11461/J XXIV. GP
Eingelangt am
25.04.2012
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Anfrage
der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Freundinnen und Freunde an den Bundeskanzler
betreffend angekündigter Absicherung der Gedenkdienste
Jährlich leisten mehr als 100 junge zivildienstplichtige Männer einen 12-monatigen (und länger andauernden) Dienst im Ausland als Ersatz für den Zivildienst im Inland ab. Dieser Zivilersatzdienst kann als Gedenk-, Sozial- oder Friedensdienst absolviert werden.
Sozialdiener werden in Einsatzländer in Mittel- und Südamerika, Afrika und Asien entsendet und engagieren sich für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des jeweiligen Landes; u.a. leisten sie ihren wertvollen Beitrag in Straßenkinder-Projekten, Bildungsprojekten, Altenbetreuung oder in der Behindertenarbeit.
Friedensdiener engagieren sich in einem weltweiten Netzwerk für die Erreichung bzw. Sicherung von Frieden in Krisengebieten und arbeiten mit der Bevölkerung vor Ort an gewaltfreien Konfliktlösungsmodellen.
Gedenkdiener leisten einen unschätzbaren Beitrag in der Aufarbeitung der Gräuel des Nationalsozialismus und der hiermit verbundenen historischen Verantwortung Österreichs. Sie arbeiten an ausländischen Holocaust-Gedenkstätten und Museen, in Archiven und Bibliotheken. Sie pflegen in Altersheimen Holocaustüberlebende, arbeiten an Jugendbegegnungsstätten, an ehemaligen Orten des Massenmordes wie in Auschwitz, Theresienstadt oder Marzabotto. Dies alles gegen das Vergessen der Gräuel des Nationalsozialismus. Es ist unbestritten, dass dieses Engagement in hohem Maße im außen- und innenpolitischen Interesse der Republik liegt. Dennoch werden genau jene Organisationen, die solch wichtige Dienste ermöglichen, und jene jungen Menschen, die sich für diese Form von Zivilersatzdienst bzw. Freiwilligendienst entscheiden, ungerecht behandelt.
Frauen können diesen
freiwilligen Dienst nach wie vor nur auf eigene Kosten bzw. durch Spenden
finanziert und unter Inkaufnahme erheblicher
sozialrechtlicher Schlechterstellung leisten.
Der entsprechenden
Absichtserklärung im Regierungsübereinkommen zur Gleichstellung von
Frauen und Männer sind bis heute keine konkreten Schritte gefolgt.
Für Männer, die den Gedenkdienst als Zivilersatzdienst leisten,
dauert der Dienst um drei Monate länger als der reguläre Zivildienst
im Inland und doppelt so lange wie der Präsenzdienst. Obwohl somit erheblich
mehr Lebenshaltungskosten anfallen und obwohl davon Versicherung, Reisekosten
und Unterkunft bezahlt werden müssen,
kürzt die Republik die bisher schon sehr knapp bemessenen Förderungen
für die wichtigen Dienste im Ausland.
Gemäß § 12b Abs. 1 ZDG ist der Auslandsdienst als
Zivilersatzdienst unentgeltlich zu leisten. Der ursprüngliche Zuschuss des
Bundesministeriums für Inneres von 10.000 € für jeden
Zivilersatzdienstleistenden, wurde bereits auf 9000 € gekürzt. Nun wurde diese Förderung im Zuge des
Konsolidierungspakets noch einmal um 10% auf 8100 € gekürzt,
obwohl im Juli 2011 die Fördersumme von 9000 € pro Dienstleistenden für
das Jahr 2012 zugesagt wurde.
Diese 10%-Kürzung ist weder transparent erklärt noch nachvollziehbar.
Die im Gesetz vorgesehene Leistung des Gedenkens war mit der Fördersumme
von 10.000€ pro Dienstleistenden pro Jahr schon eng bemessen und
durch Spenden und Sponsoren abgesichert. Durch die nun vorgenommene
Kürzung auf 8100 € haben die jungen Dienstleistenden selbst Geld
für den unentgeltlichen Dienst beizusteuern bzw. sind sie von privaten
Sponsoren und Spenden abhängig.
Mit dieser Kürzung sind die Auslandsdienste de facto von ihrer Existenz
bedroht, da die Lebenshaltungskosten mit dem gekürzten Zuschuss nicht mehr
gedeckt werden können.
Beispiel: In der
Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem würde der Gedenkdiener
abzüglich ASVG-Beiträge, Zusatzversicherung, Reise- und Mietkosten
und abzüglich der Kosten für den öffentlichen Verkehr einen
Betrag von rund 3 Euro für den täglichen Bedarf (Essen, Trinken,
Waschmittel,...) zur Verfügung haben.
Das große Engagement junger
Männer, die im Ausland diese, auch für die Repräsentation
Österreichs, so wichtigen Dienste tun, verdient Anerkennung und Absicherung.
Die Rolle des Gedenkdienstes bei der Repräsentation
Österreichs im Ausland wird immer wieder auch von hochrangigen
VertreterInnen der Republik betont. So hob etwa Bundespräsident Dr. Heinz
Fischer die „Wichtigkeit des Gedenkdienstes als Repräsentation
Österreichs im Ausland“ beim Empfang der Gedenkdiener am 18. Juli
2011 in der Hofburg hervor. Auch der Bundeskanzler selbst stellte - nach der
Kritik vom Verein Gedenkdienst und den Grünen an der geplanten
Kürzung - am 13. März 2012 klar, dass: „wir hier keine Kürzungen vornehmen werden, sondern diesen
Gedenkdienst finanziell voll absichern."[1] Und weiters: "Wir
haben eine klare gemeinsame Position zum Gedenkdienst in Yad Vashem und an
anderen Erinnerungsstätten. Dieser Dienst ist symbolisch wichtig und
für die Jugend in Österreich bedeutsam. Derzeit sind 110 junge
Menschen als Alternative zum
Zivildienst an solchen Orten tätig. Das soll auch in Zukunft so bleiben.
Daher wird der Bund den bisher dafür aufgewendeten Betrag von rund 100.000
Euro nicht kürzen"[2]
Die zuständige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner schweigt jedoch
weiter, von Anerkennung und Absicherung von Seiten des Innenressorts fehlt jede
Spur.
Am 18. April 2012 wurde im zuständigen Innenausschuss der Antrag der
Abgeordneten Windbüchler-Souschill betreffend Absicherung der Gedenk- Sozial- und Friedensdienste als
Zivilersatzdienst (1898/A(E))[3] vom Innenausschuss
vertagt,
mit dem einzigen Beitrag in der Debatte vom Abgeordneten Gerstl. Aus Sicht des
Abgeordneten der ÖVP werden jetzt schon erhebliche Mittel zur Verfügung
gestellt zur Förderung des Zivilersatzdienstes im Ausland. Diese betragen
auch nach der 10%-Kürzung rund 650.000 € für 2012. Es werden
mit den Organisationen weitere Gespräche geführt[4].
Weder von MandatarInnen der SPÖ, noch von der
Innenministerin selbst wurden Signale in Richtung Absicherung der so wertvollen
Dienste Österreichs im Ausland getätigt. Ganz im Gegenteil, sie zogen
es vor zu schweigen!
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Als Bundeskanzler kündigen Sie am 13. März 2012 an, dass wenn die vorgesehenen Mittel zur Absicherung der Dienste im Ausland vom zuständigen Innenministerium nicht mehr aufbringbar seien, die Regierung einen anderen Weg finden wird. Welche Schritte haben sie eingeleitet, die wichtigen Dienste nachhaltig abzusichern? Gibt es Gespräche mit Ihrer Kollegin Johanna Mikl-Leitner? Gibt es Gespräche mit den Entsendeorganisationen? Welche Zwischenergebnisse können Sie vorlegen?
2) Welche finanzielle Mittel sind für die Absicherung insgesamt notwendig und für welche Zivilersatzdienste gedacht? Welche Fördersumme pro Zivilersatzdienstleistenden ist vorgesehen?
3) Woher werden die finanziellen Mittel für die kolportierte Absicherung der Zivilersatzdienst-Förderung, wenn das Innenministerium diese nicht aufwenden wird, kommen? Falls dafür Rücklagen aufgelöst werden, welche?
4) Wann genau können die Entsendeorganisation und die Zivilersatzdienstleistenden tatsächlich mit Entwarnung für 2012 rechnen? Wann werden der Auslandsdienst Förderverein und die Entsendeorganisationen verständigt, dass die Kürzungen für 2012 zurückgenommen werden?
5) Im Regierungsübereinkommen hat die Bundesregierung ausdrücklich erklärt, eine Gleichstellung von Frauen hinsichtlich der Möglichkeit einen Auslandsdienst zu leisten erreichen zu wollen. Welche Schritte wurden bisher in diese Richtung unternommen und wann ist mit konkreten Ergebnissen der vollständigen Finanzierung junger Frauen als Gedenkdienerinnen zu rechnen?
[1] http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120313_OTS0146/ministerrat-bundeskanzler-faymann-finanzierung-des-gedenkdiensts-sichergestellt
[2] http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120313_OTS0163/bundeskanzler-faymann-gedenkdienst-ist-symbolisch-wichtig-und-fuer-die-jugend-bedeutsam
[3] http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/A/A_01898/index.shtml
[4] http://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2012/PK0308/