11463/J XXIV. GP

Eingelangt am 25.04.2012
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Kurt Grünewald, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung

betreffend Gute wissenschaftliche Praxis

BEGRÜNDUNG

 

 

In der parlamentarischen Anfrage 9730/J vom 10. November 2011 haben wir bereits auf ein außergewöhnliches Berufungsverfahren an der Juridischen Fakultät der Universität Innsbruck hingewiesen. Wir halten die Art des Umgangs mit diesem Verfahren für eine problematische Entwicklung innerhalb der österreichischen Wissenschaftslandschaft.

Im Mittelpunkt steht dabei ein Habilitationsverfahren und ein unmittelbar anschließendes, nunmehr über vier Jahre währendes Berufungsverfahren, in dem – wie es scheint – zahlreiche akademische Prinzipien, aber auch klare Rechtsregeln verletzt worden sind.

Der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage durch Bundesminister Töchterle (9608/AB) können wir entnehmen:

Es wird behauptet, ein Verstoß gegen die „gute wissenschaftliche Praxis“ (die im vorliegenden Fall eindeutig und abschließend nachgewiesen worden ist) stelle keine Erschleichung im Sinne des § 69 Abs. Z 1 AVG dar und deshalb sei auch keine Wiederaufnahme des Habilitationsverfahrens möglich.

Diese Rechtsauffassung ist unhaltbar und kann weder durch eine Norm, noch durch eine Auslegung der Lehre untermauert werden. Ein Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis kann ohne Zweifel einen Erschleichungstatbestand begründen.

Im Übrigen wird auf die Autonomie der Universitäten verwiesen. Die unbestritten bestehende Autonomie der Universitäten schließt aber eine Kontrollbefugnis des Ministeriums nicht aus. Ganz im Gegenteil: Die wirksame Wahrnehmung dieser Kontrollbefugnis und dieser Kontrollpflicht ist – gerade in Bezug auf schwere Verfehlungen, wie sie in Innsbruck vorzuliegen scheinen – eine wesentliche Bestandsvoraussetzung für eine rechtliche und politische Rechtfertigung der Universitätsautonomie.

Nach den uns vorliegenden Informationen hat der Rektor der Universität Innsbruck, Univ. Prof. Dr. Dr. hc. mult. Tilmann Märk, die vorgetragenen, schweren Befangen-heitsvorwürfe gegenüber einigen Mitgliedern der Berufungskommission nur „pro forma“ geprüft, in dem er einen Institutskollegen damit beauftragt hatte. Die Prüfung von Befangenheitsvorwürfen durch Mitglieder der Fakultät (also hausintern) ist international völlig unüblich und widerspricht jeder geltenden guten wissenschaftlichen Praxis.

Diese Problematik wird auch in einem Gutachten von Univ. Prof. Dr. Alois Birklbauer von der JKU Linz, im Auftrag von Kollegin Anneliese Legat (Zentralausschuss Universitätslehrerverband ULV), bestätigt: „….insofern haben das Berufungs-verfahren insgesamt und verschiedene Aktivitäten in dessen Umfeld auch für einen Außenstehenden einen äußerst schalen Beigeschmack … bleibt am Ende dieser Stellungnahme der Wunsch, dass auch im gegenständlichen Berufungsverfahren letztlich eine Lösung gefunden wird, die den Anschein einer nicht objektiven Entscheidung aufgrund allfälliger Befangenheit vermeidet, zumal saubere Berufungsverfahren und korrekte Entscheidungen letztlich dem Ansehen der Universität dienen“.

Es ist belegt, dass das damalige Rektorat schon VOR der definitiven Einsetzung der Berufungskommission über deren problematische Zusammensetzung Bescheid wusste. Dies geht aus einem mit 26. Jänner 2009 datierten E-Mail des damaligen Rektors Univ. Prof. Dr. Karlheinz Töchterle hervor: „Sehr geehrter Herr Kollege, mir sind von mehreren Seiten Bedenken zu diesem Verfahren mitgeteilt worden. Meine Rechtsabteilung sagt mir aber, dass ich derzeit keine Eingriffsmöglichkeiten habe. Ich werde das Problem aber demnächst mit Herrn Hajnal besprechen.“

Der Rektor will nun Berufungsverhandlungen mit dem durch die befangene Kommission Erstgereihten aufnehmen, wobei er die schwerwiegende Kritik der ÖAWI am Erstgereihten, Dr. O., dadurch überwunden sieht, dass ein Unterstützungs-schreiben von vier Professoren zugunsten von Dr. O. beim Rektorat eingelangt ist.

Dazu ist Folgendes festzuhalten:

-          Dieses Unterstützungsschreiben ist inhaltlich widersprüchlich und führt angebliche Passagen des ÖAWI-Gutachtens an, die in dem Gutachten tatsächlich gar nicht vorzufinden sind.

-          Das Gutachten der ÖAWI vom 5. April 2011 hat nach Auskunft der ÖAWI nach wie vor voll und ganz Bestand. Damit ist die Aussage des Rektors, die darin enthaltenen Anschuldigungen seien vom Tisch, unhaltbar. Siehe hierzu auch den Jahresbericht, http://www.oeawi.at/downloads/Jahresbericht-2011.pdf


-          Ganz grundsätzlich erscheint es eigenartig und keinen akademischen Gepflogenheiten – noch über den Vorgaben des UG 2002 – zu entsprechen, Berufungsentscheidungen auf der Grundlage von privaten Unterstützungsschreiben für einzelne Kandidaten zu treffen.

Der Schaden für Österreich ist bereits offensichtlich: Die Scientific Community ist international vernetzt und verfolgt nicht nur die „Highlights“ der österreichischen Wissenschaftsszene, sondern erfährt auch von weniger erfreulichen Dingen. Es ist nicht angenehm, wenn ohne Zutun in diesen Fall Verwickelter und auch ohne jedwede Aktivität meinerseits ich mit einem Anruf eines international höchstrangigen Wissenschaftsjournals (Nature) zu diesem Fall befragt werde und diesem keinen wirklich redlichen Umgang offizieller Stellen bestätigen kann.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

 

1.    Die in der Anfrage vom 10. November 2011 aufgezeigten Probleme an der Universität Innsbruck sind nach wie vor voll und ganz aufrecht. Es ist an der Universität Innsbruck nichts unternommen worden, diese Problematik ernsthaft zu lösen. Gedenken Sie, im Sinne der Aufsichtspflicht des Ministeriums gegenüber den Universitäten, den aufgezeigten Missständen konkret nachzugehen? Stehen Sie in Kontakt mit dem Rektor in Hinblick auf eine sachgerechte Lösung dieser Problematik?

2.    Der Zentralausschuss des Universitätslehrerverbandes hat ein Gutachten bei einem namhaften österreichischen Rechtsprofessor in Auftrag gegeben. Aus diesem Gutachten geht hervor, „dass verschiedene handelnde Personen, die an der Entscheidung der Berufungskommission für eine Professur für ´Europarecht, Völkerrecht und internationale Beziehungen´ an der Universität Innsbruck mitgewirkt haben, den Anschein der Befangenheit gegenüber manchen Bewerbern erwecken“. Weiters wird festgestellt, dass „das Berufungsverfahren insgesamt und verschiedene Aktivitäten in dessen Umfeld auch für einen Außenstehenden einen äußerst „schalen Beigeschmack“ haben“. Eine Anzeige wegen Amtsmissbrauch gemäß § 302 StGB wird als mögliche Option geprüft und – trotz der Tatsache, dass sich ein vergleichbarer Fall in Österreich bislang noch nie zugetragen hat – anheimgestellt. Wie stehen Sie zu dieser Tatsache?

3.    Gedenken Sie angesichts dieser gravierenden Erkenntnisse und der Feststellung schwerster Mängel durch völlig neutrale und unabhängige Institutionen und Fachleute zu intervenieren?


4.    Ist sich das Ministerium der Tatsache bewusst, dass ein weiteres Offenhalten der Problematik in Innsbruck, die international mit großer Aufmerksamkeit beobachtet wird, dem Ansehen der Wissenschaftslandschaft in Österreich schwer schadet?

5.    Sollten Sie als früherer Rektor der Universität Innsbruck eine Befangenheitssituation in Bezug auf die Innsbrucker Problematik sehen und deshalb eine unmittelbare aufsichtsrechtliche Intervention nicht für angezeigt erachten, würden Sie dann eine Überprüfung dieser Problematik durch unabhängige Gutachter (bspw. der Österreichischen Akademie der Wissenschaften oder des FWF) in die Wege leiten oder aber zumindest befürworten?