15480/J XXIV. GP

Eingelangt am 05.07.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Dr. Jarolim

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend „Wiederaufnahmeverfahren in Österreich in den Jahren 2002 bis 2012“

 

In den letzten Jahren wurden über die Medien mehrere Fälle bekannt, wonach rechtskräftig verurteilte Personen bzw. die zuständige Staatsanwaltschaft eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Bestimmungen der StPO beantragt haben. Deren Anwälte kämpfen um einen neuen Prozess.

Darüber hinaus hat sich in den letzten Monaten die Kritik an behaupteten „Fehlurteilen“ in der Öffentlichkeit - insbesondere in Salzburg – verstärkt (z.B. Mordfall Silke Schnabel; Mordfall Helga Z.; Mordfall Heidemarie Mayrhofer). Nur vereinzelt werden in den Medien dann die Fälle bekannt, in denen ein Freispruch erfolgt.

 

Bekannt gewordenen Sexualdelikten stehen nämlich auch Fälle gegenüber, wo biespielsweise Männer zu Unrecht der Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung bezichtigt wurden. So wurden in der Vergangenheit beispielsweise aufgrund falscher Aussagen Männer zu Unrecht wegen des Verbrechens der Vergewaltigung bzw. der sexuellen Nötigung verurteilt.

Erst in einem angestrebten Wiederaufnahmeverfahren wurde beispielsweise 2011 ein Mann rechtskräftig freigesprochen:

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende

 

Anfrage:

 

1.        Wie viele Wiederaufnahmeverfahren wurden zwischen 2002 und 2012 beantragt (Aufschlüsselung auf Jahre und zuständige Staatsanwaltschaften)?


2.        Wie viele davon waren Wiederaufnahmeanträge der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften (Aufschlüsselung auf Jahre und zuständige Staatsanwaltschaften)?

 

3.        Wie vielen Anträgen auf Wiederaufnahme wurden in diesen Jahren stattgegeben (Aufschlüsselung auf Jahre und zuständige Staatsanwaltschaften)?
Wie viele dieser stattgegebenen Anträge stammten von den zuständigen Staatsanwälten?

 

4.        Wie viele Wideraufnahmeanträge wurden abgelehnt (Aufschlüsselung auf Jahre und nach Instanz)?

 

5.        Woran sind die in diesen Jahren abgelehnten Wiederaufnahmeanträge gescheitert (ersuche um Darstellung der Gründe)?

 

6.        Wie oft wurden aufgrund von Wiederaufnahmeverfahren in den Jahren 2002 bis 2012 Strafurteile korrigiert und ehemals gerichtlich verurteilte Personen freigesprochen (Aufschlüsselung auf Jahre, zuständige Gerichte und Instanz)?

 

7.        Wie viele dieser Wiederaufnahmeverfahren sind derzeit noch offen (Aufschlüsselung auf zuständige Gerichte und Instanz)?

 

8.        Wie oft wurden in Wiederaufnahmeverfahren in den Jahren 2002 bis 2012 Strafurteile nicht korrigiert bzw. die Verurteilung bestätigt (Aufschlüsselung auf Jahre, zuständige Gerichte und Instanz)?

 

9.        Wurden allen in diesen Jahren in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen, die sich in U-Haft oder in Strafhaft befanden eine "Entschädigung" bezahlt?
Wenn ja, wie vielen Personen (Aufschlüsselung auf Jahre und Gerichte)?

 

10.    Aufgrund welcher Rechtsgrundlagen wurden diese Entschädigungen jeweils geltend gemacht und wie wurden diese berechnet?
Welche Beträge wurden jeweils bezahlt (Aufschlüsselung auf Jahre und Gerichte)?

 

11.    Hat sich die Änderung von § 68 StPO (alt) bewahrt, dass jene Richter, die im Erstverfahren als Untersuchungsrichter oder in der Hauptversammlung tätig gewesen sind, sowohl von der Entscheidung über einen Wiederaufnahmeantrag als auch von der Mitwirkung und Entscheidung in einer neuen Hauptverhandlung ausgeschlossen wurden?


12.    Wie stehen Sie zu der Forderung, dass die Überprüfbarkeit der Entscheidung eines Geschworenengerichtes mit den Möglichkeiten anderer Verfahren gleichgestellt werden bzw. diese Überprüfbarkeit sogar erleichtert werden sollte (Erleichterung der Anfechtung)?

 

13.    Halten Sie es weiterhin mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar, dass ein und derselbe Staatsanwalt, der sich für die Verurteilung des ursprünglich Verdächtigen eingesetzt hat, auch im Wiederaufnahmeverfahren als Staatsanwalt einschreiten und diesen Antrag ablehnen kann?
Ist dieser Staatsanwalt zu einem derartigen Auftrag nicht auch zur Aufklärung verpflichtet, dass beispielsweise die von ihm in erster Instanz vertretene Anklage möglicherweise ein "Justizirrtum" war?

 

14.    Ein für ein Verfahren bereits einmal zuständiger Staatsanwalt ist aus Sicht der Fragesteller kaum in der Lage, Wideraufnahmeanträge objektiv zu sehen und als Anklagevertreter tätig zu sein. Wie stehen Sie dazu, dass statt des zuständigen Staatsanwaltes eine "Oberbehörde" mit einem Wideraufnahmeantrag befasst werden sollte?

 

15.    Welche Anweisungen oder Anordnungen haben Sie ergriffen oder werden Sie in Hinkunft ergreifen, um derartige Interessenkollisionen zu vermeiden und dafür Sorge zu tragen, dass nicht derjenige Staatsanwalt – der in gleicher Weise wie die übrigen Behörden auch verpflichtet ist, den Beschuldigten entlastende Umstände zu prüfen – mit der Vertretung in einer Strafsache befasst wird, in der er sich quasi selbst eines Justizfehlers zu überführen hätte?

 

16.    Besonders problematisch ist es, wenn im Strafverfahren Angehörige des/der Beschuldigten wegen angeblicher "falscher Zeugenaussage" von der Staatsanwaltschaft verfolgt werden, weil die Geschworenen ihren Aussagen nicht geglaubt haben und der Staatsanwalt auf Grund dessen ein entsprechendes Strafverfahren beantragt hat. Wäre es für derartige Fälle nicht sinnvoll, in der StPO eine "Strafbefreiungsklausel" vorzusehen?

 

17.    Halten Sie zusätzliche legislative Vorkehrungen für die Beantragung von Wideraufnahmeverfahren für erforderlich?

 

18.    Welche Erfahrungen liegen seit Inkrafttreten der Reform des Vorverfahrens zu Wiederaufnahmeanträgen, Wiederaufnahmeverfahren und deren Erledigungen vor?