12445/J XXIV. GP

Eingelangt am 06.07.2012
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Jannach

und weiterer Abgeordneter

 

an die Bundesministerin für Finanzen

 

betreffend des „Neufeststellung der Einheitswerte für die Landwirtschaft“

 

Im Zuge der Verhandlungen um das Stabilitätsgesetz („Sparpaket 2012) wurde zwischen SPÖ und ÖVP vereinbart, die Hauptfeststellung der Einheitswerte auf 1. 1. 2014 vorzuverlegen. Mitte 2012 liegt noch immer kein Vorschlag seitens der Bundesregierung vor.

 

Der Einheitswert repräsentiert einen Ertragswert, der dem 18-fachen Reinertrag eines Betriebes mit entlohnten fremden Arbeitskräften bei ortsüblicher und nachhaltiger Bewirtschaftung entspricht. Außerdem wird unterstellt, dass der Betrieb ausgedinge-, pacht- und schuldenfrei ist.

 

Praktische Definition: Der Einheitswert eines landwirtschaftlichen Betriebes ist ein standardisierter Ertragswert in Geldeinheiten (Euro), der die

·        natürlichen Ertragsbedingungen (Bodenschätzung, Wasserverhältnisse,

Geländeneigung und Klima) und

·        die wirtschaftlichen Ertragsbedingungen (äußere und innere

Verkehrslage, Betriebsgröße) widerspiegelt..

Der Einheitswert hat für viele steuerliche, sozialversicherungsrechtliche und sonstige Abgaben eine nach wie vor wichtige Bedeutung.

 

Steuerliche Anknüpfung:

·         Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben

·        Einkommensteuer, Pauschalierung der landwirtschaftlichen

·        Betriebe, Buchführungspflicht

·        Beitrag von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben

zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (FLAG)

·        Beitrag zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung

·        Grundsteuer (Hebesatz dzt. 500% des Messbetrages)

·        Erbschafts- und Schenkungssteuer

·        Stempel- und Rechtsgebühren

·        Grunderwerbsteuer

·        Umgründungssteuergesetz


Sozialversicherungsrechtliche Bedeutung:

·        Nach dem Bauernsozialversicherungsgesetz (BSVG)

ist der Einheitswert maßgebend für die Beitragspflicht

und Höhe der Beiträge (gilt für Unfallversicherung,

Krankenversicherung, Betriebshilfegesetz, Pensionsversicherung)

·        Ausgleichszulage (ASVG, GSVG)

·        Arbeitslosenversicherung (Notstandshilfe)

·        Kriegsopferversorgungsgesetz

 

Sonstige Anbindungen:

·        Landwirtschaftliche Kammerumlage

·        Neuer Berghöfekataster (Ergebnisse der Bodenschätzung)

·        Kirchenbeitrag

·        Studienbeihilfe

·        Diverse Förderungen und Transferzahlungen für die

·        Landwirtschaft

(Aus dem Grünen Bericht 2011)

 

Aus der Pressemitteilung des AIZ vom 4. Juli 2012 in der dem ÖVP-Bauernbund gehörenden Bauernzeitung:

 

„Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich fordert den Koalitionspartner SPÖ auf, der Reform der Einheitswerte für landwirtschaftliche Flächen zuzustimmen, sonst könne der Zeitplan für die mit 1. Jänner 2014 geplante Hauptfeststellung nicht eingehalten werden. Eine von Finanzministerin Maria Fekter gemeinsam mit der bäuerlichen Interessenvertretung erarbeitete Novelle des Bewertungsgesetzes, die gesetzliche Basis für die Reform der Einheitswerte und für die Hauptfeststellung, liegt, wie berichtet, vor, konnte aber mangels Konsens mit der SPÖ bislang nicht in Begutachtung gehen.“

 

30 Prozent Einkommensverlust von 1995 bis 2010

Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft seit 1995 je landwirtschaftlichem Betrieb:

1995: 22.248 Euro

2010: 22.863 Euro

 

Unter Berücksichtigung der Geldentwertung durch Inflation in diesen 15 Jahren hätte das Einkommen der Landwirtschaft Ende 2010 mehr als 29.500 Euro betragen müssen (Berechnung nach VPI 1995 – 2010) um ein „gleichwertiges“ Einkommen wie 1995 zu erwirtschaften. Real ist das Einkommen in der Landwirtschaft seit 1995 um mehr als 30 Prozent weniger wert geworden.

Fast jeder 3. Betrieb hat seit 1995 zugesperrt

„Insgesamt zählte die Statistik Austria bei der Agrarstrukturerhebung 2010 173.317 land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Im Vergleich zur letzten Vollerhebung 1999 bedeutet das einen Rückgang um 44.191 Betriebe (-20,3 Prozent). Seit dem EU-Beitritt reduzierte sich die Betriebsanzahl damit um 27,5 Prozent.“ (aus Homepage der Landwirtschaftskammer Oberösterreich Juni 2012)

 

Vor dem Hintergrund der Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft und des fortschreitenden Strukturwandels in der Landwirtschaft erscheint es verantwortungslos eine Erhöhung der Einheitswerte in der Landwirtschaft vorzunehmen. Im Gegenteil: Die Einheitswerte sollten die tatsächlichen Wirtschaftsverhältnisse der Landwirtschaft widerspiegeln.

 

In diesem Zusammenhang richten die unterzeichnenden Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen folgende

 

 

Anfrage

 

 

1.    Wie sieht die von  „Finanzministerin Maria Fekter gemeinsam mit der bäuerlichen Interessenvertretung erarbeitete Novelle des Bewertungsgesetzes“, die „die gesetzliche Basis für die Reform der Einheitswerte und für die Hauptfeststellung“ darstellt, aus?

 

2.    Warum verhandelt die Landwirtschaftskammer Österreich laut Landwirtschaftsminister Berlakovich mit dem Finanzministerium die Novelle des Bewertungsgesetzes und die Neuregelung bei den Einheitswerten und nicht das Landwirtschaftsministerium?

 

3.    Warum legt(e) das BMF bezüglich der neuen Kriterien für die Einheitswert-Hauptfeststellung nicht ein eigenes Konzept vor, sondern verhandelt mit den befangenen Landwirtschaftskammern über die neuen Bewertungskriterien?

 

4.    Warum ist die bäuerliche Interessenvertretung (Landwirtschaftskammer) in der Sache der Neufeststellung der Einheitswerte mit der Verhandlung betraut, obwohl sie wegen ihrer Finanzierung auch durch die Kammerumlage offensichtlich für befangen zu erklären wäre?

 

5.    „Laut dem Reformvorschlag der Landwirtschaftskammer soll künftig bei der Einheitswert-Berechnung die Bodenbewertung mit 83 Prozent (statt 82) gewichtet werden, die EU-Agrardirektzahlungen mit 13 Prozent (statt 10,5) und Viehzuschläge mit vier Prozent (statt 2,5).“ Welche finanziellen Auswirkungen ergeben sich für die österreichischen Bauern aufgrund dieser „Reformvorschläge“ der Landwirtschaftskammer?

 

6.    Kommt es durch die von der Landwirtschaftskammer Österreich  vorgeschlagenen Erhöhung des „Vieheinheitenzuschlages“ zu einer erhöhten Belastung viehhaltender Betriebe in Österreich?

 

7.    Kommt es durch die von der Landwirtschaftskammer Österreich vorgeschlagenen Maßnahmen zur Hauptfeststellung zu einer erhöhten Belastung der österreichischen Forstwirtschaft?

 

8.    Welche Auswirkung hätte die von der Landwirtschaftskammer Österreich vorgeschlagene „relative Verringerung der reinen Bodenbewertung“?

 

9.    Welche Auswirkung hätte die von der Landwirtschaftskammer Österreich vorgeschlagene Einbeziehung der Öffentlichen Gelder der 1. Säule und deren Erhöhung von 10,5 auf 13 Prozent?

 

10. In Bezug auf die bäuerliche Sozialversicherung schlägt die Landwirtschaftskammer vor, dass es zu keiner Verminderung der Beiträge der SVB kommen soll. Halten Sie diese Forderung unter Berücksichtigung des Strukturwandeles und damit der Aufteilung einer gleichen Beitragssumme auf zukünftig weniger Landwirte für gerechtfertigt?

 

11. Droht durch eine Neufeststellung der Einheitswerte eine weitere zusätzliche Belastung der österreichischen Landwirtschaft im Bereich der SVB?

 

12. In welchen Bereichen der Hauptfeststellung der Einheitswerte kann derzeit kein Konsens zwischen SPÖ und ÖVP hergestellt werden?