12688/J XXIV. GP

Eingelangt am 01.10.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Oswald Klikovits

Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport

betreffend fehlender Grundlagen und nicht berücksichtigter Folgekosten für das vom Bundesminister angestrebte Berufsheer: Zahlen, Daten, Fakten

Voraussetzung der für 20. Jänner 2013 angesetzten Volksbefragung über die Wehrpflicht ist eine seriöse, sachliche Information der Bevölkerung. Die bisherigen Medienberichte über das vom Bundesminister für Landesverteidigung und Sport präsentierte Berufsheer-Modell lassen allerdings viele Fragen offen.

Angeblich könnte bei einem positiven Ausgang der Volksbefragung bereits mit dem Jahr 2014 die Wehrpflicht abgeschafft und ein Berufsheer bestehend aus 8.500 Berufssoldaten, 7.000 Zeitsoldaten und 6.500 Zivilbediensteten eingerichtet werden. Als freiwillige Miliz sollen mittels jährlicher Milizprämie von € 5.000,-- an die 9.300 Soldaten gewonnen werden. Dazu soll es eine weitere sogenannte „beorderte Miliz“ von 23.000 Mann geben.

In der Fragestunde des Nationalrates am 5. Juli 2012 hat sich der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport zu der nötigen Gesamtstärke des Bundesheeres von 55.000 Mann bekannt: „Sie haben recht, wir werden 12.500 Soldatinnen und
Soldaten immer präsent haben müssen
- das ist auch ein Konsens, den wir getroffen

haben und das ist leicht möglich.“ Weiters garantierte der Minister „... sodass wir
auf die 55.000 kommen, und von diesen 55.000 jederzeit diese 12.500, die Sie gefordert haben, herausschälen können, um im Katastrophenschutz gesichert und geschützt zu sein.“

Keine Aussagen sind auch zur notwendigen Überleitung des jetzigen Bundesheeres auf ein viel kleineres Berufsheer, den damit verbundenen Folgekosten, dem wesentlichen Verlust an Personal sowie der Stilllegung von derzeit bestehenden Bundesheerstandorten getroffen worden. Weiters ist für das geplante Darabos- Modell eine ganz andere Heeresstruktur mit einem völlig unterschiedlichen Personalaufbau notwendig.

Einem Artikel in der Tageszeitung „Die Presse“ vom 02.09.2012 unter dem Titel "Wehrpflicht: Geopfert auf dem Altar der Moderne" von Detlef Buch ist beispielsweise zu entnehmen, dass in Deutschland durch Experten Folgekosten von etwa 3 Milliarden Euro erkannt worden sind. Aber erst, als die Aussetzung der Wehrpflicht bereits beschlossen war!


In den medialen Darstellungen (z.B. in der Kronen Zeitung vom 4.9.2012) wurde das von einer Arbeitsgruppe im BMLVS erstellte Modell 3 (= Berufsheer mit Milizkomponente) präsentiert, welches eine Unmenge an Annahmen, wie die in der Folge zitierten, zum Inhalt hat:
„Es wird ein geschätztes Rekrutierungspotential von ca. 1.700 Personen/Jahr in Österreich angenommen (gem. Schätzungen aus der GFK-Studie).“

Diese Studie lag bereits bei der Bundesheer-Reformkommission im Jahre 2003 vor und stammt aus dem Jahr 2001. Es darf daher bezweifelt werden, dass all diese Aussagen noch als aktuell angesehen werden können.

Für die Aufstellung der Freiwilligenmiliz wurden ebenso Annahmen getroffen:

„Für die Rekrutierung der „Freiwilligenmiliz“... wurde ein Potential von zusätzlichen 850 p.a. angenommen.“

„Bei den Modellen 3 und 7 wurde angenommen, dass sich 10.000 Soldaten für die ,Freiwilligenmiliz’ mit dem Anreizsystem finden werden.“

„Für die ,Beordertenmiliz’ wurden nachstehende Annahmen getroffen: keine Prämie, Aufbietung in jenen Szenarien, in denen mit Präsenzstand und Aufbietung der Freiwilligenmiliz nicht das Auslangen gefunden wird und grundsätzlich keine Übungsverpflichtung.“

Die in der Kronen Zeitung vom 4.9.2012 veröffentlichte Bewertung der sieben
Modelle wurde offensichtlich von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe selber durchgeführt. So lässt sich folgende Bemerkung erklären:

„Um eine größere Planungssicherheit zu erhalten, wird vorgeschlagen, dass ein größerer Personenkreis die Analyse vornimmt. Dadurch würde eine genauere und zutreffendere Einschätzung gewährleistet.“

Betreffend ,Überstandspersonal’ wird darüber hinaus festgehalten, dass der Personalabbau ohne zusätzliche Maßnahmen nicht möglich ist:

„In der Berechnung wird ein jährlicher Abbau von 500 Personen zugrundegelegt, wenn der Personalabbau durch geeignete Maßnahmen unterstützt wird. Maßnahmen für eine schnelle Reduzierung wären in jedem Fall gezielt zu treffen, da ansonsten
der Gestaltungsspielraum für die geeignete Streitkräftestruktur immer gering bleibt bzw. die Erreichung der Zielstruktur nahezu verunmöglicht wird. “

„Ohne zusätzliche Maßnahmen kann das Überstandspersonal innerhalb der 10 Jahre nicht zur Gänze abgebaut werden. “

All diese Annahmen werden nunmehr in der Öffentlichkeit als fixe Bewertungen dargestellt, die Folgekosten und ungelösten Fragen hinsichtlich des nötigen Transformationsprozesses werden allerdings verschwiegen.


Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für

Landesverteidigung und Sport folgende

Anfrage:

1.         In Ihren eigenen Berechnungen gehen Sie von einem möglichen Personalabbau von 500 Stellen im Jahr aus - siehe oben. Wie wollen Sie dann den Zielwert von 8.500 statt 16.000 Berufssoldaten mit 1.1.2014 erreichen?

2.         Wie wollen Sie in dieser kurzen Zeit eine geplante Reduktion von 2.000 Zivilbediensteten beim Bundesheer sicherstellen?

3.         Wie wollen Sie bereits mit 1.1.2014 7.000 Zeitsoldaten verpflichtet haben, wenn insgesamt in Ihren Berechnungen ein geschätztes Rekrutierungspotential von 1.700 Personen im Jahr angenommen wird?

4.         Wie viele Soldaten im Rahmen der Freiwilligenmiliz werden seriöserweise mit 1.1.2014 zu Verfügung stehen?

5.         Wann soll der Vollausbau erreicht werden?

6.         Welche Maßnahmen zum Personalabbau sind bereits ausgearbeitet worden?

7.         Wurden diese auch schon mit den zuständigen Gremien der Personalvertretung sowie mit dem Bundeskanzleramt konsentiert?

Wenn nein, warum nicht?

8.         Wie lange wird der Personalabbau benötigen?

9.         Es ist klar, dass eine neue Heeresstruktur nicht schlagartig eingenommen werden kann, zumal damit im vorliegenden Fall auch der Abbau von über 4.000 Kadersoldaten und 2.000 Zivilbediensteten verbunden sein soll. Diese Veränderungen werden lange dauern und viel Geld kosten. Warum wurden bei Berechnung Ihres Modells diese Kosten der Überleitung vom bestehenden österreichischen Bundesheer auf ein Berufsheer nicht berücksichtigt?

10.      Welche Zukunftsperspektive können Sie den Personen, die Sie für Ihr Berufsheer nicht mehr benötigen, bieten?

11.      Wie viele Offiziere und Unteroffiziere sind derzeit jeweils im österreichischen Bundesheer tätig?

12.      Wie viele Wehrpflichtige befinden sich derzeit im Milizstand?

13.      Wie viele Wehrpflichtige befinden sich derzeit im Reservestand?

14.      Wie viele Offiziere und Unteroffiziere werden nach Ihrem Modell jeweils zukünftig benötigt?

15.      Wo sind die seriös nachvollziehbaren Grundlagen für die Bewertung der 7 verschiedenen Heeresmodelle?

16.      Wer hat diese Bewertung durchgeführt?

17.      Warum wurde bei den Bewertungen nicht zwischen den einzelnen Kategorien gewichtet (Luftraumüberwachung ist z.B. gleich wichtig bewertet wie die Sanitätsversorgung)?


18.      Die österreichische Bundesregierung hat sich in ihrer neuen Sicherheitsstrategie auf eine Gesamtstärke für das österreichische Bundesheer von 55.000 Mann festgelegt. Diese Mannstärke erreichen Sie in Ihrem Modell nur, wenn Sie die Zivilbediensteten mitzählen. Wollen Sie tatsächlich Zivilbedienstete Ihres Ressorts in kriegerische Handlungen einbeziehen?

19.      Wie wollen Sie mit Ihrem Modell die auch von Ihnen zugesagten 12.500 präsenten Soldaten sicherstellen?

20.      Über wie viele Brigaden wird das österreichische Bundesheer in Ihrem Modell verfügen?

21.      Wie viele Bataillone müssen aufgelöst werden?

22.      Klar ist, dass ein viel kleineres Bundesheer viel weniger Standorte benötigt, als das derzeitige österreichische Bundesheer samt Wehrpflicht. Würden bei einem massiv verkleinerten Bundesheer nicht Standorte gestrichen und zusammengelegt, wäre dies ökonomischer Unsinn und aus Effizienzgründen nicht vertretbar. Über wie viele Bundesheerstandorte in den Bundesländern wird das österreichische Bundesheer nach Ihrem Modell verfügen?

23.      Welche Standorte des Bundesheeres bleiben erhalten?

24.      Welche Standorte des Bundesheeres müssen geschlossen werden?

25.      Wann werden Sie der österreichischen Bevölkerung die tatsächlichen Folgekosten bei Einführung eines Berufsheeres - siehe Deutschland - mitteilen?