Oberstaatsanwaltschaften Graz, Linz und Innsbruck verzeichnete Anfall an einschlägigen Strafsachen der neuen Dienststelle zufällt. Schließlich ist eine adäquate Ausstattung mit Gruppenleiterkapazitäten zu bedenken. Bei Berücksichtigung dieser Umstände sind für die im Sprengel der OStA Wien anfallenden, zukünftig der WKStA obliegenden Wirtschaftsstrafsachen (ohne Korruptionsdelikte) rund 18 bis 20 VZK und für die gleichartigen in den anderen drei Sprengeln anfallenden Strafsachen rund 10 bis 11 VZK auszumessen, zu denen die für die (bisherige KStA) vorgesehenen 9 Planstellen hinzutreten. Es wäre daher von rund 37 bis 40 staatsanwaltschaftlichen Planstellen bei der WKStA auszugehen.

Planstellenmäßig wird daher voraussichtlich eine gewisse Verschiebung von den OStA-Sprengeln Graz, Linz und Innsbruck nach Wien erfolgen müssen.

Im Bereich Beamte/VB wird grundsätzlich eine Dotierung im Verhältnis 1 (StA) : 1 (B/VB) mittelfristig anzustreben sein. Allerdings kann eine solche Relation mit der derzeitigen Planstellenausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften bei bundesweiter Betrachtung noch nicht ganz erreicht werden, sodass eine kurzfristige Umsetzung eines Verhältnisses von 1:1 nicht ganz realistisch ist. Es sollen den weiteren Überlegungen aber doch immerhin rund 30 bis 35 Kapazitäten zugrunde gelegt werden. Auch in diesem Bereich wird eine Verschiebung von den OLG- und OStA-Sprengeln Graz, Linz und Innsbruck nach Wien erfolgen müssen.

In räumlicher Hinsicht wären demnach für die neue KW-StA-Bund rund 70 bis 80 VZK zu veranschlagen bzw. auf Grund von Teilzeitbeschäftigten (Anteil rund 15% mit leicht steigender Tendenz) sogar rund 90 Köpfe. Mit einer gewissen immer empfehlenswerten Reserve sowie Plätzen für Richteramtsanwärter und Rechtspraktikanten und schließlich den Experten könnte dann räumlich durchaus mit rund 100 vorzukehrenden „Plätzen“ kalkuliert werden.

Analog zu den neuen Relationen (für Wien bzw. KW-StA-Bund mit bundesweiter Zuständigkeit 37 bis 40 StA statt der bisherigen Annahme 20 StA für den OStA-Sprengel Wien) wird man auch die Annahmen im Richterbereich nahezu verdoppeln müssen (also Wien/bundesweit 9 bis 10 statt 5).

Was die Kosten der zusätzlichen Experten betrifft, so wäre Folgendes zu bemerken:

Ausgehend von den mit Experten/-innen aus dem Finanz- und Wirtschaftsbereich, die bei der KStA und der StA Wien tätig waren bzw. sind, gewonnenen Erfahrungen lassen sich bereits Schwerpunkte für die Tätigkeit der Experten/-innen festhalten. Klar ist dabei zunächst, dass die zentrale Aufgabe der Experten/-innen darin bestehen wird, in großen und komplexen Wirtschaftsstrafsachen die damit befassten Staatsanwälte/-innen bei der Ermittlungstätigkeit mit ihrem Fachwissen zu unterstützen. Dabei sollen die Experten/-innen auch an der Schnittstelle zwischen Staatsanwalt/Staatsanwältin und den polizeilichen Ermittlungsbehörden zum Einsatz kommen, wobei die dienstlichen Anordnungen stets durch die nach der Geschäftseinteilung hiezu berufenen Staatsanwälte/-innen zu erteilen sind. Als maßgebliche Aufgaben dieser Experten/-innen lassen sich insbesondere ins Treffen führen:

         - die Mitwirkung an der Sicherstellung des für das Strafverfahren relevanten Beweismaterials sowie die Analyse von Unterlagen im Hinblick auf ihre Relevanz für das Strafverfahren;

         - die Unterstützung bei der Bestellung von Sachverständigen, insbesondere durch die Vorbereitung von Gutachtensaufträgen;

         - die Mitwirkung an Einvernahmen von Beschuldigten und Zeugen, insbesondere durch die Erstellung von Fragenkatalogen und Unterstützung des Staatsanwaltes/der Staatsanwältin bei der Vernehmung.

Was die notwendige Vorbildung anbelangt, so wären neben einem abgeschlossenen Wirtschaftsstudium oder einer vergleichbaren einschlägigen Wirtschaftsausbildung auch einschlägige rechtliche Kenntnisse - wie sowohl von der KStA als auch von der Wirtschaftsgruppe der StA Wien erachtet - außerordentlich nützlich. Weiters sind fundierte Kenntnisse im Bereich des Rechnungs- und Buchhaltungswesens sowie eine mehrjährige Berufserfahrung im Finanz- und Wirtschaftsbereich, idealer Weise in der Wirtschaftsprüfung, maßgebliche Voraussetzungen. Eine abgelegte Prüfung zum Wirtschaftsprüfer und/oder Steuerberater wäre jedenfalls von Vorteil und könnte Auswirkungen auf die besoldungsmäßige Einstufung haben.

Zuletzt standen für Expertentätigkeiten bei den Staatsanwaltschaften in Wirtschaftsstrafsachen 700.000 Euro jährlich (auf Basis von zehn Experten/-innen) zur Verfügung. Rechnet man mit einer Jahresbruttosumme (einschließlich DG-Beiträge) je nach Einstufung zwischen 60.000 Euro und 90.000 Euro würde, so würde damit (bei einer Durchschnittsbetrachtung) in etwa der durchschnittlich für eine/-n Experten/-in vorgesehene Satz von 70.000 Euro/Jahr bedeckt werden können.

Der Entwurf geht im Übrigen davon aus, dass durch die Vorschläge zur Anhebung der Transparenz der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit im Ermittlungsverfahren ein nennenswerter (in VKZ zu bemessender) Mehraufwand nicht gegeben ist, was vor allem damit begründet werden kann, dass § 34 Abs. 2 StAG schon de lege lata eine Begründungspflicht anordnet. Ein allfälliger Mehraufwand besteht also nicht darin, inhaltlich zusätzliche Arbeit leisten zu müssen, sondern die ohnehin vorhandenen Überlegungen zu formulieren.

Ein Mehraufwand im Bereich der Beamten und Vertragsbediensteten durch die Übernahme des Textes in die VJ-Verständigungen sollte sich durch Einsatz moderner Bürotechnik in verkraftbaren Grenzen halten.

Anderes gilt grundsätzlich für die Veröffentlichung von Begründungen, die in der Tat aufwändiger sind als eine schlagwortartige Begründung. Die Veröffentlichung ist jedoch nur für jene Verfahren gedacht, die für das Ansehen der Justiz und das Vertrauen in die Staatsanwaltschaften von großer Bedeutung sind und für solche Strafsachen, an denen sonst ein besonders großes öffentliches Interesse besteht. Es ist davon auszugehen, dass davon 100 bis 200 Verfahren jährlich betroffen sein werden. Gerade in solchen Verfahren werden Einstellungen ohnedies besonders sorgfältig erwogen, was sich schon in ausführlicheren Begründungen in Tagebüchern und Berichten niederschlägt. Der Mehraufwand wird sich daher aus Sicht der Personalplanung in statistisch nicht signifikanten engen Grenzen halten.

Kompetenzgrundlage:

Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Besonderer Teil

Zu Art. 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)

Allgemeines

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 762, wurden die vermögensrechtlichen Anordnungen der Abschöpfung der Bereicherung nach § 20 StGB und des Verfalls nach § 20b StGB eingeführt. Gegenüber dem „Verfall alten Typs“ (§ 20 StGB aF) bedeutete der Wechsel zur Abschöpfung der Bereicherung eine Abkehr vom „Bruttoprinzip“ hin zum „Nettoprinzip“, wobei die Entwicklung etwa in Deutschland seinerzeit in die andere Richtung ging. Einzelne Änderungen erfolgten durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 134/2002 (Ausdehnung des § 20b StPO auf Terroristische Vereinigungen und Terrorismusfinanzierung) und das Budgetbegleitgesetz 2005, BGBl. I Nr. 136/2004 (Entfall des § 20a Abs. 2 Z 1 StGB) sowie im Bereich des Strafprozessrechts durch das Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004.

Seit dem Inkrafttreten des StRÄG 1996 sind mehrere Instrumente der EU und internationaler Organisationen erlassen worden, die Österreich zur Einführung und Vollstreckung vermögensrechtlicher Anordnungen verpflichten. Hervorzuheben sind der von der Europäischen Union erlassene Rahmenbeschluss 2005/212/JI des Rates über die Einziehung von Erträgen, Tatwerkzeugen und Vermögensgegenständen aus Straftaten vom 24.2.2005, ABl. 2005 L 68, das OECD-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, BGBl. III Nr. 176/1999, das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus, BGBl. III Nr. 102/2002 und das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, BGBl. III Nr. 84/2005, mit denen die Rechtslage in Österreich zwar weitestgehend kompatibel war und ist, die aber in Teilbereichen bzw. tendenziell weiter gehen als das in Österreich zur Verfügung stehende Instrumentarium.

Der Rechnungshof hat den Themenbereich „Geldwäschebekämpfung und Vermögensabschöpfung“ einer Prüfung unterzogen und gelangte in seinem Bericht (Reihe Bund 2008/12) an den Nationalrat vom 9.12.2008 (III 11 d.B. XXIV GP) nach einer durchaus kritischen Einschätzung der Rechtslage und Praxis in Österreich zu der Schlussfolgerung, dass es an wesentlichen Voraussetzungen fehlen würde, um kriminell erwirtschaftetes Vermögen wirkungsvoll zugunsten des Staatshaushaltes abzuschöpfen.

GRECO, die Staatengruppe des Europarats gegen Korruption, hat in ihrem am 13.6.2008 angenommenen Evaluierungsbericht zur Korruptionsbekämpfung in Österreich betreffend Abschöpfung (der Erträge von Korruption) u.a. Empfehlungen für eine Verstärkung des Abschöpfungssystems u.a. dahingehend ausgesprochen,  dass die Abschöpfung der Bereicherung auch auf die direkten Erträge der Korruption und nicht nur auf einen gleichwertigen Wert anwendbar ist.

Auch im Zuge der Länderprüfung Österreichs durch die Financial Action Task Force (FATF) im Sommer 2009 wurde bei grundsätzlicher Anerkennung der durch den rechtlichen Rahmen eingeräumten Möglichkeiten der vermögensrechtlichen Anordnungen Kritik an ihrer zu geringen Anwendung geübt und gefordert, „die Effektivität der Bestimmungen durch häufigere Anwendung der Beschlagnahme und der Abschöpfung krimineller Vermögenswerte im Zusammenhang mit Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Vortaten zur Geldwäscherei zu verbessern, insbesondere durch vermehrte Anwendung des Verfalls“.

Als ersten Schritt zu einer Intensivierung der vermögensrechtlichen Anordnungen in der Praxis gab das Bundesministerium für Justiz den Erlass vom 11. September 2009 über die verstärkte Anwendung vermögensrechtlicher Anordnungen und praktische Probleme ihrer Handhabung, JMZ 90018L/1/II1/09, hinaus.

Zuletzt sprach das Gutachten im Rahmen der fünften Runde der gegenseitigen Begutachtungen betreffend „Finanzkriminalität und Finanzermittlungen“ der  Multidisziplinären Gruppe „Organisierte Kriminalität“ (MDG) der EU vom 19.3.2010 u.a. folgende Empfehlungen gegenüber Österreich aus:

„Größere Aufmerksamkeit sollte seitens der Strafverfolgungsbehörden und vor allem seitens der Staatsanwaltschaft auf die forensische Finanzanalyse, das Aufspüren von Vermögenswerten, die Sicherstellung und die Abschöpfung verwandt werden. Diese Punkte sollten zu wichtigeren Elementen der Ermittlungen werden. Die Bestimmungen über die „Umkehr der Beweislast“ müssen umfassend gegen die organisierte Kriminalität genutzt werden. Die unlängst vom Bundesministerium für Justiz unternommenen Schritte müssen in Zusammenarbeit mit allen interessierten Stellen fortgeführt werden.“

Diesen nationalen wie internationalen Anregungen soll durch eine bessere Handhabbarkeit der rechtlichen Möglichkeiten zur Abschöpfung der producta sceleris bzw. Einziehung der instrumenta sceleris durch folgende Änderungen Rechnung getragen:

Zu 2 (§ 19a StGB):

Der Rahmenbeschluss 2005/212/JI des Rates über die Einziehung von Erträgen, Tatwerkzeugen und Vermögensgegenständen aus Straftaten vom 24.2.2005, ABl. 2005 L 68 sieht in Artikel 2 vor, dass jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen trifft, um sicherzustellen, dass Tatwerkzeuge und Erträge aus Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht sind, oder Vermögensgegenstände, deren Wert diesen Erträgen entspricht, ganz oder teilweise eingezogen werden können.

Nach der geltenden Rechtslage ist die Einziehung von Gegenständen, die entweder bei der Ausübung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet werden sollten bzw. wurden (instrumenta sceleris) oder durch diese hervorgebracht wurden (producta sceleris) in § 26 StGB als vorbeugende Maßnahme geregelt. Entsprechend dieser Einordnung zielt die Einziehung darauf ab, der Gefährlichkeit bestimmter Gegenstände entgegenzuwirken. § 26 StGB in der geltenden Fassung sieht daher als wesentliche Voraussetzung auch vor, dass für die Einziehung die Beschaffenheit des Gegenstandes von solcher Gefährlichkeit sein muss, dass die Einziehung geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken. Gegenüber Artikel 2 des Rahmenbeschlusses 2005/212/JI schränkt § 26 StGB die Einziehung von instrumenta und producta sceleris sohin weitgehend ein.

Zur vollständigen Umsetzung des erwähnten Rahmenbeschlusses soll daher durch einen neuen § 19a StGB eine weitergehende Konfiskation von instrumenta und producta sceleris ermöglicht werden.

Nach der vorgeschlagenen Bestimmung des § 19a StGB („Konfiskation“) sollen nunmehr Gegenstände, die der Täter zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei der Begehung dieser Straftat verwendet zu werden, oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind, der Strafe der Konfiskation unterliegen, wenn sie zur Zeit der Entscheidung im Eigentum oder Miteigentum des Täters oder eines anderen an der Tat Beteiligten stehen.

Als wesentliche Voraussetzungen verlangt § 19a Abs. 1 StGB, dass die Tat vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begangen worden sein muss. Gegenstände, die bei einer solchen Straftat verwendet oder zur Verwendung bei deren Begehung bestimmt waren oder durch sie hervorgebracht wurden, sollen der Konfiskation unterliegen.

§ 19a Abs. 2 StGB enthält eine Verhältnismäßigkeitsklausel, nach der von der Konfiskation abzusehen ist, soweit sie zur Bedeutung der Tat oder zu dem den Täter treffenden Vorwurf außer Verhältnis steht. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn der Unrechtsgehalt der Tat und die Schuld des Täters so gering sind, dass die Konfiskation eine unangemessene Härte und damit ein inadäquates Übel bedeuten würde.

Zu Z 3 (§§ 20, 20a, 20b, 20c StGB):

Nach der derzeit geltenden Rechtslage, die auf das Strafrechtsänderungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 762, zurückgeht, stehen als vermögensrechtliche Maßnahmen die Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 StGB) und der Verfall (§ 20b StGB) zur Verfügung. Bisher haben diese vermögensrechtlichen Anordnungen in der Praxis nur geringe Bedeutung erlangt. Ursächlich für diese geringe praktische Anwendung sind nicht zuletzt die bestehenden rechtlichen Hindernisse und Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung der bestehenden Bestimmungen.

Der Entwurf sieht nunmehr eine Vereinheitlichung und Vereinfachung des Systems der vermögensrechtlichen Anordnungen dahingehend vor, dass die Abschöpfung der Bereicherung entfällt, und ein neuer Verfall als die vermögensrechtliche Maßnahme ins StGB eingeführt wird.

Nach der bisherigen Regelung des § 20 StGB (Abschöpfung der Bereicherung) ist die „unrechtmäßige Bereicherung“ abzuschöpfen und das Ausmaß der Bereicherung nach dem „Nettoprinzip“ festzustellen, sodass die zugeflossenen Vermögenswerte um den vom Täter dafür gemachten Aufwand zu vermindern sind.

Durch die vorgeschlagene Änderung des § 20 StGB hat das Gericht nunmehr alle Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, für verfallen zu erklären. Durch diese neue - gegenstandsbezogene Verfallsbestimmung - wird das bisherige Nettoprinzip durch das Bruttoprinzip ersetzt, sodass die „Aufwendungen“ künftig bei der Berechnung der für verfallen zu erklärenden Vermögenswerte außer Betracht bleiben sollen. Damit sollen insbesondere auch die Ermittlungen der Verfallsvoraussetzungen erleichtert werden, weil ein zusätzlicher Ermittlungsschritt, nämlich die Feststellung der Aufwendungen, entfällt. Der Verfall setzt jedoch weiterhin keine Schuld voraus und, weshalb ihm kein Strafcharakter innewohnt;  er ist keine Strafe, sondern Maßnahme eigener Art.

In § 20 Abs. 1 StGB soll als Grundtyp der gegenstandbezogene Verfall umschrieben werden. Seinem Gegenstand und Umfang nach soll sich der Verfall grundsätzlich auf alle Vermögenswerte erstrecken, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, und zwar ohne Abzug etwaiger Aufwendungen. Wie bisher, müssen die Vermögenswerte entweder für die Begehung einer strafbaren Handlung oder durch eine solche erlangt worden sein, wobei der verwendete Begriff der Vermögenswerte alle wirtschaftlichen Vorteile umfasst, die in Zahlen ausgedrückt werden können.

Durch die vorgeschlagene Änderung des § 20 Abs. 2 StGB soll klargestellt werden, dass sich der Verfall auch auf Nutzungen und Ersatzwerte der nach Abs. 1 für verfallen zu erklärenden Vermögenswerte erstreckt. Unter Nutzungen fallen beispielsweise Zinsen, Dividenden, Miet- und Pachteinnahmen. Unter verfallsfähigen Ersatzwerten sind der Verkaufserlös und der Ersatz für Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des Originalvermögenswertes zu verstehen.

Die Bestimmung des § 20 Abs. 3 StGB soll den sogenannten Wertersatzverfall ermöglichen und insbesondere der Lückenschließung für jene Fälle dienen, in denen der Verfall nach § 20 Abs. 1 und Abs. 2 StGB nicht durchführbar ist, wie beispielsweise in jenen für die Praxis zentrale Bedeutung aufweisenden Fällen, in denen der Vermögenswert nicht aufgefunden wurde. Weiters können gewisse Vermögenswerte aufgrund deren Beschaffenheit generell nur über den Verfall des Wertersatzes erfasst werden. Das trifft fast auf alle Vermögenswerte zu, die nicht in einer bestimmten Sache oder in einem Recht bestehen, sondern sich nur rechnerisch ermitteln lassen, wie z.B. ersparte Aufwendungen und Nutzungen von Gebrauchsvorteilen. Daher soll somit das Gericht einen Geldbetrag für verfallen zu erklären haben, der den nach Abs. 1 und Abs. 2 erlangten Vermögenswerten entspricht, soweit die dem Verfall des Grundtyps unterliegenden Vermögenswerte nicht sichergestellt sind, wobei die Gründe hiefür irrelevant sind.

In § 20 Abs. 4 StGB soll die schon bisher mögliche „Schätzung“ übernommen werden, sodass das Gericht den Umfang der für verfallen zu erklärenden Vermögenswerte nach seiner Überzeugung festzusetzen haben soll, soweit dieser nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden kann.

Durch die vorgeschlagene Änderung des § 20a StGB sollen die bisherigen Fälle der Unterbleibung der Abschöpfung an die neue Systematik angepasst und zudem weitere, darüber hinausgehende Änderungen vorgenommen werden. Wegen der vorgesehenen Umstellung auf das Systems des gegenstandsbezogenen Verfalls werden insbesondere Sonderbestimmungen für Dritte, also Personen, die an der Tat selbst nicht beteiligt sind, notwendig.

In diesem Sinn soll gemäß § 20a Abs. 1 StGB der Verfall von Nutzungen und Ersatzwerten und der Wertersatzverfall gegenüber einem Dritten ausgeschlossen sein, soweit dieser die Vermögenswerte in Unkenntnis der mit Strafe bedrohten Handlung erworben hat. Hinsichtlich des Verfalls nach § 20 Abs. 1 StGB soll für einen Ausschluss des Verfalls gegenüber einem Dritten nach § 20a Abs. 2 Z 1 StGB darüber hinaus noch erforderlich sein, dass der Dritte die Vermögenswerte entgeltlich erworben hat.

Weiters soll durch den vorgeschlagenen § 20a Abs. 1 Z 2 der Ausschluss des Verfalls aufgrund zivilrechtlicher Ansprüche auf jene Fälle eingeschränkt werden, in denen die Vermögenswerte bereits zur Befriedigung oder Sicherstellung zivilrechtlicher Ansprüche aus der Tat herangezogen wurden (durch gerichtliche Hinterlegung von barem Geld oder mündelsicheren Wertpapieren oder durch Belastung von Liegenschaften oder Rechten, die in einem öffentlichen Buch eingetragen sind).

Vom Verfall soll abgesehen werden können, wenn der für verfallen zu erklärende Betrag oder die Aussicht auf dessen Einbringung außer Verhältnis zum Verfahrensaufwand steht, den der Verfall oder die Einbringung erfordern würde. Damit soll auch der gerechtfertigte Fall der Härteklausel (aus Resozialisierungserwägungen) erfasst werden können. Soweit nämlich dem Verurteilten ein dem Existenzminimum entsprechender Betrag verbleiben soll, würde eine Hereinbringung ohnedies scheitern, weshalb vom Verfall gemäß § 20a Abs. 2 StGB abzusehen wäre.

In § 20b StGB sollen unter dem Titel „erweiterter Verfall“ jene besonderen Fälle zusammengefasst werden, in denen es, im Unterschied zu der Regelung des Verfalls nach § 20 StGB, keines ausdrücklichen Nachweises bedarf, aus welcher konkreten strafbaren Handlung die Vermögenswerte stammen.

In § 20b Abs. 1 StGB soll zunächst die schon bisher vorgesehene Möglichkeit des Verfalls von Vermögenswerten geregelt werden, die der Verfügungsmacht einer kriminellen  Organisation (§ 278a) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b) unterliegen oder als Mittel der Terrorismusfinanzierung (§ 278d) bereitgestellt oder gesammelt wurden.

Durch Abs. 2 soll die bisher in § 20 Abs. 2 und Abs. 3 StGB normierte Regelung der Bescheinigungslastumkehr bei vermuteten Deliktsgewinnen vereinfacht und einem breiterem Anwendungsbereich zugeführt werden, sodass im Fall einer Begehung einer rechtswidrige Tat nach den §§ 165, 278, 278c StGB oder eines Verbrechens, für deren oder dessen Begehung oder durch die oder das Vermögenswerte erlangt wurden, nunmehr auch jene Vermögenswerte für verfallen zu erklären wären, die in einem zeitlichen Zusammenhang mit dieser Tat erlangt wurden, sofern die Annahme naheliegt, dass sie aus einer rechtswidrigen Tat stammen, und ihre rechtmäßige Herkunft nicht glaubhaft gemacht werden kann.

Zu 1 und Z 4 bis 8 (Überschrift des III. Abschnittes des Allgemeinen Teiles, 31a Abs. 3 und Abs. 4, 57 Abs. 4 und 59 Abs. 2 und Abs. 4 StGB):

Die vorgeschlagenen Änderungen dienen lediglich der Anpassung an die Änderung der §§ 20 bis 20c StGB.

Zu Art. 2 (Änderung der Strafprozessordnung 1975):

Allgemeines

Die vorgeschlagenen Änderungen verfolgen das Ziel, die Transparenz der Tätigkeit staatsanwaltschaftlicher Organe zu erhöhen, Strukturen zur bundesweiten Bekämpfung von schwerer Wirtschaftskriminalität und Korruption zu schaffen und neue Werkzeuge zur Verfolgung von Straftaten zur Verfügung zu stellen, deren Aufdeckung oder Nachweis sonst unwahrscheinlich ist.

Damit sollen den Staatsanwaltschaften auch Mittel zur Hand gegeben werden, der steigenden Kritik der Öffentlichkeit an ihrer Tätigkeit zu begegnen und das Konzept der Leitung des Ermittlungsverfahrens glaubwürdig zu vermitteln.

Zu Z 1bis 3, 5 bis 7 und 9 (§§ 19 Abs. 1 Z 3, 20a, 20b, 26, 28a, 32a und 100a StPO):

Große, komplexe Strafverfahren wegen Vermögensdelikten mit oft zahlreichen Beschuldigten und Geschädigten sowie hohem Schaden hat es immer schon gegeben. Als Beispiele seien hier die länger zurück liegenden Fälle Creditanstalt (1930- Jahre), Kronen-Zeitung/ÖGB (1960- Jahre), Noricum und AKH (1980 und 1990- Jahre) angeführt. Solche Verfahren standen stets im Zentrum medialer Berichterstattung und waren auch früher nicht einfach zu führen. In den letzten etwa zehn bis fünfzehn Jahren ist die österreichische Justiz jedoch mit einer zunehmenden Zahl solcher „großen Wirtschaftsstrafsachen“ befasst. Zu diesem erheblichen, aber rein quantitativen Anstieg treten qualitative Steigerungen hinzu. Die Fälle sind gekennzeichnet durch deutlich zunehmende internationale Verflechtungen der Beschuldigten, der beteiligten Unternehmen und der Transaktionen, durch oftmals gesteigerte Komplexität des Tatschemas, eingesetzter Finanzinstrumente und bilanzieller Fragen und von Seiten der Beschuldigten den deutlich verstärkten Einsatz von Expertenkapazität zur Bearbeitung von Rechts- und Wirtschaftsfragen und von Journalisten und Medien. Diese Strafsachen sind auch durch einen hohen Grad an Diversität gekennzeichnet. Die Strafjustiz hat auf diese Entwicklung teilweise reagiert. Bei den Staatsanwaltschaften wurde in Wien die traditionell bestehende Wirtschaftsgruppe personell - im Verhältnis allerdings geringfügig – verstärkt, in Innsbruck und Feldkirch Sonderzuständigkeiten eingerichtet, indes in Linz aus internen Gründen wieder aufgegeben. Mit Ausnahme des Landesgerichts für Strafsachen Wien bestehen bei den Gerichten keine Sonderzuständigkeiten. Zuletzt wurden vermehrt mehrere Staatsanwälte an einem Fall angesetzt und in steigendem Ausmaß wirtschaftliches Know-how durch Beiziehung von Experten zur Verfügung gestellt.

Im Begutachtungsverfahren wurde die Stärkung der Kompetenz in Wirtschaftsstrafsachen und eine konzentrierte Form der Aus- und Fortbildung in diesem Bereich ausdrücklich begrüßt. Die Zentrierung der Wirtschaftskompetenzzentren in den Sprengeln der Oberstaatsanwaltschaften und die problematische Abgrenzung der Zuständigkeiten derartiger Wirtschaftskompetenzzentren untereinander und im Verhältnis zur Korruptionsstaatsanwaltschaft sind jedoch überwiegend auf Kritik gestoßen.

Tatsächlich können Wirtschafts- und Korruptionsverfahren oftmals schwer unterschieden werden, sodass sich die zugrunde liegenden Lebenssachverhalte nicht ohne erhebliche Effizienzverluste trennen lassen, weshalb es unter dem Gesichtspunkt der Steigerung der Wirtschaftskompetenz und infolge vorliegender Synergieeffekte naheliegt, die Ressourcen zur Bekämpfung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption zusammenzufassen. Gerade in diesem Bereich fallen die umfangreichen und komplexen Verfahren überwiegend in Wien an, sodass die Einrichtung einer derartigen Zentralen Staatsanwaltschaft auch an diesem Standort erfolgen soll.

Mit der vorgeschlagenen Schaffung einer zentralen Staatsanwaltschaft soll daher ein weiterer Schritt zur effizienten und kompetenten Verfolgung schwerer Fälle im Bereich der Wirtschaftskriminalität gesetzt werden, durch die Einbeziehung der Zuständigkeit der Korruptionsstaatsanwaltschaft Synergieeffekte genutzt sowie Abgrenzungsschwierigkeiten und daraus resultierende Zuständigkeitskonflikte vermieden werden können

Die Ausgestaltung der sachlichen Zuständigkeit in den vorgeschlagenen Bestimmungen der §§ 20a, 20b, und 32a ist einer der sensiblen Kernpunkte der Einrichtung einer derartige Zentralen Staatsanwaltschaft. Einerseits ist zu beachten, dass der Verfassungsgerichtshof das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter extensiv interpretiert und unter dem „gesetzlichen Richter“ jede staatliche Behörde versteht (VfSlg. 1443/1932, 2048/1950); daraus folgt ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Schutz und Wahrung der gesetzlich begründeten Behördenzuständigkeit schlechthin (VfSlg. 2536/1953, 12.111/1989). Art. 83 Abs. 2 B-VG bedeutet für den Gesetzgeber, dass dieser die Behördenzuständigkeit nach objektiven Kriterien (VfSlg. 3156/1957, 8349/1978), exakt (VfSlg. 9937/1984, 10.311/1984), klar und eindeutig festlegen muss (VfSlg. 10.311/1984, 12.788/1991). Die Regelung der Zuständigkeit muss präzise sein (VfSlg. 13.029/1992, 13.816/1994). Die Zuständigkeit darf nicht von Umständen abhängig sein, die vom Rechtsunterworfenen nicht vorhersehbar sind und eine willkürliche Änderung der Zuständigkeit ermöglichen (VfSlg. 14.192/1995). Wird eine Übertragung der Entscheidungskompetenz durch einen Willensakt (Delegation, Mandat) vorgesehen, so sind die Voraussetzungen präzise festzulegen (vgl. VwGH 23.10.1995, Zl. 93/10/128). Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verpflichtet den Gesetzgeber insgesamt zur präzisen Regelung der Zuständigkeit, was für den eher auf kriminologische Aspekte abstellenden Bereich des sogenannten Wirtschaftsstrafrechts keine leichte Aufgabe bedeutet. Andererseits kann eine derartige Staatsanwaltschaft die ihr zugedachte Aufgabe nur dann erfüllen, wenn es tatsächlich gelingt, ihre Zuständigkeit auf den Bereich der „großen Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen“ zu beschränken. Schließlich sollen auch Auseinandersetzungen zwischen der WKStA und den übrigen Staatsanwaltschaften über ihre Zuständigkeit so gering wie möglich gehalten werden.

Die vorgeschlagenen Bestimmungen der §§ 20a und 20bStPO beinhalten in diesem Sinn eine Kombination zwischen gesetzlich festgelegter Zuständigkeit (Deliktskatalog) und der Möglichkeit der WKStA bestimmte Verfahren nach vorhersehbaren Kriterien an sich ziehen zu können. So sieht § 20b StPO in den dort bezeichneten Fällen für die WKStA eine „Opt-In-Möglichkeit“ vor, wodurch unnötiger Aufwand durch Abtretung von Verfahren vermieden und sichergestellt werden soll, dass von vornherein nur besonders bedeutende Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen erfasst werden. § 32a Abs. 3 StPO sieht dieser Regelung entsprechend die Möglichkeit der Delegierung durch das Oberlandesgericht bzw. den Obersten Gerichtshof vor, sodass Verfahren aus den in § 20b StPO genannten Gründen an das Landesgericht für Strafsachen Wien, in welchem nach § 32a GOG die besonderen Gerichtsabteilungen eingerichtet sind, delegiert werden können.

In den Zuständigkeitskatalog des § 20a Abs. 1 StPO (an den § 32a Abs. 1 StPO anschließt, wodurch auch eine effiziente Vertretung der Anklage durch die WKStA, die die Ermittlungen geleitet hat, im Hauptverfahren gewährleistet wird) sollen die qualifizierten Fälle der vorsätzlich begangenen Delikte gegen fremdes Vermögen (§ 20a Abs. 1 Z 1 StPO) aufgenommen werden, wobei die Zuständigkeit der WKStA voraussetzen soll, dass die Schadenssumme voraussichtlich 5 000 000 Euro übersteigen wird. Gleiches soll insoweit für den Tatbestand der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen gemäß § 159 Abs. 4 Z 1 und 2 StGB gelten (§ 20a Abs. 1 Z 3 StPO). Im Übrigen sollen jene Tatbestände der strafrechtlichen Nebengesetze aufgenommen werden, deren Bearbeitung besonderen wirtschaftlichen Sachverstand voraussetzt(§§ 20a Abs. 1 Z 6 StPO). Darüber hinaus sollen die Wirtschaftskompetenzzentren auch für die Aufklärung und Verfolgung jener Finanzvergehen zuständig sein, die der gerichtlichen Zuständigkeit unterliegen und in welchen der strafbestimmende Wertbetrag voraussichtlich 5 000 000 Euro übersteigen wird. Damit soll in diesem Bereich eine konzentrierte und einheitliche Verfolgung ermöglicht werden, was sich auch durch Konzentration auf der Ebene der Finanzstrafbehörden auf die Verfahrensdauer positiv auswirken sollte. Schließlich sollen auch Geldwäscherei (§ 165 StGB) und die Organisationsdelikte der §§ 278 und 278a StGB eine Zuständigkeit der WKStA begründen, wenn Anlasstat eine der vorerwähnten Taten war oder die Vereinigung oder Organisation auf die Begehung einer dieser Taten ausgerichtet ist war.

Zudem soll der Zuständigkeitskatalog der WKStA mit Ausnahme von Verfahren wegen Missbrauchs der Amtsgewalt (§ 302 StGB) die bereits bisher vorgesehenen Zuständigkeiten der Korruptionsstaatsanwaltschaft umfassen. Diese Verfahren sollen lediglich dann in die Zuständigkeit der WKStA fallen, wenn im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat oder der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches Interesse besteht. In diesen Fällen soll die WKStA das Verfahren - nach entsprechender Berichterstattung durch die zuständige Staatsanwaltschaft - dieser abnehmen und an sich ziehen können (§ 20b Abs. 3 StPO).

Durch die Bestimmungen der §20b StPO soll die WKStA aber auch die Zuständigkeit zur Führung von Verfahren wegen Wirtschaftsstrafsachen  an sich ziehen können, die durch besondere Kriterien (besonderer Umfang des Verfahrens, Vielzahl der Beteiligten des Verfahrens, der involvierten Wirtschaftskreise, der zu untersuchenden Sachverhaltskomplexe oder des besonderen öffentlichen Interesses an der Aufklärung wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat) gekennzeichnet sind und daher besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens oder Erfahrungen mit der Führung solcher komplexer Verfahren erfordern. Dieser individuelle Ansatz wird auch durch internationale Vorbilder unterstützt (siehe insoweit das Kriterium der besonderen Kenntnisse des Wirtschaftslebens gemäß § 74c des deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes). Auch Frankreich setzt auf die konzentrierte Verfolgung der Wirtschaftskriminalität, so wurden 1998 4 Wirtschafts- und Finanzzentren (Bastia, Lyon, Marseille und Paris) zur Stärkung einzelner dieser bereits bestehenden Spezialzuständigkeiten eingerichtet, in der Folge 2004 8 interregionale Zuständigkeitseinheiten (JIRS) mit im Oktober 2009 248 Bediensteten eingerichtet. Es bestehen somit 3 Kompetenzebenen in Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, die Landesgerichte (Tribunal de Grande Instance TGI), die 35 JRS auf regionaler Ebene zuständig für komplexe Großverfahren nach Art. D.47-2 der französischen Strafprozessordnung, des CPP (in der Regel handelt es sich um das Landesgericht am Sitz des Berufungsgerichtes) sowie die 8 JIRS zuständig nach Art. D. 47-3 CPP für die besonders komplexen Großverfahren (eine Mehrzahl von Beschuldigten, von Beteiligten, von Opfern, geographische Ausdehnung usw.).

Grundsätzlich soll die WKStA Verfahren auf Grund der gesetzlichen Eigenzuständigkeit in § 20a Abs. 1 StPO nicht trennen und der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft abtreten dürfen. Das soll nur zulässig sein, wenn ein derartiges Verfahren hinsichtlich der eigenen Zuständigkeit eingestellt wird und der verbleibende Verfahrensteil keine Zuständigkeit der WKStA begründet oder nach § 20b StPO begründen könnte. Die Bestimmungen über den Zusammenhang sollen im Übrigen grundsätzlich auch von der WKStA angewandt werden (§ 20a Abs. 4 StPO).

Die Änderung des § 28a StPO betrifft in erster Linie eine Klarstellung der Kompetenz der Generalprokuratur, die nicht nur in den Fällen eines Zuständigkeitskonflikts zwischen der – bundesweit zuständigen - WKStA und anderen Staatsanwaltschaften, sondern auch in den Fällen entscheiden soll, in denen der WKStA aus den Gründen des § 28 StPO ein Verfahren abgenommen werden soll.

Bei den Änderungen in §§ 26 und100a Abs. 1 StPO handelt es sich lediglich um terminologische Anpassungen an die neue Bezeichnung „WKStA“. In § 100a Abs. 2 StPO soll durch eine präzisere Formulierung, die Pflicht der anderen Staatsanwaltschaften die WKStA zu unterstützen, unterstrichen werden.

Zu Z 4, 17 und 18 (§§ 23 Abs. 1a, 194 und 195 Abs. 1a und 2 StPO):

Mit diesen Bestimmungen wird das Ziel der Erhöhnung der Transparenz der Tätigkeit der Staatsanwaltschaften verfolgt.

Der von Justizministerin Mag.a Claudia Bandion-Ortner einberufene Expertenrat zur Funktionsfähigkeit der Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaft sowie zu Vorschlägen zur erhöhten Transparenz von staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte, dem unter der Leitung des Rechtschutzbeauftragten GP iR Dr. Gottfried Strasser, Dr. Brigitte Bierlein, Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofes, Univ. Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter, Wirtschaftsuniversität Wien, em. Univ. Prof. DDr. Manfred Burgstaller, RSB des BM.I und Dr. Eckart Rainer, ehemaliger Leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Innsbruck angehörten, hat in seinem Abschlussbereicht vom November 2009 Maßnahmen zur verstärkten Transparenz unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen vorgeschlagen.

Tatsächlich war die Tätigkeit der Staatsanwaltschaften in öffentlich wirksamen Ermittlungsverfahren in den letzten Jahren und Monaten in steigendem Ausmaß Zielpunkt von Kritik von Politikern und Journalisten. Abgesehen von zurückzuweisenden Versuchen der Skandalisierung der Strafverfolgung haben sich in manchen Fällen jedoch zumeist in Kommunikation und Transparenz der Arbeit der Staatsanwaltschaften in Ermittlungsverfahren Mängel gezeigt. Dort, wo das Ermittlungsverfahren in Fällen öffentlichen Interesses zum Schutz der Ermittlungen der – zu dieser Zeit noch nicht einmal angeklagten – Beschuldigten, der Opfer und Zeugen nichtöffentlich geführt wird und nach der Gesetzeslage zu führen ist, steht die Transparenz – etwa im Gegensatz zur öffentlichen Hauptverhandlung – zurück. Soweit Transparenz im Widerspruch zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten (ermittlungstaktische und -strategische Gründe) steht, hat sie jedenfalls – und auch weiterhin - zurückzustehen. Erhöhte Transparenz steht im Spannungsfeld zum Persönlichkeitsschutz, dem im Ermittlungsverfahren große Bedeutung zugemessen wird. Der Schutz der Persönlichkeitssphäre wird in zahlreichen Verfahren öffentlichen Interesses indes auf mannigfaltige Weise hintangestellt. Beschuldigte und Verteidiger tragen – legitimiert, soweit im Rahmen der Grenzen des § 54 StPO – Details aus Verfahren in die Öffentlichkeit. Journalisten versuchen an Aktenbestandteilen und andere Informationen heranzukommen, um daraus seriöse Beiträge für ihre Medien, aber auch reißerische Geschichten ohne Rücksicht auf Richtigkeitsgewähr zu gestalten. Es wird immer wieder behauptet, dass auch Beamte Informationen an Interessenten weitergeben. Die Staatsanwaltschaften als in Verfahren öffentlicher Wahrnehmung zufolge ihrer Funktion als Leiter des Ermittlungsverfahrens im Fokus des Interesses stehende Strafverfolgungsorgane benötigen daher zur öffentlichen Wahrnehmung der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben ein Umfeld, das die Information der Öffentlichkeit über ihre Arbeit ermöglicht. Transparenz kann dabei durch erhöhte Öffentlichkeitsarbeit und durch Einschaltung von Kontrollinstrumentarien bewirkt werden.

Die hier vorgeschlagenen Bestimmungen zielen auf verfahrensrechtliche Transparenz staatsanwaltschaftlicher Enderledigungen, die immer wieder ungerechtfertigt in den Geruch des vorauseilenden Gehorsams oder der unsachlichen Beeinflussung geraten.

In diesem Sinn soll der Rechtsschutzbeauftragte ermächtigt werden, das Gericht gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens, über die von der WKStA gemäß §§ 2a Abs. 3 iVm 8 Abs. 1 StAG zu berichten ist, bzw. in dem kein Opfer im Sinne des § 65 Z 1 StPO ermittelt werden konnte, mit einem Antrag auf Fortführung zu befassen und auf diese Weise unabhängige gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten (§ 195 Abs. 1a StPO).

Schließlich soll – ebenfalls im Sinne des Berichts des Expertenrates – die GP ermächtigt werden, auf Anregung des Rechtsschutzbeauftragten den OGH mit Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes anzurufen, wenn die Durchführung einer Zwangsmaßnahme durch die Kriminalpolizei (damit soll an die Regelung des § 106 Abs. 2 StPO angeknüpft werden), eine Anordnung der Staatsanwaltschaft auf Durchführung eines Zwangsmittels oder die Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens an Mängeln des materiellen oder formellen Rechts leidet und keiner der Berechtigten gerichtlichen Rechtschutz begehrt hat (§ 23 Abs. 1a StPO). In den Fällen, in denen bereits eine gerichtliche Bewilligung von Zwangsmitteln erfolgte oder das Gericht bereits über einen Antrag auf Fortführung entschieden hat, soll - wie bisher - lediglich § 23 Abs. 1 StPO zur Anwendung kommen.

Opfer wiederum sollen dann besser informiert werden, wenn sie dies ausdrücklich verlangen. Ein solches Erfordernis für eine Begründung ist schon deshalb zu rechtfertigen, weil in der überwiegenden Anzahl von Fällen Opfer kein Interesse am Ergebnis der Strafverfolgung zeigen. Opfer sollen daher darüber informiert werden, dass sie berechtigt sind, binnen 14 Tagen eine ausführlichere Begründung zu erlangen, in welcher die Tatsachen und Erwägungen für die Einstellung in gedrängter Darstellung anzuführen sind. Damit soll auch erreicht werden, dass das Opfer nicht unbedingt einen Antrag auf Fortführung einbringen muss, um die Gründe der Einstellung in Erfahrung bringen zu können, womit auch unnotwendige Fortführungsanträge vermieden werden können. In den Fällen, in denen dem Rechtschutzbeauftragten das Recht auf Einbringung eines Fortführungsantrages zusteht (§ 195 Abs. 1a StPO) wird dieser entsprechend über die Einstellung zu verständigen sein (§ 194 StPO).

Wegen des Entfalls der noch im Ministerialentwurf vorgesehenen generellen (aber doch bloß in Schlagworten gehaltenen) Begründungspflicht  kann auf die Einschränkung auf Verfahren wegen einer Straftat, für die im Hauptverfahren das Landesgericht zuständig wäre, verzichtet werden. Durch die nunmehr vorgeschlagene Regelung soll zudem den im Begutachtungsverfahren vielfach vorgebrachten Bedenken, dass durch die ursprünglich vorgeschlagene Einsicht in die Begründung im Tagebuch auch sensible Daten sonstiger Verfahrensbeteiligter an die Öffentlichkeit geraten, Rechnung getragen werden und kann daher die entsprechende Bestimmung in § 35 Abs. 5 StAG entfallen.

Der Expertenrat hat vorgeschlagen, auch dem Anzeiger eine Verständigung über die Einstellung des Verfahrens zuzustellen, selbst wenn er nicht berechtigt ist, einen Antrag auf Fortführung einzubringen (siehe S 9 des Berichts des Expertenrates). Nach den dazu im Begutachtungsverfahren überwiegend vorgebrachten Bedenken in den Stellungnahmen wurde von der (Wieder)einführung dieser Bestimmung Abstand genommen, weil die Nachteile dieser Regelung, insbesondere der Umstand, dass Anzeiger sich veranlasst sehen könnte, mit unsachlicher Kritik an die Öffentlichkeit zu treten, den Informationswert in Anbetracht des mit einer solchen Verständigung verbundenen administrativen Aufwands deutlich überwiegen.

Zu Z 19, 20 und 32 (§§ 199, 209a, 209b und 514 Abs. 12 StPO):

Schon in dem Bericht der Frau Bundesministerin für Justiz zur Entschließung Nr. E 51/XXIII. GP des Nationalrats zur Evaluierung der Kronzeugenregelung zeigte sich, dass die bestehende als „außerordentliche Strafmilderung“ bezeichnete „kleine Kronzeugenregelung“ des § 41a StGB die beabsichtigten Wirkungen nicht zu entfalten vermag, während das im Wettbewerbs- und Kartellrecht angewandte Kronzeugenprogramm auf nationaler wie auch europäischer Ebene den entscheidenden Beitrag zur Aufdeckung großer Kartelle geliefert hat.

Auch im Sinne der in diesem Bericht eingeforderten „Gesamtlösung“ soll nunmehr eine Regelung vorgestellt werden, die

         - einen Ressourcen schonenden Vollzug ermöglicht,

         - ein hohes Maß an Berechenbarkeit für die Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit aufweist,

         - ausreichende Anreize bietet, sich als Kronzeuge zur Verfügung zu stellen, um ein in der Praxis anwendbares Werkzeug zu schaffen,

         - den Nutzen eines Kronzeugen für die Strafverfolgung und die Zwecke des Strafrechts in den Vordergrund stellt,

         - eine nach dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit determinierte Abwägung der Vertretbarkeit der Vorteile aus der Kronzeugenposition für den Beschuldigten und der Vorteile für die Strafverfolgung vorsieht,

         - einen hohen Grand an Transparenz ermöglicht und

         - hinreichenden Rechtsschutz gewährt und

         - die unterschiedlichen Erfordernisse für den Bereich der mit der kartellrechtswidrigen Durchführung von Kartellen in Idealkonkurrenz zwangsläufig verbundenen Straftaten (§§ 168b, 146 ff. StGB) einerseits und für den übrigen strafrechtlichen Bereich andererseits berücksichtigt

Die vorgeschlagenen Bestimmungen knüpfen an die Regelungen über die Diversion an und schlagen vor, das Instrument der Kronzeugenregelung ausschließlich im Bereich der Staatsanwaltschaften anzuwenden, wodurch auch zum Ausdruck kommen soll, dass auf eine Erledigung nach dieser Bestimmung kein subjektives Recht besteht. Die Bestimmung des § 199 (§ 281 Abs. 1 Z 10a) StPO ist daher auf diese Erledigungsform nicht anzuwenden; ein vermeintlicher Kronzeuge soll auch nicht berechtigt sein, im Wege des §§ 106, 108 StPO Einspruch an das Gericht bzw. Antrag auf Einstellung des Verfahrens zu erheben, das soll nunmehr durch die vorgeschlagene Änderung des § 199 StPO auch ausdrücklich festgehalten werden.

Voraussetzung für die Gewährung der Stellung als Kronzeuge muss zunächst sein, dass der Beschuldigte der Staatsanwaltschaft aus freien Stücken sein Wissen über Tatsachen offenbart, die noch nicht Gegenstand eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens sind. Die Kenntnis dieser Tatsachen muss auch einen wesentlichen Beitrag liefern,

         1.    die Aufklärung einer der Zuständigkeit des Landesgerichts als Schöffen- oder Geschworenengericht oder der WKStA (§ 20a) unterliegenden Straftat entscheidend zu fördern,

         2.    eine Person auszuforschen, die in einer kriminellen Vereinigung, kriminellen Organisation oder terroristischen Organisation führend tätig ist oder war.

Der strafrechtliche Schutz vor sexuellen Übergriffen verträgt keine solche Abwägung. Verletzt der Beschuldigte selbst durch eine Straftat dieses Rechtsgut, so soll die Anwendung der Kronzeugenregelung ausgeschlossen sein (Abs. 2). Hat die Tat den Tod eines Menschen zur Folge gehabt, ist die Anwendung der Kronzeugenregelung generell ausgeschlossen.

Überdies darf eine Bestrafung im Hinblick auf die übernommenen Leistungen (§ 198 Abs. 1 Z 1 bis 3 StPO), das Aussageverhalten, insbesondere die vollständige Darstellung des eigenen Tatbeitrags und den Beweiswert der Informationen aus spezialpräventiven Gründen nicht geboten erscheinen. Nach entsprechenden Anregungen im Begutachtungsverfahren soll jedoch die Einbeziehung der Generalprävention entfallen, um die Anwendung der Kronzeugenregelung vorhersehbarer zu gestalten.

Liegen alle diese positiven Voraussetzungen und liegt kein Ausschlussgrund vor, so soll die Staatsanwaltschaft ihren vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung erklären können, wobei sie dem Beschuldigten auch die Leistung eines Geldbetrags auftragen können soll, der einer Geldstrafe von 240 Tagesätzen entspricht.

Natürlich müssen sich die Aussagen im weiteren Verlauf des Verfahrens auch als beweiskräftig und stichhaltig herausstellen. Um dies zu gewährleisten soll die Staatsanwaltschaft nach Erbringung der Leistungen nicht endgültig von der Verfolgung zurücktreten, sondern einen Vorbehalt der späteren Fortsetzung erklären (§ 209a Abs. 3 StPO).

Im Hinblick auf die im Begutachtungsverfahren kritisierte lange Zeit der Unsicherheit für den Kronzeugen wegen der Möglichkeit der Wiederaufnahme der Verfolgung (3 Monate nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens), soll die entsprechende Bestimmung präzisiert und die Frist zur möglichen Wiederaufnahme verkürzt werden, um dem Kronzeugen ein erhöhtes Maß an Sicherheit gewähren zu können. Eine Wiederaufnahme der nach Abs. 3 vorbehaltenen Verfolgung soll demnach grundsätzlich zulässig sein wenn im Zuge eines auf Grund der erteilten Informationen geführten Verfahrens festgestellt wird, dass die eingegangenen Verpflichtungen verletzt werden oder die zur Verfügung gestellten Unterlagen und Informationen falsch waren, keinen Beitrag zur Verurteilung des Täters zu liefern vermochten oder nur zur Verschleierung der eigenen führenden Tätigkeit in einer in § 209 Abs. 1 Z 2 StPO genannten Vereinigung oder Organisation gegeben wurden. Zur Wahrung der Frist hat die Staatsanwaltschaft  in diesem Fall binnen 14 Tagen ab Zustellung der das oben genannte Verfahren beendenden Entscheidung die erforderlichen Anordnungen zu stellen (§ 209a Abs. 4 StPO).

Zur Gewährleistung des Rechtsschutzes soll der Rechtsschutzbeauftragte von der Enderledigung verständigt werden und das Recht erhalten, die Fortsetzung oder im Fall der gesetzwidrigen Wiederaufnahme der Verfolgung die Einstellung des Verfahrens zu beantragen (§ 209a Abs. 5 StPO).

In Anbetracht des großen volkswirtschaftlichen Schadens, den Kartelle verursachen, liegt es im Allgemeininteresse, an dieser Art von rechtswidrigen Verhaltensweisen beteiligten Unternehmen, die zur Beendigung ihrer Beteiligung und zur Mitwirkung an der Untersuchung bereit sind, unabhängig von den übrigen am Kartell beteiligten Unternehmen eine „Gegenleistung“ im Sinne einer Straffreiheit oder Geldbußenreduktion zu gewähren.

Mit der Wettbewerbsgesetznovelle 2005 (in Kraft getreten am 1. Jänner 2006) wurde daher im österreichischen Wettbewerbsrecht eine Kronzeugenregelung ("Leniency Program") verankert. Wer als Mitglied eines Kartells den Behörden das Kartell als Erster meldet und ihnen bei der Aufklärung hilft, dem wird die drohende Geldbuße erlassen. Eine vergleichbare Regelung gibt es bereits seit 1978 in den USA, seit 1996 in der EU und seit 2001 in Deutschland.

Die auf europäischer Ebene schon seit vielen Jahren bewährte Kronzeugenregelung stützt sich auf die Artikel 81 ff. des EG-Vertrages, Art. 101 ff AEUV sowie auf die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln; den Regelungsrahmen für den Umgang mit Kronzeugen steckt die Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen ab. Diese Mitteilung sieht drei unterschiedliche materielle Tests vor, die sich – je nachdem, ob die Mithilfe vor oder nach Einleitung der Ermittlungen erfolgt – jeweils im Umfang der von Unternehmen beizubringenden Beweise unterscheiden.

Die Bundeswettbewerbsbehörde kann gemäß § 11 Abs 3 WettbG unter den dort genannten Voraussetzungen als Gegenleistung für die Mitwirkung eines Unternehmens an der Aufdeckung eines Kartells davon Abstand nehmen, die Verhängung einer Geldbuße zu beantragen oder, wenn der Bundeswettbewerbsbehörde der Sachverhalt bereits bekannt war, eine geminderte Geldbuße beantragen. Die Bundeswettbewerbsbehörde informiert den Bundeskartellanwalt über ein derartiges Vorgehen. Diesfalls entfällt die Berechtigung des Bundeskartellanwaltes, die Verhängung einer Geldbuße zu beantragen (§ 29 Abs 3 KartG). Nach Abs 4 leg cit hat die Bundeswettbewerbsbehörde ihre Praxis bei der Durchführung des Kronzeugenregelung in einem Handbuch darzulegen. Ergänzend dazu liegt nun das von der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) verfasste „Leniency-Handbuch“ vor, das die Vorgangsweise der Bundeswettbewerbsbehörde im Detail regelt und von der EU-Regelung als Vorbild ausgeht. Will ein Unternehmen die Kronzeugenregelung in Anspruch nehmen, soll es der Bundeswettbewerbsbehörde eine Sachverhaltsdarstellung per Fax oder E-Mail senden. Es soll dabei das – im Handbuch enthaltene – Formblatt verwendet werden, das jedoch „auf begründeten Wunsch“ auch im Rahmen einer Niederschrift bei der Bundeswettbewerbsbehörde ausgefüllt werden“ kann.

Die Einführung der Kronzeugenregelung ist aus Sicht des Bundeskartellanwaltes und der Bundeswettbewerbsbehörde in zweierlei Hinsicht eine Bereicherung für die österreichische Kartellrechtsvollziehung: Zum einen ist sie ein ressourceneffizientes Ermittlungsinstrument, das es den Kartellvollzugsbehörden in Anbetracht der bei geheimen Kartellen regelmäßig nur dürftig vorhandenen Beweismittel ermöglicht, den gerichtsfesten Beweis für kartellrechtswidrige Verhaltensweisen zu erbringen. Oftmals ist die Kronzeugenregelung sogar das einzige Mittel, das es den Vollzugsbehörden ermöglicht, „Hardcore-Kartelle“ zu „knacken“. Zum anderen hat die Kronzeugenregelung auch eine generalpräventive Dimension, weil sie die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung sowie der effektiven Sanktionierung erhöht und damit die Abschreckung insgesamt fördert. Missbrauchsfälle sind bislang nicht  bekannt.

Es versteht sich von selbst, dass die Erfolge der Kronzeugenregelung auch davon abhängen, wie und auf welche Weise die Informationen des Unternehmens als belastendes Beweismaterial in einem gegen Mitarbeiter des betroffenen Unternehmens wegen in Idealkonkurrenz begangener Straftaten verwendet werden können. In diesem Zusammenhang kommt der jüngst veröffentlichten Entscheidung des OGH in Kartellrechtssachen vom 22. Juni 2010, 16 Ok 3/10, besondere Bedeutung zu, wird doch darin zum Ausdruck gebracht, dass das Kartellgericht einem Begehren einer Staatsanwaltschaft auf Amtshilfe durch Übersendung eines Kartellakts im Rahmen des ihr obliegenden gesetzlichen Wirkungsbereichs, den Verdacht einer Straftat, die nicht bloß auf Verlangen einer hiezu berechtigten Person zu verfolgen ist, in einem auf die Erforschung der materiellen Wahrheit abzielenden Ermittlungsverfahren von Amts wegen aufzuklären (§ 2 Abs 1, § 3 Abs 1 StPO), ohne Rücksicht auf die in § 39 Abs 2 KartG normierten besonderen Parteirechte im Kartellverfahren zu entsprechen hat. Wiewohl es zutrifft, dass in einem Kartellakt enthaltene Geschäftsgeheimnisse, die infolge Erfüllung eines Amtshilfeersuchens Bestandteil des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens werden, jedenfalls unter den Schutzzweck des § 54 StPO fallen, kann diese umfängliche Verwendung der dem Kartellgericht zur Verfügung stehenden Informationen und die Möglichkeit, durch Kooperation im kartellrechtlichen Verfahren Beweismittel gegen sich selbst für ein allfälliges Strafverfahren offen zu legen, die Bereitschaft des Unternehmens, als Kronzeuge an einem kartellrechtlichen Verfahren mitzuwirken und der Mitarbeiter, ihr Wissen in diesem Verfahren zur Verfügung zu stellen, die Bereitschaft, als Kronzeuge aufzutreten, gefährden.

Aus diesem Grund soll durch § 209b StPO ein besonderes Verfahren für Straftaten vorgesehen werden, die durch die kartellrechtliche Zuwiderhandlung selbst (gleichsam in Idealkonkurrenz) begangen wurden. Die Wirkungen dieser Regelung erstrecken sich indes nicht auf andere Straftaten wie beispielsweise eine im Zusammenhang mit der Bildung eines Kartells begangenen Nötigung oder Erpressung, weil solches Verhalten mit der Durchführung eines Kartells nicht zwangsläufig verbunden ist. Durch § 209b StPO normierte wesentliche Abweichung zu den Regelungen des § 209a Abs. 1 StPO betreffen zwei Bereiche: Sie liegen einerseits darin, dass die Mitarbeiter (und das Unternehmen, sofern Verband nach dem VbVG, selbst) ohne einzeln für sich individuell gemäß § 209a Abs. 1 StPO um eine Behandlung als Kronzeuge im Strafverfahren einzukommen zu müssen, die Gewissheit haben, dass nicht gerade ihre Kooperation im kartellrechtlichen Verfahren zu strafrechtlicher Verfolgung führt. Andererseits wird für den schmalen Bereich der unmittelbar durch kartellrechtliche Zuwiderhandlungen selbst verwirklichte Straftaten (in Betracht kommen vor allem Submissionsbetrug und Vergehen nach § 168b StGB) zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen mit dem Kartellrecht von Leistungen abgesehen wird. Beide Punkte entsprechen aus Erfahrung internationaler Praxis gewonnenen Erfordernissen erfolgreicher Kronzeugenregelungen im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Kartellrecht. Zu diesem Zweck ist die im Aufgabenbereich des Strafrechts gelegene Beurteilung, ob auch in Anbetracht der unterschiedlichen Schwere der Rechtsgutbeeinträchtigung die Aufdeckung des Kartells oder der sonstigen wettbewerbsrechtlichen Zuwiderhandlung so schwer wiegt, dass das Interesse an der strafrechtlichen Ahndung  zurücktritt, von Justizorganen frühzeitig und sachkundig vorzunehmen. Als zentrale mit kartellrechtlicher und zugleich justizieller Kenntnis ausgestattete Stelle bietet sich der Bundeskartellanwalt an. Er soll nach Prüfung  der Staatsanwaltschaft Mitteilung machen können. Da die Bundeswettbewerbsbehörde nicht berufen ist, Erhebungen im strafrechtlichen Bereich vorzunehmen, können in diesem Feld auch keine Erhebungsaufträge des Bundeskartellanwaltes an die Bundeswettbewerbsbehörde erteilt werden. Die Staatsanwaltschaft hat die notwendigen Ermittlungen zu pflegen und -  nach Prüfung der Voraussetzungen - das Verfahren gegen die betroffenen beschuldigten Mitarbeiter einzustellen. In gleicher Weise hat die Staatsanwaltschaft auch hinsichtlich des Unternehmens wegen eines Verfahrens nach dem VbVG vorzugehen, denn auch ein Verband, der im Kartellverfahren entsprechend kooperiert, soll unter denselben Voraussetzungen wie seine Mitarbeiter strafrechtlich außer Verfolgung bleiben. Im Unterschied zur Regelung nach § 209a Abs. 1 hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren den Kronzeugen unter dem Vorbehalt der späteren Verfolgung einzustellen haben, ohne dass dem Kronzeugen weitere Leistungen aufzuerlegen wären (§ 209b Abs. 2).

Zusammengefasst ergibt sich daher Folgendes:

         1. Es soll über die bestehenden gesetzlichen Regelungen der tätigen Reue (§§ 151 Abs. 2, 165a, 167, 168b, 175 Abs. 2, 183b, 226, 229 Abs. 2, 230 Abs. 2, 231 Abs. 3, 240, 241d, 241g, 243, 245, 247, 271 Abs. 3, 272 Abs. 3, 273 Abs. 3, 274 Abs. 3, 277 Abs. 3, 278 Abs. 4, 278a, 279 Abs. 2, 280 Abs. 2, 291, 292b, 294, 296, 297 Abs. 2, 298 Abs. 2 und 307c StGB), der außerordentlichen Strafmilderung bei Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden (§ 41a StGB)  oder der Selbstanzeige (§ 29 FinStrG) ein Anreiz eröffnet werden, mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten, um auch für die Strafverfolgung jene Ermittlungserfolge zu erzielen, die im Kartellrecht und im Wettbewerbsrecht durch die Regelungen der § 84 Kartellgesetz und §§ 3 Abs. 1, 11 Abs. 3 bis 6 Wettbewerbsgesetz ermöglicht wurden. Im Wesentlichen soll schon der Staatsanwaltschaft ermöglicht werden, von einer Anklage abzusehen, wenn freiwillig beweiserhebliche Informationen geliefert werden, die noch nicht Gegenstand eines Verfahrens gegen den Kronzeugen sind (hingegen schadet es nicht, wenn die Staatsanwaltschaft bereits Ermittlungen gegen unbekannte Täter oder andere Beschuldigte wegen des Verdachts, zu dessen Aufklärung der Kronzeuge sich freiwillig bereit erklärt, aufgenommen hat).

         2. Der breite Anwendungsbereich erklärt sich schon aus der Weiterentwicklung des die tätige Reue rechtfertigenden Gedankens, der – wie sich aus der obigen Aufzählung ergibt – nicht auf einzelne Deliktsbereiche beschränkt ist. Neben den „Organisationsdelikten“ im kriminellen und terroristischen Bereich soll sich die Anwendung auf die Aufklärung solcher Straftaten beziehen müssen, die der Zuständigkeit der WKStA oder – im Hauptverfahren – dem Landesgericht als Schöffen- oder Geschworenengericht unterliegen. Letztere Zulässigkeitsvoraussetzung erklärt sich aus dem Umstand, dass die Zusammenarbeit unterhalb dieser Schwelle ohnedies im Rahmen der §§ 198 ff. StPO berücksichtigt werden kann (siehe § 198 Abs. 2 Z 1 StPO).

         3. Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen entsprechen im Wesentlichen jenen des § 41a Abs. 1 Z 2 und 3 StGB, wobei freilich hinzutreten muss, dass eine Verurteilung des Beschuldigten aus spezialpräventiven Erwägungen geboten sein darf. Es versteht sich von selbst, dass sich darüber hinaus die Informationen des Kronzeugen als beweiserheblich erweisen muss (Abs. 1 Z 2 und Abs. 4). Der strafrechtliche Schutz vor sexuellen Übergriffen verträgt keine solche Abwägung, weshalb in diesem Deliktsbereich eine Anwendung der Kronzeugenregelung ausgeschlossen sein soll (Abs. 2). Gleiches gilt für den Fall, in dem durch die Tat der Tod einer Person verursacht wurde.

         4. Zur Absicherung der Kronzeugenprogramme im Kartell- und Wettbewerbsrecht soll die Staatsanwaltschaft grundsätzlich mit Rücktritt von der Verfolgung einer Straftat vorzugehen haben, wenn der Bundeskartellanwalt entsprechende Erklärungen abgibt.

         5. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft soll sich einem besonderen Transparenzgebot unterziehen, um den Eindruck von verbotenen „Deals“ zu vermeiden; aus diesem Grund soll eine Kontrolle des unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten eingezogen werden, der auch ermächtigt werden soll, vom Gericht die Fortführung des Verfahrens zu verlangen (§ 195 StPO).

Der Ablauf des Verfahrens wird sich wie folgt gestalten:

         - Anbot der Geldbuße und vorläufiger Rücktritt (§§ 209a Abs. 1, 200 Abs. 1 StPO), Leistung der Geldbuße (falls nicht: Fortsetzung nach § 205 StPO), Einstellung des Verfahrens mit Vorbehalt (§ 209a Abs. 3 StPO);

         - Anbot der gemeinnützigen Leistungen und vorläufiger Rücktritt (§§ 209a Abs. 1, 201 Abs. 1 StPO), Erbringung (widrigenfalls Fortsetzung nach § 205 StPO), Einstellung mit Vorbehalt nach § 209a Abs. 3 StPO;

         - Anbot Probezeit (allenfalls mit Pflichten) und vorläufiger Rücktritt (§§ 209a Abs. 1, 203 Abs. 1 und 2 StPO), Überwachung der PZ (allenfalls Nachweis der Erbringung von Pflichten; allenfalls Fortsetzung nach §  205 StPO), nach Ablauf: Einstellung mit Vorbehalt nach § 209a Abs. 3 StPO;

         - Bei Verständigung durch Bundeskartellanwalt: Einstellung mit Vorbehalt nach § 209b Abs. 2 StPO.

Nach einem angemessenen Zeitraum sollen die praktische Anwendung dieser neuen Regelung und ihre Effizienz evaluiert werden, weshalb die Kronzeugenregelung zunächst befristet für einen Zeitraum von sechs Jahren gelten soll (§ 514 Abs. 12 StPO).

Zu Z 8, 10 bis 16 und 21 bis 31 (§§ 64 Abs. 1, 110 Abs. 1 Z 3, 115 Abs. 1 Z 3 und Abs. 5, 115a Abs. 1 Z 1, 115d Abs. 2, 116 Abs. 2 Z 2, 132, 373b, 408 Abs. 1, 409 Abs. 1, 410 Abs. 1 und Abs. 3, Überschrift 21. Hauptstückes, Überschrift des III. Abschnittes des 21. Hauptstückes, 443 Abs. 1, 444 Abs. 2 und 445 Abs. 1 und Abs. 2 StPO):

Durch die Einführung der Konfiskation als Strafe (§ 19a StGB) sowie die Neuordnung der Bestimmungen über den Verfall und den erweiterten Verfall (§§ 20 bis 20c StGB) ergibt sich die Notwendigkeit, die korrespondierenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen der neuen Rechtslage entsprechend anzupassen

Hinsichtlich des Verfahrens beim Verfall und erweiterten Verfall soll am bisherigen System der StPO festgehalten werden. Bisher war über den Verfall in der Regel in einem selbständigen Verfahren nach § 445 StPO zu entscheiden. Aufgrund der Ausgestaltung des bisherigen § 20b StGB stellte es eine Ausnahme dar, dass über den Verfall in einem Strafverfahren abgesprochen werden kann, nämlich dann, wenn der Angeklagte zugleich Inhaber eines Gegenstandes oder Vermögenswertes ist, der für verfallen erklärt werden soll, und ein Zusammenhang mit der angeklagten Tat besteht. Demgegenüber wird nunmehr in der Regel auch über den Verfall und den erweiterten Verfall vermehrt im Strafurteil zu entscheiden sein, zumal aufgrund der neuen materiellrechtlichen Bestimmungen, die der Verurteilung zugrunde liegende Tat, vermehrt auch Anlass und Begründung für die vermögensrechtliche Anordnung sein wird.

Als Maßnahmen der Sicherung der vermögensrechtlichen Anordnungen stehen weiterhin die Sicherstellung und die Beschlagnahme (§§ 110 Abs. 1 Z 3, 115 Abs. 1 Z 3 StPO) zur Verfügung und zwar unabhängig davon, ob diese zur Sicherung des Verfalls nach § 20 Abs. 1 StGB oder des Wertersatzverfalls nach § 20 Abs. 3 StGB ergehen. Sicherstellung und Beschlagnahme sollen aber auch zur Sicherung der Konfiskation nach § 19a StGB zulässig sein; gleiches gilt für die Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte sowie die Anordnung eines Scheingeschäfts (§ 116 Abs. 2 Z 2 und 132 StPO).

Zu Z 32 (§ 514 Abs. 13 StPO):

Im Hinblick auf die notwendigen organisatorischen Vorbereitungen zur Umgestaltung der KStA in die WKStA und zur rechtzeitigen Aufnahme notwendiger begleitender Maßnahmen auf Ebene der Aus- und Fortbildung in für die Führung solcher Verfahren relevanten Sachthemen sollen die betreffenden Bestimmungen (§§ 19 Abs. 1 Z 3, 20a, 20b,  26 Abs. 3, 28a, 32a und 100a StPO) erst mit 01. Juni 2011 in Kraft treten.

Die WKStA soll sodann entsprechend der Zuständigkeitsbestimmungen der §§ 20a und 20b StPO idF dieses Bundesgesetzes bundesweit für alle Ermittlungsverfahren zuständig sein, die nach dem 31. Mai 2011 angefallen sind oder zu diesem Zeitpunkt bei der KStA anhängig sind. Darüber hinaus soll eine Zuständigkeit der WKStA für nach dem 1. Jänner 2008 angefallene Ermittlungsverfahren bestehen, die von einer Staatsanwaltschaft im Sprengel der Oberstaatsanwaltschaft Wien wegen der in § 20a Abs. 1 StPO idF dieses Bundesgesetzes genannten Straftaten geführt werden und mit Ablauf des 31. Mai 2011 noch nicht beendet wurden.

Zu Art. 3 (Änderung des Staatsanwaltschaftsgesetzes):

Zu Z 1 (§ 2a StAG):

Zur wirksamen Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen, Korruption und entsprechenden Organisationsdelikten (§§ 20a und 20b StPO) soll am Sitz der Oberstaatsanwaltschaft Wien eine zentrale Staatsanwaltschaft mit der Bezeichnung „Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA)“ eingerichtet werden, deren Wirkungsbereich sich auf das gesamte Bundesgebiet erstrecken soll und deren personelle Ausstattung auf die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen rechtlichen, betriebswirtschaftlichen und sonstigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Eignungen sowie auf hinreichende Erfahrung im Tätigkeitsbereich, insbesondere auch zur Beurteilung wirtschaftlicher und unternehmerischer Abläufe sowie zur konzentrierten Führung solcher Verfahren Bedacht zu nehmen hat.

Organisatorisch soll daher die bestehende Korruptionsstaatsanwaltschaft ausgebaut werden.

In Abs. 3 dieser Bestimmung soll – analog der bisher für die KStA geltenden Bestimmung des § 2a StAG - klargestellt werden, dass die WKStA – soweit sie eine Berichtspflicht trifft – der OStA Wien zu berichten hat; im Übrigen soll die bisher nur für die KStA geltende rechtliche Sonderstellung im Bereich des Berichtswesens für die WKStA und damit auch Wirtschaftsstrafsachen ausgedehnt werden. Die WKStA soll demnach von einer automatischen Berichtspflicht vor bestimmten Anordnungen und Anträgen im Ermittlungsverfahren ausgenommen bleiben, sodass erst vor der Beendigung eines Ermittlungsverfahrens nach den Bestimmungen des 10. bis 12. Hauptstückes zu berichten ist. Lediglich für bedeutende Verfahrensschritte soll ihr eine Informationspflicht auferlegt werden, um widersprüchliche Mitteilungen gegenüber der Öffentlichkeit zu vermeiden.

Nach Abs. 4 soll die bisher für die KStA in § 2a Abs. 5 StAG idF BGBl. I Nr. 112/2007 angeordnete besondere Berichtsbestimmung nun auch für die WKStA anzuwenden sein.

Gemäß Abs. 5 soll im Wege des § 2 Abs. 5a Justizbetreuungsagentur-Gesetz (JBA-G), BGBl. I Nr. 101/2008, dafür Sorge getragen werden, dass dem Wirtschaftskompetenzzentrum zumindest fünf Experten zur Verfügung steht.

Zu Z 2 (§ 35a StAG):

Dem Transparenzgebot im Sinne der Erläuterungen zu Artikel 1 entsprechend, soll eine Möglichkeit geschaffen werden, Entscheidungen über die Einstellung von Verfahren, deren Führung öffentliches Interesse ausgelöst hat oder durch die über den Einzelfall hinausgehende bedeutende rechtliche Fragen  geklärt werden, anonymisiert zu veröffentlichen, wobei an eine Aufnahme in die öffentlich zugängliche Ediktsdatei gedacht ist. Gegebenenfalls soll auch eine Veröffentlichung auf der Homepage www.justiz.gv.at vorgenommen werden. Darüber soll die Oberstaatsanwaltschaft zu entscheiden haben. Die näheren Regelungen dazu sollen in einem Erlass getroffen werden.

Zu Art. 4 (Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes):

Zu Z 1 (§ 32a GOG):

Durch diese Bestimmung soll die § 2a StAG korrespondierende Regelung auf Gerichtsebene für die Führung von Hauptverfahren wegen großer und komplexer Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen geschaffen werden. Es sollen daher zur Nutzung der Synergieeffekte und zur Effizienzsteigerung auch auf Gerichtsebene beim Landesgericht für Strafsachen Wien zumindest sieben Gerichtsabteilungen eingerichtet werden, deren Leiter über die hiefür erforderlichen besonderen Kenntnissen, Fähigkeiten und Eignungen verfügen.